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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1369 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2021
Träume von Freiheit - Ferner Horizont
Böschen, Silke

Träume von Freiheit - Ferner Horizont


sehr gut

"Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, bleibt zu Recht ein Sklave." (Aristoteles)
19. Jh. Dresden. Zu der gehobenen Gesellschaft der amerikanischen Kolonie in Dresden gehörend, genießt Florence de Meli mit ihrer Familie ein recht komfortables Leben. Florence ist nicht auf den Mund gefallen und deswegen gern gesehener Gast bei vielen Veranstaltungen. Ihrer Schwiegermutter Antoinette sowie ihrem Ehemann Henri ist das ein Dorn im Auge, gerade Henri leidet an krankhaften Eifersucht und spricht zudem dem Alkohol zu. Als ihm diesbezüglich der Geduldsfaden reißt, lässt er Florence entmündigen und in die Irrenanstalt Sonnenstein einweisen, wo diese von Dr. Lessing wegen ihrer krankhaften Hysterie behandelt werden soll. Nach einer Verlegung in ein Sanatorium ist es Florence möglich, von dort zu fliehen und über Umwege zu ihrer Familie nach Amerika zu gelangen. Von dort aus leitet sie die Scheidung ein und kämpft um ihre Kinder...
Silke Böschen hat mit „Träume von Freiheit-Ferner Horizont“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der nicht nur durch eine spannend skizzierte Lebensbiografie einer mutigen Frau besticht, sondern auch einen sehr guten Eindruck der damaligen Gesellschaft und ihren Moralvorstellungen präsentiert, während Fiktion und wahre Begebenheiten sich miteinander vermischen. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Florence Seite gleiten, um hautnah alle ihre Erlebnisse mitzuverfolgen und vor allem die ganze Dramatik ihrer Ehe mit Henri zu begleiten. Böschen hat gut recherchiert und den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung verwebt. Als Leser sträuben sich einem alle Haare, wenn man erleben muss, dass Frauen, die etwas unkonventionell für ihre Zeit waren, sehr schnell als hysterisch oder verrückt abgestempelt werden konnten und sogar in einer Heilanstalt landen konnten. Das damalige Gesellschaftsbild, was Frauen betrifft, ist erschreckend. Als Heimchen am Herd und Anhängsel des Mannes nur erwünscht, wenn sie den Mund hielt und wie eine Sklavin ihre Arbeit verrichtete. Doch als aufgeschlossenes und offenes Wesen mit eigenem Standpunkt konnte eine Frau oftmals entmündigt und nicht nur ihrer Freiheit beraubt werden, sondern auch ihrer Kinder. Ebenso erschütternd sind die Passagen zu lesen, die Florence als gesunde Frau in der Irrenanstalt zubringen musste. Ihr Schicksal steht für viele Frauen, die damals unliebsam aus dem Weg geräumt wurden. Die Autorin versteht es gut, ihre Handlung mit einigen Wendungen dauerhaft spannend zu machen, so dass man als Leser konstant mitfiebert, wie es mit Florence wohl weitergehen wird.
Die Charaktere sind liebevoll und facettenreich gezeichnet, sie wirken für die ihnen zugewiesene Zeit glaubwürdig und authentisch, so dass der Leser ihr Tun nachvollziehen kann und ihnen gerne folgt. Florence hat eine gewinnende, lebensbejahende, offene Art und trägt ihr Herz auf der Zunge. Ihre Impulsivität bringt sie manches Mal in Schwierigkeiten, doch sie lässt sich nicht unterkriegen und kämpft für die Dinge, die ihr wichtig sind. Henri ist ein Schlappschwanz, fast dauerhaft unter Alkoholeinfluss, ist er das Schoßhündchen seiner Mutter. Er ist einfach nur armselig, ihm fehlt jeglicher Ansporn, etwas aus seinem Leben zu machen. Antoinette ist ein Snob, die Florence ständig Steine in den Weg legt und ihr zu verstehen gibt, dass sie nie gut genug sein wird. Clara Jenkins ist Florence eine wertvolle Freundin, die ihr unterstützend zur Seite steht. Ebenso wissen einige andere Protagonisten zu überzeugen.
„Träume von Freiheit-Ferner Horizont“ lässt nicht nur die damalige Zeit wieder lebendig werden, sondern spiegelt auch ein Sittengemälde jener Epoche wider. Fundiert recherchiert und spannend erzählt, hält es den Leser durchgängig bei der Stange. Verdiente Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2021
Sommerleuchten am See
Morgan, Sarah

Sommerleuchten am See


sehr gut

"Die Bande der Liebe werden mit dem Tod nicht durchschnitten." (Thomas Mann)
Der Tod seiner Ehefrau Becca hat Jack für lange Zeit in ein tiefes Loch fallen lassen. Doch durch die Begegnung mit Flora ein Jahr später sieht er endlich wieder Licht am Ende des dunklen Tunnels. Flora dagegen steht vor großen Herausforderungen, denn sie hat mit Jack nicht nur eine neue Liebe gefunden, sondern hat es sich zur Herzensaufgabe gemacht, auch für seine Töchter Molly und Izzy eine Bezugsperson zu werden, doch die heißen sie nicht gerade herzlich willkommen. Vor allem die Älteste, Izzy, trauert noch sehr um ihre Mutter und will Flora so gar keine Chance geben. Aber auch Beccas beste Freundin Clare hat so ihre Vorbehalte gegenüber Flora. Als Jack mit seinen Töchtern wieder für den Sommerurlaub bei Claire und ihrem Mann im Lake District anreist, bringt er auch Flora mit…
Sarah Morgan hat mit „Sommerleuchten am See“ einen tiefgründigen und feinfühligen Unterhaltungsroman vorgelegt, der nicht nur drei starke Frauen zu Wort kommen lässt, sondern auch mit einer großen Bandbreite an Emotionen punktet. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser gemeinsam mit Flora, Jack und den Töchtern zu Clare in die englische Grafschaft Cumbria reisen, um dort am malerischen Lake District die Ferien zu verbringen und gleichzeitig der Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten auf den Grund zu gehen. Über wechselnde Perspektiven begibt sich der Leser mal in die Fußstapfen von Flora, mal von Clare und mal von Izzy und erlebt dabei die unterschiedlichen Sichtweisen der drei Frauen und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zu ihrem Umfeld. Interessant zu beobachten ist dabei, dass sich in der Geschichte nicht nur ein Geheimnis versteckt, sondern es mehrere gibt, die sich nach und nach offenbaren. Morgans großes Talent ist, die Emotionen ihrer Protagonisten wunderbar in Worte zu kleiden, sodass der Leser sie gut nachvollziehen kann und regelrecht an den Seiten klebt, um nur keine Nuance zu verpassen. Themen wie Verlust, Trauerbewältigung, Familienzusammenhalt, aber auch Neubeginn und Freundschaft greifen ineinander und werden innerhalb der Geschichte verarbeitet. Flora kann einem geradezu leidtun, denn für den Mann, den sie liebt, muss sie es mit einer Frau aufnehmen, die sie nie kennengelernt hat und die bei vielen eine große Lücke hinterließ. Jeder hat seine Erfahrungen mit Becca gemacht, und unterschwellig muss Flora immer wieder dem Vergleich standhalten. Die Autorin hat dies in ihrer Handlung sehr gut und nachvollziehbar umgesetzt.
Die Charaktere sind durchgehend sehr realistisch und glaubwürdig ausgestaltet. Aufgrund ihrer sehr menschlichen Züge findet sich der Leser alsbald in ihrer Mitte wieder und kann mit ihnen leiden, hoffen, bangen und mitfiebern. Flora ist eine sehr sympathische Protagonistin mit viel Einfühlungsvermögen und Geduld, allerdings auch mit einem Hang zur Selbstaufgabe, was ihr einiges abverlangt. Izzy hat wie ihre kleine Schwester Molly nicht nur am Verlust der Mutter zu tragen, sondern auch die Verantwortung für ihre jüngere Schwester übernommen. Innerlich ist sie voller Verzweiflung und Angst, nach außen wirkt sie oftmals wie eine verzogene Göre, kalt und unberechenbar. Jack ist ein sehr liebevoller und empathischer Vater, der seine Kinder ebenso vergöttert, wie er es mit Becca gemacht hat. Clare trauert nicht nur um Becca, sondern ist gleichzeitig voller Wut über das Geheimnis, dass sie in Beccas Namen hüten soll. Dabei ist sie auch immer eine enge Bezugsperson für Jack und die Kinder.
Bei „Sommerleuchten am See“ ist der Leser nicht nur dabei, sondern mittendrin in einer sehr gefühlsbetonten Geschichte. Ein Potpourri an Themen regt zum Nachdenken an, während man als Leser hofft, dass sich alles fügen wird. Ein echter Pageturner mit Nachwirkungen! Verdiente Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2021
Das Fräulein mit dem karierten Koffer
Kaufmann, Claudia

Das Fräulein mit dem karierten Koffer


sehr gut

"Die Last wird leicht, wenn mit Geschick man sie trägt." (Ovid)
1964 München. Die 19-jährige Sabine hat es nicht leicht, sie stammt aus einfachen Verhältnissen und muss sich mit den Bevormundungen ihrer Mutter Brigitte und ihres Stiefvaters Heinz herumschlagen, die ihr immer wieder suggerieren, wie wichtig ein guter Leumund ist. Als sie den reichen Unternehmersohn Michael Dornheim kennenlernt und sich in ihn verliebt, scheint es, als hätte sie die perfekte Partie gemacht und sähe einer rosigen Zukunft entgegen. Eine ungeplante Schwangerschaft lässt diesen Traum schnell zerplatzen, denn Michael kann Sabine gar nicht schnell genug verlassen. Nun steht sie schwanger, ohne Ehemann, ohne Arbeit und Dach über dem Kopf, nur mit einem gepackten karierten Koffer auf der Straße, weil auch ihre Eltern nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Sabines mühseliger Kampf, sich und ihr Kind allein durchzubringen, beginnt…
Claudia Kaufmann hat mit „Das Fräulein mit dem karierten Koffer“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der die 60er Jahre wieder lebendig werden lässt, aber vor allem die Rolle der Frau zur damaligen Zeit sehr kraftvoll widerspiegelt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil der Autorin lässt den Leser eine Zeitreise in die jüngere deutsche Vergangenheit antreten, um sich dort an Sabines Fersen zu heften und ihren harten, ereignisreichen Weg zu begleiten. Während der Leser miterlebt, wie sehr sich Menschen der Gesellschaft unterwerfen und ihnen die Meinung anderer wichtiger ist als die eigene Familie, sieht er gleichzeitig, wie vehement Sabine sich als Frau und alleinerziehende Mutter durch die Widrigkeiten des Alltags und die Vorurteile ihres Umfelds kämpft. Frauen hatten zur damaligen Zeit kaum Rechte, konnten ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht mal den Führerschein machen. Die meisten sahen in einer Ehe eine Versorgungseinheit, die ihnen Sicherheit bot, wofür sie demütig dem Manne untertan waren. Der Staat fungierte bei alleinstehenden Müttern als Vormund für deren Kind, so dass die Frau bei der Erziehung ihres eigenen Kindes eingeschränkt wurde und sie öffentlich als „unfähig“ und gefallene Frau brandmarkte. Neben dem moralischen Gesellschaftsbild lässt die Autorin auch noch andere historische Feinheiten in ihre Geschichte miteinfließen. So gab es z. B. damals noch den Paragrafen 218, der eine Abtreibung verbot, ebenso war Homosexualität zu jener Zeit noch eine Straftat. Kaufmann hält dem Leser im wahrsten Sinne des Wortes den Spiegel vor und macht eindrucksvoll deutlich, wie sehr sich die Gesellschaft und die Rolle der Frau in den letzten 60 Jahren verändert hat, obwohl es auch heute noch auf vielen Gebieten Nachholbedarf gibt.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit menschlichen Ecken und Kanten in Szene gesetzt. Mit ihrer Authentizität und Glaubwürdigkeit geben sie dem Leser die Möglichkeit, ihnen über die Schulter zu schauen und ihre Gedanken- und Gefühlswelt zu erkunden und nachzuvollziehen. Der Leser begegnet zuerst noch einer naiven, etwas verträumten, zurückhaltenden jungen Frau, die noch an die große Liebe glaubt. Als verlassene alleinstehende werdende Mutter sieht sie sich dann plötzlich als gesellschaftlich ausgestoßen und verachtet und kämpft praktisch gegen Windmühlen, was sie erwachsen werden lässt und sie zu einer selbstsicheren und starken Frau heranreifen lässt. Ihre Mutter Brigitte sucht sich lieber einen Versorger, so dass sie sich finanziell sicher fühlt und gesellschaftlich anerkannt ist. Michael wirkt wie ein Hasenfuß, wobei es wohl auch an dem Einfluss der Familie liegt, denn Sabine war keine akzeptable Partie.
„Das Fräulein mit dem karierten Koffer“ ist eine anrührende Zeitreise in die 60er Jahre mit einer Handlung voller Tragik und Dramatik. Doch am Ende gibt es einen Hoffnungsschimmer, denn wie sehr hat sich die Position der Frau bis heute verändert. Eine mit vielen Bildern angefüllte, eindrucksvolle Geschichte, die noch nachklingt, nachdem das Buch gele

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.03.2021
Kleine Wunder überall
Lankers, Katrin

Kleine Wunder überall


sehr gut

"Das Wunder ist des Augenblicks Geschöpf." (Johann Wolfgang v. Goethe)
Mit Familie und Job ist Charlotte mehr als ausgelastet, so dass sie selbst eigentlich immer zu kurz kommt. Doch dann steht in dem Chaos plötzlich ihre Mutter Barbara vor der Tür, die sie lange nicht mehr gesehen und ihr noch immer nicht verziehen hat, dass sie vor 20 Jahren einfach nach Lanzarote abgehauen ist und ohne einen Blick zurück ihren Vater und sie verlassen hat. Nun aber erfährt Charlotte, dass Barbara krank ist und ihre Hilfe benötigt. Obwohl es in Charlotte rumort, gibt sie sich einen Ruck und kümmert sich neben sämtlichen anderen Verpflichtungen auch um Barbara. Je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, umso mehr muss Charlotte erkennen, dass nicht immer alles so war und ist, wie es scheint…
Katrin Lankers hat mit „Kleine Wunder überall“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit einer emotionalen Geschichte aufwartet, sondern dem Leser während der Lektüre auch so manche Einsicht mitgibt. Der flüssige und warmherzige Erzählstil der Autorin lädt den Leser ein, sich in Charlottes Reich einzunisten, um als Zaungast den dort stattfindenden Ereignissen hautnah beizuwohnen und sich währenddessen eigene Gedanken zu machen, wie man selbst in der einen oder anderen Situation handeln würde. Sehr realistisch und empathisch zeichnet die Autorin Charlottes vollgepackten Alltag, den diese nur gut organisiert gewuppt bekommt. Allerdings zeichnet sich Charlotte auch dadurch aus, dass es ihr nie jemand gut genug macht und sie förmlich alles an sich reißt. So wird auch schnell offensichtlich, warum sie für eigene Träume keinerlei Zeit erübrigen kann. Der Auftritt ihrer Mutter ruft nicht nur unschöne Erinnerungen hervor, sondern lässt auch nach für nach erkennen, dass Charlotte ihre Mutter über die Jahre sehr vermisst hat, ohne sich dies einzugestehen. Das nötige Aufeinanderzugehen und die Einsicht, verzeihen zu müssen, um sein eigenes Leben in Ordnung zu bringen, wird ebenso gefühlvoll transportiert wie die alltäglichen kleinen Wunder, die man in seinem Trott nur noch selten wahrnimmt und denen man viel mehr Beachtung schenken sollte. Die Autorin schickt den Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle, die ihn am Ende erkennen lässt, wie wichtig Selbstreflektion, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit sind.
Die Charaktere sind liebevoll und mit menschlichen Ecken und Kanten sehr authentisch inszeniert, so dass der Leser das Gefühl hat, alle Beteiligten schon seit langem zu kennen. Da fällt das Mitfühlen und –fiebern leicht. Charlotte ist eine Perfektionistin, die sich oftmals selbst im Weg steht. Der frühe Verlust der Mutter hat sie hart und auch etwas unsicher gemacht, was sie mit ihrer perfekten Art zu übertünchen sucht. Barbara ist eine liebevolle und sympathische Chaotin mit viel Humor. Sie ist zwar ein Freigeist, doch auch sie hat unter der Trennung zur Tochter gelitten. Aber auch Charlottes Ehemann Markus sowie die Kinder Finja und Merle spielen wichtige Rollen in der Handlung und geben ihr zusätzliches Gewicht.
„Kleine Wunder überall“ ist eine tiefgründige, mitten aus dem Leben gegriffene Geschichte über Familie, Liebe, Verlust, Entscheidungen und Vergebung. Die Autorin gibt dem Leser durch ihre Handlung zu verstehen, dass er sich daran erinnert, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und vor allem die kleinen Dinge des Lebens mehr schätzen zu lernen. Sehr gelungen und lesenswert!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2021
Die Roseninsel
Reitner, Anna

Die Roseninsel


ausgezeichnet

Gefangen auf der Roseninsel
Die Ärztin Liv nimmt sich eine vierwöchige Auszeit von ihrem Job als Ärztin an der Berliner Charité, denn nicht nur die Strapazen ihrer Arbeit haben ihr zugesetzt und sie ausgebrannt und kraftlos gemacht. Der eher zufällige Blick auf die Stellenanzeigen weckt ihre Aufmerksamkeit, denn es wird 4 Wochen eine Verwalterin für die Roseninsel am Starnberger See gesucht. Ihre spontane Bewerbung hat Erfolg, so dass sie sich schnellstmöglich auf die Reise nach Bayern macht. Nur mit einem Ruderboot ist die malerische Insel zu erreichen und die dortige königliche Villa mit ihrem Rosengarten somit isoliert von der Außenwelt. LIv ist dort also allein mit sich und ihren Gedanken, ganz so, wie sie es sich gewünscht hat. Kaum hat sie die Villa betreten, ruiniert Liv eine alte Büste, die in tausend Teile zersplittert. Bei der Beseitigung des Malheurs findet sie neben einer getrockneten Rose auch das alte Tagebuch der einstigen Besitzerin Magdalena, da vor langer Zeit die Insel bewohnt hat…
Anna Reitner hat mit „Die Roseninsel“ einen wunderschönen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser vor malerischer bayerischer Kulisse zwischen Gegenwart und Vergangenheit wandeln lässt. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil fesselt den Leser von Beginn an und erlaubt ihm, gemeinsam mit Liv eine abenteuerliche Reise anzutreten, in deren Verlauf so einige Geheimnisse ans Licht kommen werden. Über wechselnde Perspektiven erlebt der Leser zum einen die Gegenwart gemeinsam mit LIv, die selbst so einiges zu verdauen hat, zum anderen öffnet die Autorin dem Leser die Tür zur Vergangenheit, wo er im Jahr 1889 die uneheliche geborene, aber von königlichem Blut abstammende Magdalena und ihr Leben auf der Roseninsel kennenlernt. Beide parallel laufenden Geschichten werden sehr fesselnd geschildert und mit abwechslungsreichen Wendungen spannend gehalten. Beiden Zeitebenen gelingt es auf ihre ganz eigene Art, den Leser in den Bann zu ziehen und das Buch nicht aus der Hand legen zu können. Gerade das Schicksal von Magdalena geht nah, denn sie wird auf der Roseninsel regelrecht wie in einem Gefängnis gehalten. Obwohl sie mit allem versorgt wird, ist ihr eine Flucht von der Insel unmöglich. Als unehelicher Abkömmling des bayerischen Königs Otto, dem Geisteskrankheit beschieden wurde, muss Magdalena auf Befehl ihres Stiefbruders ein einsames Dasein fristen. Die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten hat die Autorin sehr gut in ihre Handlung miteinfließen lassen. Die Geschichte überzeugt auch durch die farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen, die dem Leser während der Lektüre im Kopf schöne Bilder hervorzaubern und den Wunsch aufkommen lassen, diese kleine Insel sowie den Rosengarten selbst einmal in Augenschein zu nehmen.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt worden. Mit ihren menschlichen Ecken und Kanten schleichen sie sich schnell ins Leserherz, der regen Anteil an ihrem Schicksal nimmt und mit ihnen hofft, bangt und fiebert. Liv wirkt zu Beginn fahrig, überarbeitet, unterkühlt und nervlich völlig neben der Spur. Doch je mehr Abstand sie gewinnt, umso mehr öffnet sie sich, wirkt warmherziger und offener. Johannes ist ein ehrlicher und empathischer Mann, der ebenso hilfsbereit wie hartnäckig sein kann. Magdalena kann sich der ihr auferlegten Verbannung nicht erwehren. Sie wirkt zurückhaltend und eingeschüchtert, doch im Verlauf wird sie mutiger und wagt es, mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg zu halten.
„Die Roseninsel“ ist ein wunderbarer Mix aus Gegenwart und Historie, Schicksalsschlägen, Geheimnissen, Liebe und Neuanfang vor einer zauberhaften Kulisse. Spannende Unterhaltung bis zum finalen Schluss ist hier garantiert, deshalb ist hier die absolute Leseempfehlung mehr als verdient!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2021
Das Geheimnis von Zimmer 622
Dicker, Joël

Das Geheimnis von Zimmer 622


ausgezeichnet

Nichts ist wie es scheint...
2018 Genf. Der Autor selbst erhofft sich, durch den Besuch in den Schweizer Alpen von einigen persönlichen Schicksalsschlägen etwas Abstand zu gewinnen. Er mietet sich im luxuriösen Hotel Palace de Verbier ein, doch an Erholung ist bald nicht mehr zu denken. Durch die Bekanntschaft mit seiner Zimmernachbarin, der Engländerin Scarlett Leonas, erfährt Joël Dickere eher zufällig von einem 15 Jahre zurückliegenden ungelösten Mordfall in Hotelzimmer 622. Doch dieses Zimmer gibt es gar nicht. Dicker und Leonas, beide neugierig geworden, machen sich auf Spurensuche und geraten dabei schnell in Turbulenzen…
Joël Dicker hat mit „Das Geheimnis von Zimmer 622“ nicht nur einen sehr unterhaltsamen, spannenden Roman vorgelegt, sondern schildert die Handlung aus eigener Sicht, indem er sich selbst zum Protagonisten macht. Der flüssige, bildhafte und teils amüsante Schreibstil des Autors nimmt den Leser mit in die Schweizer Alpen, um mit Dicker einen alten Mordfall aufzuklären anstatt eine Auszeit zu nehmen. Während der Leser erst einmal einiges über die schriftstellerische Karriere Dickers erfährt, rollt dieser im Hintergrund langsam den alten Mordfall auf, indem er erst einmal die Protagonisten nebst ihren Lebensumständen auftreten lässt. Über wechselnde Zeitebenen wird der Leser dann Zeuge der Nachforschungen von Dicker und seiner Zimmernachbarin Leonas in der Gegenwart, sowie über die Entwicklungen 15 Jahr zuvor, wo nach und nach innerhalb der alten Bankiersfamilie Ebnezer eine aberwitzige Geschichte aus Verrat, Eifersucht, Rache, Intrigen, Gier und Machtspielchen entsteht, die letztendlich den Mord zur Folge hat. Dickers Talent, seine Handlung aus mehreren Perspektiven und mit vielen überraschenden Wendungen interessant zu gestalten, macht sich auch in dieser Geschichte wieder bemerkbar, denn der Leser steht konstant einigen Rätseln gegenüber, die es zu lösen gilt, was die Spannung immer weiter in die Höhe treibt. Bis man erst einmal weiß, um wen es sich bei dem Opfer handelt, landet man öfters allerdings auch in einer Sackgasse. Dem Leser wird durch gut konstruierte Verwicklungen konstant Konzentration abgefordert, bis der Fall schlussendlich aufgeklärt ist.
Die vielen Charaktere sind sehr differenziert ausgestaltet und teilweise aberwitzig in Szene gesetzt, so dass der Leser sich schon bald auf dem Beobachtungsposten wiederfindet und seine eigenen Nachforschungen anstellt, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Dicker selbst stellt sich nicht gerade als Sympathikus dar, während Scarlett immer etwas geheimnisvoll wirkt, resolut und vor Impulsivität strotzend. Der bunte Reigen der weiteren Protagonisten vereint so ziemlich alles in sich, was es an Tiefen, Untiefen und fragwürdigen Existenzen gibt. Neben Schiffbrüchigen, Mitläufern, Bösewichten und Racheengeln gibt es auch die Künstlerseelen und die Betrogenen. Doch muss der Leser sich die Mühe machen, ganz genau hinzuschauen, um ihre Maskerade zu durchbrechen, denn nichts ist wie es scheint.
„Das Geheimnis von Zimmer 622“ unterhält mit einer spannenden Geschichte voller überraschender Wendungen und fordert dem Leser bei der Lektüre einiges an Kombinationsgabe ab. Liebe, Lug und Betrug werden hier sehr intelligent verwoben, so dass die Auflösung auch eine Erlösung ist. Brilliant und fesselnd bis zum Schluss. Absolute Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2021
Lavendeltage in der Auberge de Lilly
Stieglitz, Marion

Lavendeltage in der Auberge de Lilly


sehr gut

„Düfte sind die Gefühle der Blumen.“ (Heinrich Heine)
Obwohl Helen nach der Pleite ihres Cafés beruflich unbedingt so schnell wie möglich wieder Fuss fassen will und an einer Präsentation bastelt, um einen neuen Job zu ergattern, entführt ihr Freund Leo sie mit einem klapprigen Bully für einen Kurztrip in die Provence. Auch wenn Leo es gut meint und sie von ihren Sorgen ablenken möchte, steht Helen so gar nicht der Sinn nach Urlaub. Auf der Strecke streikt der alte Bully immer wieder, so dass die beiden in der „Auberge de Lilly“ stranden, um den Wagen reparieren zu lassen. Während Leo mit der Werkstatt beschäftigt ist, macht Helen eine Radtour, um die Umgebung zu erkunden und verliert sich bald schon in den Anblick der farbenprächtigen Lavendelfelder. Besonders aber hat es ihr ein kleines Geschäft angetan, das sie bei ihrer Tour entdeckt. Der Laden, in dem früher Lavendelprodukte verkauft wurden, weckt in Helen alte Träume und Sehnsüchte…
Marion Stieglitz hat mit „Lavendeltage in der Auberge de Lilly“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der seine Geschichte vor der malerischen Kulisse der Provence präsentiert und dem Leser während der Lektüre eine schöne Auszeit vom Alltag beschert. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser mit Helen und Leo in den Bully gen Provence aufbrechen, um dort ein emotionales Abenteuer zu erleben, welches zusätzlich sämtlichen Sinnen Anreiz bietet. Die Autorin fängt mit ihren bildreichen Beschreibungen die südfranzösische Landschaft wunderbar ein und vermittelt dabei das Gefühl von Urlaub, Auszeit und Genuss. Während der Lektüre sieht der Leser die blühenden Lavendelfelder vor sich, die zauberhafte Auberge de Lilly sowie den verlassenen kleinen Laden und hat die gesamte Duftpalette der Provence in der Nase, die neben Lavendel und anderen Blütensorten auch noch viele Kräuter beinhaltet. Helen steht an einem Scheideweg, denn einerseits kämpft sie für einen beruflichen Neuanfang, andererseits übermannen sie alte Träume, die sie bereits abgeschrieben hatte. Als Leser verfolgt man Helens Gedankengänge, erlebt einige wunderbare Tage in der Provence und trifft auch ein paar alte Bekannte wieder, die in dem ersten Roman „Das kleine Hotel in der Provence“ der Autorin eine Rolle gespielt haben. Überraschende Wendungen machen die Geschichte abwechslungsreich und kurzweilig.
Lebendig inszenierte Charaktere nehmen den Leser in ihre Mitte und geben ihm das Gefühl, Teil ihrer Geschichte zu sein. Mit glaubhaften menschlichen Ecken und Kanten können sie überzeugen und machen so ein Mitfiebern möglich. Helen wirkt zu Beginn eher naiv, trocken und unsicher, doch im Verlauf wandelt sie sich in eine Frau, die Mut fasst, sich neuen Gegebenheiten zu stellen und auch ihre Träume in Angriff zu nehmen. Leo ist ein liebenswerter Chaot und Träumer, der zwar gute Absichten hat, sich aber nicht wirklich in die Lage seines Gegenübers hineinversetzt. Marcel ist mit seinem Land verwurzelt, ist ausgeglichen und sehr sympathisch. Aber auch Lilly, Marianne und Valeska tragen einiges zum Unterhaltungswert der Geschichte bei.
„Lavendeltage in der Auberge de Lilly“ versprüht mit seiner Geschichte um Liebe, alte Träume und neue Möglichkeiten vor der wunderschönen provenzalischen Kulisse ein Gefühl von Urlaub, Auszeit und Entspannung. Genau das Richtige in diesen Zeiten des Verzichts. Verdiente Empfehlung für einen kleinen gedanklichen Kurztrip!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2021
Liv - Neuanfang mit Hindernissen
Büchle, Elisabeth

Liv - Neuanfang mit Hindernissen


ausgezeichnet

"Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten." (Thomas von Aquin)
1959. Das kleine beschauliche Dorf Vierbrücken im Schwarzwald wird für die Isländerin Liv Benediktsdottir zum Zufluchtsort, um sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Dabei ist sie sehr darauf bedacht, dass niemand erfährt, wer sie eigentlich ist. Doch bereits ihre ersten Schritte im Dorf katapultieren sie mitten hinein in die Aufmerksamkeit der Dorfgemeinschaft, wo sie sich bald einlebt und Freunde gewinnt, während andere sie eher misstrauisch beäugen und nicht so wirklich wissen, was sie von Liv zu halten haben. Nicht nur die Begegnung mit den diversen Eddis von Vierbrücken und der Gans „Fräulein Ansgar“ bringen Farbe in Livs Welt, sondern auch Tierarzt Ben Schuster lässt ihr Herz höher schlagen. Doch dann wird Livs Inkognito gelüftet und das Chaos ist perfekt…
Elisabeth Büchle hat mit „Liv-Neuanfang mit Hindernissen“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit einer herzerwärmenden Protagonistin aufwartet, sondern überzeugt ebenso mit abwechslungsreichen Handlung und einer bunt gewürfelte Dorfgemeinschaft nebst ihren schrulligen Macken. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil, der zudem einiges an Humor zu bieten hat, lässt den Leser Livs Fußstapfen in Vierbrücken folgen und während ihrer Geheimmission über die Schulter sehen. Liv entpuppt sich schon bald als All-Round-Talent in allen Lebenslagen und gewinnt damit schnell Respekt, denn sie ist eine unkonventionelle Frau, die sich in keine Schublade sortieren lässt. Schon die bildhaften Beschreibungen der Landschaft eröffnen dem inneren Auge des Lesers gleich einer Pop-Up-Karte wunderbare Bilder von Seen, Wäldern und den typischen Schwarzwaldhäuschen, wobei auch die eine oder andere Dorfbewohnerin in Tracht hindurchfegt. Nicht nur die wunderbar zusammengestellte Gemeinschaft sorgt für allerlei Stimmung und sich aneinanderreihende aberwitzige Szenen, auch die schlagfertigen Dialoge und so manche überraschende Wendung lassen den Leser regelrecht an den Seiten kleben. Mit viel Empathie und einem wunderbaren Witz gibt die Autorin dem Lesenden das Gefühl, mitwirkender Teil ihrer Geschichte zu sein. Der unteraufdringlich eingewebte christliche Aspekt vermittelt dem Leser gleichzeitig wichtige Botschaften wie Vertrauen, Hoffnung und Vergebung.
Ein bunter Strauß voll liebevoll inszenierter Charaktere nimmt den Leser von Anfang an ihre Mitte. Es ist fast so, als trete der Leser mit den ersten Worten ein Filmset, dessen Entwicklung sich wie ein Überraschungsei erst nach und nach für ihn offenbart. Liv ist eine Wucht: unkonventionell, zupackend, fröhlich, freundlich, offen, herzlich und mit der nötigen Schlagfertigkeit ausgestattet, weshalb man sie einfach sofort ins Herz schließt. Friseuse Rita breitet ihre Flügel über Liv und unterstützt sie, wo es nur geht. Auch die Binokelspieler sind recht speziell wie auch Marianne Stein, die ihre Nase in Angelegenheiten steckt, die sie nichts angehen, nur weil sie die Konkurrenz loswerden will. Aber auch Ben Schuster, Fräulein Ansgar sowie die unterschiedlichen Eddi-Nummern bringen die Lachmuskeln zum Vibrieren oder sorgen für allerlei abenteuerliche Szenen.
„Liv-Neuanfang mit Hindernissen“ überzeugt mit herrlich gezeichneten Charakteren, einer tiefgründigen, warmherzigen Geschichte, die zudem einiges an Humor bietet und dem Leser die eine oder andere Weisheit wieder ins Gedächtnis ruft. Ein wunderbar erzählter Pageturner, der eine absolute Leseempfehlung verdient. Chapeau – besser geht es nicht!

17 von 19 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2021
Flucht nach Mattingley Hall
Vollkommer, Nicola

Flucht nach Mattingley Hall


ausgezeichnet

"Vertrauen heißt an Gott zu glauben mitten in allem Warum." (Nancy Parker Brummett)
Wohlbehütet aufgewachsen als einziges Kind in einem reichen Elternhaus sieht die junge Lady Jasmin Devereux einer aussichtsreichen Zukunft entgegen. Mit Hubertus Argyle, einem einflussreichen Zeitungsverleger, ist sie verlobt und sieht der Hochzeit aufgeregt entgegen. Als sie Hubertus einen Überraschungsbesuch in seinen Londoner Geschäftsräumen abstattet, muss sie erkennen, dass sie ihn in ihrer Naivität angebetet und sein berufliches Handeln und Tun bisher nicht hinterfragt hat. Hubertus geht für die Auflagensteigerung seiner Zeitung über Leichen und schert sich nicht darum, dabei die Existenzen und den Ruf von Menschen zu zerstören. Diese Erkenntnis lässt Lady Jasmin in Mattingley Hall Zuflucht suchen, wo sie sich inkognito als Hausangestellte verdingen will. Doch ihr Versteck bleibt nicht lange geheim …
Nicola Vollkommer hat mit „Flucht nach Mattingley Hall“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser auf eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert nach England einlädt. Der flüssige, bildreiche und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser sofort für sich ein und lässt ihn bis zum Ende regelrecht an den Seiten kleben, Lady Jasmin bei ihren Erlebnissen über die Schulter zu sehen und auch ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen. Die Autorin hat gut recherchiert und spickt ihre Handlung mit historischen Details über die damaligen gesellschaftlichen und alltäglichen Gepflogenheiten, die dem Leser ein gutes Bild vermitteln. Nicht nur die beschwerliche Art des Reisens wird thematisiert, auch die Unruhen der Arbeiter finden hier Erwähnung. Interessant ist auch der Ausflug in die Pressewelt, die keine Hemmungen hat, mit fingierten Nachrichten die Auflage zu steigern und sich dabei recht fragwürdiger Methoden bedient. Jasmin selbst ist so behütet aufgewachsen, dass ihr diese Welt vollkommen fremd ist und sie einen recht naiven Blick auf das wirklich Leben hat, bis die doch recht skrupellose Art ihres Verlobten ihr die Augen öffnet und sie selbst in die Schusslinie gerät. Die Geschichte liest sich aufgrund der verknüpften Themen sehr kurzweilig und spannend. Dabei wird der christliche Aspekt unaufdringlich miteingewebt. Es geht darum, Vertrauen in Gott zu haben und daran zu glauben, dass er in jeder Lage an der Seite derer ist, die ihn brauchen und sich in seine Hände begeben.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Ecken und Kanten versehen, so dass der Leser sich schnell mit ihnen wohlfühlt und mit ihnen hofft, bangt und mitfiebert. Lady Jasmin wurde bisher durch ihre Familie vor den Gefahren des Lebens geschützt, weshalb sie zu Beginn etwas versnobt, aber auch sehr naiv wirkt. Doch im Verlauf der Handlung besinnt sie sich nicht nur auf die ihr vermittelten christlichen Werte, sondern gewinnt an Selbstsicherheit, Demut und Stärke dazu. Hubertus ist ein Wolf im Schafspelz, der nur an sich selbst denkt und ohne Rücksicht auf Verluste andere ins Unglück stürzt. Ebenso leisten weitere Protagonisten mit ihren Auftritten überzeugende Arbeit, so dass die Geschichte durchweg spannend und unterhaltsam ist.
„Flucht nach Mattingley Hall“ ist ein historischer Roman, der mit einer Mischung aus Liebe, Geheimnissen und Intrigen vollends überzeugen kann und für sehr spannende Lesestunden sorgt. Absolute Leseempfehlung für einen echten Pageturner!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.03.2021
Bernsteinsommer
Barns, Anne

Bernsteinsommer


ausgezeichnet

"In einer Welt, in der du alles sein kannst: Sei freundlich!" (Anne Barns)
Christina hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist als ausgebildete Konditorin die Besitzerin eines gut besuchten Cafés in Hanau. Sie steckt mitten in der Scheidung von ihrem Ehemann, und nebenbei unterstützt sie ihre Mutter bei der Versorgung ihres schwer an Alzheimer erkrankten Vaters, der immer wieder aus seiner Pflegeeinrichtung ausbüchst. Früher hat er noch gemalt, doch er erinnert sich immer weniger, so bleiben Christina einige wunderbare Gemälde, die in ihrem Café einen Ausstellungsort gefunden haben. In einem seiner lichten Momente bittet ihr Vater Christina, ihm seine Malsachen mitzubringen. Als sich Christina in seinem Arbeitszimmer auf die Suche macht, findet sie eine Mappe mit wunderschönen Bildern, unter anderem ein Ölbild der Kreidefelsen von Rügen, das mit CS signiert ist. Christina denkt im ersten Moment daran, dass es von ihrem Vater stammt. Doch schon bald findet Christina Hinweise, die sie anhand Spuren ihrer Familiengeschichte auf die Insel Rügen führen…
Anne Barns hat mit „Bernsteinsommer“ wieder einmal einen wunderschönen Unterhaltungsroman vorgelegt, der nicht nur stimmungsvolle Landschaftsbilder einfängt, sondern neben Gaumenfreuden auch mit ernsteren Themen aufwartet. Der locker-flüssige, farbenprächtige und anrührende Erzählstil vermittelt dem Leser schon mit dem Prolog eine geheimnisvolle Botschaft, die sich erst im Verlauf der Geschichte offenbart. An der Seite von Christina erlebt der Leser allerlei Schicksalsschläge, die es zu meistern gilt, während der ganz normale tägliche Wahnsinn auch noch zu bewältigen ist. Da gilt es, sich nicht nur von dem Ex-Mann monetär über den Tisch ziehen zu lassen, sowohl Mutter als auch Vater zu unterstützen, sondern auch das Café steht vor dem Aus, weil der Vermieter sich gern seiner Mieter entledigen möchte und so nötige Renovierungsarbeiten nicht ausführt. Doch alles verpackt Barns mit der nötigen Leichtigkeit, so dass die doch teils recht prekären Situationen die Stimmung nicht drücken, sondern mit viel zwischenmenschlicher Wärme und einem Hoffnungsschimmer locken. Auch die Begegnung mit Protagonisten aus vorangegangenen Büchern der Autorin lassen die Geschichte wie ein Schnack in großer Freundesrunde wirken, bei dem der Leser zu Gast sein und nebenbei die herrlichsten Küchlein verkosten darf. Auch gute Freundinnen und die Liebe kommen in dieser Handlung nicht zu kurz.
Die Charaktere sind besonders liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, ihre menschlichen Ecken und Kanten wirken so glaubwürdig, dass man als Leser das Gefühl hat, sie bereits persönlich zu kennen und sie so sehr nah an sich heranlässt. Christina ist eine Frau, die anpacken kann, sich um andere kümmert und sich vor allem ihrer Verantwortung bewusst ist. Insgeheim leidet sie neben der Trennung von ihrem Mann auch unter dem krankheitsbedingten Gedächtnisschwund ihres Vaters, lässt sich aber nicht unterkriegen. Liljana ist nicht nur Mitarbeiterin im Café, sondern auch eine herzensgute Freundin mit viel Optimismus und einem offenen Ohr für Sorgen. Thea und Ludwig sind warmherzige Menschen, die Christina ihr Haus und ihr Herz öffnen, während Pia und Jana sie wunderbar ablenken, auf Streifzüge mitnehmen und in die Herstellung von Karamell einweihen. Lukasz, der sich als Herzensbrecher und Stütze entpuppt und nicht zuletzt Emma, Autorin Susanne Oswald und viele weitere Protagonisten, die die Geschichte lebendig und abwechslungsreich gestalten.
„Bernsteinsommer“ präsentiert einen wunderschönen, empathischen Mix aus Familie, Freundschaften, Liebe, herrlichen Bildern, Inselflair und Köstlichkeiten, berührend verpackt. Eine Geschichte, die neben all den ernsten Themen die Freude am Leben nicht vermissen lässt. Absolute Leseempfehlung!

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