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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 763 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2016
Raketenmänner
Goosen, Frank

Raketenmänner


sehr gut

Crisis? What Crisis?

Frank Goosen erzählt kleine Episoden aus dem Leben von Männern überwiegend mittleren Alters. Die Geschichten fangen mitten im Leben an und hören mitten im Leben wieder auf. Manch ein Traum erhält einen Dämpfer. Zurück bleibt ein nachdenklicher Leser.

Es handelt sich um Einzelgeschichten, die mehr oder weniger miteinander verknüpft sind. Das erinnert an Kehlmanns „Ruhm“, jedoch wirken die Verknüpfungen von „Raketenmänner“ weniger konstruiert. Die Geschichten sind gleichzeitig humorvoll und melancholisch. Goosen erzählt, ohne zu moralisieren.

Die Musik der 1970er Jahre spielt auch hier eine Rolle, aber keine so große wie in „So viel Zeit“. Sie schafft die nötige Atmosphäre und so verwundert es nicht, dass in einer Episode ein alter Plattenladen vorkommt.

Die Protagonisten sind keine Lebenskünstler, wie sie Genazino in seinen Romanen zelebriert, sie gehen dennoch gelassen mit ihrem Schicksal um. Ladenbesitzer Wenzel bringt die Situation auf den Punkt: „Jeder braucht ein Ziel im Leben, … ,nur kriegt man die meisten Ziele nicht richtig scharf gestellt und sie halten nicht still.“

Die Raketen sind gezündet, wenngleich sie nicht senkrecht nach oben fliegen oder sich auf einer präzisen Umlaufbahn bewegen. Es ist eher ein Sinkflug voller Kapriolen. Die Landung muss noch berechnet werden. Goosen bietet nette Unterhaltung in einer Atmosphäre, in der man sich wiederfinden kann.

Bewertung vom 20.08.2016
Naturwissenschaft und die Frage nach Gott
Scheipers, Paul

Naturwissenschaft und die Frage nach Gott


gut

Der Versuch eines Brückenschlages

Paul Scheipers macht in diesem Buch das, was er als Chemielehrer schon immer beherrscht hat, er vermittelt komplexe Sachverhalte auf verständliche und anregende Art und Weise und er nimmt die Leser mit auf seiner Reise. Zu den schwierigen Sachverhalten gehört zweifelsohne die Quantenphysik.

Manche Autoren vermischen naturwissenschaftliche, religiöse und visionäre Aussagen derart, das die Leser eher verwirrt, als informiert werden. Diesen Fehler macht Scheipers nicht. Sein Buch ist streng in zwei Teile getrennt. Im ersten Teil geht es ausschließlich um Naturwissenschaften und im zweiten Teil um religiöse Bezüge.

Autor Scheipers versucht, ebenso wie schon vor ihm Hoimar von Ditfurth in „Wir sind nicht nur von dieser Welt“, aufzuzeigen, dass sich Naturwissenschaft und Religion nicht gegenseitig ausschließen müssen. Nach seiner Auffassung dürfen Erkenntnisse der Kosmologie und Quantenwelt von den Religionen nicht übergangen werden.

Die Ausführungen haben nicht die Tiefe, wie sie für Bücher von Brian Greene oder Hoimar von Ditfurth typisch sind. Scheipers setzt sich nicht mit erkenntnistheoretischen Fragen auseinander, wie das Hoimar von Ditfurth ausführlich gemacht hat. Auch bewegen sich seine Ausführungen zum freien Willen an der Oberfläche.

Andererseits versteht es Scheipers, auf den Punkt zu kommen und keinen unangenehmen oder schwierigen Fragen auszuweichen. Die Kapitel sind kurz und prägnant. Die Antworten bieten Denkanstöße für Vertiefungen. Scheipers vermittelt eine solide Basis. Das Buch ist für eine breite Leserschaft geeignet.

Bewertung vom 19.08.2016
So sieht uns die Welt

So sieht uns die Welt


sehr gut

… und immer wieder Berlin

Wie wird Deutschland in anderen Ländern gesehen? Mit dieser Frage haben sich fünfzehn Journalisten beschäftigt, die in fünfzehn verschiedenen Ländern als Auslandskorrespondenten tätig waren. Ihre Erfahrungen fließen in dieses Buch ein. Herausgekommen ist ein differenziertes Stimmungsbild, welches sämtliche Facetten der Gefühlsskala abdeckt. Auffallend ist, dass die Stimmungsbilder keine statischen Größen sind, sondern einem ständigen Wandel unterliegen. Die Verhältnisse können durch aktive Gestaltung verbessert werden.

Deutschland hat aufgrund der NS-Zeit eine Erblast zu tragen. Umso erstaunlicher ist es, dass Polen und Israel heute ein positives Bild von Deutschland haben. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit Israel und Israel erkennt an, dass Deutschland eine Führungskraft in Europa geworden ist, die Verantwortung übernimmt und auch übernehmen soll. Polen spricht vom Tandem Polen-Deutschland als dem Motor für Europa. Damit entsteht im Osten eine Freundschaft, die im Westen zu Frankreich zur Zeit von de Gaulle früh nach Ende des Zweiten Weltkrieges beschworen wurde und auch entstanden ist.

Anders liegen die Verhältnisse mit Griechenland und der Türkei. Der griechische Politikanalyst Kokinidis bringt die Situation auf den Punkt: „Einerseits wird Deutschland für das Wirtschaftswunder und die Exporterfolge seiner Industrie bewundert, andererseits wollen die Griechen nicht, dass die Deutschen ihre eigenen Prinzipien allen Europäern aufzwingen.“ Viele Türken sind enttäuscht von Deutschland. „Rund vierzig Prozent der Türken in Deutschland leben an der Armutsgrenze.“ Dagegen boomt die Wirtschaft in der Türkei.

Das Bild, das die Autoren zeichnen, macht deutlich, dass ferne Länder wie Brasilien, China und Israel ein besseres Bild von Deutschland zeichnen, als europäische Nachbarn wie Schweiz, Österreich oder Italien. Einigkeit besteht hinsichtlich der positiven Einschätzung der Kulturszene von Berlin. Dies gilt für Franzosen, Griechen, Engländer und Israelis gleichermaßen. Der griechische Überlebenskünstler Thanassis Kanellopoulos bringt es treffend zum Ausdruck: „In meinen Augen ist Berlin offen und multikulturell – eine Stadt, die ein Gefühl von Freiheit vermittelt und Kreativität beflügelt.“ Aus dem Blickwinkel von Autor Richard Schneider ist Berlin der neue Ort der Sehnsucht für junge Israelis.

Deutschland ist erwachsen geworden. Das haben auch die USA erkannt. Sie hofieren Kanzlerin Merkel, stellen aber auch Forderungen. Doch Deutschland ist nicht mehr der Musterschüler vergangener Jahre. Das wurde insbesondere beim Irak-Krieg deutlich. „Warum könnt ihr Deutschen eigentlich nicht stolz auf euer Land sein, warum ist euch Selbstkritik geläufiger als Eigenlob?“, ist eine typisch amerikanische Frage.

„So sieht uns die Welt“ ist ein politisches Buch. Es ist eine Momentaufnahme, die zehn Jahre früher anders ausgesehen hätte als heute. Die Eurokrise beeinflusst maßgeblich die Stimmung und das Verhältnis zu Deutschland. In der Auswahl der Länder, deren Vertreter zu Wort kommen, ist eine gute Streuung erkennbar, wenngleich auffällt, dass Nordeuropa und Afrika nicht vertreten sind. Das Buch ist rundum gelungen.

Bewertung vom 19.08.2016
Das sogenannte Übernatürliche
Bröckers, Mathias

Das sogenannte Übernatürliche


gut

Auf dem Weg zur Yogi-Wissenschaft

Das Modell ist nicht die Wirklichkeit. Naturwissenschaft baut auf Hypothesen auf und diese gelten - bis zur Falsifikation. „Übernatürliche“ Phänomene im Grenzbereich der wissenschaftlichen Erklärungen machen deutlich, dass unsere Wahrnehmungen „unternatürlich“ sind. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Mathias Bröckers. Er vermittelt den Lesern eine faszinierende Rundfahrt entlang der Grenzen der Einzelwissenschaften und erläutert auf verständliche Weise über das allgemein anerkannte Weltbild hinausgehende Antwortmöglichkeiten.

Seit Fritjof Capras „Wendezeit“ wird der Bauklötzchen-Materialismus in Frage gestellt. Stattdessen tritt die ganzheitliche Wahrnehmung in den Mittelpunkt. Wo liegt das Problem?

Das Problem ist, es mangelt an wissenschaftlicher Nachvollziehbarkeit. Statt überprüfbarer neuer Erklärungsmodelle, werden dem Leser Erfahrungsmodelle zugemutet, die nur verifiziert werden können, wenn man sich in einen Zustand versetzt, der einem die beschriebenen Erfahrungen ermöglicht. In dieser Subjektivität besteht ein Hemmnis für die Akzeptanz. Die Erde von außen zu betrachten, um diese als Lebewesen erfahren zu können, wird niemanden gelingen. Von bewußtseinserweiternden Wirkstoffen sollte man die Finger lassen, selbst dann, wenn sie in der griechischen Kulturgeschichte eine große Rolle gespielt haben sollten. Übrig bleibt die Meditation als Methode, um transzendente Erfahrungen zu machen. Aber wem gelingt das schon. Ein Prophetentum ist vorgezeichnet.

Ein Trost bleibt: Schaut man sich alternative Erklärungen an, z.B. die der Ufologen, so scheinen mir die Antworten von Wissenschaftsjournalist Bröckers plausibler zu sein, auch wenn mir die Antenne fehlt, um Frequenzschwankungen an der Nahtstelle unseres vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums wahrnehmen zu können.

Ich glaube, dass Mathias Bröckers einen interessanten Beitrag geleistet hat, über bestehende Denkbewegungen und deren Grenzen aufzuklären. Das naturwissenschaftlich geprägte Weltbild steckt (ebenso wie der Mensch selbst) voller Widersprüche und muss kontinuierlich weiter entwickelt werden. Bemerkenswert finde ich, dass natürliche Erklärungen viel phantastischer sein können, als die sogenannten übernatürlichen Erklärungen.

Zum Themenkomplex „Grenzbereiche der Wissenschaft“ gibt es viel Literatur. Was Bröckers auszeichnet, sind neben der breiten Palette seiner Themen, die Art seiner Darstellung und sein Repertoire an Ausdrucksformen. Er erhebt nicht den Anspruch, die Wahrheit gefunden zu haben, sondern stellt alternative Erklärungen vor für Grenzbereiche unserer Erkenntnis.

Bewertung vom 19.08.2016
Lektüreschlüssel zu Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt
Hellberg, Wolf Dieter

Lektüreschlüssel zu Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt


sehr gut

Erläuterungen in Kurzform

„Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ ist ein Bestseller mit internationaler Anerkennung. In diesem Roman beschreibt er Ausschnitte aus dem Leben der beiden deutschen Forscher Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt. Er macht das auf humorvolle Weise im historischen Rahmen, aber unter Vernachlässigung bzw. durch Überzeichnung historischer Wirklichkeit.

Der Roman spricht für sich und es wurde viel über ihn geschrieben, insofern verkleinert sich der Kreis möglicher Interessenten für weitere Erläuterungen in Form dieses Lektüreschlüssels. Ein großer Teil der Leser dürfte aus dem Kreis der Lehrer, Schüler und Studenten stammen, die sich im Fach Literatur mit dem Werk auseinandersetzen.

Der Literaturschlüssel gibt zu Aufbau, Personen und Inhalt Auskunft. Es folgt eine zwölf-seitige Interpretation, in der nicht nur Sprache und Erzähltechnik untersucht werden, sondern auch Fragen nach dem fiktionalen Anteil angesprochen werden. „Messbarkeit“ und „Vermessung“ sind mehrdeutige Schlüsselbegriffe für diesen Roman. Die Komik ist bestechend.

Unter „Rezeption“ stellt Autor Wolf Dieter Hellberg heraus, dass der Roman in der Presse durchgängig positiv besprochen wurde. Er schreibt: „Man war vom hohen Unterhaltungswert des Romans beeindruckt und stellte heraus, dass Kehlmann mit großer Sorgfalt den beiden Wissenschaftlern gerecht geworden ist.“ Das wirkt auf mich wie Satire, da die Protagonisten deutlich überzeichnet dargestellt wurden.

Aufschlussreich, da kennzeichnend, ist der letzte Satz in den Erstinformationen: „Der Roman aber handelt zugleich auch von der Vermessenheit zu glauben, die Welt durch Gitternetze, Zahlen und statistische Ergebnisse erfassen zu können.“ Wer sich für den historischen Carl Friedrich Gauß interessiert, dem empfehle ich das Buch „Gauß“ von Hubert Mania.

Bewertung vom 19.08.2016
Gelenkschmerzen
Fife, Bruce

Gelenkschmerzen


sehr gut

Ein wichtiger Ratgeber für die Gesundheit

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Infektionen zu den wichtigsten Auslösern von Gelenkerkrankungen gehören. Unterschiedliche Auffassungen gibt es hinsichtlich der Behandlung. Meist werden Symptome bekämpft mittels entzündungshemmender Medikamente und nicht die eigentlichen Ursachen erforscht. Bruce Fife untersucht den Zusammenhang zwischen Gelenkerkrankung und Infektion und beschreibt Maßnahmen, wie die Erkrankung beseitigt werden kann.

Autor Fife erklärt den Aufbau von Gelenken, erläutert verschiedene Gelenkerkrankungen und beschreibt deren Ursachen. Aufschlussreich ist der letztlich schon lange bekannte Zusammenhang zwischen Gelenkerkrankungen und Infektionsherden im Mundbereich. So gibt es eine Verbindung zwischen Zahngesundheit und Arthritis und ein gezogener Zahn kann zur Heilung führen.

Der Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit ist seit langer Zeit bekannt und wird durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt. Man braucht sich nur einmal zu fragen, warum Naturvölker die gesünderen Zähne haben. Es ist letztlich der innere Schweinehund, der überwunden werden muss, um auf Werbung nicht hereinzufallen und Gewohnheiten unserer zivilisierten Welt zu verändern. Zucker und Weißmehlprodukte haben eine schädliche Wirkung auf die Gesundheit, wie schon Wolfgang Lutz in „Leben ohne Brot“ thematisiert hat. Dagegen ist Vollwertkost zu empfehlen.

Bruce Fife erläutert die Wirkung von Kokosöl und beschreibt Anwendungsmöglichkeiten insbesondere bei Gelenkschmerzen. Er zeigt in sieben Schritten auf, wie man sich vor Arthritis, Arthrose und Fibromyalgie schützen kann. Das Buch enthält Stellungnahmen von Menschen, die seine Methoden angewandt haben und dadurch gesünder geworden sind. Am Ende des Buches ruft er dazu auf, ihm eigene Erkenntnisse zu berichten. Positiv ist, man muss nichts glauben, sondern kann seine Methoden schadlos ausprobieren und eigene Erfahrungen sammeln.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2016
Drachen, Doppelgänger und Dämonen
Sacks, Oliver

Drachen, Doppelgänger und Dämonen


sehr gut

Dämonen im Kopf

In seinem aktuellen Buch beschäftigt sich Oliver Sacks, Neurologe und Schriftsteller, mit Halluzinationen. Sacks differenziert seine Darstellungen: „In der Regel sprechen wir von Fehlwahrnehmungen oder Sinnestäuschungen, wenn es einen realen Ausgangspunkt gibt – eine menschliche Gestalt zum Beispiel -, während Halluzinationen aus dem Nichts entstehen.“ Das Buch enthält zahlreiche Fallgeschichten. Betroffene berichten, wie sie das Phänomen Halluzination erleben und wie es sich auswirkt.

Reizentzug kann Halluzinationen hervorrufen. In Dunkelheit und Isolation gehaltene Gefangene kennen das Phänomen, aber auch Seefahrer, Piloten oder Bergsteiger sind gefährdet, wegen visueller Monotonie Halluzinationen hervorzurufen. Ist das auch die Erklärung für die Irrlichter, die Goethe auf einer Kutschfahrt nach Leipzig wahrgenommen und in seiner Autobiographie beschrieben hat? Für Ufo-Erscheinungen oder Entführungen durch Außerirdische bieten sich hier plausible Erklärungen an. Das Phänomen ist eher im Kopf als außerhalb zu suchen.

Halluzinationen sind nicht auf Erscheinungen begrenzt, sondern können auch Gerüche oder Töne umfassen. Sacks macht deutlich, dass nicht jede halluzinierte Stimme auf Schizophrenie schließen lässt. Bei extremer Bedrohung oder Gefährdung kann es passieren, das Menschen Stimmen wahrnehmen, die keine äußere Ursache haben. Anders zu bewerten sind feindselige und zudringliche Stimmen. Auch musikalische Halluzinationen sind bekannt.

Wie schon in seinem Buch „Das innere Auge“, lässt Sacks eigene Erfahrungen einfließen. Dies gilt insbesondere für seine Experimente in den 1950er Jahren mit Cannabis, Mescalin, LSD und anderen bewusstseinsverändernden Drogen. Auf Mutterkorn geht er nicht ein, wenngleich dessen Wirkstoff Psilocibin angesprochen wird. Seine Offenheit und seine Erlebnisse tragen dazu bei, dass es sich um ein lebendiges Werk handelt und nicht um ein staubtrockenes Wissenschaftsbuch.

Sacks klärt über Migräne und Epilepsie auf, zwei Krankheiten, die leicht verwechselt werden. In beiden Fällen sind Halluzinationen möglich. Dostojewski hat seine Erlebnisse bei Anfällen in seine Bücher einfließen lassen, z.B. in „Der Idiot“. Ekstatische Anfälle können als Offenbarungen einer höheren Wirklichkeit empfunden werden. Sie können die Grundüberzeugungen betroffener Menschen nachhaltig erschüttern und zu Religiösität führen. Auch außerkörperliche Erfahrungen sind möglich.

Oliver Sacks verfügt über eine langjährige Praxis und versteht es, komplexe Krankheiten verständlich zu beschreiben. Er hat ein Faible für kuriose Erfahrungen, die er sachlich und niemals verletzend darstellt. Sein Buch trägt dazu bei, Grenzerfahrungen einzuordnen. Im letzten Kapitel deutet er an, dass visuelle und akustische Halluzinationen („Visionen“ und „Stimmen“) in der Kulturgeschichte eine Rolle gespielt haben. Das wäre ein interessantes Thema für ein weiteres Buch. Es ist schon erstaunlich, wozu das Gehirn in der Lage ist. Der Mensch bleibt rätselhaft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2016
Der Sinn des Gebens
Klein, Stefan

Der Sinn des Gebens


sehr gut

Egoismus versus Altruismus

„Wo das soziale Gefüge intakt ist, leben die Menschen glücklicher“ (491) und „Die meisten Befragten gaben an, dass nichts die Freude aufwiegen könne, die Ihnen ihr freiwilliges Engagement bereite“ (488), schreibt Stefan Klein in „Die Glücksformel“. Damit benennt er Voraussetzungen für ein glückliches Leben. Ob bzw. inwieweit wir es hier mit Altruismus oder (verborgenem) Egoismus zu tun haben, wird in „Die Glücksformel“ nicht untersucht. Diesem Thema widmet sich Autor Klein in „Der Sinn des Gebens“.

Ist Altruismus angeboren? Fakt ist, so die Hirnforschung, dass es sich gut anfühlt, großherzig zu sein. Ob angeboren oder anerzogen, die Hilfreichen innerhalb einer Gruppe stellen sich schlechter als die Egoisten, erkannte Darwin und befand sich in einem Dilemma. Altruismus nur auf Verwandte zu beziehen (William Hamilton), blendet Teile der Realität aus und greift damit zu kurz. Das Dilemma löste George Price: „Der Nachteil, den die Selbstlosen in der Gruppe hinnehmen müssen, lässt sich nämlich durch den Vorteil, den sie ihrer Gruppe als Ganzes verschaffen, mehr als ausgleichen“ (189/190). Es gibt einen Wettbewerb nicht nur innerhalb einer Gruppe, sondern auch zwischen verschiedenen Gruppen. Die Selektion findet auf mehreren Ebenen statt, die richtige Balance zwischen Altruismus und Egoismus ist gefragt.

Hinsichtlich der Einschätzung von Altruismus in der Tierwelt sind Kleins Aussagen erläuterungsbedürftig. In „Der Sinn des Gebens“ schreibt er: „Freiwillig teilen Schimpansen so gut wie nie“ (148) und „Auch sonst erinnert das Verhalten der Schimpansen verdächtig an den Homo oeconomicus, jenen perfekten Egoisten, den die Wirtschaftswissenschaftler als Idealbild des Menschen ansehen“ (149). Abweichend äußert sich Klein in „Die Glücksformel“: „Altruismus ist nicht so sehr eine Errungenschaft der menschlichen Kultur, sondern eine Leistung des jüngeren Säugetiergehirns, zu der auch andere Geschöpfe imstande sind. Vor allem bei Affen haben Verhaltensforscher wie der holländische Primatologe Frans de Waal umfangreiche Belege für diese These gesammelt: Schimpansenfrauen stehen einander bei der Geburt bei, junge Schimpansen beiderlei Geschlechts halten gegen ein tyrannisches Alphamännchen zusammen, und kranke Tiere in der Gruppe werden gepflegt“ (169/170). Hier wäre eine Synthese hilfreich, wie diese Aussagen denn vereinbar sind.

Vertrauen lohnt sich, wie auch schon Unternehmensberater Reinhard Sprenger in „Vertrauen führt“ plausibel erläutert hat. „Unsere Beziehungen wirken wie ein Resonanzkörper – alles, was wir tun, wird in ihnen verstärkt. Wohlwollen bringt neue Akte des Wohlwollens hervor; das Vertrauen zwischen den Menschen nimmt zu“ (282). Das gilt analog auch für die andere Richtung.

Das Buch ist, wie Stefan Klein in der Einleitung erläutert, eine Einladung, die freundliche Seite unseres Wesens zu erkunden. Es beschreibt mehr den Dr. Jekyll und weniger den Mr. Hyde. Vielleicht folgt ja ein weiteres Buch über die dunkle Seite des Menschen. Stefan Klein ist ein großartiger Wissensvermittler, wie er auch schon in „Alles Zufall“ und „Die Glücksformel“ bewiesen hat. Er schreibt verständlich und versteht es, die Leser neugierig zu machen und in seinen Bann zu ziehen.

Bewertung vom 18.08.2016
Stichwort Okkultismus
Rink, Steffen; Lösch, Holger

Stichwort Okkultismus


gut

Sympathy for the Devil

Das Buch entstammt einer Reihe, die mit dem Oberbegriff „Stichwort“ betitelt ist und das passt auch zum Inhalt. Die beiden Autoren Steffen Rink und Holger Lösch bringen das Thema Okkultismus sachlich und prägnant auf den Punkt. Es handelt sich um ein übersichtliches Aufklärungsbuch.

Die Autoren grenzen Wissenschaft, Religion und Okkultismus voneinander ab und betonen, dass es keine präzise Definition für Okkultismus gibt. Sie beschreiben unterschiedliche Richtungen im Okkultismus (Astrologie, Tarot, Hellsehen etc.) und klären die Leser über den Carpenter-Effekt beim Pendeln auf. Es folgt ein ausführliches Kapitel über Satanismus.

Die bedeutendste Figur der Okkultismusszene ist Aleister Crowley, ausführlich beschrieben auch in dem „Schwarzbuch Satanismus“ von Guido und Michael Grandt. Es gab und gibt einige Geheimbünde und Bruderschaften, die dieser Szene zugeordnet werden können. Hierzu gehören z.B. die Illuminaten, mit denen sich Dan Brown literarisch beschäftigt hat.

In einem eigenen Kapitel widmen sich die Autoren okkulten Praktiken Jugendlicher. Statistiken geben Auskunft über Art der Anwendung und den Verbreitungsgrad. Erstaunlich, wie viele Jugendliche Erfahrungen mit Okkultismus haben sollen. Die Grundlagen dieser Statistiken müssten m.E. genauer untersucht werden.

Die Rockmusik ist durchsetzt mit satanischen Texten, dennoch gilt, dass nicht jeder Vertreter des Heavy Metal oder Black Metal ein Satanist ist. Musik ist ein Geschäft, in dem es um viel Geld geht. Die Autoren weisen auf Gefahren des Satanismus hin, wenn Menschen Probleme haben und blind für Alternativen werden.