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MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 443 Bewertungen
Bewertung vom 06.03.2020
Qube / Aus der Welt der Hologrammatica Bd.2
Hillenbrand, Tom

Qube / Aus der Welt der Hologrammatica Bd.2


gut

Geniale Idee!
Der Autor beschreibt eine Zukunft, die gerade einmal 70 Jahre nach unserer Gegenwart folgt: Die Welt hat sich verändert: Das Klima hat einige Regionen der Erde unbewohnbar gemacht, das menschliche Gehirn kann digitalisiert werden und werden dann zu 'Cogits', es gibt geklonte Körper, in welche die Cogits hochgeladen werden können - die Quants; Hologramme und augmented Reality sind eine Selbstverständlichkeit geworden und erfreuen vor allem die Gamer-Scene; das Internet ist zum Holonet geworden; es existieren extrem leistungsfähige Rechner auf Basis der Quantenmechanik...
... und es gibt Turing 1 und Turing 2 - Ereignisse bei denen die bereits zerstört geglaubten Klimacomputer erneut erwachen und drohen, die Kontrolle über den Planeten zu übernehmen. Und es gibt Fran Bittner, die im Wettlauf mit der Zeit versucht zu verhindern, dass die Kontrollübernahme durch die KI gelingt und am Ende sogar in den Weiten des Alls persönlich auf diese trifft. Eine Mischung aus SF und Thriller. Dabei sehr unterhaltsam!
Lieblingspassage: "Eine signifikante Zahl von Langzeit-Kosmonauten drehte irgendwann komplett durch. Fran hatte nie verstanden, was genau das Problem war. Nun wusste sie es. Ihre Panikattacke hatte weniger mit den Sternen selbst zu tun als mit der undurchdringlichen Dunkelheit zwischen ihnen. Die Schwärze da draußen war fremdartig, Furcht einflößend. Früher oder später musste man an ihr verzweifeln."

Bewertung vom 16.01.2020
Im Netz des Lemming / Lemming Bd.6
Slupetzky, Stefan

Im Netz des Lemming / Lemming Bd.6


ausgezeichnet

Mich als Krimiskeptiker hat dieses Werk von Stefan Slupetzky voll überzeugt, v.a. weil es weit mehr ist als ein Krimi! Mit bissigen Worten kommentiert der Autor - neben der ansprechenden Krimihandlung - die aktuelle politische Lage (in Österreich), das machtorientierte Agieren der Politiker und die Medienlandschaft, die zunehmende Hassbereitschaft der Menschen in der Anonymität der digitalen Welt, die zunehmende, wertebezogeneSpaltung des Landes und die ungleich verteilten Bildungschancen; über die Ausgrenzung von Menschen, die anders sind, seien sie Flüchtlinge, Asylanten oder Mitschüler mit einem Makel, auf deren Kosten man dann sein eigenes Selbstwertgefühl aufrichten kann.
Durch die Handlung führt uns ein düster-humarvolles, nicht autorisiertes Ermittlerteam aus zwei äteren Herren, die zudem noch mit ihrem Alter hadern...
Die Handlung strebt einem unerwarteten und fulminanten Ende entgegen.
... und immer wieder taucht die sensationsgeile Masse auf,die, bewaffnet mit beständig aufzeichnungsbereiten Smartphones, überall nur die Kamera draufhält, anstatt selbst Position zu beziehen, einen Standpunkt einzunehmen, zu helfen oder sich zu engagieren.
Dieser Kriminalroman ist auch ein Appell für eine gerechtere Gesellschaft, die wieder weiß, wie Respekt funktioniert.
Sensationelle Stellen im Text! Das Täterprofil des Haters: "... ledig oder in einer schon länger dauernden Beziehung. - Warum das? - Weil frisch Verliebte anderes im Kopf haben."
"Ich bin prinzipiell kein großer Freund unserer Spezies. Aber ich bezweifle, dass es Weltreligionen gibt, in denen durchschnittlich mehr Arschlöcher geboren werden als bei uns in Österreich."
"Dummheit zählt tatsächlich zu den bösartigsten Krankheiten: Am meisten leiden die an ihr, die nicht von ihr befallen sind."

Fazit: Unbedingt lesen und weiter empfehlen!!!

Bewertung vom 29.12.2019
Sweet Sorrow
Nicholls, David

Sweet Sorrow


gut

Eine anrührende, wunderbar erzählte geschichte...
David Nichols erzählt die Geschichte der ersten großen Liebe des 17-jährigen Charles Lewis zu Fran Fisher, von den Schwierigkeiten des Teenagerseins; davon, wie man sich im Verlauf der Jahre mit dem Leben und der Liebe arrangiert; davon, dass auch nach 20 Jahren die erste Liebe etwas Besonderes und Großes ist und bleibt.
Wie die Liebe verändert. Wie durch die Liebe eines anderen Menschen das Positive an einem selbst gespiegelt wird. Wie die Liebe eine Lust auf das Leben erzeugt, einem Mut gibt für die Dinge, die man sonst nicht getan hätte, wie sie Pläne entstehen lässt. Wie aus der eigenen Unsicherheit durch das Verliebtsein plötzlich eine ungekannte Sicherheit erwächst. Wie aus dem zunächst emotional verwirrten Teenager mit erschwerten herkunftsfamiliären Ausgangsbedingungen (Trennung der Eltern, depressiver, trinkender Vater) ein lebenszugewandter junger Mann wird, der schließlich weiß, was ihm wichtig ist...
Zwischen der Vorfreude und der Verzweiflung am Ende liegt die Liebe... und doch geht es weiter und alles fügt sich irgendwie...
Würde man die Szenen der Liebe aus dem Skript des gesamten Lebens heraustrennen, es wären wohl nur wenige Blätter, aber dafür bunt und von unbezahlbarem Wert...
Auch wenn das Buch kleine Längen hat und an anderer Stelle etwas sehr flott erzählt ist - eine anrührende, wunderbar erzählte Geschichte!

Bewertung vom 08.11.2019
Ein anderer Takt
Kelley, William Melvin

Ein anderer Takt


gut

William Melvin Kelley (1937-2017) hat sich in seinem 1962 erstmals erschienenen Buch einem leider wieder brandaktuellen Thema gewidmet: Dem Rassismus. Das Besondere: Kelley, selbst Farbiger, wählt die Perspektive der Weißen und siedelt die Handlung in den 'Südstaaten' an. Die Handlung ansich ist wenig spektakulär (siehe Klappentext), aber multiperspektivisch aufbereitet. Ein Kernthema ist der Verlust der Würde: "Wenn Tucker was verloren hat, aber gar nicht wusste, dass er es hatte, kann er doch nicht wissen, dass er es verloren hat. (...) Nur wenn man weiß, dass man was hat, kann man wissen, dass man es verloren hat..." Vielleicht einer der Schlüsselsätze: "Bis dahin kann ich nur sagen, mein Sohn wird nicht für Sie arbeiten. Er wird sein eigener Boss sein. Wir haben lange genug für Sie gearbeitet, Mister Willson. Sie haben versucht, uns zu befreien, aber wir wollten nicht gehen, und jetzt müssen wir uns selbst befreien." und: " Man hat nur eine einzige Chance: Wenn man kann und wenn man will. Wenn eins davon fehlt, braucht man's gar nicht erst zu versuchen:" Und am Ende steht die Rückeroberung der Würde und die Gewalt der Weißen.

Bewertung vom 03.11.2019
Der Manndecker
Menke-Peitzmeyer, Jörg

Der Manndecker


gut

örg Menke-Peitzmeyer hat ein durchaus unterhaltsames Buch mit einem Schuss Tiefgang geschrieben. "Der Manndecker" dürfte vorwiegend die männliche Leserschaft ansprechen ist aber natürlich wegen der großen Chance eines Perspektivwechsels auch für die weibliche Leserschaft ein Zugewinn. Wenn Lebensträume zusammenschrumpfen (von der Schauspielerkarriere zur Fußball-Comedy in sauerländischen Dorfkneipen), die Kohle nie genug ist, Ehen scheitern und die Beziehung zum eigenen Sohn nicht so richtig gelingen mag, dann verliert man schonmal den Glauben an sich selbst- genau so ergeht es dem 'Manndecker'. Am Ende steht für ihn ein Neubeginn mit einer alleinerziehenden Mutter auf einem Bauernhof; davor muss der 'Manndecker' Sachen zu Ende bringen - sonst klappt kein Neubeginn. Also hört er auf weglaufen zu wollen und weiter mit seinem Fußball-Programm durch die Dorfkneipen zu tingeln; vielmehr kuschelt er am Ende mit Kühen, bzw. Julia der Bäuerin. Es braucht Umwege, um zum Ziel zu gelangen. Es braucht die Melancholie und das Scheitern, um zum Eigentlichen zu finden! Ein kluger Satz gegen Ende bringt die Geschichte auf den Punkt: "Nah an den Menschen war ich nur auf der Bühne. Da, wo es keine Menschen gab, nur Figuren. Ansonsten wusste ich nicht das Geringste über sie. Sonst wäre mir mein Leben nicht so entglitten."

Bewertung vom 18.10.2019
Verratenes Land
Iles, Greg

Verratenes Land


ausgezeichnet

Anspruchsvolle Spannung.
Am Ende des über 800 Seiten langen und an keiner Stelle langweiligen Romans wird es dann wohl doch die Buchhändlerin... Der letzte Satz: "Jetzt wartet das wirkliche Leben." Und all die vielen Seiten vorher? Spannung und Dramatik auf hohem literarischen Niveau. Der Autor Greg Iles kann erzählen - er erweckt seine Figuren zum Leben und spinnt fatale Beziehungsmuster, welche die Protagonisten ständig aufs Neue fordern. Mit keiner der handelnden Personen meint es das Leben wirklich gut; es ereignen sich wahre Dramen und moralische Zwickmühlen; ein Thriller mit Anspruch, dessen Handlung sich bis zur letzten Seite zuspitzt. Kleine, gut in die Handlung eingebundene Exkurse über das Leben und die Liebe bereichern das Buch zusätzlich: "Der älteste menschliche Fehler ist, anzunehmen, dass wir über die Menschen, die wir lieben, alles wissen." Es ist auch ein Buch über Schuld und Verzeihen, über Entzweiung und Wiederannäherung. Es ist vor allem ein Buch über ein postmodernes Heldentum; es geht nicht mehr um den klaren Sieg des Guten über das Böse, welches beim Leser stets das wohlige Gefühl hinterlässt, dass es mit der Welt schon in Ordnung kommen wird. Dem postmodernen Helden begegnen moralische Zwickmühlen und zwingen ihn zu einem Mitspielen in einer korrupten Welt; es geht um ein Abwägen, welches sich nicht an 'entweder-oder-Kategorien' orientieren kann, sondern oft genug nur das kleinere Übel wählen muss. Den Erfolg des Helden auf ganzer Linie gibt es nicht mehr, es gibt Folgekosten und Nebenwirkungen. Postmodernes Heldentum bedeutet genau diese Ambivalenzen auszuhalten, zu handeln trotz moralischer Bedenken. Vielleicht braucht es ja eine Art 'Meta-Moral', eine Moral der Moral... weil es wohl doch nichts Richtiges im Falschen gibt!
Wer als Leser diese moralischen Konflikte der Protagonisten miterleben kann, wird am Ende reich beschenkt! UNBEDINGTE LESEEMPFEHLUNG!!!

Bewertung vom 13.09.2019
Die Leben der Elena Silber
Osang, Alexander

Die Leben der Elena Silber


sehr gut

Beeindruckend!
Auf den knapp über 600 Seiten ist Alexander Osang ein großer Wurf gelungen. Als Kriegsenkel bgibt er sich - wohl durch die eigene Familiengeschichte inspiriert - in seinem Roman auf die Suche nach der Vergangenheit, um die Gegenwart besser zu verstehen. So ergründet der Protagonist Konstantin Stein, Filmemacher, die Geschichte seiner Familie, in der Hoffnung auf einen Filmstoff, dabei ausgehend von seiner russischen Großmutter Jelena, deren Name im Verlauf immer mehr Buchstaben verliert: So wird aus Jelena Elena und schließlich Lena. Parallel zur Mehrung des Wissens über die Vergangenheit der Familie vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis ins Jahr 1990 verliert Konstantins Vater demenzbedingt zunehmend seine Erinnerung. Wir lernen zudem eine weitere Form des Vergessens kennen. Wir erfahren, wie Elena unerträgliche Erinnerungen durch Verdrängung dem Vergessen anheimgibt. "Die Menschen erinnern sich nur an das, was in ihre Lebensgeschichte passt." Es ist fantastisch beschrieben, wie sich bei Elena mit dem Näherrücken des Todes die Erinnerungen dann doch wieder einstellen und die Gegenwart nicht mehr der zentrale Orientierungspunkt ist. Insgesamt ein sehr vielschichtiges Buch über das Erinnern und das Vergessen, über das Begreifen der eigenen Familiengeschichte als einer Entdeckungsreise die versöhnen kann. Unbedingt lesenswert!!!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.07.2019
Gespräche mit Freunden
Rooney, Sally

Gespräche mit Freunden


ausgezeichnet

Herausragend!!!
Für die konkrete Inhaltsbeschreibung bitte den Klappentext lesen...
Ein recht harmloser Beginn steigert sich zu einem fulminanten Ende hin - nicht aber, weil die Story so reich an action ist, sondern weil die Figuren sich zunehmend verstricken und individuelle Hintergrundtragiken deutlich werden. Es wird sich viel getroffen, viel geredet (erinnert an das, was man aus französischen Filmen kennt), telefoniert und Kurznachrichten ausgetauscht. Trotz der hohen Kommunikationsdichteund sexueller Begegnung herrscht aber Beziehungslosigkeit - man gibt sich einigermaßen sozialkompatibel nach außen hin, doch im Inneren herrschen oftmals Unsicherheit und das Gefühl, der Idealvorstellung vom eigenen Selbst nicht gerecht werden zu können; dies gilt insbesondere für die Hauptfigur Frances. Das Zwischenmenschliche scheint zunehmend schwer zu regulieren, da bräuchte es dann doch endlich mal einen praktikablen Managementansatz - doch eigentlich weiß man schon im Vorhinein, dass auch dieser scheitern wird. Irrungen und Wirrungen werden bleiben! So lässt die Autorin ihre Ich-Erzählerin Frances folgende Gedanken denken: "... ich bekam Mitleid mit und allen, als wären wir nur kleine Kinder, die so taten, als seien sie erwachsen." Oder auch: "Ich schloss die Augen, und es war, als verschwände das gesamte Mobiliar aus meinem Zimmer, wie bei einem rückwärts gespielten Tetris, alles kletterte auf dem Display nach oben und löste sich dann in Luft auf, und das nächste, war verschwinden würde, war ich." Ist schon große Kunst, einen inneren Zustand in dieser Art zu beschreiben! Letztendlich bleibt es am Ende offen, wie es mit der 21-jährigen Frances weitergehen wird. "Als ich die Augen öffnete, spürte ich, dass ich etwas verstanden hatte, und die Zellen meines Körpers schienen aufzuscheinen wie Millionen glühende Kontaktpunkte, und ich war mir einer tiefgründigen Erkenntnis bewusst. Dann stand ich auf und brach zusammen." (Das ist noch nicht der Schlusssatz!). Das Buch hat mich Seite für Seite immer mehr in seinen Bann gezogen; fantastische Beschreibungen von inneren Zuständen und Ambivalenzen sowie von äußeren Geschehnissen. Immer wieder kurze und unerwartete Sätze. Ein herausragendes Werk!!!

Bewertung vom 13.07.2019
Die Lotosblüte
Sok-Yong, Hwang

Die Lotosblüte


gut

Melancholische Poesie.
Der Roman "Die Lotosblüte" des koreanischen Autors Hwang Sok-Yong, Jahrgang 1943, im Original bereits im Jahr 2003 erschienen, ist die wunderbar lesbare Lebensgeschichte eines Mädchens, welches schon sehr früh auf die vorgezeichnete Bahn einer Kurtisane gerät. Orte der Handlung finden sich im Ostasien des 19. Jahrhunderts. Hineingeboren in eine von Männern beherrschte Welt, mit kaum einer Chance, einen Ausweg aus dem Geschäft mit dem eigenen Körper, geschweige denn einen sozialen Auftieg zu erreichen. Die Protagonistin Chong aber schafft es - mit einer gehörigen Portion Mut, Menschlichkeit und Unangepasstheit - ihren Weg zu gehen. "Während Chong so zuhörte, kam ihr der Gedanke, dass die Welt unheimlich groß sein musste, ohne Grenzen, und dass unendlich viele Menschen an unendlich vielen Orten auf dieser Welt lebten." Am besten liest Mann / Frau dieses Buch im Halbschatten eines Laubbaumes und hört beim Genuss der Zeilen, wie der Wind durch die Blätter rauscht.

Bewertung vom 21.06.2019
All die unbewohnten Zimmer
Ani, Friedrich

All die unbewohnten Zimmer


ausgezeichnet

Mal wieder ein großer Wurf...
Mal wieder ein großer Wurf von Friedrich Ani! Für seinen neuen Roman hat er sein Personal aufgestockt, spielen doch neben Tabor Süden drei weitere Kommissar*innen eine Hauptrolle. Auch in dieser Geschichte sind die Tötungsdelikte nicht die Hauptsache sondern lediglich das Szenario, auf dem der Autor ein Bild des aktuellen Status unserer Gesellschaft entwickelt. Schon der Titel gibt ja Rätsel auf! Verschiedene Handlungsstränge sind miteinander verwoben, die sich am Ende in ein stimmiges Gesamtbild fügen; die Handlung wird vorangetrieben durch unglückliche Zufälle und enttäuschte, frustrierte und 'unbehauste' Menschen. Ani beschreibt hervorragend, wie die Menschen nicht zueinander finden können, wie das Leben und die Jobs sie frustrieren, es wird viel getrunken und es gibt eine Unfähigkeit das alles angemessen zu betrauern - es geht einfach nur abwärts... Was der letzte Satz, den Buchtitel erklärend, auf den Punkt bringt: "Manchmal denke ich, vielleicht wohne ich gar nicht hier. Vielleicht komme ich bloß her, um zu träumen und wieder zu verschwinden - in die Wirklichkeit da draußen, von der es heißt, ich sei ein Teil von ihr."