Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
leserattebremen
Wohnort: 
Berlin
Über mich: 
https://sarahs-buecherregal.blogspot.com

Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2016
Hexenliebe
Spang, Marita

Hexenliebe


sehr gut

Der erste Roman von Marita Spang spielt in Deutschland um das Jahr 1613, die Zeit der Hexenverbrennungen. Claudia von Leuchtenberg ist die Nichte des herrschenden Landgrafen von Neuerburg und muss hilflos dabei zusehen, wie auch ihr Onkel beginnt, überall Verschwörung und Hexenwerk zu sehen. Dies betrifft Stürme genauso wie Krankheiten und Missernten, jeder Schicksalsschlag ließ sich damals leicht mit dem Wirken von Zauberern und Hexen erklären. Zahlreiche Unschuldige werden nur aufgrund von Verleumdung gefoltert und verbrannt. Als Claudias beste Freundin, die bürgerliche Barbara Dietz, ebenfalls dieser Verleumdung zum Opfer fällt, ersinnt sie mit dessen Verlobten eine List, um sie zu befreien. Doch das ganze System können sie damit schwerlich ins Wanken bringen.
Der Autorin gelingt in diesem Roman eine umfassende Beschreibung der damaligen gesellschaftlichen Situation, sowohl das Verhältnis von Adel und Bürgertum betreffend, als auch die herausragende Stellung der Kirche. Angesichts der Hexenverfolgung ist auch der Klerus gespalten, während einige Pfarrer die Möglichkeit sehen, ihre Macht und ihren Einfluss zu vergrößern, sahen einige in der Hexenverfolgung die wahren Lehren des Christentums verletzt. Diese Gegensätze kommen in den unterschiedlichen Charakteren des Romans sehr gut zu Geltung und stehen sich an vielen Stellen unversöhnlich gegenüber. Die völlige Willkür der Hexenjagden und die mangelnde logische Grundlage für die Verfolgung treffen einen auch als Leser, schon die Anschuldigung von missgünstigen Nachbarn reichte, um eine Frau in den Ruin zu stürzen. Gerade die hilfsbereiten Kräuterfrauen waren damals in großer Gefahr.
Die Charaktere des Romans symbolisieren die verschiedenen Gesellschaftsschichten und Positionen in diesem Machtkampf um die Deutungshoheit der kirchlichen und weltlichen Werte. Obwohl sie alle gut beschrieben sind, sind sie mir teilweise doch ein wenig zu flach und einseitig. Es fehlt ein innerer Konflikt, ein Kampf mit sich selbst, sie scheinen alle ein klein wenig zu gut oder zu böse. Dies ist aber wirklich nur ein winziger Kritikpunkt an einem ansonsten wunderbaren historischen Roman, der einem einen guten Einblick in die dunkelste Zeit des deutschen Mittelalters gibt.

Bewertung vom 31.12.2015
Sommerhaus mit Swimmingpool
Koch, Herman

Sommerhaus mit Swimmingpool


ausgezeichnet

Marc Schlosser ist Hausarzt, hat eine gut gehende Praxis, zwei hübsche Töchter, eine wunderbare Frau und eine ziemlich abgeklärte Sicht auf sein Leben. Er weiß sich durchzuwursteln. Doch als der berühmte Schauspieler Ralph Meier sein Patient wird und er mit seiner Familie und der Familie Meier die Ferien im Sommerhaus mit Swimmingpool in Frankreich verbringt, ändert das alles.
„Sommerhaus mit Swimmingpool“ ist ein außergewöhnliches Buch, sowohl den Stil des Autors als auch die Charaktere betreffend. Ich habe selten einen Protagonisten in einem Buch erlebt, der mir von Anfang an so unsympathisch war, ohne sagen zu könne, warum. Sein Blick auf seine Mitmenschen ist teilweise so erbarmungslos und auch seinen Beruf als Arzt verübt er regelrecht herzlos und einfach nur berechnend nach Minuten, dass man sich fragt, woraus er überhaupt Lebensfreude zieht. Dass seine teilprominenten Patienten ihn dann auch noch zwingen, an ihren Konzerten und Theaterpremieren teilzunehmen, scheint ihm eine aunglaubliche Zumutung. Die ganze Zeit habe ich mich jedoch gefragt, was ihn denn glücklich machen würde? Darauf scheint Marc Schlosser jedoch auch keine Antwort zu haben. Er ist auch nicht wirklich unzufrieden, er scheint irgendwo im leeren Raum zwischen Glück und Unglück zu schweben, bis er auf eine Seite gerissen wird.
Die Story ist nicht chronologisch aufgebaut, der Autor beginnt eigentlich mit dem Ende und erklärt dem Leser dann Stück für Stück, wie Schlosser sich in diese Lage manövrieren konnte. Ob er im Recht war, muss jeder am Schluss selber entscheiden. Diese Konstruktion der Geschichte lässt einen als Leser von Anfang gespannt weiterlesen und auch der Charakter des Protagonisten lässt einen nicht los und stellt mehr Fragen als aufgelöst werden. Mit „Sommerhaus mit Swimmingpool“ ist Hermann Koch ein unglaublich subtiler und unaufgeregter Thriller gelungen, der Spannung über die Konstellation der Charaktere aufbaut und nicht über oberflächlich konstruierte Verbrechen. Wirklich ein großartiges Buch!

Bewertung vom 21.12.2015
Die schützende Hand / Georg Dengler Bd.8
Schorlau, Wolfgang

Die schützende Hand / Georg Dengler Bd.8


ausgezeichnet

Dengler ermittelt in seinem achten Fall und aktueller war ein Buch Wolfgang Schorlaus wohl noch nie, auch wenn seine Krimis immer am Puls der Zeit spielen. In diesem Fall wird der Privatdetektiv Georg Dengler damit beauftragt, herauszufinden wer Bönhardt und Mundlos, die zwei toten Mitglieder des NSU-Trios ermordet hat. Denglers Ergebnis scheint zunächst klar, denn die offizielle Version lautet Selbstmord. Doch je weiter er in seinen Ermittlungen kommt, desto unlogischer wird diese Schlussfolgerung. Folgt man den Tatsachen, kann es unmöglich Selbstmord gewesen sein. Doch wer brachte die beiden Rechtsterroristen um?
Gemeinsam mit Dengler beginnt man die Ermittlungen und immer wieder läuft es einem kalt den Rücken herunter, wenn er aus Akten und Protokollen der Untersuchungsausschüsse zitiert. Denn auch dem Leser wird schnell klar, dass die offizielle Version so nicht belastbar ist. Der Zeitplan ist nicht schlüssig und die Spurensicherung vor Ort so bewusst dilettantisch, dass keine Spuren über blieben. Kaum vorstellbar, dass die Polizei das Wohnmobil, in dem die beiden sich erschossen haben sollen, noch mit den Leichen auf einen Abschleppwagen gezogen wurde, so dass im Innenraum alle Spuren zerstört wurden. Schwer vorstellbar ist auch, dass während des gesamten Einsatzes, bei dem Schüsse gehört wurden und ein Feuer festgestellt wurde, zu keinem Zeitpunkt ein Notarzt gerufen wurde. Die beiden hätten ja auch schwer verletzt im Wohnmobil liegen können.
Ich habe das Buch als geradezu gruselig empfunden, selbst wenn sich hier natürlich Fakten und Fiktion mischen. Wie der Autor im Nachwort selber erläutert, ist es eine von mehreren Lesarten, die Georg Dengler hier ermittelt. Als Leser muss ich jedoch sagen, dass es sich um eine sehr logische und gut nachvollziehbare Lesart handelt.
Durch die Aktualität und Brisanz der Ereignisse tritt Dengler selbst mit seinen Freunden und seiner Partnerin Olga hier etwas mehr in den Hintergrund als in den bisherigen Geschichten von Wolfgang Schorlau, durch viele Aktenzitate wirkt das Buch mehr wie eine Reportage, als wie ein Krimi, was die ganze Story jedoch umso eindringlicher macht. Daher finde ich „Die schützende Hand“ ist ein absolut gelungener Krimi, der einen nicht nur theoretisch gruseln lässt, sondern einem vor Augen führt, wie gutgläubig und unwissend wir schnell glauben, was uns von den Institutionen des Staates präsentiert wird.

Bewertung vom 10.10.2015
Kräuter der Provinz / Maierhofen Bd.1
Durst-Benning, Petra

Kräuter der Provinz / Maierhofen Bd.1


sehr gut

"Kräuter der Provinz" ist die Geschichte eines kleinen Dorfes und seiner Bürgermeisterin, die nicht glauben will, dass es keine Hoffnung für das kleine Örtchen gibt, obwohl alle jungen Leute abwandern und es kaum Arbeit gibt. Also beauftragt sie ihre Cousine, eine Werbekonzept für den idyllischen Ort zu entwickeln. Rund um diese Story gibt es reichlich Turbulenzen, die die Geschichte unterhaltsam machen.
Besonders gefallen haben mir die liebevoll beschriebenen Charaktere, die in der Geschichte alle ihren Platz haben. Keine geht unter oder wäre einfach nur platt beschrieben, alle sind in ihren Eigenarten und Lebensweisen sehr detailliert und nah am Leser. Dadurch hat die Geschichte besonders viel Spaß gemacht, denn man leidet und freut sich natürlich mit und möchte immer wissen, wie es weitergeht.
Mir hat das Buch wirklich sehr gut gefallen, es kommt sehr locker und leicht daher, gibt aber dennoch ein klein wenig Anlass zum grübeln und nachdenken. Trotz düsterer Momente überwiegt eindeutig eine Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die einem als Leser einfach Spaß macht. Ich kann das Buch nur weiter empfehlen!

Bewertung vom 02.08.2015
Spiel der Zeit / Clifton-Saga Bd.1
Archer, Jeffrey

Spiel der Zeit / Clifton-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Harry Clifton wächst als Sohn eines Hafenarbeiters und einer Kellnerin in den 30er Jahren in Bristol auf. Schnell zeigt sich, dass er mehr aus seinem Leben machen kann, als wie sein Vater Hafenarbeiter zu werden und sein langer und steiniger Weg in die britische Upper Class beginnt. Dabei findet er nicht nur Freunde fürs Leben, sondern auch seine große Liebe.
Das „Spiel der Zeit“ ist einer der besten historischen Romane, die ich in den vergangenen Jahren gelesen habe und kann problemlos mit Ken Folletts Jahrhundert-Trilogie mithalten. Harry Clifton ist ein außergewöhnlicher Charakter, mit dem man als Leser von der ersten bis zur letzten Seite mitfiebert und auch seine Mutter wächst einem gleich ans Herz. Den Gegenspielern, denen Harry begegnet kann er durch seine Intelligenz und auch durch seine guten Freunde und Unterstützer stets ebenbürtig entgegentreten und ich freue mich schon jetzt darauf, was in den nächsten Bänden passiert. Der Erzählstil des Autors ist dabei unglaublich detailliert und spannend, er erschafft blitzschnell Bilder im Kopf seiner Leser und schnell glaubt man, die Figuren besser zu kennen als sie sich selber.
Besonders gut gefallen haben mir auch die wechselnden Erzählperspektiven. Dadurch dass die gleiche Geschichte von unterschiedlichen Personen erzählt wird, hat man gegenüber den Protagonisten häufig einen Wissenvorsprung, der eine unglaubliche Spannung schafft. An anderen Stellen tappt man hingegen genauso im Dunkeln wie Harry, weil er die entscheidenden Details nicht wissen kann, zum Beispiel was den neuen Freund seiner Mutter angeht.
Jeffrey Archer ist ein wirklich großartiger historische Roman gelungen, den man unbedingt lesen sollte. Um so schöner ist es, dass dies nur der Auftakt der Clifton-Saga ist, die auf englisch bereits erschienen ist.

Bewertung vom 27.07.2015
Das Hohe Haus
Willemsen, Roger

Das Hohe Haus


weniger gut

Ein Jahr lang saß Roger Willemsen auf der Besuchertribüne im Bundestag und hat sich die Debatten angehört. Das klingt mehr als es wirklich war, denn nur ungefähr jede zweite Woche ist eine Sitzungswoche und nur dann finden überhaupt Sitzungen in Berlin statt. Zudem war 2013 Bundestagswahl, so dass es nach dem Beginn der Sommerpause Anfang Juli eigentlich keine Sitzungen mehr gab, mit wenigen Ausnahmen wie Sondersitzungen und der ersten Sitzung des neu gewählten Bundestags. Bis die Regierung ihre Arbeit aufnahm, dauerte es jedoch bis Weihnachten, so dass erst wieder 2014 regelmäßige Sitzungswochen stattfanden.
Was er dennoch beobachten konnte, war das, was wohl die meisten stört: ein fast leeres Plenum. Doch da die meisten Abgeordneten in Arbeitsgruppen, Ausschüssen und auch in ihren Büros arbeiten, spricht das keineswegs für die Faulheit der Abgeordneten, sondern eher für das Gegenteil. Als etwas störend empfand ich es, dass der Autor schon mit einer negativen Grundeinstellung in das Projekt ging, und sich diese dann nur bestätigen lassen wollte. Er erwartete inhaltlich und rhetorisch mangelhafte Reden, die er seiner Meinung nach auch bekam. Alles schien schon vorher beschlossen, so dass die Reden nur dem Austausch bereits bekannter Argumente dienen, was logischerweise auf die Ausschussarbeit zurückzuführen ist. Nachvollziehbar ist die Abneigung gegen respektloses Verhalten, wie demonstratives Verlassen des Raums, wenn eine bestimmte Person spricht, die ständige Beschäftigung mit Handys und Tablets, selbst wenn der Redner einen direkt anspricht und das Unterhalten auch auf der Regierungsbank wie in den hinteren Reihen einer Schulklasse. All das kann einen wirklich an der Ernsthaftigkeit der gewählten Volksvertreter zweifeln lassen.
Wäre dies das Resultat eines ergebnisoffen angegangenen Projekts gewesen, hätte man damit als Leser wahrscheinlich gut leben können, doch zwischen den Zeilen schwingt einfach zu oft das grundsätzliche Suchen nach dem Negativen mit, nach der Bestätigung aller Vorurteile, so dass die Lektüre leider nur halb soviel Spaß macht wie sie könnte.

Bewertung vom 27.07.2015
Glücklich die Glücklichen
Reza, Yasmina

Glücklich die Glücklichen


ausgezeichnet

In ihrem neusten Werk geht Yasmina Reza der Frage nach, wo in unserem Alltag überhaupt noch Glück zu finden ist. Gibt es überhaupt ein Glück in unserem Alltagstrott, mit all seinen Ritualen und Problemen? In vielen kleinen Episoden erzählt sie von Menschen, die glücklich sind oder unglücklich, die Probleme haben und sie bewältigen oder an ihnen scheitern. Gleich in der ersten Geschichte streitet sich ein Paar im Supermarkt derart laut und übertrieben, dass man sich beim Lesen für sie schämen möchte. Doch gleichzeitig fühlt man sich ertappt, gibt es solche Szenen - wenn auch nicht in dieser überbordenden Dramatik- doch auch im echten Leben.
Die Autorin zeigt, wie fragil und schwer zu fassen das Glück des Einzelnen ist. Es lässt sich nicht in eine Definition pressen, sondern ergibt sich von Situation zu Situation und kann genauso schnell wie es kommt wieder verschwinden. An den Geschichten zeigt sich, wie schnell der Alltag die Momente des Glücks unsichtbar macht, weil alles zu Kampf und Routine wird. Yasmina Reza beschreibt Personen, die einen berühren und Geschichten, die einen als Leser nicht unbeteiligt lassen. Man beobachtet die Charaktere in ihrem Leben und wird aber auch zu Selbstbeobachtung gezwungen. Es sind alltägliche Momente, die uns als Leser ebenso treffen könnten. Wie würden wir versuchen, glücklich zu bleiben? Und kämpfen wir überhaupt noch für unser Glück? Die Figuren bei Yasmina Reza tuen das nur selten, sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie der Alltag und der Lauf des Lebens einen vergessen lassen, sich für sein persönliches Glück einzusetzen.
Yasmina Rezas „Glücklich die Glücklichen“ ist wie ein kleines Fenster in die Welt der Figuren und ihre Probleme, eine großartig gelungene Beobachtung der Menschen, ihren Reaktionen und ihrer Vorstellung vom (verlorenen) Glück.