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anette1809 - katzemitbuch.de
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Sulzheim
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Bewertungen

Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 28.03.2016
All die schönen Dinge
Olshan, Ruth

All die schönen Dinge


ausgezeichnet

Tammie hat ein für 16jährige sehr ungewöhnliches Hobby: sie sammelt Sprüche von Grabsteinen. Wenn man jedoch weiß, dass Tammie ein Aneurysma im Gehirn hat, versteht man, warum sie in ihrem jungen Alter nicht nur auf Pistazieneis steht.

"Ich weiß, was ein Aneurysma ist. Und ich weiß, dass man sehr schnell davon sterben kann. Ich weiß nur nicht, was das Platzen des Aneurysmas auslöst."
"Niesen, Sport, Drücken auf dem Klo und Orgasmen."
"All die schönen Dinge also." (S.127)

Bücher über sterbenskranke Kinder und Jugendliche sind nicht neu, "All die schönen Dinge" war aber unter der ganzen Masse an Büchern über schwere und tödliche Krankheiten tatsächlich das erste, welches ein Aneurysma zum Thema hatte. Darüber trifft man als Leser auf Tammie nachdem sie bereits seit Jahren mit der Diagnose Aneurysma lebt und so ziemlich abgeklärt und stark durchs Leben geht trotz ihrer Erkrankung. Erschüttert wird man eventuell zunächst durch ihr ungewöhnliches Hobby auf der Suche nach einem Spruch für das eigene Grab und ihrem Drang sich von Dingen zu trennen, um möglichst ballastfrei durch die letzten Tage, Wochen, Monate oder Jahre ihres Lebens zu gehen. Beides entwickelt sich jedoch in eine Richtung, die das Buch humorvoll und leicht wirken lassen. Über ihr Hobby lernt sie Fynn kennen, der neben ihrer besten Freundin Pat schon bald nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken ist und ihr Drang sich von Sachen zu trennen steckt nach und nach die ganze Familie an und zeigt, wie befreiend es ist materiellen Ballast von sich zu stoßen.
Die Freundschaft mit Fynn entwickelt sich schon bald zu Liebe und damit der Frage, wie gefährlich es ist mit einem Aneurysma Sex zu haben. Ruth Olshan behandelt Themen wie Krankheiten, Tod und Sex sehr unbefangen und humorvoll in ihrem Buch, dass ich trotz der schwierigen oder heiklen Themen bei der Lektüre weit mehr am Schmunzeln war als das mich der Inhalt traurig gemacht hätte. Neben den starken und sympathischen Hauptfiguren hauchen auch die Nebencharaktere der Geschichte eine besondere Note und Originalität ein: egal, ob es sich dabei um Fynns Hund Okay, seine nervige Tante, zu deren Hochzeit sie eingeladen sind, oder um drei Frauen Namens Blumentopf handelt, auf die sie auf Grund eines ganz speziellen Grabspruchs aufmerksam werden.

Der Beginn des Buches hat mich etwas gefordert, da ein Großteil der Protagonisten innerhalb kürzester Zeit eingeführt werden - ich kann an der Stelle nur empfehlen notfalls die ersten 2 bis 3 Kapitel ein zweites Mal zu lesen, um mit den Figuren bekannter zu werden und sich danach besser auf die skurrilen Ereignisse und den besonderen Humor der Geschichte einlassen zu können, denn nicht alle sind auf Anhieb zu einnehmend wie Fynn, aber auf jeden Fall alle lohnenswert sie kennenzulernen.

"All die schönen Dinge" ist ein ganz besonderes Buch, das ernste Themen auf ungewöhnliche Art und Weise behandelt mit einer speziellen Art von Humor und starken Charakteren, so dass es den Leser trotz einiger trauriger Passagen sehr glücklich zurücklässt!

Bewertung vom 27.03.2016
Feuerrot
Blazon, Nina

Feuerrot


ausgezeichnet

"Feuerrot" spielt gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Ravensburg zur Zeit der Hexenverfolgung.
Die junge Madda ist Magd im Hause des vermögenden Kaufmanns Humpe, der Besuch eines italienischen Verwandten erhält. Dieser versucht anfangs Magdalena zu verführen, bevor er seine Künste auf die Enkeltochter des Hauses ausdehnt. Unwetter, unheilbar kranke Kinder, eine Frühgeburt... viele Tragödien passieren zu diesen Zeiten und es genügt ein verleumdenter Satz, um eine Frau unter den Verdacht zu stellen, dass sie eine Hexe sei. Da sich in Ravensburg zu jener Zeit auch Heinrich Kramer, Inquisitor und Autor des Hexenhammers aufhält, verwundert es den Leser kaum, das auch Madda nach der Zurückweisung des jungen Lucio und dem Tod ihrer jüngsten unheilbar kranken Schwester dieses Urteil erhält. So erfährt man nach und nach an ihrem Schicksal und dem einiger anderer Ravensburger Frauen, wie grausam die damaligen Foltermethoden waren und die Chancen auf Rechtssprechung ausnehmend gering.
Für mich war "Feuerrot" nicht der erste historische Roman aus Nina Blazons Feder, bereits in den vergangenen Jahren habe ich zu einigen ihrer historischen Stoffe gegriffen und durfte mich wieder einmal an einem hervorragend recherchierten Stoff erfreuen, der fiktive Charaktere und Handlungsstränge mit historisch belegten Personen und Fakten gekonnt verknüpft. "Feuerrot" ist mit seiner Komplexität, den sehr gut ausgearbeiteten Charakteren und dem spannenden Handlungsverlauf nicht nur für jugendliche, sondern absolut auch für erwachsene Liebhaber von historischen Romanen empfehlenswert.
Eins von Nina Blazons Hauptaugenmerken liegt in jedem Fall in den Charakteren, darüber kommt der historische Hintergrund, die Stadt Ravensburg und das Thema der Hexenverfolgung aber keinesfalls zu kurz - nicht umsonst umfasst die eigentliche Geschichte fast 500 Seiten, ergänzt durch ein Nachwort und ein Glossar, welche auf die belegten historischen Hintergründe und die wichtigsten zeitgeschichtlichen Begriffe aus der Zeit des 15. Jahrhunderts eingehen.

Egal ob fantastische oder historische Stoffe: für mich ist Nina Blazon ein Garant für spannende und sprachlich ausgefeilte Geschichten, die dank der einnehmenden Charaktere und sehr gut recherchierten Hintergründe auch einen anspruchsvollen Lesegenuss für ältere Leser darstellen.

Bewertung vom 26.03.2016
Zorn und Morgenröte / Tausend und eine Nacht Bd.1
Ahdieh, Renée

Zorn und Morgenröte / Tausend und eine Nacht Bd.1


gut

"Zorn und Morgenröte" ist der erste Band einer Reihe, in der Renée Ahdieh die Geschichte von 1001 Nacht adaptiert.
Der junge Herrscher Chalid nimmt jeden Tag ein anderes Mädchen zur Frau und lässt sie am nächsten Tag hinrichten. So hat Sharzad ihre beste Freundin Shiva verloren. Um die Tat zu sühnen meldet sich Sharzad freiwillig als Braut mit dem Ziel der Hinrichtung zu entgehen und ihrerseits Chalid zu töten. Jede Nacht kurz vor der Morgenröte beginnt sie eine Geschichte zu erzählen und tatsächlich gewinnt sie so einen um den anderen Tag Aufschub von ihrer Hinrichtung, bis sie Chalid besser kennenlernt und anfängt hinter die Fassade zu blicken: Chalid ist gar nicht der tyrannische Herrscher, für den ihn alle halten, sondern jemand mit einem traurigen und brutalen Geheimnis...

Im Prolog wird leider direkt eine Sache angedeutet, die auf das Ende des Buches anspielt, welches ansonsten weit mehr überraschen kann. Man sollte sich also gut überlegen, ob man die Geschichte lieber mit dem ersten Kapitel beginnt und sich den Prolog für nach der Auflösung am Ende des Buches aufhebt. Ansonsten konnte mich die Autorin vor allem mit dem zauberhaften Auftakt à la 1001 Nacht gefangen nehmen, wenn Sharzad beginnt dem Kalifen ihre Geschichten zu erzählen, danach leider erst wieder gegen Ende, wenn das Geheimnis um Chalid aufgelöst wird.
Dazwischen plätscherte die Handlung für mich leider nur dahin, soweit man von einer wirklichen Handlung sprechen will. Vielmehr verliert sich Renée Ahdieh zu sehr in der Beschreibung ihrer Welt und den Figuren, wirklich innovative Ideen fehlen und der durchaus vorhandene Zauber reicht einfach nicht an das Original heran, die Figuren brennen sich kaum in das Gedächtnis des Lesers ein.
So lautet mein Resümee für die Geschichte leider: bis auf Anfang und Ende konnte mich die Geschichte kaum fesseln und auf Grund des unnötig in die Länge gezogenen Mittelteils werde ich definitiv nicht zu einer Fortsetzung der Geschichte greifen.

Bewertung vom 26.03.2016
Kleine Katzenkunde
Pérez, Sébastien;Lacombe, Benjamin

Kleine Katzenkunde


ausgezeichnet

Ganz im Gegensatz zu seiner eigentlichen Hundeliebe, widmet sich Benjamin Lacombe in seinem neusten Werk gemeinsam mit Sébastien Perez einem weiteren beliebten und weit verbreitetem Haustier: der Katze. Ich will den beiden nicht ankreiden, dass sie aus ihrer Hundeliebe heraus teils boshafte und hinterhältige Exemplare in der "Katzenkunde" aufführen, Katzen sind nun einmal dickköpfig, eigen, und leider auch von Zeit zu Zeit boshaft und hinterhältig, oder einfach gesagt: nicht oder nur schlecht zu erziehen.

15 Kapitel beinhaltet die "Kleine Katzenkunde", eine Vorstellung des/der Protagonisten im Porträt, einen kurzen Text und eine vollformatige Zeichnung samt auf den Charakter zugeschnittene Geschichte. Abgerundet wird das liebevoll ausgestattete Buch durch ein Glossar, in dem alle auftretenden Katzen mit ihrer Rasse und ihren optischen und charakterlichen Eigenschaften aufgeführt sind.

Das Thema zieht sich sozusagen vom "Näschen bis zum Schwanz": die Porträts auf vorderer und hinterer Deckelseite sind plastisch hervorgehoben, auf den Vorsatzseiten befinden sich flächendeckend Kätzchenpfoten, doch Katzen hin oder her, natürlich dürfen auch die beiden Möpse von Benjamin Lacombe nicht auf der Titelillustration fehlen.

Lacombe und Perez haben haben hier ein wundervoll ausgestattetes Werk in warmen und gemütlichen Farben erschaffen, die den unterschiedlichen Katzenrassen gerecht wird und welches sicherlich nicht nur Liebhaber unter diesen unberechenbaren, aber wundersamen Tieren finden wird.

Bewertung vom 10.03.2016
Der Bär und das Wörterglitzern
Lestrade, Agnès de

Der Bär und das Wörterglitzern


sehr gut

de Lestrade und Docampo haben wieder einmal ein wundervolles Gesamtkunstwerk aus Farben, Formen, Interpretationsmöglichkeiten und einer unglaublichen Leichtigkeit erschaffen. Leider fehlt mir im persönlichen Vergleich zu den Werken "Die große Wörterfabrik" und "Im Garten der Pusteblumen" eine tiefgründige Aussage, die kindgerecht voller Leichtigkeit an die jungen Leser vermittelt wird.
"Der Bär und das Wörterglitzern" steht in der Ausstattung den beiden anderen Büchern in nichts nach, aber von der Aussage möchte ich das Buch eher als Liebhaberbuch für Erwachsene einordnen denn als ein Bilderbuch, welches man kleinen Lesern näher bringen kann. Die Symbiosen, die manche Wörter bilden, der spezielle Zauber, die Wörter manchmal erst in Gruppen eingehen, werden oftmals erst Kindern klar, die bereits selbst lesen lernen oder schon einen größeren Wortschatz besitzen. Dreijährige werden sich an den farbenfrohen Bildern nicht satt sehen können, den eigentlichen Sinn des Buches wird ihnen aber noch längere Zeit verschlossen bleiben.
Das Buch ist wunderbar verspielt in der Ausstattung, die Bilder werden oftmals nicht in Blätterrichtung angesehen, sondern auf den Kopf gedreht, dies führt dazu, dass man sich ausdauernd mit dem Inhalt des Buches beschäftigt und die Bilder genau erkundet.
Aber vielleicht liegt genau darin der Zauber des Wörterglitzerns: in den ersten Jahren die wundervolle Magie der Aufmachung ergründen und sich den Sinn dahinter nach und nach in den kommenden Jahren erschließen.

Ein ebook-Code ist außerdem inkludiert, wer das Lesen auf einem E-reader bevorzugt.

Für Liebhaber der zauberhaften Motive von Valeria Docampo sind ihre Motive inzwischen als Postkarten erhältlich.

Bewertung vom 08.03.2016
Ein brillanter Geist in der unwürdigen Hülle eines Nagetiers / Kriminaloberkommissar Kasimir Bd.2
Endres, Brigitte

Ein brillanter Geist in der unwürdigen Hülle eines Nagetiers / Kriminaloberkommissar Kasimir Bd.2


ausgezeichnet

"Ich bin Valentine, Tochter eines Bestatters, und seit der brillante Geist von Kriminaloberkommissar Kilian Kasimir in die verstorbene Hülle meines Meerschweinchens Bully gefahren ist, weiß ich: längst nicht alle unsere toten Kunden sind auf eine natürliche Weise gestorben."

Das Trio Valentine, Kriminalnager Kilian Kasimir und Polizeihund außer Dienst Marlowe stoßen schneller auf ihr nächstes Mordopfer als es ihnen lieb ist. Valentines Eltern ahnen nichts von den unkonventionellen Ermittlungsmethoden ihrer Tochter, aber Bruder Felix muss öfter mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit Valentine mit der Aufklärung des Falls vorankommt.
Ein in Mordfragen ermittelnder Teenager fällt auf, so muss Valentine immer wieder ihr Mundwerk und ihren Einfallsreichtum bemühen, um aus prekären Lagen unbeschadet herauszukommen. Ein Kriminaloberkommissar hat es im Körper eines Meerschweinchens alles andere als einfach seiner Arbeit nachzukommen, aber auch für Valentine wird es schwierig, so zu tun als hätte sie keine Ahnung, woher Krallenspuren in einem neuen Sarg kommen, gegen ihre Müdigkeit dringend einen Espresso zu benötigen und mit ihrem Gewissen auszumachen, ob es mit ihrer Ermittlungsarbeit zu vereinbaren ist, wenn sie an einem Tatort auf Zuspruch des nikotinsüchtigen Kilian Kasimir eine Packung Tabak mitgehen lässt.
Die ungleiche Freundschaft zwischen Mädchen, Meerschweinchen und Hund wächst immer mehr - und das wächst ans Leserherz - und das Lachen ist nicht mehr ganz so verzweifelt, wenn Valentine ihrem Kriminaloberkommissar zu Espresso und Zigaretten verhelfen muss. Mittlerweile fällt es dem Leser wesentlich einfacher das Meerschweinchen als Kostümierung zu sehen - Kommissar bleibt Kommissar! Und Freunde sind Freunde, egal wie ungleich sie sein mögen. Valentines und auch mein Gefühl als Leser gegenüber Kilian Kasimir verwandelt sich immer mehr von Mitleid zu einer – wenn auch seltsamen – Form von Freundschaft oder zumindest Verständnis. Brigitte Endres vermittelt an Hand des ungleichen Ermittlerduos wie wichtig es in Beziehungen ist, um Hilfe bitten zu können und das Freunde auch in den schwersten Situationen für einen da sind. Dieses Motiv wird auch an Beispiel des hier vorliegenden Mordfalls ausgeleuchtet, allerdings mit völlig anderem Ausgang…
Im Laufe der Handlung kommt es zu einem zweiten Mordfall, der mit dem ersten in Verbindung zu stehen scheint, diese beiden stehen kaum zurück hinter dem verzwickten Fall aus dem Vorgängerband, ich zumindest habe wieder sehr gerne mitgerätselt und überraschende Züge und Motive bei den involvierten Protagonisten entdeckt.
Da die Kriminalfälle aus erstem und zweiten Band rund um Valentine und Kilian Kasimir völlig unabhängig voneinander sind, kann man die zweite Geschichte ohne Kenntnis der ersten genießen, allerdings verpasst man so das Zusammenfinden des schrägen Duos und die Entwicklung der einzelnen Charaktere, die in beiden Bänden eine Rolle innehaben.
Ich liebe diese verrückte Ermittlergruppe, die durch Marlowe und phasenweise auch Felix vervollständigt wird, die in einem Drahtseilakt junge und erwachsene Leser gleichermaßen erreichen kann - bitte, bitte, bitte mehr davon!

Reihen-Info:
Band 1: Der Tag, an dem mein Meerschweinchen Kriminaloberkommissar wurde
Band 2: Kriminaloberkommissar Kasimir ein brillanter Geist in der unwürdigen Hülle eines Nagetiers

Bewertung vom 08.03.2016
So wüst und schön sah ich noch keinen Tag
LaBan, Elizabeth

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag


sehr gut

„So wüst und schön sah ich noch keinen Tag“ ist der Debütroman der Autorin Elizabeth LaBan, dessen Originaltitel zwar wesentlich einfacher, aber aussagekräftiger ist, was den Inhalt des Buches angeht: „The tragedy paper“.
Die Geschichte beginnt damit, dass Duncan das Gelände der Irving School betritt, am ersten Tag seines Abschlussjahres, wo jedem Senior im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren ein Einzelzimmer zugewiesen wird. Ein Zimmer gibt es, das keiner haben will… das des Albinos Tim, mit dem Duncan vor den Ferien einen unschönen Zwischenfall gehabt haben muss, auf den jedoch noch nicht näher eingegangen wird, denn die Tragödie spielt darauf hin. Natürlich zieht Duncan das Unglückslos und landet in Tims altem Zimmer. Dort erwartet ihn eine ganz besondere Überraschung. Jeder alte Seniorschüler hinterlässt dem Erben seines Zimmers einen „Schatz“, das ging in den vergangenen Jahren von vergammelter Pizza bis hin zu einer Bulldogge. Zunächst scheint Duncans Schatz mehr als langweilig und einfallslos zu sein: ein Stapel CDs… doch auf den CDs verbirgt sich Tims Geschichte, die Duncan etwas ganz besonderes geben soll, die Geschichte zu dem tragischen Aufsatz, den die Abschlusschüler in ihrem letzten Jahr abliefern müssen. Die Kapitel sind im Wechsel aus Duncans Sicht und Tims Geschichte, die Duncan auf CD hört. Tim ist ein Albino und stand wohl immer sehr alleine in seinem Leben. Bis er sich in der Schule in ein Mädchen verliebt. Auf Grund mangelden Selbstbewusstseins gesteht er ihr jedoch nie ein...
Die Autorin schafft es hervorragend die Neugier auf den weiteren Lauf der Geschichte zu schüren, da man zu Beginn nur mit Andeutungen gefüttert wird. Ein wenig erinnert die Atmosphäre an den Roman „Eleanor und Park“, der im letzten Jahr ebenfalls bei Hanser erschienen ist. Wenn ich denke, wie sehr bereits die ersten beiden CDs von Tim beim Lesen berührten, glaubte ich, dass die Geschichte noch sehr viel gefühlvoller und trauriger im Laufe der Zeit wird. Zudem war ich gespannt, was den Leser als Auflösung erwartet, welche Beziehung Tim zu Duncan (und dem Rest der Schüler) hatte. Von seinem einleitenden Brief an Duncan und den CDs kommt Tim sehr sympathisch rüber, aber er scheint tatsächlich große Schwierigkeiten auf Grund seiner Erkrankung gehabt zu haben.
Im Format mit den beiden wechselnden Erzählern mischt sich so manches Mal des Schicksal von Tim und Duncan, ihr Werdegang auf der Irving ist ähnlich, ich blättere mal zurück, lese nach, bin wieder im Bilde. Der Druck auf eine für mich befriedigende Auflösung am Ende steigt, eigentlich eine Auflösung, zu der es zwangsläufig kommen musste, andererseits viel zu belanglos für einen Unbeteiligten, um die geschürte Neugier auch nur annähernd zu befriedigen.
Insgesamt handelt es sich hier aber um einen hervorragend ausgearbeiteten Highschoolroman, der nicht nur die Tragödie als Schulabschlussthema behandelt, sondern deren Protagonisten Tim und seine Abschlussklasse tatsächlich in eine Tragödie verwickelt werden, die sie an die nächste Generation weiterreichen können, in diesem Fall Duncan, der ihre gemeinsamen Erlebnisse nur noch zu Papier bringen muss.

Bewertung vom 19.02.2016
Tot ermittelt es sich schlecht / Digby Bd.1
Tromly, Stephanie

Tot ermittelt es sich schlecht / Digby Bd.1


sehr gut

Digby #01 ist der rasante Auftakt einer Mischung aus Young Sherlock Holmes und Bridget Jones - wobei Digby beide Personen und noch ganz andere Facetten in sich vereint ;)

Psychisch labil, immer mit einem Arsenal Tabletten ausgestattet und auf der Suche nach potentiellen Mitstreitern kürt er sich Zoe als Ermittlerin aus, die neu auf seiner Schule landet und anscheinend einiger seiner Probleme teilt. Aber egal, ob man sich Digby mitteilen möchte oder nicht... einmal mitgehangen ist mitgefangen, und so findet so Zoe bald wieder zwischen Strafarbeiten, Polizeigewahrsam, einer mysteriösen Sekte und neuen - schrägen - Freunden. Der rote Faden der Geschichte ist Digbys vor Jahren entführte vierjährige Schwester und ein Teenager, der ebenfalls vor ein paar Jahren verschwunden ist. Das rasante Erzähltempo erreicht die Autorin durch die vielschichtigen Charaktere, deren familiären Problemen, wie die weiteren kleineren und größeren Vergehen, die Hand in Hand in den Erführungsfällen mitgehen.

Setting und Figurenausarbeitung haben mich begeistert, Geschwindigkeit und Verwirrung der Handlung hingegen wurden mir irgendwann zu viel... So schwanke ich hin und her in der Bewertung von erfrischenden interessanten Personen, die die Handlung tragen, und Handlungssträngen, die teilweise zu einer heillosen Überladung des Ganzen geführt haben. Wer die klassischen Ermittlungsmethoden des Sherlock Holmes in einem ganz neuen Gewand erkunden möchte, sollte zu Digby greifen, wer die Ermittlungen in Ruhe und altertümlicher Besinnlichkeit durchführen möchte, bleibt lieber dem klassischen Ermittler treu.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2016
bestenfalls alles
Witte, Tania

bestenfalls alles


ausgezeichnet

Nach beziehungsweise liebe und leben nebenbei legt Tania Witte mit bestenfalls alles den dritten und letzten Band ihrer Berliner Stadtgeschichten vor. Eine Reihe mit mehreren weiblichen und männlichen Protagonisten in den besten Jahren ihres Lebens (wo die liegen, sei mal dahingestellt, oft sind die nämlich unabhängig vom Alter, sondern von den Lebensumständen), alles Kulturen, aller sexuellen Neigungen und oftmals jenseits von Gut und Böse. Die Geschichte beginnt als Tekgül Callagher ihr Leben von Grundauf umorganisiert: Modelleben und lange Haare adé, welcome Berliner Kunsthochschule! Dummerweise hat das Leben etwas anderes mit ihr vor, und als sie mit 30 Jahren erfährt, dass ihr südländisches Aussehen nur zufällig südländisch wirkt und sie tatsächlich nach einer biologischen deutschstämmigen Mutter gerät, gerät bei ihr die Welt aus den Fugen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Nicoletta, deren Leben noch weit mehr als Tekgüls auf dem Kopf steht - insofern dies überhaupt möglich ist - gabeln sie den Hundesitterjob aka Rutherford bei einem befreundeten Frauenpaar auf und entschwinden mit diesem Richtung Bodensee und Schweiz, um die Geheimnisse um Tekgüls Adoption und Nicolettas verflossene Liebe zu ergründen. Hilfe bekommen sie dabei von der ehemaligen Putzfrau einer Bekannten, deren starke Seiten an ganz anderer Stelle als bei der Raumpflege zu finden sind.

So ein sprachlich gewitztes und hervorragend ausgearbeitetes Stück Unterhaltungsliteratur habe ich schon seit Langem nicht mehr gelesen. Bedauert habe ich zu Beginn nur, dass ich Tekgül und ihren verrücktschrägen/außergewöhnlichen Bekanntenkreis nicht schon mit Band 1 oder 2 der Stadtgeschichten kennengelernt habe, aber auch ohne Vorkenntnisse wachsen einen die skurrilen Gestalten schnell ans Herz und man verfolgt mit Spannung, Spaß und manchmal auch Schrecken ihre Wege.

"bestenfalls alles" ist wie ein Paradoxon: intelligente Unterhaltungsliteratur, die vorgibt seicht zu sein, andererseits kann ich mir dieses wohligfluffige durchs Buch sausen nicht erklären, dass mich nach der letzten Seite satt und zufrieden zurücklässt, bestenfalls mit dem Appetit die ersten beiden Stadtgeschichten doch noch nachzuholen, um keins der verrückten Dinge, die Tegkül und ihren Freunden beim leben nebenbei anscheinend ständig passieren, zu verpassen.

Reihen-Info:
beziehungsweise liebe
leben nebenbei
bestenfalls alles

Bewertung vom 11.02.2016
Michael Ende
Dankert, Birgit

Michael Ende


sehr gut

Zeit seines Lebens gab es keine Autobiographie von Michael Ende. Obwohl ich eine Handvoll seiner Werke mehr als nur einmal gelesen habe, wie die bekanntesten "Die unendliche Geschichte", "Momo", die beiden Bände von "Jim Knopf", weniger bekannte wie "Der lange Weg nach Santa Cruz" und einige seiner Bilderbücher, wusste ich gar nichts über sein Leben. Mit seinen Gedichten und Theaterwerken konnte ich, soweit mir bekannt, leider nie viel anfangen. Möglicherweise war das der ausschlaggebende Punkt, warum ich die Episoden in der Biographie, in denen seine Kinder- und Jugendbuchklassiker entstanden, am interessantesten fand.

Birgit Dankert unterteilt die Biographie in folgende Zeitabschnitte:

Vorwort

* Kindheit im Künstleratelier (1929-1940)
* Jugend und Krieg (1940-1949)
* Experimente im Frieden (1949-1558)
* Befreiung und Flucht (1957-1970)
* Glück in Italien (1970-1975)
* Welterfolg und Abschied (1975-1985)
* München und Japan (1985-1995)

Nachwort

Anhang
Lebensdaten
Chronologisches Werksverzeichnis
Literaturpreise
Literaturverzeichnis
Personenregister
Werks-, Orts- und Sachregister

Dank

Bildnachweis

Bereits auf der Inhaltsseite weisen Schlagworte den Weg, durch was Michael Ende in der jeweiligen Lebensphase geprägt wurde, z..B. "München und Japan: Neuanfänge, Schulden, Krankheit".

Bevor ich in die Biographie eingestiegen bin, habe ich sowohl ausgiebig die Inhaltsangabe als auch den Anhang studiert. Allein aus Interesse, ob alle Werke, die ich von Ende kenne, in der Biographie Erwähnung finden, als auch, ob es noch weitere für mich lesenswerte Werke zu entdecken gibt, die bislang an mir vorbeigegangen sind.

Dann startete ich mit leichten Anfangsschwierigkeiten in die Lebensgeschichte von Michael Ende, da Frau Dankert diese sehr nüchtern und sachlich abgehandelt hat. Der Text ist sehr fundiert, wissenschaftlich und objektiv gehalten. Es ist nicht wie in einer Autobiographie, wo man dem Autor näher kommt und manchesmal seine Charakterzüge weit über seiner Arbeit stehen, vielmehr ist es oftmals eine wissenschaftliche Abhandlung, eine Analyse wie der Autor zum Schreiben generell und zum Schreiben seiner besonderen Werke kam. Zu 80% habe ich das Buch mit sehr großem Interesse gelesen, nur wenn Michael und seine Frau Ingeborg politisch aktiv werden wollten, bestand bei mir kein großer ein Reiz zum Weiterlesen. Des Weiteren gab es Episoden, wo ich mir mehr Tiefe gewünscht hätte. Seine Frau Ingeborg Hoffmann hat jahrelang hinter ihrem Mann gestanden und meiner Meinung nach konnte nur dank ihr der Autor aus ihm werden, der er letztendlich wurde. Umso mehr hat es mich enttäuscht, dass nach ihrer jahrelangen Lungenkrankheit, die sie nie von der Unterstützung Endes abgehalten hat, ihr Tod kaum mehr Platz als eine Erwähnung im Buch findet.
Am Lebendigsten hat sich Michael Ende zwischen den Seiten für mich angefühlt, wenn man echte Zeitzeugendokumente lesen durfte, wie Verhandlungen zwischen Autor und Verlag, oder dem Suchen des Verlags nach einem Illustrator für eines von Endes Bilderbüchern.

Weitere Nähe zum "Menschen" Ende entsteht durch die Aufnahme einiger schwarzweiß Fotographien in das Buch, abseits des im Alter vorangeschrittenen bärtigen Mannes, der einem vom Schutzumschlag entgegenlächelt.

Das Lesen der Biographie von Michael Ende war für mich eindeutig eine Bereicherung, da einige seiner Titel meine Kindheit und Jugend über Jahre hinaus geprägt haben, und ich dennoch nie etwas über sein Leben und seine Art zu Schreiben und die weiteren Ziele, die er verfolgte, wusste.
Danke Michael Ende, für das unglaubliche Vermächtnis, dass Sie mit Ihren Werken hinterlassen haben, und Danke Birgit Dankert, für das Zusammentragen der Informationen, Briefwechsel, Fotografien und Anekdoten, die neben der wissenschaftlichen Lebens- und Werksanalyse etwas Lebendigkeit und Persönlichkeit zwischen die Zeilen bringen.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.