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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 763 Bewertungen
Bewertung vom 29.08.2016
Schlechte Medizin
Frank, Gunter

Schlechte Medizin


ausgezeichnet

Ein wichtiges Aufklärungsbuch über den medizinischen Alltag

Gunter Frank berichtet über Fehlbehandlungen im Alltag, über deren Ursachen und über die gesellschaftlichen Folgen schlechter Medizin. Er fordert die Leser auf, den medizinischen Betrieb kritischer zu hinterfragen. Da Autor Frank selbst Arzt ist, handelt es sich um einen mutigen Schritt, seine Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die Leser erhalten kritische Informationen von einem Insider.

Frank erläutert den Trick mit den Normwerten, erläutert den Unterschied zwischen relativem und absolutem Risiko und beschreibt klare Regeln für eine gute Medizin. Studie ist nicht gleich Studie. Es gibt nur wenige (aussagekräftige) „Champions-League-Studien“. Diese sind teuer, laufen über viele Jahre und werden daher nur selten erstellt. Dabei erfüllen sie am ehesten die Forderung nach evidenzbasierter Medizin. In der Realität wird mit Vergleichsgruppen, Klassifizierungen, der Datenauswahl und statistischen Analysen getrickst, um die „Erwartungswerte“ zu erhalten.

Aufschlussreich ist, wie die sogenannte Lehrmeinung in der Medizin entsteht. Der Einfluss der Hochschulprofessoren auf die Leitlinien der Fachgesellschaften ist enorm. Und hinter den Professoren steht die Industrie. „Es ist davon auszugehen, dass es eine direkte Einflussnahme der Industrie auf die Leitlinienerstellung in Deutschland gibt.“ (148) Es mangelt an einer unabhängigen Qualitätssicherung. Um hier gegenzusteuern, wurde 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gegründet.

Frank warnt vor einer Ideologisierung der Gesundheitspolitik. „Die Irrtümer werden als generationsübergreifende Ideologien weitergegeben.“ (176) „Neue Ansätze oder Kritik an etablierten Lehrmeinungen werden systematisch unterdrückt.“ (185) (Natur)wissenschaftliche Methoden haben nicht das Gewicht, welches sie haben sollten, statistische Methoden werden unsachgemäß angewandt.

Autor Frank beschäftigt sich auch mit Ernährungsfragen und ihrem Einfluss auf die Gesundheit. Das ist ein Thema, welches Zweifel weckt. Frank spielt den Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit herunter. Der Mensch wird aber durch die Gene und durch die Umwelt geprägt. Den Einfluss der Ernährung auf Krankheiten herunterzuspielen halte ich aus evolutionsbiologischer Sicht nicht für plausibel.

Im Schlusskapitel erläutert Frank, wie er bei Untersuchungen vorgeht. Sein Hauptvorwurf richtet sich an die medizinischen Hochschulen, denen Selbstkritik fehlt und die Lehrmeinungen hervorbringen, die nicht dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen. Er erläutert, welche Änderungen aus seiner Sicht erforderlich sind und wie sich Patienten im Hinblick auf beschriebene Missstände verhalten sollen. Das Buch ist ein „Plädoyer für mehr Vernunft in der Medizin“.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2016
Der übersehene Mann: Roman
McKenna, Christina

Der übersehene Mann: Roman


gut

Suche nach Geborgenheit

Der (leicht lesbare) Roman besteht aus drei Erzählungen, die miteinander verwoben sind. Es sind dies die Geschichten von dem Farmer Jamie McCloone und der Lehrerin Lydia Devine sowie der Rückblick auf die prägende Kindheit von Jamie McCloone in einem katholischen Waisenheim. Verschneidungen zwischen den Protagonisten entwickeln sich, der Zufall spielt dabei eine (über)große Rolle. Das gibt dem Roman naive Züge.

Bei der Beschreibung des ländlichen Irlands wird deutlich, dass Autorin Christina McKenna dort aufgewachsen ist. Die Charakterstudien sind gelungen und bewirken, dass die Leser in die Romanwelt eintauchen können. Die Beschreibungen wirken authentisch. Der Roman ist facettenreich, er ist melancholisch, humorvoll und durch die Heimgeschichten auch sozialkritisch. Die Entwicklung am Ende kommt unerwartet.

Bewertung vom 28.08.2016
Das erste offizielle Katzenhasserbuch
Skip Morrow

Das erste offizielle Katzenhasserbuch


sehr gut

Katzen - eine Fehlleistung der Natur

Wozu braucht man Katzen? „Schurwolle, frische Eier, rahmige Milch weigern sie sich zu liefern; diszipliniert an der Leine oder gar „bei Fuß“ spazierengehen, lehnen sie ab“. Selbst die Polizei verzichtet auf ihre Dienste. Hunde sind treu, Katzen berechnend, weiß der Volksmund.

Autor Skip Morrow lässt die Katze aus dem Sack und setzt sich mit dem Problem auseinander. Auf ca. 120 Seiten (Seitenangaben fehlen) visualisiert er, was man mit der Mieze anstellen kann bzw. wie man das Viech loswird. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Ein wertvoller Ratgeber für alle, die diese Plage beseitigen wollen.

Das Buch ist nicht für Katzenfreunde geeignet, die plagt nach einer solchen Lektüre der Katzenjammer. Freunde des schwarzen Humors werden dagegen ihre Freude haben. Das Buch ist schnell gelesen, wenngleich man bei einigen Skizzen genau hinschauen muss. Das Titelbild vermittelt einen ersten Eindruck von diesem (mittlerweile) Klassiker der Katzengeschichte.

Bewertung vom 27.08.2016
Der Fünf-Minuten-Philosoph
Benedict, Gerald

Der Fünf-Minuten-Philosoph


weniger gut

Ein bescheidener Überblick über philosophische Themen

Der Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm bemerkte einst, dass der Mensch das einzige Tier sei, welches sich mit dem Problem der eigenen Existenz beschäftigen müsse. Hat das Leben einen Sinn? Und schon war die Philosophie geboren. Da die Vernunft die Frage zwar diskutieren, aber nicht beantworten kann, mussten die Religionen erfunden werden. Damit ist im Laufe der menschlichen Geschichte eine Vielfalt an Antworten entstanden. Je nach Sozialisierung, Umfeld, Neigungen und Überzeugungen sucht sich der Mensch seine eigenen Antworten. „Der Fünf-Minuten-Philosoph“ soll dabei behilflich sein.

Die Themen sind interdisziplinär und vielfältig. Gerald Benedicts Untersuchungsobjekte sind „Wissen“, „Ich“, „Kosmos“, „Menschheit“, „Spiritualität“, „Religion“, „Glauben“ und „Verhalten“. An diesen Begriffen wird deutlich, dass zur Analyse nicht nur Philosophie und Religionswissenschaften gefordert sind, sondern insbesondere wissenschaftliche Disziplinen wie Psychologie, Astronomie, Biologie, Soziologie und Anthropologie. Der Autor ist Religionswissenschaftler und promovierte in Philosophie und durch diese Brille betrachtet er auch die Themen. „Dieses Buch führt durch die Welt der Dichter, Denker und Weisheitslehrer“.

Ob es sinnvoll ist, auf 200 Seiten 80 verschiedene Themen anzureißen, ist eine andere Frage. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass Begriffe nicht hinreichend definiert werden können und der Blick nicht sehr in die Tiefe gehen kann. Einen Vergleich mit z.B. „Schlüssel zur Philosophie“ von Franz Wuketits, auch ein Einsteigerbuch, hält „Der Fünf-Minuten-Philosoph“ nicht stand. Man merkt beim Lesen, dass Wuketits mehr von den Naturwissenschaften bzw. der Wissenschaftstheorie geprägt ist und Benedict mehr von den Religionswissenschaften. Wuketits ist präziser in seinen Ausführungen.

Bei einer Analyse des Wissens und seiner Grenzen (23) könnte man zur Abrundung auch einen Ausflug in die Evolutionäre Erkenntnistheorie (Gerhard Vollmer) oder in den Konstruktivismus (Paul Watzlawick) unternehmen. Formulierungen wie „Nach der Urknalltheorie entstand der Kosmos zu einem bestimmten Punkt in der Zeit ...“ (55) ist nicht richtig, wie der Autor später (57) selbst erkennt „Und dabei [Urknall] entstanden auch Raum und Zeit“. Das Thema „Freier Wille“ (80) greift zu kurz, wenn nicht die Experimente von Benjamin Libet angesprochen werden. Beim Abschnitt Religion hat mich gestört, dass der Autor keine Unterscheidung zwischen Fundamentalismus und Fanatismus vornimmt (130). Auch ist für mich nicht plausibel, dass Agnostizismus, wie Theismus und Atheismus, auf einem Glauben beruhen soll (142). Zum Thema Erleuchtung (150) fehlen zum besseren Verständnis Erfahrungsberichte, wie sie z.B. Richard M. Bucke in „Kosmisches Bewusstsein“ liefert.

Das Buch gibt zweifelsohne Anregungen. Es ist aber teilweise auch unscharf in seinen Ausführungen. M.E. ist es insbesondere für Leser gedacht, die sich mit den behandelten Themen bislang eher wenig beschäftigt haben. Anderen würde ich empfehlen, direkt auf weitergehende Literatur zuzugreifen.

Bewertung vom 27.08.2016
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Jonasson, Jonas

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand


sehr gut

Ein verrückter Schelmenroman

Allan Karlsson ist trotz seiner hundert Jahre kein Mann fürs Altersheim. Das Abenteuer steckt ihm im Blut und so steigt er aus dem Fenster seines Altersheims und verschwindet in Richtung Bahnhof. Wenngleich der Ausbruch am Anfang ungewöhnlich wirkt, wird im Zuge einiger Retrospektiven, in denen Karlssons Lebensgeschichte erzählt wird, deutlich, um welches Kaliber es hier geht.

Protagonist Karlsson ist Sprengstoffexperte und Überlebenskünstler. Markant sind sein Durst und sein Charakter. Sein trockener Humor zieht die Leser in seinen Bann. Er hat keine Hemmungen, redet frei heraus und hat mit Religion und Politik nichts im Sinn. So kommt es im Laufe seiner Lebensgeschichte häufiger vor, dass er die Seiten wechselt, ohne sich dabei etwas zu denken.

Der Roman ist absurd, realitätsfern und voller schwarzem Humor. Er lebt von seiner Situationskomik und der Unberechenbarkeit seiner oft planlos agierenden Akteure. Die Idee, einen Hundertjährigen zum Hauptdarsteller zu machen, erweist sich als genial, zumal wenn man in der Lage ist, ihn unerwartet forsch darzustellen. Aber auch die anderen Protagonisten sind auffallende Charaktere.

Jonas Jonasson ist ein verrückter Schelmenroman gelungen. Das Buch liest sich leicht und man legt es nur ungern zur Seite. Die Geschichte findet nach zahlreichen Abenteuern ein würdiges Ende. Der Reiz des Buches liegt auch darin begründet, dass der Leser zu Beginn überhaupt nicht weiß, wie sich die Geschichte entwickeln wird. Der Autor sollte dem Drang seines Verlegers widerstehen und kein zweites Buch nach dem gleichen Muster schreiben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2016
Die Zeit, die Zeit
Suter, Martin

Die Zeit, die Zeit


gut

"Das, was wir als das Verstreichen von Zeit empfinden, ist in Wirklichkeit nur die Entstehung von Veränderung." (287)

Mit dem Phänomen Zeit haben sich Generationen von Physikern, Psychologen, Biologen und Philosophen beschäftigt, ohne eine abschließende Antwort zu finden. Zeit ist relativ, Zeit ist subjektiv, Zeit ist Veränderung, Zeit ist im Sinne von Kant eine a priori Denkkategorie. Das Bewusstsein erzeugt die Illusion der Zeit. Martin Suter beschäftigt sich literarisch mit der Zeit und so kommt sein Protagonist Knupp zu dem Ergebnis: "Die Zeit existiert nicht." (88) Um diesen Gedanken kreist der Roman. Ein Augenblick soll festgehalten werden. Die Realität wird dem Augenblick angepasst.

Ort der Handlung ist eine kleine Wohnsiedlung, die Protagonisten sind Peter Taler und der Sonderling Albert Knupp. Beide haben ihre Frau verloren. Martha Knupp-Widler starb vor zwanzig Jahren, Laura Wegmann wurde vor einem Jahr ermordet. Taler ist von der Polizei enttäuscht und versucht den Fall selbst aufzuklären, Knupp arrangiert sich auf seine spezielle Art und Weise mit der Situation. Er hat eine individuelle Theorie zur Zeit und versucht diese empirisch zu beweisen. Taler wird in seinem eigenen Interesse sein Helfer. Damit ist der Handlungsrahmen abgesteckt. Wie wurde der Plot umgesetzt?

Der Leser spürt die Zeit. Sie scheint gedehnt zu sein. Die Handlungen drehen sich um Fotos und um Angleichung der Außenwelt an diese Fotos. Dieser Prozess macht wesentliche Teile des Romans aus. Abwechselung bieten die Szenen auf Talers Arbeitsstätte. Zu guter Letzt wird der Mordfall geklärt. Es handelt sich aber nicht um einen Krimi, sondern eher um einen psychologischen Roman. Mir fehlen in diesem Werk tiefergehende philosophische Betrachtungen zur Zeit, die eine so zentrale Rolle spielt. So wirkt die Geschichte phasenweise recht fad.

Fazit: Der Plot ist genial; die Umsetzung mäßig.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2016
Magisches Denken (eBook, ePUB)
Grüter, Thomas

Magisches Denken (eBook, ePUB)


sehr gut

Magie versus Naturwissenschaft

Während der Büchermarkt mit esoterischer Literatur überschwemmt wird, fristen Bücher, die sachlich aufklären und die Spreu vom Weizen trennen, ein Schattendasein. Warum ist das so? Diese und viele ähnliche Fragen werden in „Magisches Denken“ behandelt. Thomas Grüter, Arzt und Softwareunternehmer, klärt die Leser über die Grundlagen des magischen Denkens und seine Auswirkungen auf.

Grüter bringt das Thema im Vorwort auf den Punkt. Der Mensch nutzt zwei Denksysteme. „Das nur beim Menschen voll ausgeprägte analytisch-rationale und das entwicklungsgeschichtlich sehr viel ältere Erfahrungssystem.“ (8) Wenngleich das analyisch-rationale System sich im Hinblick auf das Überleben der Menschheit auf der Überhohlspur bewegt, existiert das unsere Gefühle steuernde Erfahrungssystem weiter. „Im Spannungsfeld dieser beiden Systeme entsteht das magische Denken.“ (8)

Das magische Denken bietet die Grundlage für sämtliche esoterische Glaubensrichtungen. Esoterik funktioniert, weil sie an das Gefühl appelliert. Daher ist eine vernunftgeführte Widerlegung dieses Glaubenssystems auch nicht möglich. Um die Prinzipien der Esoterik zu verdeutlichen, entwirft Grüter kurzerhand eine eigene esoterische Lehre. „Die Esoterik lebt von schönen Träumen, von Harmonie und Liebe.“ (195). Wenn zentrale Aussagen esoterischer Modelle zutreffen, muss die heutige Physik in wichtigen Aspekten falsch oder zumindest grob unvollständig sein.

Der Autor schreckt auch nicht vor einer kritischen Analyse seiner eigenen Zunft, der Medizin, zurück. Dabei findet er klare Worte, wenngleich seine Kritik nicht soweit geht, wie die von Dr. Gunter Frank in „Schlechte Medizin“. Grüter schlägt einen Bogen von der Naturmedizin bis in die Neuzeit, wundert sich über den Glauben an uralte Praktiken und relativiert den Erfolg medizinischer Therapien. Manche Erfolge beruhen auf einer „therapeutischen Illusion“. (182)

Auch zwischen Religionen und magischem Denken besteht ein Zusammenhang. Aus dem Blickwinkel der Evolution muss Religion den Mitgliedern einer Gruppe einen Überlebensvorteil gebracht haben. Sonst wären Religionen heute nicht kulturübergreifend so verbreitet. Grüter erläutert die Entstehung anhand des Cargo-Kults, geht mit seiner Kritik aber nicht soweit, wie Richard Dawkins in „Der Gotteswahn“. „... sein Buch [Der Gotteswahn] bringt die Diskussion nicht recht voran. Es hat formal und inhaltlich … gravierende Schwächen ...“. (243)

In „Naturwissenschaft und magisches Denken“ widmet sich Grüter den Vertretern des analytisch-rationalen Denkens und macht deutlich, dass es sich letztlich, aufgrund der Methodik, um das erklärungsmächtigste Denksystem der Menschheit handelt. Aber auch Wissenschaftler sind nur Menschen. „Sie haben Vorurteile wie andere Menschen auch, und sie neigen durchaus zum magischen Denken.“ (273)

Thomas Grüter beschreibt in diesem Buch Hintergründe und Folgen des magischen Denkens. Seine Ausführungen sind sachlich, teilweise humorvoll und insbesondere sehr verständlich. Magisches Denken ist ein uraltes Erbe der Menschheit und damit unvermeidlich. Es kann aber durch analytisch-rationales Denken überlagert werden. Das Buch dient dazu, über entsprechende Zusammenhänge aufzuklären.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.08.2016
Denkanstöße 2014

Denkanstöße 2014


sehr gut

Erkenntnisse, Einsichten, Erfahrungen

Der Mathematiker John Casti beschäftigt sich in „Wie wird ein Ereignis zum X-Event“ mit der Anfälligkeit komplexer Systeme. Gemeint sind insbesondere die komplexen Systeme, die unsere hoch entwickelte Wirtschaft am Leben erhalten und uns Wohlstand ermöglichen. Die derzeitige Überversorgung in weiten Teilen der Welt wird wie selbstverständlich hingenommen, dabei gibt es Abhängigkeiten, die sehr schnell zum Kollaps führen können. So führte eine Blockade der Autobahnauffahrten in Italien 2007 dazu, dass nach 2 Tagen die Supermärkte leergeräumt waren und Tankstellen kein Benzin mehr verkaufen konnten. Der Club of Rome hatte sich bereits 1972 mit den Abhängigkeiten in modernen Gesellschaften beschäftigt und Grenzen des Wachstums aufgezeigt; geändert hat sich seitdem nichts.

Die Innenansichten der Soldaten der Wehrmacht sind Thema in Felix Römers Beitrag „Kameraden. Die Wehrmacht von innen“. Als Quelle dienten u.a. Abhörprotokolle der Amerikaner aus den alliierten Vernehmungslagern des Zweiten Weltkriegs. Die Gespräche der einfachen Soldaten untereinander wurden in großem Stil abgehört. Diese Quelle ist aussagekräftiger als die meist zensierte Feldpost. Deutlich wird anhand dieser Protokolle, dass der Politisierungsgrad der Soldaten trotz Diktatur geringer war, als allgemein angenommen. „Dem Klischee von fanatischen Weltanschauungskriegern entsprach indes wohl nur eine kleine Minderheit.“ Für weitergehende Untersuchungen fehlt es an Quellen. Insofern ist auch kein Vergleich zwischen dem deutschen Landser, dem amerikanischen GI oder dem Rotarmisten möglich.

In weiteren Beiträgen geht es um Nächstenliebe (Beatrice von Weizsäcker), die Bedeutung von „christlich“ (Hans Küng), um die Zukunft der Energie (Robert B. Laughlin) und um die Krebsforschung (David Agus). Zu letztgenanntem Beitrag hätte ich mir, entsprechend dem Titel „Das Ende der Krankheit“ mehr Inhalt gewünscht. Primär wird angedeutet, dass ein systemischer (ganzheitlicher) Ansatz weiterführen kann, ohne diesen jedoch zu konkretisieren.

Der letzte Teil des Buches ist zwei markanten Frauen gewidmet, die sich gegen den Mainstream gestellt haben und selbstbewusst ihre eigenen Positionen vertreten haben. Eva Rieger beschreibt die Konflikte, die Friedelind Wagner, Enkelin von Richard Wagner, mit dem Nationalsozialismus hatte und Ursula Ludz und Thomas Wild erläutern Hannah Arendts Ausführungen zur Gerichtsverhandlung des NS-Verbrechers Adolf Eichmann. Arendts Ansichten und Einsichten prägten den Begriff „Banalität des Bösen“, welcher auf heftigen Widerstand stieß.

Auffallend ist, dass fast alle Beiträge auf die Verantwortung des Einzelnen abzielen. Die „Denkanstöße 2014“ sind weniger reine Informationen aus verschiedenen Disziplinen, dafür mehr (im wörtlichen Sinne) Anstöße zu mehr Selbstverantwortung. Wer neue Themen sucht (aus Wissenschaft und Forschung), braucht das Buch nicht zu lesen. Es liegt an der Struktur dieser Schriftenreihe, dass Themen nicht ausführlich behandelt werden können. Ein kleiner Einblick in die Thesen der Autoren ist dennoch möglich.