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Juti
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HD

Bewertungen

Insgesamt 750 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2020
Hundert Jahre Einsamkeit
García Márquez, Gabriel

Hundert Jahre Einsamkeit


schlecht

Kein Sommerbuch

Ich hab es auch versucht. Anfängliche Unklarheiten konnte ich mit Internetrecherche klären. In der Tat gefiel mir die Darstellung des Bürgerkrieg, als ich wusste, dass ich denken darf, in Kolumbien zu sein. Die Liberale Partei, die grausam zu ihren Bewohnern ist.
Doch merkte ich, dass auch nach dem schwierigen Beginn noch Längen auf den Leser warten.

Ich hatte vor meiner Kritikerzeit „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ gern gelesen, doch hier kapituliere ich nach 278 Seiten. Also nur 1 Stern.

Bewertung vom 03.08.2020
Hegel
Vieweg, Klaus

Hegel


gut

So kurz der Titel, so lang das Werk

Ohne Anhang 672 Seiten. Die SZ hat das Buch auf den Punkt gebracht. Es enthält sowohl eine Biografie als auch eine Einführung in die Philosophie Hegels.

Während ich erste gerne gelesen habe, ja sogar die Wohnhäuser in Heidelberg werden genannt, habe ich von letztere wenig verstanden. Mag ja sein, dass ich für den Kopfphilosophen zu dumm bin, es kann aber auch sein, dass der Autor, der Philosophieprofessor in Jena ist, den Stoff nicht gut erklärt hat.
Denis Scheck hat auch recht, dass das „Klatschbedürfnis“ in diesem Buch zu kurz kommt.

Wie auch immer, ich muss dieses Buch bewerten und mag mich der Autor auch für einen großen Trottel halten, mehr als 3 Sterne kann ich diesem großen Werk nicht geben. Der Philosoph Precht, den ich zuvor gelesen habe, hat für sein Buch über die neuere Philosophie auch nicht mehr Sterne bekommen.
„Hegel für Dummies“ wäre vielleicht das richtige Buch für mich.

Bewertung vom 24.07.2020
Keine Messer in den Küchen dieser Stadt
Khalifa, Khaled

Keine Messer in den Küchen dieser Stadt


gut

sommerliche Familiengeschichte

Schlechte Zeiten sind gute für die Literatur. Das gilt wohl auch für dieses Buch, das in Aleppo spielt und so zwangsläufig die Politik in Syrien thematisiert. Wäre der Ort der Handlung Kairo, wäre es wohl nicht auf Deutsch erschienen. Dem Buch fehlt ein eigentliches Thema.

Geschildert wird die Familie einer alleinerziehenden Mutter. Der Vater scheint sich nach Amerika abgesetzt zu haben. Der älteste Sohn ist der Ich-Erzähler und bleibt erstaunlich blass. Die älteste Schwester ist krank und stirbt früh. Auch die Mutter stirbt und so erfahren wir am meisten über die Schwester Saussan, die mit ihrem westlichen Lebensstil in der arabischen Gesellschaft immer wieder aneckt. Der jüngste Sohn Raschid versucht sich als Musiker und wechselt dann zu den Fundamentalisten, wo er sich erstmals in einer Gemeinschaft aufgehoben fühlt.

Das alles wirkt wie im Baukastenprinzip. Der Leser hört alles, was er hören will. Die Liebe von Saussan wird freizügig erzählt, wechselt aber zwischen Vergewaltigung und Altherrenerotik.

Da ich auf neue gute Bücher warte und jetzt im Sommer Klassiker lesen werde, erhält das Buch von mir 3 Sterne. Es immerhin etwas besser als das von Frau Berg.

Bewertung vom 20.07.2020
Konfessionelle Differenzerfahrungen
Nebgen, Christoph

Konfessionelle Differenzerfahrungen


gut

Interessantes Sachbuch für jüngere

Eigentlich müsste ich mich freuen, weil dieses Buch mir mit meinem NRW-Abitur erklärt hat, warum dieses Bundesland keine Dichter vor dem 20. Jahrhundert hat hat wie BW seinen Hölderlin. Heine mag ich nicht zählen, da er erst seit 1945 beliebt ist und Böll ist zu spät geboren. Der Autor erklärt, dass die katholische Regionen das Schreiben den Protestanten überlassen haben.

Aber, und dieser Kritikpunkt geht eher an den Verlag als an den Autor, die Zitate sind nicht viel größer als die zu langen Fußnoten geschrieben, so dass man wirklich gute Augen braucht, um dieses Buch zu lesen. Im Mittelteil reiht sich mitunter Zitat an Zitat. Nur wenn ein anderer Reisender spricht, entsteht dadurch aber kein Mehrwert.

Obwohl die Überschriften der Kapitel präzise sind, beschreibt der Autor am Kapitelanfang, was er schreiben wird, am Ende folgt die Zusammenfassung, besser gesagt Kurzwiederholung, so dass Dopplungen unvermeidlich sind. Auch stellt sich die Frage, ob die räumliche Gliederung des dritten Kapitel nach der thematischen Gliederung überhaupt noch nötig ist.

Inhaltlich wird die Rückständigkeit der Katholiken, ja sogar ihre Physiognomie von den Reisenden beschrieben. Zu meinem Wohnort der Kurpfalz wird gesagt, dass die verschiedene Religionen die Bewohner gleichgültig machten, dass eine Protestantin aus Speyer nach dem Verlust ihres Gesangbuches bei den Katholiken eine Messe lesen ließ und dass evangelische Heidelberger sich für den Erhalt der nächtlichen Beleuchtung von Marienstatuen einsetzten (beides S.194).
Mainz war für kurze Zeit Zentrum der katholischen Aufklärung und Neuwied so tolerant, dass ich die Stadt mal besuchen werde.

Am schönsten fand ich das letzte Kapitel mit nur noch wenigen Zitaten über Goethes Rheinfahrt, der vorher Boiseree in Heidelberg besuchte. Er setzte sich für den Wiederaufbau der Rochus-Kapelle bei Bingen ein, die ich wohl auch mal besichtigen muss.

So komme ich zum Schluss, dass diese Buch mir zwei Ausflugsideen schenkt, aber wegen der beschriebenen Mängel nur 3 Sterne verdient.

Bewertung vom 19.07.2020
Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Berg, Sibylle

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot


weniger gut

unsympathische „Familie“

Das positive an diesem Buch ist seine Kürze sowohl in der Gesamtlänge als auch in den einzelnen Kapiteln. Sie ließ mich dieses Buch bis zum Ende ertragen, obwohl ich mich schon nach wenigen Sätze an den Auftritt der Autorin im literarischen Quartett erinnerte. Dort kam sie für mich äußerst unsympathisch herüber.

Und das ist auch das Thema des Buches: Unsympathische Figuren, die im weitesten Sinne familiär zusammenhängen. Mich wundert auch nicht, dass es am Ende für die meisten nicht gut ausgeht.

Wenn die Autorin ihre Lebenseinstellung nicht ändert werde von Berg kein weiteres Buch mehr lesen und vergebe zwei Sterne. Ich hatte nach dem Titel eher ein Buch wie „Auerhaus“ erwartet, doch da lag ich wohl falsch.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.07.2020
Kommt ein Syrer nach Rotenburg (Wümme)
Tannous, Samer;Hachmöller, Gerd

Kommt ein Syrer nach Rotenburg (Wümme)


sehr gut

gelungenes Integrationsbeispiel

Manchmal lese ich verrückter Engel ein Buch nur wegen des Titels.
Manchmal lohnt es sich auch.
Diese Buch wäre eins, was man schön auf der Liegewiese im Freibad lesen könnte, wenn nicht die Corona-Regeln den Leser sofort wieder rauswerfen würden.

Da ich nur den Titel kannte, wusste ich nicht, dass es sich um eine Sammlung von Glossen aus einer Zeitung und dem Spiegel handelte. Aber im ersten Kapitel erfuhr ich dennoch, warum Deutschland bei Syrern so beliebt war, dass alle 2015 hierhin wollten. Aber keiner wusste, dass 2 Jahre Sprachkurs und 3 Jahre Ausbildung vor der Arbeitsaufnahme standen.

Die andere Kapitel sind leichte, informative Unterhaltung, etwa, dass Syrer Fliesen, helles Licht und tatsächlich laute Wohnumgebungen bevorzugen.

4 Sterne, beste Sommerlektüre

Bewertung vom 08.07.2020
Fragebogen
Frisch, Max

Fragebogen


sehr gut

Psychologische Nachdenklichkeit

Während ich bei Georg Saunders von einer „Nachmittagslektüre“ sprach, möchte ich bei diesem Büchlein von Abendgedanken sprechen.

14 Fragebögen, die 25 Fragen zu einem Thema wie Humor oder Heimat stellen und den Lesenden zum Nachdenken zwingen. Deshalb reicht ein Fragebogen zum Tag völlig aus, wenn man nicht einen Bogen auslässt, weil man zur Vaterschaft nicht viel sagen kann, wenn man keine Kinder hat.

Das Buch erinnert mich an Psychotests aus Illustrierten in meiner Jugend, bei denen es aber Antwortmöglichkeiten mit bestimmten Punktzahlen. Hier sind alle Fragen offen, einige sind aber mehrfach unterteilt (a,b,c,…).

Für diese nette Unterhaltung will ich nicht die Bestnote geben, weil es nicht weltbewegend ist, aber 4 Sterne sind völlig verdient.

Bewertung vom 06.07.2020
Fatum
Harper, Kyle

Fatum


gut

Gute Idee mit Schwächen in der Ausführung

Seit 4 Jahren bewerte ich hier Bücher und bei diesem Sachbuch muss ich eine neue Kategorie einführen.

Die These des Buches lautet, dass das Römische Reich wegen einer Verschlechterung des Klimas und wegen dreier verschiedener Epidemien unterging, unter anderem die Pest und die Pocken.
So formuliert war mir das neu, ich glaubte der Hauptgrund seien die Einfälle der Germanen.

Meine zweiter Bewertungspunkt ist die Zahl der Wiederholungen. Hier hätte ein guter Lektor mindestens 100 Seiten streichen können. Dreimal lese ich von der Weinpresse des Zorns und es sind so viele Getreideschiffe von Alexandria nach Konstantinopel gefahren, dass der Leser zu Fuß nach Ägypten laufen könnte.

Was mich aber am meisten störte, dass der nordamerikanische Autor offenbar nicht weiß, dass der europäische Leser ein gewisses Vorwissen mitbringt, wenn er ein Buch über die Römer liest.
Er behauptet, dass der Gesundheitszustand der Römer nicht der beste war, weil die Römer klein waren. Ich bestreite nicht, dass es vor allem in der Jugend einen Zusammenhang zwischen Körpergröße und Nahrungsaufnahme gibt, aber noch heute sind die Italiener die kleinsten Europäer und keiner kann mir weiß machen, dass sie weniger essen als, sagen wir, Belgier oder Schweden.

Beim Klimawandel kann ich nachvollziehen, dass häufige Vulkanausbrüche das Klima abkühlen. Ich verstehe auch, dass die Sonnenaktivität nicht immer gleich ist. Die Trockenheit des Mittelmeerraums im Sommer hängt aber mit der atmosphärischen Zirkulation zusammen und warum die Flüsse Italiens zur Römerzeit im Sommer Hochwasser führen sollten, ist mir ein Rätsel. Ich mailte dazu einem Professor aus Freiburg, erhielt aber keine Antwort. Die Erklärung des Autor mit dem verschiedene Zugbahnen der Regengebiete befriedigt mich nicht.

Was mich auch wundert, ist, dass das Christentum sich erst im 3. Jahrhundert von einer Sekte zur größeren Religion durchgesetzt hat. Ich weiß, dass die Apostelgeschichte nicht als historisches Buch zu lesen ist, aber welchen Sinn haben die Christenverfolgungen unter Nero, wenn das Christentum nur eine kleine Sekte war?
Zu meinen Einwänden kommt vom Autor kein Wort. Ich behaupte nicht einmal richtig zu liegen, vermutlich hat er ja recht, aber dann schreib doch was dazu.

Und es geht so weiter. Auf S.286 erlebt Valens 378 bei Adrianopel die schlimmste Niederlage der römischen Geschichte. Kein Wort zu Varus. Auf S. 316 wird von byzantinischer Seite gesprochen, bei der nur eine chemische Analyse zeigen könnte, ob sie erfolgreich war. Aber gab es im Mittelalter Seide in Europa?
Und dann fehlt mir beim Marienkult (396) der Verweis auf die römische Göttin Isis.

Trotz aller Mängel vergebe ich vor allem wegen der neue Idee, die dem Buch unter Greta und Corona Aktualität verschafft, noch 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.06.2020
Der Stellvertreter
Hochhuth, Rolf

Der Stellvertreter


ausgezeichnet

Hätte der Vatikan die Juden vor Hitler retten können?

„Was soll man gegen dieses Buch tun?“ ist der Papst Johannes XXIII. gefragt worden. „Was kann man gegen die Wahrheit tun?“ war seine Antwort.

Zum Tode des Autor habe ich sein vielleicht wichtigstes Werk gelesen. Dieses oder letztes Jahr hat der Vatikan endlich eine Historiker-Kommission in seine Archive gelassen. Ob wir Antworten erhalten auf die Fragen, die das Buch aufwirft?

Ich bin normalerweise nicht der Typ, der Theaterstücke liest, aber in diesem Fall kann ich der Gattung durchaus etwas abgewinnen. Ein Sachbuch würde einen wohl verzweifelt und deprimiert zurücklassen, wenn Eichmann behauptet, erschießen sei bei so vielen Toten keinem Schützen zuzumuten (82).

Nach dem Stück folgt eine historische Einordnung, die mir, obwohl nicht ganz aktuell sehr gefallen hat. Die klare Aussage ist, dass Hitler vor Vernichtungen absah, wenn hohe deutsche Kleriker oder der Vatikan durch den Nuntius massiv protestierten (433).
Ein Bespiel ist der Bischof von Galen, der so gegen die Euthanasie predigte, dass Goebbels eine Rede in Münster aus Angst vor Protesten absagte und Hitler die Morde an Behinderte abbrach (133). Der Führer wünschte bis Kriegsende Ruhe an der Heimatfront. Als im Winter 1942 polnische Tuberkuloseopfer vergast werden sollten, schritten die dortigen Bischöfe ein, die Aktion wurde abgeblasen (405).

Als Gegenbeispiel erschüttert am meisten der Tod von Edith Stein, die längst katholische Nonne war und aus ihrem Kloster in Holland abgeholt wurde, weil die dortigen Bischöfe gegen die Nazis predigten, aber Rom schwieg (109).
Von den führenden Nazis waren Eichmann und Göring Protestanten, aber Hitler, dessen Mutter in die Kirche ging, Goebbels, der seine Kinder taufen ließ, und der Ausschwitz-Kommandant Höß Katholiken. Himmlers Patenonkel war sogar Weihbischof in Bamberg (331).

1943 fielen Bomben in die Gärten des Vatikans. Keiner will es gewesen sein. Der Botschafter von Nazi-Deutschland in Rom Weizsäcker sicherte dem Vatikan den Schutz der Besatzer zu, aber die Juden von Rom wurden weiter deportiert. Weizsäckers Rolle wäre ein Extrakapitel.

Selbst als Rom schon unter amerikanischer Kotrolle war, protestierte der Papst Pius XII. nicht und hunderttausend ungarische Juden mussten deswegen sterben. Der Papst wurde bereits 1941 vom Krakauer Erzbischof über die Vernichtung der Juden informiert, half aber lieber im Stillen. Er hoffte zwischen den Westmächten und den Nazis einen Frieden zu vermitteln. Andere werfen ihm vor, dass das Konkordat mit dem Vatikan Hitler erst hoffähig gemacht habe (158).
Vielleicht war Pius XII. auch Antisemit, wie in vielen Ländern Europas. Einerseits half in den von den Nazis besetzten Ländern die einheimische Bevölkerung außer in Dänemark, wo der eigentlich machtlose König erfolgreich gegen die Deportation protestierte, kräftig mit, und auf der Konferenz von Évian 1938 scheiterte der Versuch die Flüchtlingskontingente in den anderen Ländern für deutsche Juden zu erhöhen (503), andererseits versteckte die Berliner Bevölkerung erfolgreich 4.000 Juden, als die Polizei ankündigte, dass die Juden aus den Betrieben abgeholt werden (107f).

Kurz: Richtige Fragen, spannendes Thema, 5 Sterne

Zitat: „Kriege haben stets andere Ergebnisse, als die, für die man kämpfen wollte.“ (152)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.06.2020
Durch die Welt im Auftrag des Herrn

Durch die Welt im Auftrag des Herrn


sehr gut

Protestantische Mission

Wer an Mission denkt, der hat den Jesuitenorden vor Augen, der von China bis Südamerika alle zu Katholiken werden lässt, die nicht bei drei auf den Bäumen sind.

Ganz anders verläuft die Mission aus Halle. Bei einer durch Deutschland merkt der Gründer des Halleschen Weisenhauses August Hermann Francke, dass es um den Evangelischen Glauben nicht gut bestellt ist. Offiziell unabhängig, aber mindestens die Infrastruktur nutzend, wird ein Institut gegründet das sich der Judenmission widmet. Hauptzielgebiet ist Polen mit der Bewegung von Jakob Frank. Später wird eine Jerusalemreise geplant und die Mission auf die Ostkirchen ausgeweitet.

Das Buch ist eine Mischung aus Sachbuch und Ausstellungskatalog. Bei den Katalog muss ich fragen, warum einige Exponate zweimal, andere gar nicht gezeigt werden. Sonst habe ich viel Neues erfahren. Völlig verdiente 4 Sterne.