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Benutzername: 
Pip
Wohnort: 
Belm

Bewertungen

Insgesamt 1117 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2022
Die versteckte Apotheke
Penner, Sarah

Die versteckte Apotheke


ausgezeichnet

Caroline ist eigentlich auf eine Hochzeitstags reise von Ohio nach London. Aber ohne ihren Mann, den hat sie kurz vor der Abreise beim Fremdgehen erwischt. In London, unglücklich, macht sie bei einer Art Schatzsuche am Themseufer mit. Sie findet eine Flasche wie sie vor zweihundert Jahren Apotheker benutzt haben. Als ehemalige Historikerin forscht sie nach.
Zeitsprung: Zweihundert Jahre früher hilft die Apothekerin Nella verzweifelten Frauen, mit Tränken und Salben gegen Frauenleiden und anderen Problemen, aber auch mit wirksamen Giften um sie von gewalttätigen Ehemännern, Brüdern und Vätern zu befreien. Ein heikles Geschäft, nur einen Schritt vom Galgen entfernt. Doch sie weiß wie die Frauen sich fühlen, das sie das Bedürfnis nach Rache haben, das Gefühl brauchen, Rache heilt alle Verletzungen. Bei so einer Hilfeleistung lernt sie die junge Eliza kennen.
Das Buch wird immer im Wechsel aus der Gegenwart und der Vergangenheit erzählt, die Vergangenheit teilen sich Nella und Eliza.
Die kurzen Kapitel sorgen noch mehr für Spannung als die Geschichte ohnehin schon bietet. Die Gefahr auf der einen Seite, denn es ist Mord auch wenn wir heute vielleicht es Notwehr nennen würden. Bei Caroline, die Fragen nach ihrer Ehe und die Nachforschungen.
Die Parallelen zwischen den drei Frauen kann man immer wieder ziehen, obwohl es ganz unterschiedliche Lebensstile sind. Die drei Frauen wirken nicht selbstbewusst, eher fatalistisch, sie haben sich in ihrer Situation zurecht gefunden und machen das Beste daraus. Gleichzeitig sind sie ungeheuer hilfsbereit. Denn in der Vergangenheit gibt es viele Frauen die keinen anderen Ausweg sehen. Denn das Gesetz der Zeit sieht in der Frau das Eigentum des Mannes. Unverheiratet ist es der Vater oder Bruder und nach der Eheschließung der Mann.
Die Erzählung im historischen Strang nimmt auch Bezug auf den Aberglauben in der Zeit, Geister und Unwissen um ganz normale Vorgänge machen den Wunsch nach Zaubersprüche und Hexentränke verständlich. Diese Gedanken wirken erst unverständlich beim längeren Überlegen gibt es aber eine logische Erklärung und ich konnte auch mit diesen erzählerischen Elementen gut leben.
Für mich war es gelungene Unterhaltung.

Bewertung vom 12.07.2022
Drei Tage im August
Stern, Anne

Drei Tage im August


gut

Unter den Linden
In der Vergangenheit eine prachtvolle Straße, mit vielen exklusiven Geschäften und vor allem Bäume eine Allee zum flanieren, sehen und gesehen werden. Man kann sich diese Straße im Jahr 1936 richtig vorstellen, wenige Autos, Arm und Reich nebeneinander, genau wie sämtliche politische Überzeugungen oder alle Religionen und viele Nationalitäten. In diesen Tagen gibt es nur ein Thema, die olympischen Spiele. Die Politik spielt mit. Die Angst auch. Genau das beschreibt die Autorin anhand ihrer Figuren die eher dem Spektrum der kleinen Leute von Berlin zuzurechnen sind. Die Pralinenverkäuferinnen Elfie und Trude, das Blumenmädchen, das Dienstmädchen Mine und der Leierkastenmann. Der jüdische Buchhändler ist einer der Außenseiter genau wie Madame Conte trotzdem gehören sie zur Gemeinschaft dieser Straße.
Es hat lange gedauert bis ich mit dem Buch warm geworden bin, bis ich mich in die Geschichte eingefunden hatte, aber dann mochte ich die Menschen, habe mit ihnen geträumt und Mut gesucht. Habe mit ihnen heimlich von einem anderem Leben geträumt und nach außen mich bemüht es den Falschen recht zu machen. Ich habe beim Lesen Schokolade gegessen und Tee getrunken, genau wie es die Figuren machen. Dadurch entstand nach und nach ein Gefühl der Empathie. Es ist trotz des schweren Hintergrunds, vor allem mit meinem Wissen um die Entwicklung der Geschehnisse ein sehr ruhiges Buch, unaufgeregt, wenig Spannung im eigentlichen Sinn.
Am Anfang habe ich gedacht es zieht sich wie Kaugummi und liest sich auch so langweilig. Es dauert bis sich das Buch entwickelt aber dann ist es eine hochwertige Praline, ein sehr leckerer Trüffel den man in Ruhe und mit Muße geniest.

Bewertung vom 11.07.2022
Fisch Land Tod
Wekwerth, Rainer;Schwarz, Rita

Fisch Land Tod


gut

Nina sucht einen Job und landet bei Jesper Stein, Bestattungsunternehmer in der dritten Generation. Genau so konservativ ist er auch. Nina dagegen hat Piercings, bunte Haare und eigenartige Kleidung. Aber erstaunlicherweise kommen die beiden gut miteinander zurecht.
Als eines Tages ein Immobilienhai stirbt und den beiden einige Dinge auf. Der Arzt und die Polizei gehen dagegen von einem natürlichen Tod aus. Die beiden ermitteln und geraten dabei natürlich auch in Gefahr.
Die beiden Bestatter sind ziemlich skurril,, ihre Art und Weise passt zu den Figuren trotzdem musste ich immer wieder schmunzeln. Auch die Nebenfiguren sind gelungen. Sei es die schusselige Polizei, der von sich überzeugte Arzt oder die Campingplatzbetreiber. Alle verhalten sich genau so wie man es erwarten würde und eben mit dem Touch zu viel, der zu einem humorvollen Krimi gehört. Aber es gibt auch ein ernstes Thema, der Grund für die Todesfälle. Er liegt in der Vergangenheit und wird in Rückblenden gut geschildert.
Nebenbei gibt es immer wieder ein Häppchen Information zu den Thema Bestattungen. Für mich wurden damit Fragen beantwortet die manchmal so nebenbei auftauchen aber bei denen man sich nicht unbedingt die Mühe macht nach zu forschen. Und wenn man dann in der Situation ist in denen man mit diesen Informationen überhäuft wird will man nichts davon wissen. So fand ich es gelungen. Es gehörte zum Buch ohne das es aufdringlich wirkte.
Die Mischung aus Humor, Krimi und Informationen war gut gelungen. Etwas gestört hat mich die Darstellung der Polizei, so dämlich kann man nicht sein. Außer vielleicht in Slapstick Komödien aber so schlimm ist das Buch nicht.

Bewertung vom 09.07.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


ausgezeichnet

Isidor. eigentlich ist sein Geburtsname Israel, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Lemberg geboren. Klug, ehrgeizig und eloquent macht er Karriere in Wien. Als Kommerzienrat Dr. Isidor Geller ist er bekannt, beliebt und lebt aus dem Vollen, vermögend genug ist er. Bis März 1938 dann kommt der Anschluss von Österreich an das nationalsozialistische Deutschland. Als Jude ist er allen erdenklichen Repressalien ausgesetzt. Sein Vermögen wird gestohlen, er wird gefoltert am Ende ermordet. Ein Neffe von ihm schafft es nach Palästina und ist der Großvater der Autorin.
Als Journalistin ist sie mit Recherche und Berichterstattung vertraut. Sie gibt Isidor sein Leben, seine Geschichte zurück. Anhand von alten Fotos, Briefen und vor allem den Berichten und Dokumenten der akribischen Bürokratie der Nationalsozialisten konnte sie das Leben und den Untergang ihres Urgroßonkels rekonstruieren.
Alle Details kann ich als Leserin nachverfolgen. Die Begeisterung von 97% der österreichischen Bevölkerung, das Drangsalieren der jüdischen Bevölkerung. Die Sorgfalt und Genauigkeit beim bürokratischen Erfassen der Vermögenswerte und allem Eigentums der Juden, ist mit sehr vielen Dokumenten belegt.
Die Autorin erzählt auch wie ihr Großvater 1956 zurück nach Wien in seine Heimatstadt geht. Wie er Menschen trifft, die seine Familie verraten haben, er trifft Menschen in deren Wohnung er Möbel seiner Eltern erkennt.
Der Schock das sich diese Menschen immer noch keiner Schuld bewusst sind, trifft nicht nur ihn sondern auch mich als Leserin.
Dieses Buch ist einerseits eine Biographie und auf der anderen Seite, eine in meinen Augen hervorragende journalistische Arbeit. Die Autorin liefert Tatsachen, der Protagonist hat real gelebt und gelitten. Sie beschreibt seinen Aufstieg, sein erfolgreiches Leben und den Absturz den er nicht selber verschuldet hat.
Ein Buch das niemanden unberührt und auch nicht wieder los lässt.

Bewertung vom 08.07.2022
Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1
Erler, Lukas

Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1


ausgezeichnet

Es geht um Raubkunst. Kunstgegenstände aus Gräbern werden schon seit Hunderten von Jahren verkauft und damit ist heute sehr viel Geld zu verdienen. Es heißt zum Beispiel das der IS sich damit finanziert.
Carla Winter ist Strafverteidigerin in Frankfurt. Sie erfährt das ihr ExMann sich in der Türkei totgefahren hat und wird gebeten die Kosten für Überführung und Bestattung zu übernehmen, weil es sonst niemanden gibt und sie immer noch etwas für ihn empfindet, sagt sie zu. Damit nimmt das Unheil seinen Lauf.
Es ist äußerst spannend wie die taffe Anwältin mit den Situationen die jeden anderen überfordern würden umgeht. Sie hat Bekannte, Freunde und Familie die zur Hilfe kommen, aber selber muss sie sich Einiges gefallen lassen. Sie führt die Polizei an der Nase herum, in diesem Roman zurecht.
Wir kommen beim Lesen ganz schön herum. Das Buch startet in Bagdad, dann Frankfurt, Duisburg, Istanbul und weiter nach Mardin einer uralten kurdischen Stadt in Südostanatolien dem türkischen Teil Mesopotamiens. Diese Beschreibung ist wichtig, weil dadurch die Erklärungen zu den Raubgegenständen verständlich werden.
Im Grunde kann man sagen die Bösen sind unsympathisch der Rest ist mir sehr sympathisch. Aber da gibt es natürlich Abstufungen, Carlas Exmann scheint ein umtriebiger Mann gewesen zu sein. Ein Charmeur und anscheinend auch ein Verbrecher, sie wusste wohl nicht sehr viel von ihm, der landet verliert im Laufe des Buchs. Dann gibt es Personen die gewinnen je mehr man über sie liest, allen voran ein alter Professor und die Sekretärin. Auch die Menschen die nur kurz auftauchen sind interessant porträtiert, ich habe zwei Verkäuferinnen gut in Erinnerung behalten.
Der Untertitel lautet ein Fall für Carla Winter, ich hoffe es gibt noch mehr Fälle.
Auf alle Fälle ist es ein Autor der auf meiner Leseliste gelandet ist.

Bewertung vom 07.07.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort (eBook, ePUB)
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort (eBook, ePUB)


gut

Bei einem Gebet in einem Seniorenheim fällt Elke das Vater-Unser nicht mehr ein. Mehr wie die ersten beiden Zeilen fallen ihr nicht mehr ein. Sie murmelt etwas und flüchtet. Die alte Dame mit der sie beten wollte, nennt es einen Brei und ist wütend auf die junge Pastorin. Was ist passiert? Hat Elke ihren Glauben verloren oder hat sie einen Burn Out. Die Erwartungen ihrer Eltern endlich in die Fußstapfen ihres Vaters zutreten stehen im Gegensatz zu ihren atheistischen Lebensgefährten der gerne alles sehr ordentlich hat. Das ist Glaube aber nicht. Glaube erlaubt Unordnung, Zweifel, Angst, er ist auch Vertrauen, Zuversicht und Kraft. Das alles weiß jeder, was er oder sie oder es daraus macht ist jeden selbst überlassen.
Dieses Machen ist aber nicht einfach. Was macht man, wie macht man es und wo? Die Protagonistin flieht in den Ort ihrer Kindheit, zu ihren Eltern die keine Hilfe sind. Denn alle drei haben dasselbe Problem. Es fehlt jemand, jemand ,Unersetzliches.
Die Suche nach dem Glauben, dem Vertrauen in Gott, wird sehr gut und nachvollziehbar dargestellt. Auch für jemanden der wenig glaubt und den Glauben auch nicht vermisst. Es liegt nicht nur an dem Beruf, es ist auch die Suche nach einem Sinn, nach sich Selbst, nach einen Neuanfang.
Das Buch ist nicht spirituell geschrieben, es ist eine Beschreibung von Tatsachen und Fragen die wir alle in dieser oder jener Form schon erlebt haben. Es gibt auch keine Antworten außer vielleicht die Empfehlung Vertrauen im Partner und auch mal miteinander reden über die Dinge die wirklich wichtig sind.

Bewertung vom 05.07.2022
Solange gehört das Leben noch uns
Weiß, Josefine

Solange gehört das Leben noch uns


sehr gut

Inas Großvater kommt ins Hospiz, er hat nicht mehr lange zu leben und dort gibt es für ihn die bessere Pflege und er ist dort auch nicht so allein weil Ina arbeiten muss und daher nur abends für ihn Zeit hat. Im Teresienhospiz trifft sie Richard, leider ist er auch ein Gast des Hauses und nicht nur ein Besucher. Aus einem begeisterten Bergsteiger ist ein Mann geworden der nur noch wenige Schritte ohne Schmerzen gehen kann. Trotz allem verlieben sich die beiden ineinander. Es ist eine Liebe mit Verfallsdatum. Die beiden gehen offen mit dieser Tatsache um.
Die Geschichte ist bittersüß, sehr traurig zu lesen. Trotzdem hat es Spaß gemacht der Entwicklung zu folgen. Ich habe mich etwas mit Ina schwer getan, sie ist dermaßen durch den Wind, dass sie öfter etwas vergisst und sich ständig am Entschuldigen ist. Eigentlich könnte sie von jedermann Verständnis für ihre Situation erwarten aber sie will es immer allen recht machen. Die anderen Figuren waren eine bunte Mischung. Ein perfekter Großvater, eine nette Nachbarin, eine beste Freundin die sich traut eine eigene Meinung zu haben, ein möglicher Partner der mir irgendwie suspekt war und natürlich Richard ein Mann zum verlieben.
Trotz der vielen Emotionalität die wirklich auf die Tränendrüsen drückt, war es ein gutes Buch. Das Hospiz wird als ein Hort der Zuversicht und Behaglichkeit beschrieben, ich hoffe das es so etwas auch im wirklichen Leben gibt. Die Ansichten die als Grundsätze beschrieben werden würden das Ende des Lebens wirklich erleichtern.

Bewertung vom 04.07.2022
Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1
Hennig von Lange, Alexa

Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1


sehr gut

Die 90jährige Klara spricht ihre Lebenserinnerungen auf Kassetten, für ihre Kinder, Enkelkinder und bald auch ein Urenkel. Sie macht auch im hohen Alter einen selbstbewussten, fast strengen Eindruck. Alles muss ordentlich und geregelt sein. Sie war in ihren jungen Jahren Lehrerin für Hauswirtschaft in einem Kinderheim. Dort wurden kranke Kinder betreut und gleichzeitig Mädchen als Hauswirtschafterinnen und Kinderpflegerinnen ausgebildet.
Ein kleines Waisenmädchen nimmt sie als ihre Tochter an. Mit den Jahren übernimmt sie die Verantwortung für das Haus. Es wird wirtschaftlich immer schwieriger und sie beginnt mit den neuen Machthabern zu lebäugeln. Zu spät merkt sie das diese eine Gefahr für ihre Tochter darstellen, denn Tolla ist Jüdin von Geburt.
Dieses Buch basiert zum Teil auf den Kassetten die die Großmutter der Autorin besprochen hat. Es ist ein Versuch ,das Verhalten der Menschen die keine Widerständler und keine begeisterten Mitläufer waren, zu erklären. Denn diese Frage treibt viele Menschen heute um. Habt ihr es nicht kommen sehen, warum habt ihr euch nicht gewehrt, warum habt diese Partei gewählt, warum habt ihr nicht die Notbremse gezogen, warum habt ihr mitgemacht? Alle diese Fragen möchte man der Großelterngeneration stellen. Antworten können sie in den meisten Fällen nicht mehr geben. Denn am Beispiel von Klara wird klar, Viele waren politisch unbedarft. Viele hatten nicht genug Vorstellungskraft, andere dachten vielleicht so schlimm kann es nicht werden.
Klara ist eine Figur ihrer Zeit. Strebsam, ordentlich, verantwortungsbewusst gegenüber ihrer Familie. Ihre Entscheidung ihr Schweigen zu brechen und ihre Geschichte erst der Nachwelt zu erzählen passt gut dazu.
Denn wir wissen Menschen die diese Zeit erlebt haben, sprechen in den meisten Fällen nicht darüber.
Daher empfinde ich dieses Buch als spannend denn Klara könnte auch meine Großmutter sein. Das kleine jüdische Mädchen ist eine erfundene Figur, sie stellt sehr gut den Zwiespalt dar in dem sich Klara befindet, zwischen dem wirtschaftlichen Wohlergehen und ihrem Gewissen.
Der Schreibstil passt zu der Protagonistin, er wirkt etwas zurückhaltend, ernsthaft. fast streng.
Die Geschichte von Klara endet nicht mit diesem Buch, wir können erfahren wie ihr Leben bis heute sich entwickelt hat.

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Bewertung vom 03.07.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Violeta schreibt ihre Lebensgeschichte ihrem Enkel Camilo. Sie ist mittlerweile fast 100 Jahre alt und hat alles persönlich erlebt in diesen Jahren. Von Pandemie zu Pandemie. Dazwischen ein Weltkrieg, gelebte Demokratie und Diktatur. Immer wollte sie frei sein, als Frau über die meisten Jahre ihres Lebens ein unmöglicher Wunsch. Immer wieder musste sie kämpfen, gegen Konventionen, gegen die Familie, gegen Männer. Sie hat es geschafft als Kind mit Geschrei, als junge Frau mit Widerstand, dann mit Überzeugungsarbeit.
Es ist die Geschichte der Frauen in einem südamerikanischen Land, die Autorin nennt keinen Namen aber die Gegebenheiten, Namen und Beschreibungen der Menschen und ihrer Lebensumstände lassen den Schluss zu.
Gleichzeitig erzählt sie aber auch die Erfahrungen aus dem Umfeld von Violeta, ihre Kinderfrau stammt ursprünglich aus Irland und machte dort die schlimmen Erfahrungen einer Waise. Bekannte, Angestellte, Freunde und Liebhaber jeder trägt einen Teil zur Geschichte bei. Violeta erzählt ihrem Enkel nicht nur die eigenen Erfahrungen, sondern auch die Erfahrungen und Meinungen der Anderen die sie nur vom Hörensagen kennt. Ihre persönlichen Schlüsse daraus gibt sie als hilfreiche Empfehlungen für sein Leben weiter. Beispiel: Zuneigung ist wie eine Blume, sie muss gepflegt werden, sonst verdorrt sie.
Von der Spanischen Grippe bis Corona. Ein eigenartiger Kreis. Aus heutiger Sicht nachvollziehbar. Die Schutzmaßnahmen von damals die nur den Gutsituierten möglich war ( Abstand, Hygiene, Isolation ) sind auch heute das erste Mittel der Wahl. Immer wieder sind da Parallelen zwischen Damals und Heute.
Während in den anderen Büchern der Autorin immer ein bestimmtes Thema, eine Familie die Hauptrolle neben der eigentlichen Figur spielt. Ist hier alles gleichermaßen wichtig, immer Kontext zu Violeta. Welchen Einfluss es auf ihr Leben hatte.
Eigentlich müsste man dieses Buch der Autorin als Erstes lesen. Es umfasst ihr Gesamtwerk. Fast könnte man es als Autobiografie betrachten aber sie lebt erst 80 Jahre.

Bewertung vom 02.07.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


sehr gut

Ein Zeit des Umbruchs, eine gefährliche Zeit, das Leben kann von jetzt auf gleich zu Ende sein. 1919 in Kiew, vorher russisches Zarenreich jetzt auf dem Weg zur Sowjetunion. Keiner weiß so genau was richtig und was falsch ist, jeder handelt nach Gefühl oder hängt sein Fähnchen in den Wind.
Samson ist ein intelligenter junger Mann, friedlich und seit kurzen ganz allein. Mutter und Schwester starben in den Kriegsjahren an Krankheiten und der Vater wurde auf offener Straße erschlagen. Er verliert dabei ein Ohr. Seitdem hört er anders und denkt anders.
Nadjeschda ist eine junge Frau die er durch Zufall kennen lernt. Sie ist zielstrebig und von der neuen Ordnung restlos überzeugt, Wo Samson zweifelt, zeigt sie die Richtung gemeinsam machen sie das Beste aus der Situation. Samson landet bei der Miliz weil er schreiben und lesen kann. Dann hat er seinen ersten Fall. Ein silberner Knochen und ein qualitativ sehr guter Anzug.
Die Atmosphäre ist düster, passt zu den Vorstellungen die man von dieser Zeit hat. Schwermütig wie russische Geschichten, Romane oder Musik. Ein Hauch von Traurigkeit gepaart mit einem Jetzt erst recht.
Der Kriminalfall ist ungewöhnlich, was Samson alles bedenken muss und wo er sich Informationen beschafft. Wie Nadjeschda hinter ihm steht, immer geradeaus blickend, während Samson auch hinten Augen und vor allem Ohren hat.
Die Zeit an sich ist schwer vorstellbar, der Autor vermittelt aber mir als Leserin ein leises Gefühl das ich die beiden ein Stück weit begleite. Ich bekam eine Ahnung davon was ich als Nächstes erwarten durfte und war dann trotz der so verschiedenen Umstände ( meine Behaglichkeit gegen die Ungewissheit und Angst ) mitten im Geschehen.
Weitere Fälle von diesem Paar würde ich mir wünschen.