Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 31.01.2020
Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit
Roth, Charlotte

Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit


sehr gut

„Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit“ ist die romanhaft aufgearbeitete Biografie des Schriftstellers Michael Ende. Sein Leben könnte so passiert sein, oder auch nicht. Das Buch ist ein Roman, keine Biografie, daher strebt die Autorin Charlotte Roth keine Korrektheit des Inhalts an, obwohl das Buch durch Roman Hocke, einen Freund und Kenner von Michael Ende inhaltlich kuratiert wurde. Da ich mit „Momo“, „Die unendliche Geschichte“ und „Jim Knopf“ aufgewachsen bin, haben mich das Buch und der darin beschriebene Mann hinter den Büchern meiner Kindheit sehr interessiert.
Sprachlich finde ich, dass der der Autorin Charlotte Roth ein ganz wundervolles Buch gelungen ist, bildstark und wohlformuliert. Sie nimmt den Leser in die (fiktive) Kindheit des Schriftstellers mit, vom Kennenlernen seiner Eltern über seine Geburt, den Krieg, Umzüge, Existenzsorgen und seine Schwierigkeiten in der Schule. Man erlebt seine ersten Fantasiewelten mit und spürt die unendliche Liebe, die seine Eltern ihm entgegenbringen. Man erlebt aber auch, wie bei den Eltern Edgar und Luise aus der großen Liebe die große Gleichgültigkeit wird, die dann zur Trennung führt. Das Dasein der Mutter drehte sich wohl jahrelang nur um Mann und Sohn. Und dann, mit Pubertät und Adoleszenz, verliert Michael den sonst so guten Draht zu den Eltern, sie entfremden sich allesamt voneinander. Dabei wiederholt Michael Ende sehr vieles, was seine Eltern ihm vorgemacht haben: mit der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann heiratet er eine hingebungsvoll liebende ältere Frau (die bereits ein Kind aus einer früheren Ehe hat), betrügt sie während der Ehe (auch sein Vater hatte die Mutter betrogen) und auch sonst ist die Ehe zwischen zwei Künstlern eher schwierig. Er liebte seine Freiheit und bestand darauf, sie musst es hinnehmen, hatte im Leben keinen Platz für „kleine Eifersüchteleien“.
Interessant und bedrückend wahr und aktuell sind manche Zitate aus dem Umfeld der Familie zum damaligen Nationalsozialismus. So sagt sein Vater nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft auf die Aussage, die Nazis seien nun weg: „Die sind nie weg, die Braunen. Die kleiden sich jetzt nur in Grau“. Ein Bekannter hatte schon Jahre zuvor orakelt: „Wem 1931 auf den Magen schlägt, dem rate ich, sich vor 1933 den Darm amputieren zu lassen.“
Persönlich gestört haben mich die am Anfang sehr vielen Querverweise auf Rudolf Steiner, den Begründer von Anthroposophie und Waldorfschulen, aber auch Antisemit durch und durch. Michael Ende hatte einen großen Hang dazu und zur Christengemeinschaft nach Rudolf Steiner. Die Weltoffenheit und Fantasiebegabung von Ende und der Antisemitismus und die sonstige Haltung Steiners passen für mich nicht zusammen. Vieles, was in seinen Büchern sehr kindlich und verklärt erscheint, sehe ich jetzt in einem anderen Licht – und das ist nicht immer positiv. Für mich jedenfalls haben die Bücher Michael Endes ihren Zauber verloren.
Ich habe mich insgesamt in dem Buch teilweise irgendwie verloren gefühlt. Zeitsprünge ohne Jahreszahlen machten mir die Orientierung nicht leichter. Auch hat es einige Längen, die es mir schwer gemacht haben, mich in die Geschichte wirklich einzufinden. Sprachlich hat mir das Buch gefallen, inhaltlich ist es über einen Menschen, der mir nicht sympathisch ist. Da die Autorin dafür nichts kann, vergebe ich für das Buch vier Punkte.

Bewertung vom 29.01.2020
In der Tiefe der Nacht / Lloyd Hopkins Trilogie Bd.2
Ellroy, James

In der Tiefe der Nacht / Lloyd Hopkins Trilogie Bd.2


sehr gut

Dr. John Havilland ist Psychiater. Aber er ist auch Doctor John the Night Tripper. Soziopathisch, psychopathisch, manipulativ und ein Puppenspieler. Nur, dass die Puppen, mit denen er spielt, echte Menschen sind, die er fast sektenartig als Jünger um sich schart. Schlimmer noch: es sind Menschen, die seine Hilfe als Psychiater und Arzt gesucht haben. Genau sie missbraucht er wie bei einem Schachspiel für seine Zwecke. Mithilfe von Drogen und Medikamenten macht er sie skrupellos und rücksichtslos zu seinen Handlangern. Ihm gegenüber steht mit Sergeant Lloyd Hopkins ein gründlich und zum Teil verbissen arbeitender Polizist.
Ich kannte James Ellroy vorher nicht, aber auch ohne den Vorgänger-Band („Blut auf dem Mond“) zu kennen, hatte ich keine Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen. Zwar gibt es ein paar Verweise auf den Vorgänger („Ich kenne die ganze Geschichte, die dir letztes Jahr passiert ist“), aber man kann das Buch trotzdem problemlos verstehen.
Bezüglich der Handlung muss ich sagen, dass mir „In der Tiefe der Nacht“ sehr gut gefallen hat. Die seelischen Abgründe, intensiven Emotionen und das manipulative Verhalten von Dr. Havilland sind vom Autor sehr bedrückend realistisch geschildert und geben dem Buch einen verstörenden und finsteren Anstrich. Das perfide, schonungslose Ausnutzen von Vertrauen und Abhängigkeiten ist vom Autor sehr treffend gezeichnet. Und auch die Arglosigkeit, mit der die Menschen ihm begegnen und sich in seine Hände begeben ist sehr authentisch.
Die Sprache, in der das Buch geschrieben ist, ist lebendig, realistisch und derb. Mir lag die Wortwahl nicht immer, der zur Schau gestellte Rassismus ist sicher alltagsnah, aber dennoch für mich schwer zu ertragen. Damit passt das Buch zwar gut in die 1980er Jahre (die Erstausgabe erschien 1984), aber sehr weit weg von der heutigen political correctness.
Dennoch: das Buch war sehr spannend, nach anfänglichen Schwierigkeiten, mich in die Geschichte einzufinden, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen.
4 Punkte

Bewertung vom 28.01.2020
Himmel, Hölle, Rock'n'Roll
Rohr, Chris von

Himmel, Hölle, Rock'n'Roll


sehr gut

„Gott liegt im Detail!“ dachte sich wohl auch Chris von Rohr und lieferte mit seiner Autobiografie ein Buch mit über 700 Seiten ab. Aber er ist inzwischen fast 70 Jahre alt, fast gut 45 davon ist er im Musikgeschäft – da kann man halt auch eine Menge erzählen. Kann man, muss man nicht unbedingt. Daher kann ich ganz klar sagen, dass das Buch für jeden, der sich für die Materie und/oder Chris von Rohr, Kaktus, Gotthard und Co. interessiert, ein echter Lesegenuss ist. Für alle anderen ist es eine pure Selbstdarstellung, ein Wust aus Reisen, Business, Frauen, Drogen und viel zu vielen Namen.
Ich muss sagen, dass mir der Stil des Autors nach und nach immer mehr missfiel. Anfangs mögen seine endlos aneinandergereihten Anglizismen, die verwirrenden Spitznamen für die Menschen in seinem Umfeld und seine schweizerisch-hochdeutsch-englische Schreibe lustig und frisch sein, mit der Zeit wird es aber abgedroschen und fade. Ja, er ist weit herumgekommen, weltmännisch und wortgewandt – aber dass er dies praktisch in jedem zweiten Satz plakativ zur Schau stellt, wird mit der Zeit öde. Sehr interessant und zum Teil höchst philosophisch, fand ich hingegen seine Belesenheit, die man anhand der von ihm verwendeten literarischen Zitate erahnen kann. Das unterscheidet ihn vermutlich von sehr vielen seiner Musiker-Kollegen.
Andererseits bedient er in seinem Buch praktisch jedes Klischee, nährt alles, was man über Rockmusiker so lesen und hören kann: Sex, Drugs, Rock’n’Roll sind auch bei ihm keine leeren Worthülsen. Man erlebt seinen Weg vom Wirtshausschrammler zu Krokus, zum Musikjournalismus, zurück zu Krokus, zu Gotthard und wieder zurück zur schreibenden Zunft. Interessant, schonungslos sich selbst gegenüber, aber auch zum Teil rücksichtslos seinen Wegbegleitern gegenüber. „Der Gilde der Diplomaten gehörte ich auch nie an“, schreibt er. Wie wahr! Allerdings schafft er es trotz der vielen Differenzen, die er mit Kollegen, Management und so weiter im Lauf der Jahrzehnte hatte, dass das Buch nicht in die Boshaftigkeit einer Abrechnung abgleitet. Dafür scheint Chris von Rohr zu reflektiert und durchaus auch selbstkritisch zu sein.
Und er kann über Begegnungen mit ganz großen Persönlichkeiten der Musikwelt berichten. Allen voran (für mich eines der bewegendsten Kapitel): Udo Jürgens. Auch die emotionalen Zeilen, die er Freunden und Kollegen widmet, die er auf seiner (Lebens-)Reise verloren hat, fand ich berührend und sehr wohlformuliert. Witzig finde ich, was er über Willy de Ville sagt: „Willy war ein glühender und leidenschaftlicher, wenn auch etwas selbstgefälliger Erzähler.“
Und ja, genau das ist Chris von Rohr auch. Selbstgefällig und häufig sehr egozentrisch. Drogen und Frauengeschichten – er hat praktisch nichts ausgelassen, seine Beziehungen hatten eher kurze Halbwertszeiten, denn für ihn steht praktisch nur er selbst im Mittelpunkt: „Ich bin treu … treu meinen Bedürfnissen“. Und „Mein Problem lag eher im Bereich der Nachhaltigkeit und der Nähe“.
Alles in allem ist es ein Buch für Freunde der von Musik und modernen (Auto)Biografien im Allgemeinen und von Krokus und Chris von Rohr im Speziellen. Ich muss sagen, dass das Buch handwerklich sehr gut ist, schreiben kann der Autor auf jeden Fall. Es liest sich flüssig und lebhaft und trotz der mehr als 700 Seiten hat es mich bestens unterhalten. Wegen der zum Teil inflationär gebrauchten Anglizismen, die zu seiner Alltagssprache gehören mögen, zu meiner aber nicht und wegen der zum Teil narzisstischen Selbstdarstellung (der Autor ist in weiten Teilen des Buchs der „Macher“, der „Checker“ und der, ohne den nichts läuft) – 4 Punkte.

Bewertung vom 28.01.2020
Totenstille
Dean, Will

Totenstille


gut

20 Jahre ist es her, dass in der Schwedischen Einöde mehrere Morde verübt wurden. Sie wurden dem „Medusa-Killer“ angelastet. Ist er zurück? Denn innerhalb kurzer Zeit passieren neue Morde. Wie jeder, der journalistisch tätig ist, hofft die Reporterin Tuva Moodyson, einen Scoop (also eine exklusive Top-Geschichte) landen zu können. Schließlich ist sie keine Feld-Wald-und Wiesenjournalistin, sondern nur wegen ihrer todkranken Mutter wieder aus London zurück nach Schweden gezogen.
Und so recherchiert sie für das wöchentlich erscheinende Lokalblatt und macht sich nach und nach fast jeden zum Feind, denn die Gegend ist wirtschaftlich stark vom Tourismus abhängig. Dazu trifft sie auf einiges, von dem sie wohl nie zu träumen gewagt hätte: verschrobene Einsiedler, komische Kauze und – mein persönlicher Ekel-Favorit: zwei kunsthandwerkende Schwestern, die in ihren Holztrollen nicht nur heimische Hölzer, sondern auch echte Haare, heimische Zähne (vom örtlichen Zahnarzt) und heimische Finger- und Zehennägel verarbeiten. Die Beschreibung des Autors der Eigenarten der Einheimischen nimmt sehr viel Platz im Buch ein – vielleicht, weil der Autor selbst keiner ist, er ist gebürtiger Engländer. Aber mit der Zeit beginnt die Geschichte eintönig zu werden: Tuva recherchiert – ihre Hörgeräte werden nass. Tuva recherchiert – die Batterien ihrer Hörgeräte sind leer, die Hörgeräte piepsen. Immer wieder. Ja, vermutlich realistische Szenen aus dem Leben einer Person mit Hörgeräten, aber das so zum roten Faden eines Krimis zu machen, fand ich dann doch etwas nervig.
An sich war das Buch nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Irgendwie eine Achterbahnfahrt aus Spannung, Langeweile, Ekel, Grusel, Langatmigkeit und dazwischen immer wieder Tuvas eigene Probleme. Der Verlust ihres Vaters vor Jahren hat ihre Familie praktisch zerstört, die Presse spielte dabei eine unehrenhafte Rolle, jetzt ist ihre Mutter todkrank und sie schwankt zwischen der Pflicht, sie zu besuchen und der Willkommenheit von Ausreden, es nicht tun zu müssen. Dazu hat Tuva panische Angst vor dem Wald, die sie während ihrer Recherche fortlaufend bekämpfen überwinden muss.
Insgesamt war mir in dem ganzen Buch kein einziger Charakter sympathisch, die meisten fand ich sogar eher unsympathisch. Vor allem Tuva konnte bei mir ganz selten punkten. Sie kommt eher oberflächlich rüber, oft bildet sie ihre Urteile sehr vorschnell („„Afrika gehört mein Herz“, sagt er mit so viel Arschlochprahlerei, wie er aufbringen kann“ – überhaupt ist „Arsch“ ein Wort, dass sie sehr häufig gebraucht).
Wieso die zurückliegenden Morde „Medusa-Morde“ hießen, weiß ich nicht wirklich. Medusa ist die Gestalt der griechischen Mythologie, die durch ihre Schlangenhaare bekannt ist, nicht durch fehlende Augen oder ähnliches (dass sie „glühende Augen“ hatte, hat mit den Morden auch nicht wirklich was zu tun, denn den Opfern wurden die Augen entfernt). Und nicht nur da fehlt mir in dem Roman die Logik. Der deutsche Titel „Totenstille“ ist sehr gut gewählt, besser als der Originaltitel „Dark Pines“ (dunkle Kiefern). Die Stille im Wald, durchbrochen von typischen Geräuschen wie Knacken oder Rascheln, aber auch Schüssen und Tier-Geräuschen, ist nicht nur für Tuva bedrückend, sondern gibt dem ganzen Buch einen sehr düsteren Anstrich.
Gegen Ende wird der Krimi dann noch spannend und konnte mich auf den letzten gut 40 Seiten dann auch noch fesseln, überzeugen oder gar begeistern konnte er mich dennoch nicht. Und auch der Schluss und die Auflösung fand ich eher flach und psychologisch sehr an den Haaren herbeigezogen. Die Idee war gut, der Schauplatz ganz hervorragend gewählt, sprachlich war das Buch gut zu lesen, es ist gut übersetzt, aber in einem Großteil der Geschichte fehlte die Spannung. In Erinnerung werden mir von diesem Buch nur wenige Dinge bleiben: Hörgeräte können ihren Trägern wirklich große Probleme machen können und die Einheimischen in der Schwedischen Einöde sind seltsam. Das Buch ist auf jeden Fall keine Werbu

Bewertung vom 10.01.2020
Eisige Weihnachten
Danz, Ella

Eisige Weihnachten


schlecht

Über das Buch „Eisige Weihnachten“ von Ella Danz kann ich nicht wirklich viel sagen und das wenige, was ich sagen kann, ist nichts Positives. Ich fand das Buch dafür, dass es als Krimi angepriesen wird, extrem unspannend und langatmig, obwohl es nur knapp 150 Seiten lang ist.
Auch sprachlich fand ich das Buch enorm schwach. Die meisten Sätze sind lang, verschachtelt, kompliziert und zum Teil seltsam formuliert. Nicht, dass ich lange Sätze nicht apart finde, allerdings ist die Autorin stilistisch von Prousts 800-Wort-Sätzen sehr weit entfernt. Mit Sätzen wie „André liebte Familienfeiern und Feste, wahrscheinlich weil er selbst groß geworden war ohne Geschwister, nur mit seiner Mutter und den Großeltern.“ konnte ich einfach nicht warm werden. Und auch bei dem Satz „Kerstin hielt trotzdem fest, bis sie halbwegs sicher auf einer Stufe zu sitzen kam“ fehlt für mich irgendwo ein „sich“. Das Buch liest sich wie aus einem Anfängerkurs für Hobby-Autoren.
Und auch inhaltlich ist das Buch weit weg von einem Krimi. Es ist zwar konzipiert wie eine Mischung aus Stephen Kings „Shining“ und Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“, aber nicht gut umgesetzt. Viel Familienchaos, Sticheleien, Feindschaften, Abneigungen, ein bisschen Alltagsrassismus, viel Psychodrama und verworrene Verhältnisse, dazu Zu- und Unfälle, gepaart mit massenhaft Klischees. So haben die Protagonisten selbstverständlich im Harz keinen Handy-Empfang. „Du hast vergessen, dass wir im Osten sind!“, brach es aus Kerstins Schwester zornig heraus, „hier gibt es natürlich kein Netz“. (Das mag die gute Kerstin vielleicht glauben und es mag in ihre abwertende und abfällige Meinung über die östlichen Bundesländer passen, tatsächlich ist es aber so: „Einer unabhängigen Untersuchung des Analytics-Unternehmens OpenSignal zufolge ist die LTE-Verfügbarkeit im Zollernalbkreis von 45,33 Prozent die zweitschlechteste in Deutschland und wird nur noch vom Landkreis Sigmaringen (45,21 Prozent) leicht unterboten. Dem gegenüber stehen die Landkreise Halle (90,19 Prozent Abdeckung) Fürth (89,87 Prozent) und Neumünster (89,15 Prozent).“ Quelle: Schwarzwälder Bote vom 10.01.2020).
Irgendwie hatte ich beim Lesen auf jeden Fall das Gefühl, die Geschichte kommt nicht richtig in Fahrt und auch die Personen blieben eher blass. Jeder Charakter hat zwar seine Eigenheiten, Sympathie konnte ich aber mit keinem empfinden. Ich habe ständig darauf gewartet, dass das Buch spannend wird. Und dann, als es langsam ein bisschen spannend wurde, war ich im letzten Kapitel. Insgesamt ein sehr enttäuschendes Buch, das weder mit Krimi noch mit Weihnachten viel zu tun hat, außer dem vielen Schnee, der freudlosen Bescherung und dem Weihnachtsessen. Da wäre viel mehr drin gewesen.
Den Abschluss des Buchs bilden ein paar Rezepte, die auch im Verlauf des Romans erwähnt werden. Da sei der Autorin und auch dem Lektorat gesagt, dass Eiweiße nicht die Mehrzahl von Eiweiß (also Eiklar) ist, sondern der Plural von Eiweiß im Sinne von Protein. In Rezepten ist daher die Formulierung „4 Eiweiße“ falsch. Daher gibt es von mir auch nur einen enttäuschten Stern.

Bewertung vom 06.01.2020
Du bist mein zweites Ich
Strittmatter, Eva;Strittmatter, Erwin

Du bist mein zweites Ich


ausgezeichnet

Schon seit längerem lese ich Erwin Strittmatters „Der Wundertäter“. Um noch tiefer in die 1500 Seiten dieses Werks eintauchen zu können, habe ich mir „Du bist mein zweites Ich“ besorgt, denn einen Teil der Trilogie entstand in der Zeit, in der auch die Briefe zwischen ihm und seiner späteren Frau Eva geschrieben wurden (1952 bis 1958). Herausgegeben hat das Buch der älteste gemeinsame Sohn Erwin Brenner zusammen mit Ingrid Kirschey-Feix.
Eva ist 22 Jahre alt, als sie 1952 den rund 18 Jahre älteren Erwin Strittmatter kennenlernt. Zu dem Zeitpunkt waren beide verheiratet (er schon zum zweiten Mal, hatte 4 Kinder aus diesen Ehen), sie lebte in Trennung und hatte den knapp einjährigen Sohn Ilja, der in den Briefen ab und zu erwähnt wird. Die Sammlung der Briefe umfasst wohl einen großen Teil des Schriftverkehrs zwischen der noch sehr jungen Frau und dem „gestandenen“ Mann nach ihrem ersten näheren Beisammensein im Februar 1952. Er, der „große Mann“, schreibt ihr, dem „Mädchen“, der „Mädchenfrau“. Mal als Antwort auf ihre Briefe, mal einfach so, viele Briefe liefen überkreuz, vor allem, wenn er im Ausland war.
Es sind die Briefe zweier Schriftsteller. Zweier Schriftsteller, die einander liebten. Briefe voller Liebe, Sehnsucht und Schwärmerei. Zwischen den Zeilen kann man aber auch einiges herauslesen. Ein bisschen Zeitgeist der DDR der 50er-Jahre. Aber auch die Tatsache, dass Erwin Strittmatter sehr wenig für seine Kinder übrig hatte. Weder für die vier Söhne aus den ersten beiden Ehen, noch für die drei gemeinsamen Söhne mit Eva. Er suhlt sich ab und zu in Selbstmitleid und hadert mit der Welt, fühlt sich allein und unverstanden („Unser eben geführtes Telefongespräch, Dein Brief bestätigen mir, was ich solange dumpf fühlte: Im Grunde bin ich mit Schulzenhof und allem, was die Hälfte meines Lebens ausmacht, allein.“)
Zum Teil im Tagestakt werden von beiden Briefe geschrieben, die außer steten Liebesbekundungen höchstens noch bruchstückhaft auf Texte Bezug nehmen, die sie lesen oder schreiben, und auf die Menschen, mit denen sie zu tun haben (beispielsweise Bertolt Brecht oder Pál Szabó). Sowohl Erwin als auch Eva Strittmatter leben für einander, für ihren Beruf und die Literatur – die Kinder kommen unter „ferner liefen“ höchstens am Rand vor.
Alles in allem ist das Buch eine schöne Liebesgeschichte mit romantischen Wort-Neuschöpfungen („es ist mondig“, „eine Jemandin“). Die Form ist gewöhnungsbedürftig, da die Briefe nicht wirklich als Dialog zu sehen sind. Nur sehr selten wird auf Fragen eingegangen, dazu überkreuzen sich die Briefe viel zu oft und stehen nicht wirklich miteinander in Zusammenhang. Es ist also eher als eine Zusammenführung zweier Tagebücher zu sehen. Denn neben den vielen Liebesbekundungen und –erklärungen erzählen sie sich ihr Leben aus der Ferne. („Ich muss jetzt arbeiten, Morgen komme ich wieder.“)
Für Freunde von Erwin und Eva Strittmatter ein Muss, daher von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 02.01.2020
Kalter Strand / Kommissar Tom Skagen Bd.1
Nordby, Anne

Kalter Strand / Kommissar Tom Skagen Bd.1


ausgezeichnet

Keine Meisterleistung aber ein solider und spannender Krimi mit überraschendem Schluss.
Ja, mehr kann man über „Kalter Strand“ von Anne Nørdby eigentlich gar nicht sagen.
Das Buch ist ein geschickt konstruierter Krimi um einen gewieften Puppenspieler, der sich „das Auge“ nennt. Aber er sieht nicht nur in bester Stalker-Manier alles - psychologisch geschickt spielt er seine „Probanden“ wie Marionetten. Das war’s dann mit „hygge“ und Urlaubsidylle für die Menschen in der Ferienhaussiedlung am Ringkøbing Fjord. Dazu kommen dann noch Mobbing, eine Prise Alltagsrassismus und psychische Probleme verschiedener Couleur. Mehrere Handlungsstränge und Perspektiven werden im Lauf der Geschichte verwoben, die Handlung gewinnt nach und nach an immer mehr an Spannung und der Schluss hat mich eiskalt erwischt und vollkommen überrascht.
Die Personen sind sauber beschrieben, allen voran Ermittler Tom Skagen hatte von der ersten Seite an meine volle Sympathie. Zwischen den Zeilen der Haupt-Handlung kann man auch einiges an aktueller Politik finden. So beschreibt die Autorin die aktuelle Haltung mancher Dänen gegenüber Ausländern sehr deutlich. Dänemark hat ja seit einiger Zeit wieder Grenzkontrollen eingeführt, seit Ende 2019 auch an der Grenze zu Schweden. Und selbst jemand, der der dänischen Minderheit in Deutschland angehört, hat es teilweise nicht leicht. („Sag ich ja, sie war keine Reichsdänin! Mit so was rede ich prinzipiell nicht. Schmarotzerpack!“)
Ich habe das Buch innerhalb von zwei Tagen durchgelesen und das will was heißen, denn meine Ansprüche an Thriller sind enorm hoch. Für mich also eine klare Lese-Empfehlung mit 5 Sternen. Ob ich nun allerdings im neuen Jahr nach Hvide Sande oder Ringkøbing in Urlaub fahre, muss ich noch überlegen.

Bewertung vom 02.01.2020
Die Kampagne / SHAW Bd.1
Baldacci, David

Die Kampagne / SHAW Bd.1


sehr gut

Ja, ich gebe zu, dass Perzeptionsmanagement bisher noch kein Teil meines Wortschatzes war. Kurz: ich kannte den Begriff bislang überhaupt noch nicht. Perzeptionsmanagement ist kurz gesagt die Auslösung von Gefühlen durch die Streuung falscher Tatsachen, die Steuerung der Wahrnehmung durch Manipulation. Dabei geht es aber nicht darum, einfach trollhaft Fakten zu verdrehen und Fake News zu streuen, sondern ganz neue (falsche) zu erschaffen.
So fängt das Buch „Die Kampagne“ von David Baldacci mit einem Paukenschlag an: ein im Internet kursierenden Video eines vermeintlich von seinen Landsleuten getöteten Russen löst eine Kette von Aktionen und Reaktionen aus. Als klar wird, dass das alles gar nie passiert ist, ist es zu spät - die Maschinerie und die Aktion „Rote Gefahr“ sind in Gang gekommen. Und hinter allem steht ein großer Strippenzieher. Denn: was bringt es ihm, einen der weltgrößten Rüstungskonzerne zu besitzen, wenn die Nationen keine Kriege mehr führen? Also braucht es einen Krieg und zwar einen richtigen („Ich bin nicht an Kriegen interessiert, die nach hundert Tagen aufhören oder sich in Bandenkämpfe verwandeln. Damit können wir nicht mal unsere Portokasse füllen, Caesar.“). Nicht umsonst hat Nicolas Creel seine Firma nach dem griechischen Kriegsgott Ares benannt. Und wenn die Nationen nicht von sich aus irgendwelche Kriege beginnen, dann muss er nachhelfen: mit gezielt platzierten Falschinformationen will er die Büchse der Pandora öffnen.
Aber mit dem vornamenlosen Agenten A. Shaw und seinem Chef Frank bekommt der Strippenzieher Creel einen gefährlichen Gegenspieler in seinem eigenen Spiel. Und das ausgerechnet jetzt, wo Shaw eigentlich in den Ruhestand gehen will und seiner geliebten Anna endlich einen Heiratsantrag gemacht hat. Und dann ist da auch noch die inzwischen dem Alkohol verfallene Journalistin und zweifache Pulitzerpreisträgerin Katie James. Sie ist momentan nur noch gut genug, um Nachrufe zu schreiben, aber tief in ihr schlummert immer noch die investigative Reporterin.
Baldacci strickt aus vielen verschiedenen Personen (samt deren Vergangenheiten), falschen Tatsachen, Habgier und Kaltblütigkeit einen rasanten, wenn auch manchmal ein bisschen langatmigen Thriller. Handwerklich ein sehr gutes und spannendes Buch, leider hat die Übersetzung ein paar Schwächen. („Biskuit“ ist beispielsweise nicht die korrekte Übersetzung für „biscuit“, das ist immer noch der Keks oder das Plätzchen), manche Sätze sind zwar nicht falsch, aber holprig übersetzt, was ich äußerst bedauerlich finde. Was ich allerdings sehr pikant finde (ob nun vom Autor beabsichtigt oder nicht), ist der Name Creel. Auf Deutsch heißt das „Korb“ oder „Gatter“, ist aber auch sehr nah an „creed“ (= Glaube), aber auch an „greed“, der Habgier.
Der Spannungsbogen hingegen ist konstant und ab und zu wird dem Leser eine Atempause in Form von Hintergrundinformation oder dem Besuch eines Nebenschauplatzes gegönnt. Aber die Geschichte an sich ist, gruselig und blutig wie sie auch ist, insgesamt zu glatt. Die Personen sind alle zu intelligent, zu vorausschauend, schlicht zu genial. Jeder sieht die Handlungen der Gegenseite eigentlich immer voraus und aus mancher Situation wird sich MacGuyvermäßig heraus laviert. So bewegt sich das Buch ständig auf einem schmalen Grat zwischen reißerischer superlativgeprägter Irrealität und beängstigend möglicher Realität. Denn eines ist Fakt: die Einflüsse von falschen Berichten in Medien und so weiter sind gruselig real.
Spannend, aber ein bisschen langatmig. Für Freunde der Bücher von Baldacci ein Muss, für Freunde spannender Thriller eine gute Empfehlung. Von mir 4 Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.12.2019
Der kleine Strickladen in den Highlands / Der kleine Strickladen Bd.1
Oswald, Susanne

Der kleine Strickladen in den Highlands / Der kleine Strickladen Bd.1


gut

Schmalz und Kitsch in idyllischer Umgebung – so könnte man „Der kleine Strickladen in den Highlands“ von Susanne Oswald in wenigen Worten beschreiben. Was aber nicht heißt, dass es ein schlechtes Buch ist, ich bin nur irgendwie die falsche Zielgruppe. Schade eigentlich, denn ich stricke gerne und ich mag die Highlands, deshalb hatte mich der Titel angesprochen. Aber insgesamt ist mir dieses Buch schlicht zu plakativ, zu klischeehaft und es gibt meiner Meinung nach viel zu viele Zufälle.
Abgesehen von den Highlandgames und dem mauen Bezug zu Edinburgh und Glasgow könnte das Buch überall spielen, Schafe, hübsche junge Männer und schlechtes Wetter gibt es nicht nur in den schottischen Highlands rund um Loch Lomond. Insgesamt ist für mich im Buch viel zu wenig Lokalkolorit.
Mit dem Bezug, den die Autorin zu Stücken wie „Flower of Scotland“ oder „The bonnie banks of Loch Lomond“ herstellt, versucht sie zu zeigen, wie sehr sie sich in der Gegend, über die sie schreibt, auskennt. Allerdings schreibt sie aus der Sicht der englisch-schottischen Muttersprachlerin Maighread und da sind manche Sätze tatsächlich eher lächerlich realitätsfremd. Zum Beispiel als Maighread darüber nachdenkt, dass die „Stroke Unit“ wohl die Fach-Abteilung für Schlaganfallpatienten der Klinik ist. Nun ja, „Stroke“ ist halt das englische Wort für Schlaganfall, das sollte sie als Muttersprachlerin doch wohl kennen.
Sprachlich ist das Buch wahrlich kein Meisterwerk. Es besteht aus einfachen Wörtern und schlichten Sätzen. Auch die Geschichte an sich ist sehr einfach gestrickt: Herzschmerz, Zerwürfnisse, Familie, Liebe, noch mehr Herzschmerz und so weiter – ein sehr schlichtes Strickmuster für einen zwar soliden, aber sehr vorhersehbaren Roman, den man an einem regnerischen Nachmittag bei einer Tasse Tee und einem Scone durchlesen kann.
Ich habe auf jeden Fall sehr viel Neues übers Stricken gelernt, gekrönt von mehreren Strickanleitungen für die im Buch beschriebenen Werke. Für die einen mag es ein Wohlfühlbuch sein, ein Kuschel-Liebes-Roman, für mich ist es alles in allem kein schlechtes Buch, aber auch kein besonders gutes. 3 solide Sterne für solide aber seichte und einfache Unterhaltung.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.12.2019
WHAM! George & ich
Ridgeley, Andrew

WHAM! George & ich


ausgezeichnet

Das Buch ist nicht nur die Geschichte einer Popband. Es ist auch nicht die Geschichte des Popstars, begnadeten Songwriters und Sängers mit einer Stimme wie Samt und Seide. Es ist die Geschichte einer Freundschaft, die in der Schule begann, die kurze aber steile Karriere von Wham! überdauerte und auch später noch Bestand hatte, nachdem beide ihrer eigenen Wege gegangen sind.
Das Ende der Geschichte ist bekannt. Weihnachten 2016 starb George Michael. Und ich hatte von der ersten Seite an Angst vor dem Ende. Wie würde der Autor Andrew Ridgeley es beschreiben? Würde es mich zu Tränen rühren? George Michael (nicht Wham!) war ein Bestandteil des Soundtracks meiner Jugend. „Faith”, „Don’t let the sun go down on me” (dem Duett mit Elton John) und später Queens „Somebody to love” (aus dem Gedenkkonzert für Freddie Mercury) waren Lieder, die meine Jugend und meinen Musikgeschmack prägten.
Andrew Ridgeley erzählt flott, aber eher schlicht und nüchtern den Weg, den er und George Michael von der Schulbank zur ersten Band, zum Plattenvertrag, zum großen Erfolg bis hin zur Auflösung von Wham! und George Michaels Solokarriere gegangen sind. Wie aus Georgios Kyriacos Panagiotou, dem eher pummeligen Jungen mit Brille, George Michael wurde, der Frauenschwarm (der sich später als homosexuell outete) und trotz allen Erfolgs seine Selbstzweifel nie loswerden konnte.
Das Buch ist einerseits ein Buch für Fans (auch wegen der vielen Fotos), für Kinder der „New-Romantics“-Zeit, andererseits aber schlicht ein wundervolles Dokument einer ganz besonderen Freundschaft. Zu keiner Zeit rutscht es ins Kitschige oder Schmalzige ab. Andrew Ridgeley war nach eigener Aussage nie neidisch auf den Erfolg von George Michael, den er selbst nach der Auflösung von Wham nie mehr hatte, sondern freute sich für ihn. Und so ist dieses Buch auch ganz klar eines: ein Denkmal für seinen besten Freund.
5 Sterne.