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anette1809 - katzemitbuch.de
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Sulzheim
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Bewertungen

Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2016
Das Mädchen und der Soldat
Sax, Aline

Das Mädchen und der Soldat


ausgezeichnet

Ein von der Größe her unscheinbares Büchlein liegt dem Leser in der Hand, der sich für diese Geschichte entschieden hat. Unter dem Zusatz, dass das Buch von Ann de Bobe illustriert ist, hatte ich mir ein großformatiges Werk vorgestellt, ähnlich einem Bilderbuch. Tatsächlich hat das Werk nur eine Größe von etwa DINA6 und ist damit kleinformatiger als die meisten Romane.

Vorsatzseiten und Bilder sind in Camouflagefarben gehalten. Selbst, wenn das Werk durchaus hoffungsvolle oder schöne Szenen enthält, so lassen uns die Farben - oder vielmehr das Abhandensein der Farben - doch nie vergessen, dass wir uns mit "Das Mädchen und der Soldat" im Krieg befinden. Die Bilder weisen einen leichten Fotorealismus auf, so dass sie einem beim Lesen noch näher gehen. Die verwendeten Farben lassen zum einen Assoziationen zum Krieg aufsteigen, zum anderen verstärken sie die Bindung an das blinde Mädchen, welches ebenfalls nur einen einseitigen Eindruck seiner Umgebung gewinnen kann: durch Ertasten oder ihren Geruchssinn.

Der Inhalt der kurzen, aber gehaltvollen Geschichte ist schnell zusammengefasst: Ein blindes Mädchen lernt einen dunkelhäutigen Soldaten kennen. Da ihr die Sehkraft fehlt, versucht sie bis ins Innere des Soldaten vorzudringen und lernt dort einen Mann kennen, mit dem sie schon bald eine tiefe Freundschaft verbindet. Ihrer Freundschaft verleiht sie Substanz mit einem selbstgebackenen Brot. Sie will ihm damit ein Stück seiner verlorenen Heimat zurückzugeben und ihrer Freundschaft Ausdruck verleihen. Im Gegensatz zu den anderen Menschen in ihrem Land, die in dem Soldaten nur einen Feind sehen und jemanden, der allein schon wegen seiner Hautfarbe anders ist als sie, erkennt das Mädchen in ihrem Gegenüber einfach den Menschen. Einen, der auf Grund des Krieges seine Heimat verlassen musste und sehr schwer darunter leidet. Nur leider sitzt der Soldat am nächsten Tag nicht mehr auf der Bank, wo die beiden sich tagtäglich getroffen haben. Das Mädchen muss dem Soldat jedoch unbedingt das Brot bringen, als letzten Hoffnungsschimmer in einem fremden Land, denn sie hat bemerkt, dass dem Soldaten jeglicher Halt fehlt, um den Krieg weiterhin durchzustehen. Das Mädchen lässt nichts unversucht, um den unbekannten Soldaten wiederzufinden und erfährt dabei Hilfe von unerwarteter Seite.

Der Beginn des kleines Büchleins liest sich etwas störrisch, da ein allwissender Erzähler die Szenen abwechselnd aus der Sicht des blinden Mädchens und aus der Sicht des Soldaten erzählt. Tatsächlich dachte ich nach dem ersten Kapitel spontan an einen Fehldruck. Nachdem sich die Wege der beiden jedoch trennen, verliert sich dieser Eindruck gänzlich.

Das Brot ist ein Symbol für Heimat, Familie und Freundschaft, für Zusammenhalt und Stärke, für einen Notnagel, an dem man sich in der Fremde festhalten kann und der einen zurück ins Leben holt. Weit weg von seiner Familie hätte der Soldat den Mut weiterzuleben verloren, wäre er nicht zur rechten Zeit dem Mädchen und ihrem Brot begegnet.
"Das Mädchen und der Soldat" ist eine kurze, aber sehr intensive Erzählung über den Wert von Familie und Freundschaft und darüber, was einen Menschen tatsächlich ausmacht, wenn man sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken lässt, sondern nur tief in sein Innerstes schaut.

Bewertung vom 21.09.2016
Teslas grandios verrückte und komplett gemeingefährliche Weltmaschine / Tesla Bd.3
Shusterman, Neal;Elfman, Eric

Teslas grandios verrückte und komplett gemeingefährliche Weltmaschine / Tesla Bd.3


ausgezeichnet

Nachdem der zweite Teil der Accelerati Trilogie sehr überraschend und mit einem großen Cliffhanger endete, musste ich dringend erfahren, wie es mit Nick und seinen Freunden im abschließenden Band der Reihe weitergeht. In "Teslas irrsinnig böse und atemberaubend revolutionäre Verschwörung" hatten sich die Karten neu gemischt, was die Reihen von Gut und Böse angeht. Selbst die Protagonisten sind sich nicht immer sicher, auf welche Seite sie sich schlagen sollen, die Charaktere sind sehr vielschichtig gezeichnet, so dass es einem als Leser nicht anders ergeht als den Figuren in der Geschichte: es ist schwer sich über die Beweggründe einzelner Personen sicher zu sein und sie eindeutig einer Seite zuzuordnen.
Wie bereits in den Vorgängerbänden dreht sich die Handlung um die Mission alle Erfindungen Teslas zurückzuerlangen, die Nick im Auftaktband bei einem Garagenflohmarkt verkauft hat. Die einzelnen Erfindungen sind Teil eines großen Ganzen: dem Far Range Energy Ermitter, kurz F.R.E.E., dem Lebenswerk Nikola Teslas. Um den Far Range Energy Ermitter fertig zu stellen, fehlen nun zwar nur noch drei von Teslas Erfindungen, doch es stellt sich als äußerst schwer heraus, diese zurück zu erlangen. Ein Teil entscheidet für jemanden über Leben und Tod, eine Erfindung könnte überall auf der Welt sein, und die letzte der fehlenden Komponenten des F.R.E.E. bringt Nick in eine äußerst prekäre Lage... Zudem müssen die Freunde Nick, Caitlin, Vince und Mitch große Teile des letzten Abenteuers getrennt bestreiten, da Nick am Ende des zweiten Bandes in die Hände der Accelerati gefallen ist.
Shusterman und Elfman haben auch mit dem letzten Teil der Accelerati-Trilogie ein wahres Ideenfeuerwerk gezündet und überraschen mit einer Auflösung, die absolut logisch ist und auf die konsequent hingearbeitet wurde, und die für mich trotzdem nicht vorhersehbar war, da ich neben den ganzen irrwitzigen Ideen den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen habe. Der Einfallsreichtum von Shusterman und Elfman setzt sich bis zum Ende hin fort zu den verrückten Schicksalen, die sich das Autorenduo für seine Protagonisten ausgedacht hat.

Die Accelerati-Trilogie strotzt nur so vor wahnwitzigen Ideen und entfacht beim Leser ein wahres Kopfkino. Shusterman und Elfman haben einen unheimlich intensiven und bildhaften Schreibstil, dem man ihre Arbeit bei Film und Fernsehen anmerkt. Die Reihe ist ein Genuss für technikaffine Leser, die Ausarbeitung und die Beschreibung von Teslas Erfindungen bewegen sich auf einem Level, der selbst erwachsene Leser fordert und auf höchstem Niveau unterhält.
Die Accelerati-Reihe hat bei mir die Lust geweckt mehr über das Leben und Wirken Nikola Teslas zu erfahren, denn auch wenn die Geschichte von Nick und seinen Freunden fiktiv ist, basiert sie auf so vielen historischen Personen und Tatsachen, dass man neugierig auf die Fakten und Hintergründe wird, die die Basis für diese herausragende Jugendbuchreihe bilden.

Reihen-Info:
Accelerati 1: Teslas unvorstellbar geniales und verblüffend katastrophales Vermächtnis (Tesla's Attic)
Accelerati 2: Teslas irrsinnig böse und atemberaubend revolutionäre Verschwörung (Edison's Alley)
Accelerati 3: Teslas grandios verrückte und komplett gemeingefährliche Weltmaschine (Hawking's Hallway)

Bewertung vom 21.09.2016
Little Miss Florida
DiCamillo, Kate

Little Miss Florida


ausgezeichnet

Drei gänzlich unterschiedliche Mädchen wollen aus völlig verschiedenen Beweggründen den Titel der "Little Miss Florida" erringen. Raymie will mit dem Titel ihren Vater beeindrucken und ihn damit zu ihrer Familie - sprich ihrer Mutter und sich - zurück holen, Louisiana braucht das Wettbewerbspreisgeld als Lebensunterhalt für ihre Großmutter und sich, da die beiden nach dem Tod von Louisianas Eltern in sehr ärmlichen Verhältnissen leben, außerdem möchte Louisiana mit dem Preisgeld ihren Kater Archie aus dem Happy Heimtiercenter auslösen, und Beverly... - nun ja, die will den Wettbewerb sabotieren.

Kate DiCamillo zeichnet einen ungewöhnlichen Weg auf, wie sich zwischen drei ganz unterschiedlichen Mädchen nach und nach eine große Freundschaft entwickelt und sie dabei über ihren eigenen Schatten springen, um ihren Mitstreiterinnen aus jeder Patsche zu helfen. Raymies Schicksal entwickelt sich nach ihrem literarischen Vorbild wider Willen Florence Nightingale, nachdem sie feststellt, dass es ihr viel besser geht, wenn sie jemandem helfen kann und ihre Probleme dadurch in den Schatten gestellt werden. Beverlys Selbsthass legt sich, nachdem sie ihren neuen Freundinnen immer und immer wieder bei ihren Missionen helfen kann. Beverlys Problem lag anscheinend darin, dass sie nicht genug gebraucht wurde. Und Louisiana wächst über sich hinaus, nachdem sie gleich zwei beste Freundinnen hinter sich stehen hat, die zu ihr halten und an sie glauben.

'Vielleicht würde am Ende ja doch noch alles gut.' (S.53)

Vielleicht wird bei Raymie, Beverly und Louisana auch deshalb wieder alles gut, weil sie ihren Glauben an Wunder noch nicht verloren haben. Wenn man Louisana etwas nicht beweisen kann, dann ist es auch nicht geschehen, vielleicht sollte man sich als Erwachsener ein Stück dieser kindlichen Unschuld bewahren, wer weiß, was dann alles in Erfüllung gehen kann?

Das Schriftbild ist großgedruckt, die Kapitel gerade mal zwei Seiten lang, so dass die Geschichte trotz einer Länge von über 200 Seiten blitzschnell gelesen ist, ein Kapitel geht immer noch, und noch eins, und noch ein letztes... Ideal für Leseanfänger oder zum Vorlesen.

Den jugendlichen Hauptfiguren wird verschrobenes erwachsenes Personal an die Seite gestellt, so dass man sich manchmal nur noch mehr wie in einem modernen Märchen vorkommt - einem Märchen aus dem DiCamillo-Universum, in dem am Ende tatsächlich alles gut wird, vielleicht nicht so, wie die Protagonisten sich das ausgemalt haben, aber es wird gut.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2016
Milchmädchen
Gemin, G. R.

Milchmädchen


ausgezeichnet

Durch einen Fahrradunfall kommt Gemma in Kontakt mit Kate, die von allen nur Cowgirl genannt wird. Gemma stammt aus dem schäbigen walisischen Wohngebiet Bryn Mawr, einem Viertel, in dem viel Gewalt herrscht, die Mittelschicht teilweise am Rande der Armut lebt und kein freundschaftlicher nachbarschaftlicher Umgang gepflegt wird. Ihr Vater ist im Knast, die Mutter überarbeitet und gereizt und der kleine Bruder nervt einfach nur. Kate wohnt zwar auf einem Bauernhof mit Milchwirtschaft, aber sie befindet sich in einer ausweglosen Situation: sie hängt mit vollem Herzen an ihren Milchkühen, aber auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage sieht sich ihr Vater gezwungen die Kühe an einen reichen Milchbauer zu verkaufen, von dem sie die Weideflächen gepachtet haben. Für ihre Vater ist das ein reines Geschäft, da er nie Milchbauer aus Passion war, aber Kate hat die Leidenschaft von ihrem verstorbenen Großvater geerbt und gemeinsam mit Gemmas Großmutter, die damals im Krieg auf dem Milchbauernhof ausgeholfen hat, bringt sie einen Stein ins Rollen, der bald ganz Bryn Mawr auf den Kopf stellt.

"Milchmädchen" ist eine unheimlich intensive Geschichte über das Aufeinandertreffen zweier Außenseiter, die über eine Zweckgemeinschaft nach und nach zu besten Freundinnen werden. Was eine Herde Milchkühe damit zu tun hat, und warum Bryn Mawr am Ende des Buches ein Musterbeispiel für gelebte Nachbarschaft ist, das muss schon jeder für sich selbst entdecken.
Für mich war es ein wunderschönes, modernes Märchen, bei dem es mir fast ein paarmal vor Rührung die Tränen in die Augen getrieben hat, weil man so eine Nachbarschaftshilfe, wie sie im Laufe des Buches in Bryn Mawr gelebt wird, kaum noch findet. Dazu schafft G. R. Gemin ein realistisches und nachfühlbares Bild einer sozial schwachen Mittelschicht, die lernen muss, Hilfe zur Selbsthilfe zu schaffen, da das soziale Netz oftmals zu große Maschen hat, um alle Probleme aufzufangen.
Die Figuren sind teilweise ein bisschen verschroben, aber das macht die ganze Geschichte nur noch liebenswerter und märchenhafter. Ganz besonders ist mir Gemmas Großmutter ans Herz gewachsen, aber auch die schwieriger zugänglichen Charaktere wie beispielsweise Gemmas Vater machen "Milchmädchen" zu einer runden Sache und verleihen der Geschichte ihren ganz besonderen Reiz.
Hier werden viele Einzelschicksale zu einer großen Dorfgemeinschaftsgeschichte verknüpft, die zeigt, dass etwas, das im Kleinen anfängt und nur durch die Hartnäckigkeit weniger Personen verfolgt wird, ganz Großes bewirken kann! "Milchmädchen" ist eine wunderschöne Erzählung über die Kraft von Freundschaft und den Glauben an sich selbst.

Bewertung vom 07.09.2016
König Laurin
Thilo

König Laurin


sehr gut

Theodors Vater ist von ihm enttäuscht, weil er für seine sechzehn Jahre viel zu klein für sein Alter ist. Laut König Dietrich kann so aus ihm niemals ein richtiger Ritter werden. Schnell merkt man jedoch, dass Theodor zwar nicht viel an Körpergröße mit sich bringt, dafür aber Köpfchen hat, als er mit einer gewitzten Idee einen mageren Esel vor dem sicheren Tod rettet.
Eines Tages blamiert er sich dank seines hinterhältigen Vetters Wittich auf äußerst peinliche Art vor dem ganzen Volk. Auf der Flucht vor der Blamage stürzt er in den Bergen von einem Fels und wird dort von dem legendären Zwergenkönig Laurin gerettet. Früher hatten die Menschen und die Zwergen ein enges und freundschaftliches Bündnis geführt, zudem waren die Zwerge dafür verantwortlich, dass in König Dietrichs Reich alle Pflanzen und Blumen gut wuchsen und gediehen. Doch als Theodor acht Jahre alt war, starb seine Mutter an einem mit Tollkirschen vergifteten Kirschwein und König Dietrich gab den Zwergen die Schuld daran und verdammte sie aus seinem Reich. Seitdem starben die Pflanzen in seinem Reich und die Zwerge waren ein von den Menschen verhasstes Volk.
Zunächst lässt Zwergenkönig Laurin Theodor für die Ungerechtigkeit seines Vaters büßen, doch schon bald entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, die Theodor jedoch durch eine dumme Tat aufs Spiel setzt...

Einige Textpassagen waren mir für den mittelalterlichen Inhalt sprachlich zu modern gehalten, allerdings spricht der Stoff in dieser Ausführung wohl eher das jugendliche Publikum an, als wenn eine veraltete Sprache Verwendung gefunden hätte. Als "Buch zum Film" hält sich die Geschichte natürlich eng an die Drehbuchvorlage, und durch die Filmfotos in der Mitte des Buches entwickelt sich keine eigene Vorstellung der Figuren und Schauplätzen der Geschichte in der Fantasie, wie man es bei anderen Büchern ausleben kann.

Bis auf die stilistischen Kritikpunkte ist "König Laurin" jedoch eine überzeugende Geschichte über den Wert von Freundschaft und darüber, dass wahre Größe nicht mit dem Maßband gemessen werden kann. Bis dies den Helden der Geschichte klar wird, ist es jedoch ein weiter Weg mit einigen spannenden Wendungen, "großen" Helden, hinterhältigen Fieslingen und witzigen Anspielungen auf Dinge aus unserer heutigen Zeit, die angeblich in der Geschichte um König Laurin und Theodor erfunden wurden.

Bewertung vom 23.08.2016
Flutlicht
Hart, Julius 't;Samson, Gideon

Flutlicht


sehr gut

An dem Abend des WM-Endspiels 2010 zwischen Spanien und den Niederlanden wird Pieter durch eine Freundschaftsanfrage auf Facebook blitzartig in seiner Erinnerung nach Sri Lanka katapultiert zur Zeit des Dezember 2004: Dort macht Pieter ein Auslandsjahr nach seinem Schulabschluss und unterrichtet an einer Schule blinde und taubstumme Kinder. An dem Wochenenden ist er häufig mit seinem Freund John in Touristengebieten unterwegs, die beiden genießen das faule Leben am Strand im Ausgleich zu ihrem Job während des Freiwilligenjahres. Im Dezember 2004 lernen sie an einem dieser Strandabende zwei schwedische Mädchen kennen, Elin und Isabelle, zwischen Pieter und Elin knistert es vom ersten Augenblick an. Doch irgendetwas muss in den nächsten Tagen vorgefallen sein, dass Pieter zwar Elin nie vergessen hat, aber über Isabelle und alles andere aus dieser Zeit am liebsten einen Mantel des Vergessens breiten würde:
Am 26. Dezember 2004 ereignete sich durch ein Erdbeben im Indischen Ozean eine der schlimmsten Tsunamikatastrophen der Geschichte. Durch einen zunächst ärgerlichen, aber letzten Endes sehr glücklichen Zwischenfall werden Pieter und Elin am nächsten Morgen des gemeinsam verbrachten Strandabends nicht direkt am Wasser vom Tsunami überrascht und in den Tod gerissen, sondern in ihren Guest Houses, die etwas weiter im Landesinneren liegen, aber nicht weit genug, um der Katastrophe entgehen zu können, aber immerhin weit genug, um mit dem Leben davon zu kommen...
Was folgt sind die Erlebnisse von Pieter und John, die den Tsunami in Sri Lanka erleben und ihm entkommen, Momentaufnahmen von glücklichen Wiedersehen und einzelnen geretteten Personen, im Gegenzug dazu jedoch die abertausenden Menschen, die auf Grund der Katastrophe ihr Leben verloren haben und die Zerstörung im ganzen Land. Der Autor benennt nicht jedes Grauen direkt, welches Pieter oder John unter die Augen kommt, aber durch die Kommunikation zwischen den beiden, die häufig ohne jedes Wort auskommt, kann man sich das Unheil trotzdem vor Augen rufen.

Die Freundschaftsanfrage auf Facebook stammt im Übrigen von Elin... Kann Pieter den Mantel von den Ereignissen des Dezember 2004 nehmen und der Freundschaft zu Elin eine zweite Chance geben?

Die Verknüpfung zwischen Gegenwart und Vergangenheit durch den stetigen Wechsel in der Erzählung und der Verknüpfung zu dem WM-Endspiel ist sehr gelungen und man kann das Buch kaum zur Seite legen, da man schnell erkunden möchte, wie sich Pieter und Elin in Sri Lanka kennengelernt haben und warum Pieter zwar immer an sie denkt, dabei aber Isabelle am liebsten vergessen möchte.
Pieter und John verarbeiten ihre Erlebnisse vor Ort und in den Folgejahren auf völlig unterschiedliche Art. Der Autor benennt dies nicht direkt, aber durch das Verhalten der beiden wird dem Leser klar, wie sie die Katastrophe verarbeiten. Ebenso haben mir die unterschiedlichen Momentaufnahmen aus den Leben verschiedener Personen gefallen, denen P. und J. nach der Katastrophe begegnen. Nur das Zusammentreffen zwischen den beiden mit Elin und Isabelle hätte ich mir ausführlicher gewünscht, für mich blieb das ganze zu blass, um die großen Gefühle zwischen Pieter und Elin zu verstehen oder um Isabelle zu vermissen.

Bis auf kleine Kritikpunkte ein sehr fühlbarer biographischer Zeitzeugenbericht und Roman, der den Leser das Grauen des Tsunami von 2004 hautnah spüren lässt. Die Geschichte in Anlehnung an ein Fußballspiel aufzubauen, lässt die Erzählung noch eindringlicher wirken, man hat das Gefühl die Zeit läuft ab... den Fußballspielern, um das entscheidende Tor zu schießen, den beiden Jungs in Sri Lanka ihr eigenes und das Leben von anderen zu retten. Zudem schafft der Bezug eine noch engere Bindung an ein jugendliches Lesepublikum, da Sri Lanka und der Tsunami zwar ferne und beinahe unbegreifliche Eindrücke bieten, das Ganze aber aus der Sicht eines normalen, fußballbegeisterten Jungen erlebt und erzählt wird, mit dem man sich leicht identifizieren kann.

Bewertung vom 23.08.2016
Mordskater. Ein Fall für Elvis
Zadow, Max

Mordskater. Ein Fall für Elvis


sehr gut

Die Abenteuer von Elvis und Max gehen weiter: Mord in der Roosevelt-Siedlung! Der Graupapagei Goethe von Max' Nachbarn Hillers ist in seinem Käfig aufs Brutalste gemeuchelt worden. Nicht zuletzt auf Grund der krallenförmigen Spuren verdächtigt Dr. Hiller Elvis des Mordes, es ist schließlich kein Geheimnis, das Max und Hillers nicht das beste Verhältnis zueinander pflegen und Dr. Hiller kein Katzenfreund ist.
Bevor Max Zadow jedoch mit Elvis' neuem Abenteuer loslegt, nimmt er sich in einer Art Vorwort "Eine Kritik von Dr. Ferdinand Hiller" selbst auf die Schippe, in dem er seinen Debütroman kritisiert und sich über die beiden Cover lustig macht, die beide Male einen Schildplattkater zeigen, wo Schildplattzeichnungen doch eigentlich dem weiblichen Katzengeschlecht vorbehalten sind, und diesen jeweils spiegelverkehrt abbilden.
In der zweiten Geschichte trifft man alte Bekannte aus "Elvis hat das Gebäude verlassen" wieder, nicht nur Max und dessen Freundin Laura sowie die Hillers, auch der Hausmeister Jupp Boor und weitere Figuren sind wieder mit von der Partie. Trotzdem lässt sich der Roman auch ohne Kenntnis des ersten lesen und verstehen.
Max ergeht sich in Ermittlungen, um sowohl Elvis, als auch den "Klingonenkater" Kevin von Hausmeister Jupp Boor vom Verdacht der Ermordung Goethes rein zu waschen. Was dabei ans Tageslicht kommt ist unglaublich!
Anspielungen auf Bücher und Filme treffen eigentlich immer meinen Humornerv, wenn auch die geistigen Selbstgespräche - in denen diese zumeist auftauchen und die Max während der Ermittlungen mit sich führt - nicht unbedingt mein Fall sind. Ein fortlaufender Lesefluss in einer Geschichte ist mir doch meist lieber.
Jupp Boors kölsches Platt sorgt für Lokalkolorit und macht den Lesern aus diesem Raum sicher jede Menge Spaß, ich für meinen Teil war doch wieder froh im Anhang die Übersetzung seiner Ergüsse lesen zu können ;)
Wer "Elvis hat das Gebäude verlassen" mochte, beziehungsweise generell gerne Katzengeschichten oder skurrile Kriminalgeschichten liest, hat mit "Mordskater" sicher seinen Spaß, auch wenn Max Zadow damit sicherlich nicht das Rad neu erfunden hat, so lebt die Geschichte von ihren schrägen Figuren und seinem besonderen Humor.

Reihen-Info:
Elvis hat das Gebäude verlassen
Mordskater: Ein Fall für Elvis

Bewertung vom 23.08.2016
Mord ist nichts für junge Damen / Ein Fall für Wells & Wong Bd.1
Stevens, Robin

Mord ist nichts für junge Damen / Ein Fall für Wells & Wong Bd.1


sehr gut

"Mord ist nichts für junge Damen" ist der Auftakt zu einer bislang fünfteiligen Krimireihe, die in einem englischen Mädcheninternat in den 1930er Jahren spielt.
Hazel Wong und Daisy Wells führen eine Detektei, die bislang jedoch keinen spektajuläreren Fall zu lösen hatten als den um die verschwundene Krawatte. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als Hazel die Leiche ihrer Lehrerin Miss Bell entdeckt, die jedoch auf unerklärliche Weise wie vom Erdbeben verschluckt ist, als Hazel den Vorfall meldet. Für die Schulleitung steht fest, dass Miss Bell lebt und verschwunden ist, einen möglichen Mordfall tut sie als Hirngespinst der Schulmädchen ab. Hazl und Daisy lassen sich jedoch nicht verunsichern, zumal das mysteriöse abhandenkommen der Leiche den Mordverdacht noch untermauert. Wie es sich für eine professionelle Detektei gehört erstellen Hazel und Daisy eine Liste der Verdächtigen, die im Laufe der Ermittlungen zusammenschrumpft und letzten Endes offenbart sich hinter den Mauern des erfürchtigen Mädcheninternats ein Geheimnis, mit dem niemand gerechnet hätte...

Wer historisch angehauchte Kriminalfälle des beginnenden 20. Jahrhunderts mit außergewöhnlichen Ermittlern mag, sollte unbedingt die Reihe um Hazel Wong und Daisy Wells ausprobieren. Die Autorin erzählt das erste Abenteuer der beiden sehr unterschiedlichen Heldinnen sehr charmant und witzig. Neben dem typisch englischen Setting spielt auch ein Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen eine Rolle, da Hazel Chinesin ist und auf Wunsch ihres englandliebenden Vaters auf das Internat geschickt wurde. Aus ihrer Sicht lernt der Leser so typisch englische Sitten und Rituale eines Mädcheninternats der 30er Jahre kennen.

Das wunderschöne und altmodisch angehauchte Cover wurde von der Originalausgabe übernommen. Auch das Innere des Buches überzeugt mit einer liebevollen Ausstattung: bevor die eigentliche Geschichte beginnt, findet der Leser einen Grundriss des Erdgeschosses und des ersten Stocks des Inernatsgeäudes und eine Übersicht über die Protagonisten der Geschichte. Am Ende ist außerdem ein Glossar angehängt, in dem typische englische Begriffe sowie spezielle Ausdrücke der Schülerinnen des Internats erklärt werden. Die Liste der Verdächtigen ist in einer handschriftlichen Typografie ausgeführt im Design von Notizblättern.

Kleine Kritikpunkte finden sich für mich nur in der Figurenzeichnung, da ich mich mit Daisy bei weitem nicht so stark identifizieren konnte wie mit der Ich-Erzählerin Hazel, und den stellenweise zu blaß agierenden Nebenfiguren, die soweit sie auf der Liste der Verdächtigen auftauchen doch etwas stärker im Fokus hätten stehen sollen. Ansonsten ist der erste Fall der Detektei Wells & Wong jedoch ein witziges Lesevergnügen, welches durchaus für erwachsene Krimiliebhaber geeignet ist, für Englandfans und Freunde von skurril-charmanten Reihen wie beispielsweise den Geschichten um "Flavia de Luce".

Reihen-Info:
Murder most unladylike (Mord ist nichts für junge Damen)
Arsenic for tea (Teestunde mit Todesfall, Frühjahr 2017)
First class murder
Jolly foul play
Mistletoe and murder

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.08.2016
Das hier ist kein Tagebuch
Sassen, Erna

Das hier ist kein Tagebuch


sehr gut

"Das hier ist kein Tagebuch" ist von der Aufmachung aber eben wie eines aufgemacht: das Cover fühlt sich an wie ein fester Tageskalender und die ebenen Kanten des Buchblocks zum Einband vermitteln ebenfalls diesen Eindruck.

Der Inhalt besteht aus den Gedanken Boudewijns genannt Bou, der einige Zeit nach dem Freitod seiner Mutter jeglichen Lebenswillen aus den Augen verliert. Da sein Vater lange genug mit der depressiven Mutter sein Leben geteilt hat, erkennt er die Anzeichen zum Glück frühzeitig und zwingt Bou seine Zeit wenigstens stundenweise täglich mit Inhalt zu füllen: Musik hören und Tagebuch schreiben. Die Worte, die Bou auf die Vorsatzseiten seines Tagebuch schreibt, findet man auch auf den Vorsatzseiten dieses Romans: FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN.
Bous Gedanken sind von Hass erfüllt. Für Leser, die noch nie mit Depressionen konfrontiert waren, mag dies unglaublich klingen, aber genau dies sind die bestimmenden Gedanken, die man monate- oder jahrelang mit sich herumträgt. Keine Trauer über den Verlust, sondern grenzenloser Hass auf die Person, die den vermeintlich einfacheren Weg gewählt hat. (Manche Menschen tragen diesen Hass sogar für den Rest ihres Lebens im Herzen, meine Schwester ist dafür ein Paradebeispiel, die alle Menschen mit Depressionserkrankungen als Geisteskranke abstempelt und laut eigener Aussage froh über den Selbstmord unserer Mutter ist.) Zum Glück besitzt Bou einen Vater, der nicht die Augen vor seinem Schicksal und dem seiner Kinder verschließt, so dass Bou irgendwann vielleicht wieder ein glücklicher Mensch wird. In der schweren Zeit gibt es zwei Anker, die Bou in einem einigermaßen ruhigen Gewässer halten: seine Tante, die trotz oder vielleicht auch wegen des eigenen Verlusts Verständnis für Bous Hass auf die verstorbene Mutter zeigt, und seine siebenjährige Schwester Fussel, die zu klein war, um den Verlust der Mutter wirklich zu betrauern und vor allen Dingen zu klein war, um ihre depressive Erkrankung bewusst zu erleben. Die Schwierigkeiten sich sozial zu binden für einen Menschen, der depressive Züge in sich trägt wie Bou, erkennt der Leser an der aufkeimenden Freundschaft zu seiner Schulkameradin Pauline, die beinahe schneller endet als sie beginnt.

Auf Grund des Tagebuchstils und Bous Widerwillen ist das Buch teilweise sehr sperrig zu lesen. Zudem hätte ich mir am Ende zu manchen Dingen mehr Details gewünscht beziehungsweise noch eine gewisse Weiterentwicklung der Personen, um zu ahnen, wie es mit Bou, seiner Familie und mit Pauline weitergeht, der Schluss ist doch recht offen. Gerade in die Gefühlswelt seines Vaters hätte ich sehr gerne einige Einblicke mehr gehabt. Wie hat er den Tod seiner Frau bislang verarbeitet, so dass er nun die Kraft hat seinen Sohn vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren?
Trotzdem bin ich mehr als froh, dass es Bücher wie "Dies hier ist kein Tagebuch" gibt, um unsere Gesellschaft für das Thema Depressionserkrankungen zu sensibilisieren, dass leider noch viel zu häufig - ein makaberes Wortspiel - totgeschwiegen wird.