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Frankfurt

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Insgesamt 790 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2022
Städte aus Papier
Fortier, Dominique

Städte aus Papier


ausgezeichnet

Poetin der Natur

Ich bin (leider) viel zu wenig mit Lyrik in Berührung und lese zu selten Gedichte. Aber wer mir stets große Freude bereitet, seit meine Mutter mir einen zweisprachigen Lyrikband zur Konfirmation schenkte (mehr als 20 Jahre her…): Emily Dickinson! Mein liebstes Gedicht ist: ` How happy is the little stone` und wer ihre Gedichte noch nicht kennt, einfach mal eintauchen. Man spürt ihre Naturverbundenheit und wie zufrieden die Lyrikerin in der Natur war mit einem großen Talent die Details zu erblicken.
Dieser großartigen amerikanischen Frau ist nun das Buch „Städte aus Papier – Vom Leben der Emily Dickinson“ gewidmet, geschrieben von der franko-kanadischen Autorin Dominique Fortier. Im Original auf Französisch und übersetzt von Bettina Bach.
Dieses Buch bringt uns die moderne Emily Dickinson näher, die ihr gesamtes Leben von 1830 bis 1886 in Amherst, Massachusetts lebte. Aufgewachsen in einer streng gläubigen Familie, war sie immer die etwas eigenartige, zur Depression neigende Einzelgängerin, die sich immer mehr abschottete. Das Buch ist ein schmaler Band, der auch sehr feinsprachig daher kommt, genau wie die zu beleuchtende Frau: „Wie ihre Pflanzen hat auch sie den Winter zwischen Buchseiten verbracht.“ (S.33)
Was ist dieses Buch? Teilweise belegbare gut recherchierte Elemente aus ihren Briefen und anderen Dokumenten, teilweise auch dazu gesponnene Fiktion um es rund werden zu lassen. Eine Biografie? Auch, aber es gibt auch Elemente der Gegenwart die uns auf sie zurückblicken lassen. Daher passt es so in keine rechte Schublade, was die Lektüre aus meiner Sicht noch besser macht. Ein Buch, dass einer großartigen Frau gewidmet ist und der wir uns hiermit wieder ein wenig näher fühlen dürfen.
Lesenswert ohne Frage! Auch ein super Einstieg vor der Lektüre ihrer Lyrik. Wirklich ein kurzes vergnüglich, sprachlich imposantes Lesevergnügen!

Bewertung vom 25.07.2022
Banksy - Die illustrierte Geschichte
Matteuzzi, Francesco

Banksy - Die illustrierte Geschichte


sehr gut

Wer auf der Suche nach Hintergründen zu Banksy ist

Diese Graphic Novel ist so ganz anders als ich es erwartet habe, aber gut ist sie trotzdem! Vor allem kurzweilig und bereichernd, lernt man durch die im Buch geführte Diskussion die Beweggründe für Banksys Werke kennen und die dazugehörigen Hintergründe.

Im Kern geht es um Banksy, aber was leicht enttäuscht, dass seine Werke nur beschrieben werden. Ich habe erst kürzlich eine Ausstellung zu seinen Arbeiten gesehen, habe also die genannten Werke lebendig vor dem inneren Auge. Hat man das nicht, stört es schon hier eine Graphic Novel zu lesen mit vielen Illustrationen und die Bilder sind nicht mal angedeutet. Wo auch sie ja auch meist Comicartig sind. Vor allem irritierend, da Banksy nicht auf sein Urheberrecht besteht. Mangelndes Talent des Zeichners Marco Maraggi? Oder zeugt es von Respekt vor der künstlerischen Leistung? Ich tippe auf zweiteres. Das hätte mich wirklich interessiert wie es dazu kam. Am Ende der Geschichte gibt ein Nachwort, dass sehr erhellenden Ausführung wer oder was Banksy ist und dort hätten hierzu 2-3 Sätze gut getan.

„Die Vergänglichkeit gehört doch gerade zum Wesen der Street Art.“ (S. 38)

Diese Graphic Novel zeigt uns deutlich, dass Street Art eine Auseinandersetzung mit dem Establishment der Kunstszene ist und beleuchtet deren Mehrwert für die Gesellschaft.

Es führt uns vor Augen wie die Ideen Banksys im soziopolitischen Gefüge des Entstehungszeitpunkt zustande gekommen sind und ist daher trotz aller Kritik als Graphic Novel eine wahre Bereicherung!
Und man ist danach bestens vorbereitet sich die Werke noch mal mit Hintergrundwissen anzuschauen.

„Ein interessantes Rätsel ist besser als eine langweilige Antwort!“ (S. 118)
Der Mythos Banksy wird hier erklärt, umrissen, will aber – zu Recht – das Geheimnis nicht lüfte.

Fazit: In dem Sinne bleibt kreativ und stellt die Realität in Frage!

Bewertung vom 25.07.2022
Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2
Abel, Susanne

Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2


ausgezeichnet

Was verkraftet ein Mensch im Leben?

Wahnsinn! Ich habe den Vorgängerband im April 2021 beendet und hatte noch sehr lebendig vor Augen was in „Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“ passiert ist als ich die Lektüre von dem Folgeband „Was ich nie gesagt habe – Gretchens Schicksals Familie“ nun mehr als ein Jahr später las! Dieser zweite Roman nimmt den Faden wieder auf aus dem ersten Band, aber der Fokus ist ein anderer. Denn Greta rückt leicht in den Hintergrund, nun ist Conny – Konrad – im Mittelpunkt.
Susanne Abel besticht wieder mit sehr guter Erzählkunst und bringt uns fiktionalisiert die Kriegs -und die Nachkriegszeit in Deutschland näher. Wieder haben wir 2 Erzählebenen. Die eine spielt in der Gegenwart, beginnend im Jahr 2016 und beleuchtet die Vater-Sohn Beziehung von Tom und Konrad. Die andere bringt uns die Lebensgeschichte von Konrad näher die etwa 1933 beginnt.
Vor allem der gegenwärtige Strang um Tom, der durch einen DNA-Test herausfindet das es da doch noch einen weiteren Halbbruder gibt und dies nun verarbeiten muss, fand ich persönlich sehr berührend. Mutter Greta kann mit fortschreitender Demenz nicht viele Antworten liefern. So bleibt Tom nur die Recherche und sein Vater, um Familiengeheimnisse zu lüften.
Aber auch die Rückblenden in die Vergangenheit sind wieder gekonnt erzählt und machen die Zeit weitaus greifbarer als nur ein Faktentableau aus dem Geschichtsunterricht. Die Autorin scheint viel Zeit auf ihre Recherche verwendet zu haben. Es stimmt einfach alles: die Charaktertiefe, die beschriebenen Ortschaften, die Lebensumstände, viele Detail. Wir lernen viel über Konrad, die unzähligen bitteren Momente, die er in seinem Leben ertragen musste und wie er aus dem Loch herausfand.
Besonders die Charaktere in den Romanen von Susanne Abel tun es mir an. Sind sie doch vielschichtig und haben Ecken und Kanten. Wie auch im ersten Roman liegt das Schweigen, das Geheimnisse haben, die Last des Nicht-Miteinander Redens auf den Figuren und wird äußerst gut transportiert.
Aber bei allem Leid, bleibt dieses Buch doch auch leicht lesbar, ist sogar amüsant an anderer Stelle. Bunt mit Höhen und Tiefen, wie das echte Leben.
Fazit Für Liebhaber vom ersten Band „Stay away from Gretchen“ und Freunden sehr guter Familienromane!

Bewertung vom 25.07.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


ausgezeichnet

Kiewer Revolutionswirren

Seit ich ‚Graue Bienen‘ im Frühjahr las, bin ich ein großer Fan von Andrej Kurkow. Er schreibt im Original auf Russisch und wurde von Johanna Marx und Sabine Grebing hervorragend übersetzt. Hier nun also ein Kriminalroman, der auch in der Ukraine spielt, die geistige Heimat von Andrej Kurkow, auch wenn seine prägenden Jahre zur Zeiten der Sowjetunion waren.
Hier wird nun noch einmal weiter in die Vergangenheit zurück gegangen, denn der Krimi spielt zur Zeit der russischen Revolution, das heißt ca 1905 bis 1922 – wir starten 1919. Wir stolpern in das Leben von Samson, der Vollwaise ist und in diesem Towabouwa der Revolution zur sowjetischen Polizei in Kiew findet. Nicht nur diese Stelle findet Samson, sondern auch die titelgebende Nadjeschda, an die er sein Herz verliert, aber eine patente Helferin findet.
Der Fall den er löst ist passend zur damaligen Zeit wie ein Whodunit aufgebaut und nett gemacht. Was hier aber neben der Kriminalhandlung entscheidender ist (wie bei allen Krimis aus dem Hause Diogenes), ist die Komposition: Der Rahmen der hier beleuchtet wird, die historische Zeit und seine Wirren. Außerdem trifft Kurkow es sprachlich wieder besonders schön.
Mich hat es gut unterhalten, meinen Horizont erweitert und sprachlich gesättigt. Was will man mehr!

Bewertung vom 25.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


sehr gut

Sichtbar machen was sonst verborgen bleibt

Der Ruhepott ist eine besondere Gegend auf so viele verschiedene Arten, deren Bewohner werden aber selten intensiv porträtiert. Der Roman ‚Beifang‘ von Martin Simons nimmt uns mit und zeichnet mit seinem Roman ein Psychogram einer Gegend, die er besonders gut kennt. Ist er doch auch in Selm aufgewachsen und Beifang ist ein Stadtteil von Selm. Er weiß wovon der schreibt und tut dies in einer tollen Art.
Beifang - so der einfache Titel. Einfach nicht nur der Titel, sondern auch die Gegebenheiten die wir hier vorfinden. Der Protagonist Frank Zimmermann geht auf familiäre Spurensuche, denn er will mehr über seinen Großvater herausfinden, Winfried Zimmermann, als er das Haus verkauft in dem er aufwuchs. Winfried Zimmermann war nach dem Krieg ein einfacher Zechenhilfarbeiter. Er hatte 12 Kinder, darunter Franks Vater Otto. Doch das Verhältnis von Frank und seinem eigenen Vater Otto war immer von Schweigen geprägt. Diese Generation der 12 Kinder wächst in prekären Verhältnissen auf. Lieblos. Arm. Ohne Zuneigung und Aufmerksamkeit und ist nicht selten auch durch Gewalt geprägt.
In diesen familiären Schlamm wühlt sich nun Frank hinein und findet viel über seine eigene Familie heraus und auch über sich. Wie sehr ihn diese Vergangenheit im tiefsten prägte und sich nun im eigenen Umgang wiederfindet wie mit dem eigenen Sohn Vincent.
Martin Simons hat eine ohnmächtige Atmosphäre erschaffen, die auch die Nachwehen des Kriegs stark beleuchten, wie sich das durch so etliche Familien gezogen hat. Das Schweigen hier ein Mittel, um überhaupt das zu ertragen was war und gerne vergessen werden wollte.
Ich selbst kenne die Gegend gar nicht und fand dieses fiktive Portrait einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet sehr bereichernd.
Fazit: Es schaut dem kleinen Malocher in die Seele und zeigt und wo der Schuh drückte.

Bewertung vom 12.07.2022
Boy meets Girl
Holbe, Julia

Boy meets Girl


ausgezeichnet

Wenn der Kopf dann doch Emotionen zulässt
In Zeiten wie diesen darf ein Roman auch mal leichter sein, nicht die geopolitischen Themen verhandeln und mich in die Krise stürzen. Vor allem bei hohen Temperaturen lese ich gerne mal was über die Liebe. Ja, das darf auch mal sein und diesmal viel mir ein besonders netter Roman in die Hände: „Boy meets girl“ von Julia Holbe. Na ja, fallen ist der falsche Begriff, denn ich habe die sehr sympathische Autorin auf einer Lesung im Frankfurter Literaturhaus bei „beziehungsweisen“ erleben dürfen und wollte umgehen dieses Buch lesen!
Es hört sich so simpel an, aber wenn es an die Gefühle, das Älter werden und die „letzte Chance“ geht doch noch mal Schwung in die Bude zu bekommen, dann kommt doch eine kleine Wehmut ans Licht und man fühlt mit Nora mit. Wer ist Nora und wie kommen sie in diese Situation? Nora findet einen Schlüpfer einer anderen Frau im Wäschebeutel ihres Mannes Paul…und klar, die Ehe, die bis dato als glücklich von ihr empfunden wurde, wird in Frage gestellt. Das Leben plättscherte so vor sich hin, die erwachsene Tochter ist aus dem Haus und Nora war oft mit dem Fokus bei der Arbeit. Die – Ironie pur – als Paartherapeutin erfolgreich ist und auch Bücher übers Thema schreibt. Nora macht aus, dass sie reflektiert ist. Sie ist eine Perfektionistin, eine Frau, die ihr Leben unter Kontrolle hat und stets vernünftig agiert und reagiert.
Boy meets girl – ein Titel aus der Filmbranche geliehen war das erste was Julia Holbe hatte noch bevor der Text zu leben begann! Sie schreibt leicht und verständlich, ich konnte mich wahnsinnig gut in Nora einfühlen, obwohl ich diesen fortgeschrittenen Lebensabschnitt (noch) nicht erreicht habe. Nora hat die 50 Jahre knapp überschritten und muss sich nun ehrlich die Frage stellen: Was kommt noch? Passiert noch was? Bringt es ihrem Leben etwas immer alles unter Kontrolle zu haben? Und in diese turbulente Situation hinein trifft sie einen jüngeren Mann und das auch noch im Supermarkt. Dann gibt es noch ihre Jugendliebe Jan aus früheren Zeiten, auch wenn Nora das zunächst anders sich selbst gegenüber darstellt. Hört sich alles MEGA chessy an, ist aber super gut geschrieben und sehr sehr gut lesbar. Denn die inneren Zwänge kippen bei Nora und das Leben nimmt seinen Lauf!
Fazit: Liebe, aber in literarisch anspruchsvoll – liest sich leicht weg und macht Spaß! Wie ein Film im Kopf, wenn die Seiten fliegen.

Bewertung vom 11.07.2022
Der Biss
Scheibe, Florian

Der Biss


sehr gut

Urbanes Gesellschaftsreflektion

Früher war alles mal anders…. Und nun ist die Welt mehr als komplex und viele werden leider abgehängt. Florian Scheibe gibt uns mit seinem Roman „Der Biss“ ein literarisches Hilfsmittel an die Hand uns diesem gesellschaftlichen Wandel einmal fiktional zu nähern.
Es geht im Grunde genommen um einen Vorfall auf dem Spielplatz. Da ist zum einen die Familie die nach neusten Idealen und Vorstellungen lebt. Vegan, nur Bio, David ist Hausmann mit all der Care-Arbeit für den Sohn Jonas, Sybil macht Karriere und ist Nachhaltigkeitsbotschafterin. Natürlich haben die beiden eine tolle Wohnung in hipper Berliner Lage. Jonas, der Sohn ist schwierig und da liegt auch der Pfeffer im Korn.
David ist mit Jonas auf dem Spielplatz und da geschieht es : „Der Biss“. Ein anderes Kind beißt Jonas und David rastet förmlich aus. Der Vater des anderen Kindes ist völlig perplex und versteht die Situation nicht, weil seine Deutschkenntnisse sehr limitiert sind. Petre und seine Frau Aurica kommen aus Rumänien und erhoffen sich ein besseres Leben in Deutschland. Sie ist Krankenschwester, deren Berufsausbildung nicht anerkannt wird und er ist Koch und auf der Suche nach Arbeit.
Der Roman stellt diese diametral gegenüberliegenden Lebenssituationen sehr gut dar und beleuchtet die Gegebenheiten. Hier prallen zwei Welten mit voller Wucht auf einander und die Geschichte spiegelt uns hier so viele Themen die mit Zuwanderung, Gentrifizierung, Diskriminierung, Bubble-Leben, Privilegiertes Leben, Zukunftsvisionen vs Ängste. Ein spannendes gesellschaftliches Portrait unserer urbanen Zeit.
Es gab einige unnötigen Stellen, die den Roman nicht bereichert haben. Das hätte Florian Scheibe sich sparen können. Aus meiner Sicht fast kontraproduktiv zum Kern des Romans. Aber davon mal abgesehen eine gute Lektüre.

Bewertung vom 09.07.2022
Tante Ernas letzter Tanz / Ewig währt am längsten Bd.1
Orths, Markus

Tante Ernas letzter Tanz / Ewig währt am längsten Bd.1


gut

Nahtod oder Vampir?

Ich kannte Markus Orths bisher nur aus vereinzelten Romanen, die allesamt gute Literatur sind, daher habe ich mich natürlich auch hier gefreut wieder etwas von ihm zu lesen, aber es ist so ganz anders. Klar, der Autor ist vielfältig unterwegs, schreibt er doch auch erfolgreich die Kinderbuch-Reihe um den smarten Billy Backe.
Nun also „Tante Ernas letzter Tanz“. Das knallige Cover und der „Übertitel“ mit `Ewig währt am längsten` hätte es mir schon verraten sollen. Dieser Roman reiht sich nicht ein in die Romane der guten Literatur. Diesmal erkundet Markus Orths nun die Bühne der komödiantischen Geschichten.
Dieser dünne Band ist in der Tat ein Stück Klamauk und ich meine es nicht despektierlich, aber nicht so ganz meines. Der Sohn von Paul und Irma kommt wie des Öfteren übers Wochenende in das beschauliche Kaff seiner Kindheit am Niederrhein. Er ist auch die Erzählstimme im Buch. Klärchen, die Nachbarin mit direktem Durchbruch wohnt nebenan mit der 99-jährigen Tante Erna und ist praktisch wie Familie. Und weil Klärchens Tochter Sibille nie heimkommt, versuchen sie es mit einem Trick.
Ich habe in der Tat auch an der ein und anderen Stelle gelacht, aber der rheinische Humor liegt mir genauso wenig wie Fasching. Wobei es durchaus in bekannter Markus Orths-Manier sehr gut geschrieben ist und sein Feinsinn für Satire hier deutlich wird. Ich habe da auch schon einige Verwandte im Hinterkopf, die hier ihre Freude haben werden. Daher bin ich mir sicher nicht meins, aber der Geschmack vieler anderer!

Bewertung vom 07.07.2022
Freizeit
Kaspari, Carla

Freizeit


sehr gut

Durchschaut!

Im Mittelpunkt dieses Romans steht die junge Franziska. Sie hat ein Leben, dass von außen gesehen der allgemeinen Zuschreibung: „Perfekt“ entspricht. Sie hat ein tolles Studium abgeschlossen und sogar in Paris studiert, sie hat nun einen guten Job, treibt Sport, hält sich gesund, hatte eine Beziehung, die aber erwachsen gelöst wurde… und so weiter. Von außen alles gut. Aber wie sieht es innen drin aus in Franziska? Sie beginnt ein Roman zu schreiben und beobachtet dafür ihr Umfeld und Freunde. Das erleben wir mit und begleiten sie durch ihren Gedankenwust. Ich empfand es als eine interessante Art der Reflektion!
„Wie alle glücklichen Momente war auch dieser vorbei, sobald er wahrgenommen wurde“. (S. 91)
Dieses Buch ist aus meiner Sicht ein guter Spiegel unserer Zeit, ein Portrait einer Generation die auf Leistung getrimmt ist und durch das Getrieben sein kaum Zeit findet um zu reflektieren und realisiert, dass das nicht das Ende vom Lied sein kann. Auch der Schreibstil spiegelt dies aus meiner Sicht treffend, auch hier fließt ein, dass man sich nicht näherkommt und die Tiefe fehlt in so mancher Dimension.
Carla Kaspari ist bissig, schonungslos und ja, auch witzig, aber hat einen ganz eigenen Humor. Mir hat es Spaß gemacht zu lesen. Klar, es ist sicher ein Buch das polarisiert. Vor allem, weil das Cover eventuell auf eine leichte Sommerlektüre hoffen lässt und dann kommt überraschend guter Inhalt hervor in Form einer besonders gelungenen Milieustudie. Aus meiner Sicht eine gute Wendung, andere mögen enttäuscht sein. Ich hoffe daher inständig, dass das Buch seine Leserschaft finden wird!