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Benutzername: 
TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1477 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2022
Salate zum Sattessen
Dusy, Tanja

Salate zum Sattessen


sehr gut

Hier hat die Autorin ihren Zauberstab vergessen!

Denn es gibt hier ein paar ganz nette, teilweise sehr deftige Salate, an denen man sich ordentlich laben kann. Aber so richtig neu kommt mir das alles nicht vor.

Eher aus Omas Schatzkästchen oder auch dem der Nachbarin oder Kollegin und dann nach eigenem Geschmack ausgebaut. Woran aus meiner Sicht überhaupt nichts Ehrenrühriges ist, denn so entwickeln sich die besten Rezepte: man probiert was Leckeres, das einem nicht mehr aus dem Kopf geht - nachdem man jemandem erfolgreich das Rezept abgeschmeichelt hat, wachsen auf dem eigenen Mist noch die eine oder andere zusätzliche Idee. Und schon hat man einen Salat, der wie gemacht ist für die eigene Familie. Wobei dieser eher nicht sonderlich Gesund ist, sondern einfach eher schmackhaft.

Aber auch solche Rezepte braucht man immer mal wieder: die irgendwann jedes Familienmitglied im Schlaf nachmachen kann und dem Rest der Bagage es nicht schwerfällt, zu erraten, wer diesmal der "Autor" ist.

Hier erhält man kein Werk der Magie, sondern ein wahrlich inspierierendes kleine Buch, in dem ich noch desöfteren blättern und nach der passenden Salatidee für den Abend suchen werde!

Bewertung vom 21.05.2022
Über Carl reden wir morgen
Taschler, Judith W.

Über Carl reden wir morgen


sehr gut

Nachdem ich diesen Roman gelesen aus der Hand gelegt habe, musste ich mir erstmal lange Gedanken darüber machen, wie ich ihn denn eigentlich so finde.

Keine Frage: Autorin Judith W. Taschler kann schreiben wie kaum eine andere: bereits nach wenigen Seiten hatte ich ihr Szenario klar vor Augen, die Familie Brugger, sowohl die erste, als auch die nachfolgenden Generationen standen mir ebenso wie weitere Akteure klar vor Augen. Ebenso wie die historischen Gegebenheiten, in die sie das Geschehen auf ihre höchst eigene Art sehr gekonnt einbettet.

Eine ganz besondere Stärke der Autorin liegt - so finde ich - in der Gestaltung ihrer Charaktere, wobei ich in diesem Roman besonders die weiblichen Figuren als sehr gelungen sehe. Ihnen wohnt eine ganz besondere Kraft inne!

So flutschte die Lektüre nur so dahin, ich war schneller im letzten Viertel des Buches angelangt, als es mir lieb war - eigentlich hätte ich immer so weiter lesen können. Aber dann eben nicht mehr. Für diese letzten Seiten brauchte ich deutlich länger als für alles Vorherige zusammen und zwar einfach deswegen, weil sich etwas in mir zu sträuben begann: Die Handlung erschien mir so gar nicht mehr rund, es passte alles nicht mehr so richtig ineinander, ich konnte den Entwicklungen einfach nicht mehr folgen. Und legte somit - leider, leider - das Buch mit einem ausgesprochen mulmigen Gefühl beiseite, was mir außerordentlich leid tut!

Bewertung vom 19.05.2022
Jede*r kann die Welt verändern! - Ich bin Anne Frank
Eliopoulos, Christopher;Meltzer, Brad

Jede*r kann die Welt verändern! - Ich bin Anne Frank


gut

Schweigen in schweren Zeiten
Damit man nämlich nicht erwischt wird. Schweigen kann man meist nur, wenn man sich allem entzieht und so versteckte sich Annes Franks Familie über zwei Jahre lang in einem winzigen und engen Hinterhaus in Amsterdam.

Bis sie leider doch gefunden wurden von den Nazis und/oder ihren Handlangern und in ein KZ gebracht wurden. Die wenigsten überlebten - auch Anne leider nicht.

Aber es blieb etwas von ihr, das unglaublich viele Menschen kennen, nämlich ihr Tagebuch, das gerade durch seine Beschreibung des Alltäglichen so erschüttert. Fast alle kennen es, die meisten haben es sogar gelesen. Oft auch die, die sonst eher keine Bücherwürmer sind.

Deswegen ist es eine tolle Idee, dieses so wichtige Thema auch für jüngere Kinder zugänglich zu machen. Hier ist es in Form einer Graphic Novel vom Aufbau und vom Design her wirklich sehr gelungen.

Doch mangelt es aus meiner Sicht inhaltlich an dem, was Kinder brauchen. Kinder tun sich schwer mit Andeutungen, mit vagen Phrasen. Sie brauchen Konkretes: wenn Schlimmes geschehen ist, sollte man einen Weg finden, es so auszusprechen, dass das Kind es versteht, aber trotzdem ertragen kann. Hier gibt es am Ende Floskeln, die sehr unkonkret formuliert sind. Ich bin schon lange kein Kind mehr, aber wenn ich die Geschichte der Familie Frank nicht aus dem FF kennen würde, hätte ich auch meine Schwierigkeiten damit.

Also damit, die konkreten Ereignisse nachzuvollziehen. Und das empfinde ich leider als wenig hilfreich. Denn es ist wichtig, in schweren Zeiten zu manchen Gelegenheiten - eher zu ziemlich vielen - zu schweigen. Danach jedoch sollte darüber geredet werden, um sie nicht zu vergessen. Und man sollte es den (kleinen) Menschen nicht zu schmerzhaft präsentieren - aber doch so, dass sie es genau verstehen!

Bewertung vom 18.05.2022
Amelia
Burns, Anna

Amelia


sehr gut

Man könnte meinen, dass Amelia auf einem anderen Kontinent oder gar einem anderen Planeten, zumindest jedoch in einer ganz anderen Epoche als ich groß geworden ist: doch nichts davon trifft zu. Sie ist - wie auch ihre Autorin Anna Burns - ganze zwei Jahre älter als ich und lebt ebenfalls in Europa, allerdings unter ganz anderen Bedingungen.

Ihr gesamtes Umfeld, ausgehend von der eigenen Familie ist von roher Gewalt geprägt, Verletzungen, die zumeist nichts mit dem in Belfast herrschenden Bürgerkrieg zu tun haben, sind an der Tagesordnung. Sowohl seelische als auch körperliche, von der Autorin teilweise sehr realitätsnah, teilweise aber auch in einer sehr realitätsfernen Wahrnehmung, die in der Regel die Sichtweise der Protagonistin Amelia spiegelt, geschildert.

Es ist für mich kein typischer Roman - wäre es als Band von Kurzgeschichten bezeichnet worden, hätte das für mich auch gepasst, denn es geht nicht immer um Amelia, auch wenn der Kosmos einer ist, in dem sie immer wieder auftaucht, nämlich die unruhigen Jahre von Belfast, die Troubles eben, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in Nordirland dominierten.

Eine Lektüre, die sicher von einer starken, vielleicht auch durch dieses Niederschreiben gestärkten Autorin verfasst wurde, für die ich mich als Leserin jedoch oftmals zu schwach fühle. Ich brauche immer mal wieder eine Pause von der rohen Gewalt, der Gnadenlosigkeit um Amelia herum. Diesen Roman zu lesen, hat mich außerordentlich viel Kraft gekostet.

Kann sein, dass er mich besonders betroffen macht, weil wir gerade einen weiteren sehr brutalen Krieg in Europa miterleben müssen und dieses ganze Szenario für mich deutlich gegenwärtiger ist als noch vor einigen Monaten.

Bewertung vom 17.05.2022
Der Tod macht Urlaub in Schweden / Die Österlen-Morde Bd.1 (eBook, ePUB)
De La Motte, Anders; Nilsson, Måns

Der Tod macht Urlaub in Schweden / Die Österlen-Morde Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Entspanntes Morden im Norden
Nämlich genau zur Urlaubszeit des in ganz Schweden bekannten Stockholmer Mordermittlers Peter Vinston. Er wird gegen seinen Willen krank geschrieben und soll sich auf Ratschlag seines Arztes erholen, weswegen er sich nach Schonen begibt, um sich in der Nähe seiner Tochter und Exfrau sowie deren neuem Mann, einem adligen Schlossbesitzer, aber einem der gemütlichen Art, auszuruhen.

Aber zunächst beginnt sein Aufenthalt mit einer Riesenparty aus Anlass des sechzehnten Geburtstags seiner Tochter Amanda. Dort trifft er auf ein sehr egozentrisches Weibsbild, eine Amerikanerin - die er am nächsten Tag wiedertrifft, als er mit seiner Exfrau eine Hausbesichtigung macht. Und zwar zunächst lebendig - später dann tot - ermordet, wie sich schon bald herausstellt.

Sie wollte an einer Stelle Häuser an Reiche verschachern, die eigentlich allen Menschen zugänglich sein sollte, da es sich um einen besonders schönen Strand handelte. Und sie hatte eine ganze Reihe von Menschen um sich, die sie loswerden wollten.

Peter Vinston wird vom lokalen Polizeichef in die Ermittlungen einbezogen, zunächst sehr gegen den Willen der lokalen Polizistin Tove Esping, der der aufgetakelte Kerl - Vinston trägt stets feinste Dreiteiler und ist ganz schön etepetete - zunächst ziemlich gegen den Strich geht.

Ein unterhaltsamer Krimi, bei dem die Figuren aus meiner Sicht teilweise noch nicht ganz ausgereift sind und der sich auch etwas schwerfällig entwickelt. Dennoch freue ich mich auf den zweiten Band der Reihe und bin zuversichtlich, dass dieser an Struktur und Format gewinnen wird!

Bewertung vom 11.05.2022
Blutland / Juncker und Kristiansen Bd.3
Faber, Kim;Pedersen, Janni

Blutland / Juncker und Kristiansen Bd.3


sehr gut

Alles beginnt mit dem Mord an einem Neonazi
Der sogar gefilmt wurde und dennoch mehr Frage- als Ausrufezeichen aufwirft! Denn schnell wird eine Verbindung zu einer Reihe von Frauenmorden hergestellt, die ausgesprochen irritierend erscheint.

Diese weisen nämlich über Jahrtzehnte hinweg gewisse Parallelen auf. also die Morde an den Frauen, denen Vergewaltigungen vorausgegangen sind. Bald schon zeigt sich, dass Signe Kristiansen - der weibliche Part der beiden Protagonisten - persönliche und überaus unangenehme Verbindungen zu diesen Fällen hat.

Überhaupt schwingt eine ganze Menge Persönliches hinein in die vielfältigen Ermittlungen, die trotz der Masse und der parallelen Ereignisse nur ganz, ganz selten verwirren. In der Regel wird alles klar und schlüssig, immer wieder auch spannend dargestellt.

Ich habe Gefallen am Stil des dänischen Autorenpaares Faber und Pedersen gefunden und werde hier sicher am Ball bleiben.

Juncker und Signe Kristiansen in ihrem dritten Fall - es wird fast mehr hinter als vor die Kulissen geschaut, was m.E. für das Buch spricht!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.05.2022
Iglhaut
Adler, Katharina

Iglhaut


weniger gut

Oh, wie habe ich mich auf diesen Roman gefreut. Auch, wenn ich "Ida" nur als eher mittelprächtig in Erinnerung habe, war ich mir sicher, dass Katharina Adler mit "Iglhaut" eine Protagonistin gezaubert hat, die für mich wie gemacht ist. Eine eigensinnige, ja stachlige Person, die die Städterinnen, die nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens stehen, präsentiert, ihnen eine Stimme gibt.

Leider bleibt ihr gerade diese Stimme aus meiner Sicht versagt: Iglhaut hat - auch wenn sie durchaus ihren eigenen Stiefel fährt - nicht allzu viel zu sagen. Also nicht allzuviel wirklich Wichtiges und Bedeutungsvolles, so mein Eindruck. Sie und ihre Geschichte hat einfach keinen Eingang in meine Wahrnehmung gefunden. Sobald ich diese vernahm, entzog sie sich auch schon wieder meinen Sinnen, geriet in Vergessenheit. So verbaut, wie ihr Wohnort mitten in einem Münchner Innenhof zu sein scheint, so verbaut ist auch sie als Typ - jedenfalls für mich. Ich bin nicht an sie herangekommen. Schade drum und ich glaube, ich muss mir Katharina Adler für künftige Lesefreuden leider abschminken. Sie und ich werden keine Seelenfreundinnen!

Bewertung vom 05.05.2022
Die Sammlerin der verlorenen Wörter
Williams, Pip

Die Sammlerin der verlorenen Wörter


sehr gut

Esme lebt in Oxford bei ihrem alleinerziehenden Vater und hat von klein auf eine enge Beziehung zu Wörtern. Kein Wunder denn sie wächst quasi in der Werkstatt des Oxford English Dictionary auf, an dessen erster Ausgabe ihr Vater als Lexikograph mitarbeitet. Und es ist für die meisten Kollegen vollkommen normal, dass sich Esme dort den Tag über herumtreibt.

Sie hat aber auch eine zweite Bezugsperson: nämlich ihre Patentante Edith, von ihr Ditte genannt, die ehemals beste Freundin ihrer verstorbenen Mutter und auch in die Arbeit am Lexikon mit eingebunden, obwohl sie in Bath lebt.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wächst Esme zu einer jungen Frau heran, die ihr eigenes Sprachgefühl entwickelt und zwar ein besonderes für die Worte, die das Leben von Frauen betreffen - auch von solchen, die unter einfachen und ärmlichen Bedingungen leben und sie beginnt, diese zu sammeln.

Das ist quasi ihr Leben, nachdem sie gewisse Sehnsüchte über Bord werfen muss und darüber lernt sie auch den Mann ihres Lebens kennen. Jede Frau würde sich wünschen, einen so sehr auf sie zugeschnittenen Heiratsantrag zu erhalten, wie es Esme widerfährt.

Doch davor und danach treffen sie viele Schicksalsschläge - dennoch ist das Buch von einer gewissen Leichtigkeit, die angesichts gewisser historischer Voraussetzungen fast unwahrscheinlich anmutet. Ein Buch, fast nicht von dieser Welt - gewissermaßen empfand ich es als Emanzipationsmärchen und habe trotz einiger Längen diese ungewöhnliche und besondere Lektüre sehr genossen.

Ein Tipp für emanzipierte Bücherfreund;innen beiderlei Geschlechts, die gerne in frühere Zeiten zurücklesen!

Bewertung vom 04.05.2022
Die Mauer
Lanchester, John

Die Mauer


ausgezeichnet

Auf der Mauer, auf der Laue sitzt keine kleine Wanze, sondern ein Haufen Briten, "Verteidiger" genannt. Wobei der Begriff "Haufen" zu despektierlich gewählt ist: es ist eine durchorganisierte Truppe, die exakt durchstrukturiert ist und punktgenau tickt. Diese Verteidiger leben in einem Land, einem Bereich, einem Territorium, einer Zone - wie auch immer, genau wird es nicht bezeichnet, auch wenn aufgrund der Ortsbezeichnungen immer wieder klar wird, dass Englad gemeint ist - in das viele andere rein wollen. Über das Meer, denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Sie werden ebenso wie die genauen politischen Strukturen nicht näher erläutert, es sind einfach "Die Anderen".

Die Zeit der Mauerverteidigung währt zwei Jahre und davon ist - ab einem bestimmten Alter - niemand ausgenommen. Wobei - sie kann verlängert werden vom jeweiligen Vorgesetzten, einfach so, ohne dass man dagegen etwas machen kann.

Wenn man einen der "Anderen" durchgelassen hat, dann passiert etwas ganz Schreckliches. Wobei - eigentlich ist ja seit Jahren nichts passiert, aber gerade braut sich wieder etwas zusammen. Und zwar nicht zu knapp.

Der großartige englische Romancier John Lanchester hat hier eine eigene Welt geschaffen. Eine, die mit der von Pippi Langstrumpf, die sich "ihre Welt malt, wie sie ihr gefällt" so gar nichts zu tun hat.

Nein, es ist eine düstere, bedrohliche. Für uns jedenfalls, die wir anderes gewohnt sind. Lanchesters Protagonist Joseph Kavanagh nicht unbedingt, er ist in diesen Strukturen aufgewachsen und kennt nichts anderes. Seine Eltern allerdings schon, denn sie haben das "davor" erlebt. Worüber sie aber nicht allzuviel erzählen (dürfen). Nach und nach wird uns diese für Joseph, den Ich-Erzähler, so selbstverständlich erscheinende Welt vermittelt. Eine Welt, die alles andere als transparent ist und in der - wie es sich zeigt - es auch für Joseph noch viel zu erfahren gibt. Beklemmendes, Düsteres, Erschreckendes - so in etwa in dieser Reihenfolge.

In mir hat die Lektüre ein ungutes Gefühl hinterlassen. Eines, dass mich an die Gegenwart denken ließ, an ein Jetzt, in dem neue Mauern hochgezogen werden (sollen), in dem viele Menschen unbedingt woanders sein wollen, als da, wo sie sind. Und andere sie nicht dorthin lassen wollen. In einer Gegenwart also, in der viele nicht dorthin dürfen, wo sie hin wollen, nicht einmal dann, wenn ihre Lieben bereits dort sind. In ein Jetzt, in dem man sich Tag für Tag fragt, wem man denn überhaupt noch trauen kann.

Ist das möglicherweise bereits die Vorstufe zu einer Welt, ähnlich der des Lanchester-Entwurfs? Es könnte schon sein. Aus meiner Sicht ist dies ein phänomenales Gegenstück zu "1984", ein wenig zuversichtlicher Entwurf einer Zukunft, die gar nicht so weit weg zu sein scheint. Es war keine Freude, diesen Roman zu lesen, nein, ganz und gar nicht. Eher eine Notwendigkeit. Die Lektüre hat mich nicht entspannt, sehr wohl aber bereichert. Ein Buch, das weh tut und das sich dennoch jeder, der von sich behauptet, im Hier und Jetzt angekommen zu sein, zu Gemüte führen sollte!

Bewertung vom 04.05.2022
Monster
Sarid, Yishai

Monster


sehr gut

Ein Monster ist etwas Widerwärtiges, eine richtig üble Kreatur. So unterschiedlich die Definitionen dazu auch sind: dass die Massenmörder der nationalsozialistischen Diktatur in den Konzentrationslagern dazugehören, ist wohl ziemlich klar. Umso mehr verwundert es den Protagonisten dieses Romans, einen israelischen Historiker und Guide bei Besichtigungen seiner Landsleute in Konzentrationslagern, dass diese manchmal eine andere Meinung dazu haben. Sie sehen nicht die Deutschen als die maßgeblichen Übeltäter, sondern die Polen, deren Unterstützung, aber auch Hass und Neid aus ihrer Sicht ein wichtiger Beitrag zum Massenmord war, ja, diesen erst ermöglicht hat.

Dem Historiker, der zunächst als nüchterner Betrachter durch die Stätten des Grauens führt, wird es zunehmend schwerer, seine eigene Meinung außen vor zu lassen, was zu einigen Eskalationen und der Distanzierung der Organisatoren dieser Reisen von ihm führt.

Das Buch besteht aus seinem Monolog, vielleicht auch einem Brief, gerichtet an den Vorsitzenden der Gedenkstätte Yad Vashem, die hinter diesen Reisen steht und quasi sein Auftraggeber ist.

Als Historikerin war ich sehr gespannt auf dieses Buch, zumal auch ich einige dieser Konzentrationslager kenne und somit beurteilen kann, wie aufwühlend ein Aufenthalt dort sein kann. Wieviel entsetzlicher muss dies sein für die Nachfahren der Opfer - dass die ersten Reaktionen auf eine solche Konfrontation ebenso unterschiedlich wie unberechenbar sind, ist meiner Meinung nach sehr gut nachzuvollziehen. Und dass jemand, dessen Beruf es ist, Führungen durch diese Lager zu leiten, innerlich nicht immer außen vor bleiben kann, ebenso.

Somit war ich durchaus fasziniert von dem Wandel, der im Protagonisten vorging und der aus meiner Sicht von Autor Yishai Sarid überaus eindringlich, dabei teilweise subtil, dargestellt wird.

Was mir hingegen teilweise sauer aufstieß, waren die Bezeichnungen "Deutsche" und "Polen", manchmal auch "Ukrainer" für die Täter. Obwohl ich meiner Abstammung nach keiner dieser Nationen angehöre, tut es mir weh, wenn hier ganze Völker in den Kreis der Täter einbezogen werden, wobei ich davon ausgehe, dass diese Polarisierung vom Autor durchaus beabsichtigt ist. Denn ich habe den Eindruck, dass er ein Buch schreiben wollte, das weh tut und zwar jedem, der es liest. Immer auf unterschiedliche Art natürlich, je nachdem, was für einen Hintergrund der jeweilige Leser hat. In mir weckte es die bange Frage, ob ich in mir nicht auch ein Monster beherberge - manchmal zumindest. Und zwar das Monster der Ignoranz, des Wegschauens. Alles andere als leichte Kost also, die in mir noch lange Zeit nachhallen wird.