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Juti
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Insgesamt 750 Bewertungen
Bewertung vom 28.01.2021
Krieg im Kaukasus
Tolstoi, Leo N.

Krieg im Kaukasus


schlecht

Endlose Langeweile

Mein voriges Buch war der Simplicissimus, ich wollte mich mit Kriegsbeschreibungen beschäftigen. Außerdem wollte ich meinen ausgefallenen Armenien-Urlaub nachholen. Doch was mir Tolstoj bot, führte immer wieder dazu, dass ich beim Lesen einschlief. Und in Lockdown-Zeiten brauche ich etwas, was mich bei der Stange hält oder gute Laune macht.

Weder grandiose Landschaftsbeschreibungen noch Kriegsgeschehnisse, die ich vorher noch nicht kannte, konnte diese Buch mir liefern.

Es mag ja sein, dass Tolstoj im Kaukasus der beliebteste russische Schriftsteller ist, weil er die kaukasischen Helden positiv darstellt, ich habe nach 108 Seiten die Waffen gestreckt. 1 Stern

Bewertung vom 20.01.2021
Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch
Grimmelshausen, Hans Jakob Christoph von

Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch


sehr gut

Lebensbeschreibung im 30jährigen Krieg

Wer wissen will, wie die Menschen im 30jährigen Krieg gelebt haben, der sollte dieses Buch lesen. Anfangs ziemlich realistisch – mein Favorit ist die Flöheplage unter der Ritterrüstung – entgleitet dieses Buch mehr und mehr bis es schließlich in der Unterwasserwelt des Mummelsees landet. Auch das ist nicht uninteressant, sagt es doch etwas über die Sagenwelt der frühen Neuzeit.

Angefügt an die fünf Bücher ist die Continuatio, die nicht mehr vom Krieg handelt, sondern von Simplicissimus Pilgerreise nach Jerusalem, die – so viel darf verraten werden – ihr Ziel nicht erreicht.

Da ich das Buch hauptsächlich gelesen habe, weil ich etwas über das Kriegsleben erfahren wollte, fehlte mir am Ende ein wenig die Motivation. Deswegen nur 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.12.2020
Aus der Zuckerfabrik
Elmiger, Dorothee

Aus der Zuckerfabrik


schlecht

Gattungsmischmasch

Ich nehme mir immer vor, wenigstens die Bücher der Shortlist des Deutschen Buchpreises zu lesen. Es wird wohl Ostern werden bis ich meinen Plan vollendet haben.

Ursprünglich glaubte ich in diesem Buch tatsächlich einen Roman über die Missstände des Zuckeranbaus zu finden. Aber es ist kein Roman.

Als ich Anfang Dezember Aphorismen von Lichtenberg gelesen habe, hoffte ich dann hier ähnliches zu finden. Aber es sind keine Aphorismen.

Dann sah ich den Kommentar von Elke Heidenreich im Literaturclub. Sie würde im Gegensatz zu Denis Scheck aus Respekt vor dem Autor schlechte Bücher nicht in die Tonne werfen. Na gut, dann nicht. Bis S.61 tapfer durchgehalten, aber es gilt die Regel: angefangenes Buch = 1 Stern

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.12.2020
Serpentinen
Bjerg, Bov

Serpentinen


sehr gut

Satirischer Selbstmordroman

Was wie ein Widerspruch klingt, verbindet dieses Buch meisterhaft. Der düsteren Ton ist zumindest anfangs von zahlreichen Pointen durchsetzt und sehr witzig: „Urgroßvater, Großvater, Vater. Ertränkt, erschossen, erhängt. Zu Wasser, zu Lande und in der Luft.“ (5)
Ständige Nazivergleiche: „Ich sah Autobahnen und dachte: Nazis.
Ich sah Gleise und dachte: Deportationen." (14) , ja selbst das Üben des Einmaleins endet so.

Der inzwischen in Berlin lebende Ich-Erzähler reist mit seinem 7-jährigen Jungen in die schwäbische Alb, wo er aufgewachsen ist. Da darf ein Seitenhieb auf Stuttgart 21 nicht fehlen: „Die GROSSE ABKÜRZUNG sparte viel Zeit auf der Strecke von Paris nach Bratislava, also von Stuttgart nach Ulm. Fünf Minuten, zwanzig Sekunden schneller im Osten.“ (15)

Weil seine Mutter aus dem Südböhmen und sein Vater aus Brandenburg stammt, fühlte er aber sich nicht dazu gehörig. Seine katholische Konfession teilte er nicht mit den Ureinwohner. Dennoch gefällt mir sein satirischer Umgang mit der Religion: „Im Innern der Kirche war alles weiß und golden und geschnörkelt. Sie hatten den lieben Gott ein riesiges Mädchenzimmer hingestellt.“ (24)
Auch ein Mönch bekommt sein Fett weg: „Rauchen durfte er, ficken nicht. Eine eigenartige Religion.“ (28) Am stärksten ist wohl die Stelle, wo der Selbstmord der Väter religiös überhöht wird: „Mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird.
Mein Hals, der für euch und für alle erdrosselt wird.
Mein Kopf, der für euch und für alle erschossen wird.“ (33)

Am meisten stimme ich mit dem Autor überein, wo er die Landschaft in Wasserscheiden trennt: „Ich wollte eine Landkarte, auf der man sehen konnte, wohin der Urin floss, wenn man in den Garten pinkelte.“ (41) und später von Donaueuropa und Rheineuropa spricht.

Aber um die Seite 200 fehlt mir dann doch ein wenig Handlung. Es häufen sich die Rückblenden in sein Berliner Leben, wo er vor allem dank seiner Frau am gesellschaftlichem Leben teilnimmt:
Er sagte: „Darf ich Ihnen ein Glas bringen?“
Ich sagte: „Nein, danke, nicht nötig.“
Er sagte: „Ich bringe Ihnen ein Glas.“ (119)
Auch diese bleibt nicht ohne Kritik: M. sagte: „Weißt du, was beim Kellnern die blödesten Gäste waren? Die, die aus Mitleid niemals Trinkgeld gegeben haben. Aus Bescheidenheit! Um sich nicht zu erhöhen.“ (151f)

Das Ende ist wieder spannend und wird nicht verraten. Dafür dieses hübsche Kinderrätsel:
„Die Mutter von Fritzchen hat drei Kinder: Tsching, Tschang und?“
„Tschong.“
„Falsch. Fritzchen.“ (227f)

Nach außergewöhnlich starkem Beginn lässt die Anzahl der Pointen etwas nach. Richtig ist auch, dass Bjerg mal ein Buch ohne das Thema Selbstmord schreiben könnte. 4 Sterne

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.12.2020
Trotzdem
Schirach, Ferdinand von;Kluge, Alexander

Trotzdem


weniger gut

Eintagsfliege

Unterhalten sich zwei B-Prominente und machen daraus ein Buch. Was wie ein Witz klingt, liegt tatsächlich hier vor, ist aber zum Glück an einem Tag gelesen.

Das Problem der Politik ist, dass die Mehrheit unserer Volksvertreter in Berlin Juristen sind und glauben, mit Gesetzen das Virus zu besiegen. Dabei zeigt sich, dass ein Virologe wie Lauterbach oder ein Mathematiker als Bürgermeister wie in Tübingen erfolgreichere Ideen bei dessen Bekämpfung haben.

Das Problem dieses Bändchen ist demzufolge, dass ihre Autoren Juristen sind. Sie können ihre Unkenntnis nur dadurch verbergen, indem sie sich in die Geschichte flüchten. Diese bleibt in der Kürze zweifellos oberflächlich und ist auf S.56 auch falsch, wenn behauptet wird, durch das Erbeben von Lissabon 1755 entstand die Aufklärung. Deutschlands erste Aufklärer Gottfried Wilhelm Leibniz war da schon fast 40 Jahre tot.

Zwei Dinge habe ich doch gelernt:
1. dass Herr Schirach vor Corona so dekadent lebte, dass er seine Küche nie benutzte und
2. dass ich die „Perserbriefe“ mal lesen muss.
Deswegen auch 2 Sterne.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.12.2020
Was Nina wusste
Grossman, David

Was Nina wusste


gut

Viele Fragen offen

Mich erinnerte die Idee des Buches an Julie Zeh „Neujahr“, wo ein Ehepaar auf Lanzarote auch ihre Kinder verlässt. Grosman hätte das Thema mit einem politischen Hintergrund zuspitzen können, nämlich dem Selbstmord des Ehemann, der als Regimegegner Titos in Jugoslawien verhaftet wird.
Seine Frau wird vor die Wahl gestellt entweder zu unterschreiben, dass ihr Ehemann Stalinist war oder ins Gefängnis zu kommen und damit ihre 6jährige Tochter alleine zu lassen.

Leider versäumt es der Autor, uns mehr vom politischen Hintergrund zu erzählen, obwohl der Roman einen historischen Kern hat. Vielleicht ist genau dieses das Problem des Buches. Aus Bekanntschaft mit der echten Vera wird der 90. Geburtstag der Romanfigur so dargestellt, als wären wir bei „Dinner for one.“

Nach der Lektüre fragt man sich, warum dies überhaupt behandelt wurde. Viel lieber hätte wir mehr von der schlechten Behandlung Ninas bei Veras Schwester erfahren. Reicht als einzige Begründung, dass ihre Mutter einen Serben geheiratet hat?

Im Nachhinein wissen wir nur, dass Tito seine Opfer auf der Gefängnisinsel Goli Otok quälte, die in jugoslawischen Geschichtsbüchern wohl fehlte. Der Autor erzählt umständlich. Ein Stammbaum hätte anfangs gut getan. Langweilig war es aber nicht. Insgesamt 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2020
Eine Handvoll Anekdoten
Enzensberger, Hans Magnus

Eine Handvoll Anekdoten


sehr gut

Autobiografie vor allem der 40er Jahre

Erst war ich enttäuscht, weil das Buch damit beginnt, Anekdote als „etwas aus Gründen der Diskretion noch nicht Veröffentlichtes“ zu definieren. Damit war meine Hoffnung auf kurze, lustige Geschichten dahin. Der große Druck und die nette Bilder verleiteten mich zum Weiterlesen und ich bekam eine Art Autobiografie eines 1929 geborenen, der die Schrecken der Nazizeit mit seiner Familiengeschichte verknüpfte.

Wer Enzensberger besser kennt als ich, wird manches aus seinem Leben finden. Ich habe das Buch mehr zur Unterhaltung gelesen, wie ein Schüler die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit erlebte. So erfahren wir, dass M. die Zeit, die er in der HJ verbringen sollte, lieber in Bibliotheken verbracht hat. Gegen Ende schreibt er noch über seine Studentenzeit und gleich wird der Text schwächer.

Eine Anekdote habe ich dann doch gefunden, nämlich wie M. für die Amerikaner aus der französischen Besatzungszone des Schwarzwaldes Kuckucksuhren dank Zigaretten und Kaffee nach Franken transportiert. Etwas schade finde ich, dass er die Städtenamen nicht ausschreibt.

Wegen der seltsamen Definition von Anekdote nicht fünf, sondern 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.12.2020
Das Hohe Lied
Zink, Nell

Das Hohe Lied


gut

Sex, Drugs and Rock‘n Roll

Ich glaubte ein Buch über die neueste Geschichte der USA zu lesen, doch dann lande ich wie bei „Superbusen“ wieder in einer Band. Da mich weder Rock'n'Roll noch Drugs interessieren, blieb nur noch der Sex übrig, der aber interessant geschildert wird.

So beschreibt auf S.64 der gute Daniel sein Verhalten in einer religiösen Jugendgruppe, wo er sich schuldig bekannte: „‚Einmal habe ich aufgezeigt und gesagt, dass ich mich selbst berührt habe, und die haben so getan, als hätte ich mich als schwul geoutet. Kommt wahrscheinlich aufs Gleiche raus. Mein Hand hat einen Schwanz angefasst.‘
‚Das geht natürlich gar nicht‘, sagte Pam und legt ihm die Hand auf den Schwanz.“

Das Religiöse kommt nicht zu kurz. Auf S.109 wird der schnelle Kreuzestod Jesu mit Fettleibigkeit begründet: „Er ging ständig mit reichen Steuereintreibern aus, und er konnte Essen herbeizaubern und Wasser in Wein verwandeln, deshalb war er der totale Fettsack.“

Auf S.227 reicht das Datum 11. September als Todesursache. (Und ich habe nicht gespoilert, weil ich nicht wer, woran gestorben ist.)
Dann folgt ein schöner Vergleich: „Außerehelicher Sex war so, als würde man ein Abkommen über eine fragile Insel aushandeln, die jeden Augenblick im Ozean versinken konnte.“ (290)

Die Musik wird im Verlauf weniger, die Politik mehr und wir hören von den Grünen in Amerika. Als ich dachte, wie die Obama-Regierung abhörte, kann ich besser im tollen Buch von Snowden nachlesen - und die anderen zugegeben gut recherchierten Fakten kannte ich aus den Nachrichten – verwandelte sich die Story wieder in einen weder gute noch schlechte Familiengeschichte.

Weder gut noch schlecht ist auch das Gesamturteil für dieses Buch. 3 Sterne.

Bewertung vom 28.11.2020
Der letzte Satz
Seethaler, Robert

Der letzte Satz


weniger gut

gelesen und vergessen

Normalerweise liebe ich kurze Bücher. Aber von der Geschichte dieses Kurzromans bleibt einfach nichts hängen. Zwei Dinge habe mich dieses Buch zu Ende lesen lassen. 1. seine Kürze und 2. die Ehe von Gustav Mahler mit Alma.

Von den Chefkritikern wird zum Lesen des Buches ein eigenes Lesetempo oder die Besonderheit der Figuren bei Seethaler gelobt. Solche Hilfskonstruktionen brauchte es bei seinem vorherigen Buch "Das Feld" nicht. Immerhin verschafft die Lektüren den Trost, dass auch große Autoren nicht immer große Werke vollbringen. 2 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.11.2020
Der kretische Gast
Modick, Klaus

Der kretische Gast


sehr gut

Zu viel Zufall

Ich bin ein Modick-Fan. Seine letzten Bücher „Keyseerlings Geheimnis“ und „Konzert ohne Dichter“ konnte ich eine Bestnote geben. Bei diesem schon älterem Werk muss ich aber einen Stern abziehen. Der Grund liegt darin, dass die Verknüpfung der Urlaubsgeschichte des Sohn von Hollbach mit den Kriegserlebnissen des kretischen Gast unglaubwürdig erschient.

Hätte der Autor besser nicht daran getan diese Nebenhandlung wegzulassen? Das eigentlich spannende nämlich wie der Vater zu den Kriegsverbrechen steht, die sein Sohn aufdeckt wird gar nicht erzählt. Dafür viele romantische Liebesschnulze.

Doch wie bei Modick sonst auch ist die Historie gut recherchiert, so dass ich zustimmen könnte. So könnte es gewesen sein. Man bekommt Lust beim nächsten Kreta-Urlaub nach den Spuren der Vergangenheit zu suchen.

Vielleicht hat sich Modick die Kritik an diesem Buch zu Herzen genommen und die nächsten Bücher kürzer und prägnanter geschrieben. Wegen der Spannung im Mittelteil noch 4 Sterne.