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leserattebremen
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Berlin
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Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 05.03.2014
Die Frauen von Carcassonne
Mosse, Kate

Die Frauen von Carcassonne


sehr gut

Sandrine Vidal lebt 1942 mit ihrer Schwester Marianne und der Haushälterin Marieta in Carcassonne im nicht besetzten Teil von Frankreich. Ihr Leben verläuft relativ ungestört und sie nimmt den Krieg kaum war, bis sie durch Zufall auf ein Mitglied der Résistance trifft, das auf der Flucht ist. Sie kann ihm zwar nicht helfen, geht aber dennoch mit ihrer Schwester zu einer Demonstration gegen das kooperierende Regime in Vichy. Als dort eine Bombe explodiert, bricht Panik aus und sie versteckt den Hauptverdächtigen, von dessen Unschuld sie überzeugt ist. So erfährt sie, dass ihre Schwester und deren Freundinnen bereits lange im Widerstand aktiv sind. Sie schließt sich selbst der Résistance an und beginnt zu kämpfen.
„Die Frauen von Carcassonne“ nimmt einen von der ersten Seite an mit in Sandrine Welt. Sie macht eine starke Entwicklung durch von einem unbekümmerten und naiven Mädchen zu einer starken Frau, die zur Führungsfigur einer ganzen Widerstandsgruppe wird. An ihrer Seite steht dabei unter anderem Audric Baillard, ein alter Mann, der fest daran glaubt, dass ein alter Codex die Geister verstorbener beschwören kann und dass der Krieg so gewonnen werden kann. Diese mystische Element stört in der Entwicklung leider etwas, da die Frauen besonders durch ihre Stärke und Intelligenz und ihren unbezwingbaren Willen überzeugen. Dass sie dennoch nur durch Geisterglaube eine Chance haben sollen, empfand ich beim Lesen als störend. Es schwächt die großartigen Charaktere, die Kate Mosse hier geschaffen hat, völlig unnötig. Die Geschichte hätte auch ohne das Element des religiösen Codex vollkommen überzeugt.
Das ändert aber wenig an der Qualität dieses Buches. Die Erzählung ist hervorragend geschrieben und auch wenn sie durch Zeit und Raum manchmal springt, hat man als Leser kein Problem, der Handlung zu folgen. Die Charaktere sind klar strukturiert und die Story ist logisch aufgebaut. Fast alle Figuren machen im Verlauf der zwei Jahre, die die Autorin beschreibt, eine deutliche Wandlung durch, die ihnen von Außen aufgezwungen wird. Auch wenn Sandrine Vidal eindeutig im Mittelpunkt der Geschichte steht, sind die anderen Beteiligten nicht nur Beiwerk, sondern ebenso starke Charaktere, um die sich die Geschichte nicht weniger hätte drehen können. Das macht dieses Buch so spannend zu lesen, da man bis zu kleinsten Nebenfigur mitbangt, wie der Kampf ausgehen wird - auch wenn die historischen Tatsachen bekannt sind.
Mit „Die Frauen von Carcassonne“ hat Kate Mosse einen großartigen und absolut empfehlenswerten historischen Roman über die Widerstandsbewegung im französischen Midi hervorgebracht.

Bewertung vom 25.02.2014
Die Bucht des grünen Mondes
Beto, Isabel

Die Bucht des grünen Mondes


weniger gut

Die Geschichte beginnt in Berlin Ende des 19. Jahrhunderts. Amelie ist die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns und verliebt in dessen Mitarbeiter im Kontor Julius. Einer Verlobung scheint nichts im Weg zu stehen, als ihr Vater ihr mitteilt, dass sie einen Geschäftsfreund von ihm in Brasilien heiraten soll. Kurzerhand wird sie mit ihrer Zofe nach Manaus geschickt, wo ihr alter cholerischer Ehemann sie erwartet. Als ihr Leben völlig hoffnungslos wird, flieht sie in den Urwald des Amazonas und lebt dort bei einem eingeborenen Stamm und verliebt sich in einen Krieger. Dennoch muss sie irgendwann nach Manaus zurückkehren, will sie ein Zukunft mit ihrem Geliebten haben.
Der Klappentext verspricht die Geschichte einer großen Liebe, in Wirklichkeit scheint Amelie sich aber in fast jeden jungen gut aussehenden Mann in ihrer Umgebung verlieben zu können. Erst Julius in Deutschland, dann ein Angestellter ihres Mannes auf den Kautschukplantagen und später der Krieger im Urwald. Der Charakter erscheint extrem wankelmütig und unreif, was das Lesen stellenweise sehr anstrengend macht. Die meisten ihrer Handlungen kann die Autorin schlichtweg nicht so begründen, dass man ihr Handeln verstehen kann. Die Männer sind allesamt wandelnde Klischees, der herrische Vater, der gute fast-Verlobte mit mangelnder Bildung, der cholerische alte Ehemann, der tapfere mutige Krieger - viel Phantasie bei der Entwicklung der Charaktere hat Isabel Beto leider nicht gehabt. Diese Oberflächlichkeiten sind einfach zu störend, um der Handlung noch irgendwelche Glaubwürdigkeit abgewinnen zu können. Dass dann auch noch der totgeglaubte Sohn ihres Mannes plötzlich im Urwald auftaucht, passt dann wirklich nahtlos in die Ansammlung von Klischees aller Liebes- und Kolonialromane.
Wer auf der Suche nach leichter Kost ohne großen Anspruch an Logik und Realität ist, kann mit dem Buch sicher seine Freude haben. Wer sich aber für gute (Liebes-)Romane interessiert, die in fernen Ländern spielen, sollte lieber bei Autoren wie Sarah Lark und Barbara Wood suchen.

Bewertung vom 20.02.2014
Niedertracht / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.3
Maurer, Jörg

Niedertracht / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.3


gut

Auf einem Felsvorsprung wird eine nahezu mumifizierte Leiche gefunden. Zunächst scheint es sich um einen Wanderer zu handeln, der die Orientierung verloren hat und dort verhungert und verdurstet ist. Doch als Kommissar Jennerwein und sein Team sich den Inhalt des Rucksacks des Kletterers angucken und seine Kleidung wird schnell klar, dass der Mann gezielt am Berg ausgesetzt wurde. Doch wieso sollte jemand so etwas grausames tun? Bald kommen weitere Fälle dazu und es wird deutlich, dass jemand ein regelrechtes Experiment mit Menschen in Extremsituationen durchführt. Der ruhige Kurort wird wieder einmal von einem kuriosen Kriminalfall erschüttert und Kommissar Jennerwein muss sein kreativ werden, um den Täter zu finden.
Ein Krimi vor idyllischem Alpenpanorama - wie schon im ersten Krimi von Jörg Maurer trifft hier beschauliches Treiben auf einen perfiden Mörder, der die Polizei und das gesamte Dorf in Atem hält. Die Figuren erscheinen jedoch platter und einfallsloser beschrieben als in „Föhnlage“ und da Teile der Geschichte aus Sicht des Täters erzählt werden und das Motiv schnell klar ist, fehlt auch einfach die Spannung in der ganzen Story. Zwar quält man sich beim Lesen nicht von Seite zu Seite, es wirkt jedoch alles belanglos, so dass das Buch wenig in Erinnerung bleibt und einen nicht mitreißt. Die Grundidee hätte zu einem spannenden Krimi führen können, wenn die Auflösung nicht so naheliegend und die Charaktere farblos geblieben wären.
Jörg Maurers Krimi „Niedertracht“ fällt eindeutig in die Kategorie „Kann man lesen, muss man aber nicht“. Der erste Teil der Reihe war deutlich besser geschrieben.

Bewertung vom 03.02.2014
Im Bruchteil der Sekunde / Maxwell & King Bd.1
Baldacci, David

Im Bruchteil der Sekunde / Maxwell & King Bd.1


gut

Nur eine Sekunde der Unaufmerksamkeit reichte aus, um Sean Kings Leben zu ruinieren. Als Secret Service Agent Sean King einen Präsidentschaftskandidaten schützen soll und dieser erschossen wird, muss er ein neues Leben anfangen und den Secret Service hinter sich lassen. Ungefähr 15 Jahre später hat er sich gut eingerichtet, er hat Jura studiert und eine Anwaltskanzlei, ein Haus an einem See und ein ruhiges Leben. Doch dann wird ein Präsidentschaftskandidat entführt und die zuständige Agentin nimmt Kontakt zu ihm auf, um Erfahrungen auszutauschen. Die beiden fangen an, zu ermitteln und stoßen auf eine Verbindung zwischen ihren beiden Fällen. Gleichzeit gibt es in ihrem Umfeld immer mehr Morde, als würden die Täter sich langsam an sie heran arbeiten. Die beiden müssen sich mit der Lösung des Falls beeilen, wenn sie nicht selbst die nächsten Opfer sein wollen.
„Im Bruchteil der Sekunde“ ist der perfekte Titel für dieses Buch, denn beide Agenten haben ihre Schutzperson in in einem minimal kleinen Zeitfenster verloren, in dem sie unaufmerksam waren. Die Story ist zwar gut zu lesen und es kommt auch keine Langeweile auf, dennoch bleibt das Buch hinter früheren Krimis des Autors David Baldacci zurück. Die Verbindung zwischen den Fällen und der Hintergrund des ganzen wirken oft zu konstruiert, um noch glaubwürdig zu sein. Zudem gibt es wenig Überraschungen, oft deutete sich schon Seiten vorher an, was später passiert und Sean und Michelle lassen sich oft sehr leicht in Fallen locken, die die Täter ihnen stellen, ohne groß die Gefahr der Situation zu reflektieren. Für zwei Agenten des Secret Service wirkt das teilweise schon sehr dümmlich. Vom Stil ist das Buch jedoch recht spannend geschrieben und es lässt sich schnell und flüssig lesen, ohne dass das Bedürfnis entsteht, es möge doch bitte endlich zu Ende sein.
David Baldacchi hat mit „Im Bruchteil der Sekunde“ einen soliden, jedoch wenig spektakulären Krimi abgeliefert, der einem kaum in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 28.01.2014
Der Winterpalast
Stachniak, Eva

Der Winterpalast


ausgezeichnet

Barbara verlässt noch als kleines Kind mit ihren Polen, als ihre Eltern beide sterben wird sie zu Warenka und fängt als Näherin im Sankt Petersburger Winterpalast von Kaiserin Elisabeth an. Doch schnell bemerkt sie der Kanzler, wenn sie nachts durch die Gänge schleicht und lässt sie für sich spionieren. So kommt sie in den engsten Umkreis der Kaiserin, während Prinzessin Sophie von Anhalt- Zerbst nach Russland kommt, welche den Thronfolger und Großfürsten Peter heiraten soll, einen Neffen von Peter dem Großen. Sie versteht sich gut mit Sophie und versucht ihr zu helfen, mit der schwierigen, neuen Situation am Hofe Sankt Petersburgs zurecht zu kommen. Als Großfürstin Katharina soll sie möglichst schnell einen Thronfolger zur Welt bringen, doch ihr Mann schätzt sie nicht und geht ihr aus dem Weg. Gleichzeitig übt die Kaiserin willkürlich Macht in allen Lebensbereichen aus und macht auch Warenka das Leben schwer. Gemeinsam versuchen Warenka und Katharina sich gegen die Kaiserin und den Großfürsten Peter zu behaupten.
„Der Winterpalast“ zeichnet sich besonders durch die Erzählperspektive aus. Anstatt Katharina (die später bekannt wurde als Katharina die Große) ihre Geschichte erzählen zu lassen, erfährt der Leser alles durch den Blick der Spionin und Dienerin der Kaiserin Warenka. Was Warenka nicht weiß, kann der Leser auch nicht wissen, wodurch einem so manche Überraschung und auch Enttäuschung bevorsteht, denn nicht jeder Mensch ist, wie er auf den ersten Blick scheint. Und Warenka wird im Laufe der Zeit immer nachlässiger und unvorsichtiger. Dies wirft ihr auch der Kanzler vor, doch da hört sie schon lange nicht mehr auf ihren früheren Mentor. Sie glaubt sich unverletzlich als Vertraute der Großfürstin und hält sich für geschickt genug, die Kaiserin auszutricksen. Damit bringt sie sich zwar einerseits in große Gefahr, erhöht jedoch auch die Spannung für den Leser, der immer mehr hinterfragen muss, was die Spionin über die Vorgänge im Winterpalast erzählt. Was stimmt und wo hat sie sich täuschen lassen? Wie ehrlich ist Katharina wirklich, wie rücksichtslos und kalt die Kaiserin Elisabeth? Gleichzeitig erfährt der Leser viel über das Leben der verschiedenen Gesellschaftsschichten im Russland des 18. Jahrhunderts, denn Warenka hält sich bei den Dienstboten genauso auf wie bei den Soldaten und der kaiserlichen Familie selbst.
Eva Stachniak ist ein großartiger historischer Roman gelungen, der nicht nur die ersten Jahre von Katharina der Großen am russischen Hof beschreibt, sondern auch den zahlreichen Nebenpersonen eine überzeugende Stimme verleiht, ohne die Katharina vermutlich nie die geworden wäre, als die sie später in Erinnerung blieb.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.01.2014
Leo Berlin / Leo Wechsler Bd.1
Goga, Susanne

Leo Berlin / Leo Wechsler Bd.1


ausgezeichnet

Wir befinden uns in Berlin 1922, Leo Wechsler ist Kriminalkommissar und lebt mit seinen zwei Kindern und seiner Schwester in Berlin. Seine Frau ist vor einiger Zeit verstorben und seine Schwester hilft ihm im Haushalt und mit den Kindern. Als ein Wunderheiler erschlagen in seiner Wohnung gefunden wird und eine Prostituierte mit ihrem eigenen Schal erdrosselt wird, hat er mehr Arbeit als ihm Lieb ist und muss seine Familie mit ihren Problemen sich selbst überlassen und sich in die Ermittlungen stürzen. Er ist der einzige der fest daran glaubt, dass die beiden Fälle eine Verbindung haben. Doch wo die liegen könnte, kann er nicht wirklich erklären. Da hilft es nur, immer tiefer zu bohren bei den Zeugen und viel Staub aufzuwühlen.
Auf den ersten Blick scheinen die Romane von Susanne Goga und Volker Kutscher sich ähnlich zu sein. Ein Ermittler im Berlin der 20er und 30er Jahre, der sich mit vollem Einsatz durch seine Fälle wühlt. Doch schnell zeigt sich, dass man den Geschichten nicht gerecht wird, wenn man sie eine Schublade steckt. Leo Wechsler ist ein gänzlich anderer Charakter als Gereon Rath, er ist eigentlich ein Familienmensch, hat viel Verantwortung und kann nicht als einsamer Wolf durch die Gegend ziehen. Dadurch ist seine Ermittlung auch eine ganz andere. Er verlässt sich auf Kollegen, arbeitet mit seinem Team und ist dementsprechend persönlich getroffen, wenn Mitarbeiter ihm Informationen vorenthalten. Auch zeitgeschichtliche Elemente spielen eine wichtige Rolle, die fortschreitende Inflation und die damit zusammenhängende Lebensmittelknappheit betreffen die Familie Wechsler durch dessen Beamtenstatus zwar nur wenig, in ihrem Umfeld können sie jedoch eine deutliche Verschlechterung der Lebensumstände wahrnehmen. Die Gewalt nimmt zu und ungewollt wird Leo Zeuge, wie ein Nachbar seine Frau erschlägt und das Kind alleine zurückbleibt. Leo Wechsler ist sehr viel dichter dran an sozialen Problemen als Gereon Rath, der mit seiner Verlobten feudal essen geht und sich in Unterhaltungslokalen herum treibt. All dies kann er sich auch leisten, weil er finanziell mit der Berliner Unterwelt verbunden ist. Dies wäre bei Leo Wechsler und seiner klaren Vorstellung von Gut und Böse gar nicht vorstellbar.
Die Hauptfigur von Susanne Goga ist vielschichtig, glaubwürdig gestaltet und kann die Handlung der Geschichte problemlos tragen. Obwohl in private Probleme quälen, ermittelt er gewissenhaft und steckt viel Energie in die Arbeit. Die Handlung ist absolut spannend. Durch eingeschobene Passagen, in denen der Täter einen an seinen Gedanken teilhaben lässt, ohne dass der Leser weiß, wer er ist, erhöhen dies noch und bringen einen zum Grübeln, welcher der Charaktere diese schon als psychotisch zu bezeichnenden Gedanken hegt.
Mit „Leo Berlin“ ist Susanne Goga ein spannender und logisch konstruierter Krimi gelungen, der einem gleichzeitig zeitgeschichtlich hochinteressante Einblicke bietet. Ein absolutes Muss für historisch interessierte Krimifans.
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2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.01.2014
Heinrich VIII.
Appel, Sabine

Heinrich VIII.


sehr gut

Das Leben von Heinrich VIII., König von England im 16. Jahrhundert, war schon die Grundlage für zahlreiche Filme und Serien. Auch Shakespeare nahm sein Leben als Grundlage für ein Stück, das weit über die Grenzen Englands Bekanntheit erreichte. Verglichen mit diesen fiktionalen Produkten ist Sabine Appels Biographie von König Henry zwar relativ nüchtern, dafür umso informativer und detaillierter. Das Buch beginnt mit einem kurzen Überblick über die Geschichte des Hauses Tudor und die Autorin nimmt sich viel Zeit, Heinrich VII., seinen Vater, zu beschreiben, seine Politik, seine Intention und sein Wunsch, die Macht mit allen Mitteln in der Familie zu halten. Dies legt eine wichtige Grundlage für das Verständnis des späteren Handelns von Heinrich VIII. Während sein Vater Geld anhäufte und ihm so das reichste Königreich England aller Zeiten hinterließ, lebte Heinrich VIII. ausschweifend mit großem Hofstaat, ein Fest jagte das nächste, es gab Turniere, Maskenbälle, Bankette - all das, was man von einem spätmittelalterlichen Königshof erwartet.
Auch Heinrichs Zeitgenossen, die ihn berieten und mit denen er zusammenarbeitete, beschreibt Appel sehr genau, denn ihr Einfluss auf den Regenten war oft entscheidend und mehr als einer versuchte ihn für seine persönlichen Zwecke zu manipulieren. Bekannt geworden ist Heinrich VIII. vor allem anderen, weil er sich von der katholischen Kirche in Rom lossagte, um sich von seiner ersten Frau Katharina von Aragon scheiden lassen zu können. Insgesamt hatte er in seinem Leben sechs Ehefrauen, von denen zwei auf dem Schafott endeten. Die Autorin erklärt, mit welchen persönlichen Konflikten der König sich auseinandersetzen musste und wie groß sein Selbstbetrug und seine Selbsttäuschung gewesen sein müssen, um mit seinem eigenen Leben umgehen zu können. Der Wunsch nach einem männlichen Thronerben wurde bei ihm fast zur Manie, so dass er keine Rücksicht mehr auf die Gefühle seiner Frauen nahm, wenn diese ihm nicht geben konnten, was er wollte. Gerne ließ er sich in solchen Fällen von seinen Beratern manipulieren und davon überzeugen, dass seine Frau Ehebruch und damit Hochverrat begangen habe. Die Schaffung seiner neuen Kirche und die Reformation des gesamten Kirch- und Klosterwesens standen im Mittelpunkt seines Lebens und entzweiten ihn unter anderem mit seiner ersten Tochter die Mary, die ihre gesamtes Leben lang wie ihre Mutter Katharina von Aragon glühende Anhängerin des Katholizismus war.
Sabine Appels Biographie bietet einen anderen Blickwinkel auf den innerlich zerrissenen und nach außen zerstörerisch wirkenden Herrscher. Man bekommt ein Gefühl für diesen Mann, der es gewohnt war, immer alles zu bekommen und immer alles möglich machen zu können, und wenn er dafür seine eigenen Kirche gründen musste. Wer etwas über den wirklichen Heinrich VIII. jenseits von Hollywood und Shakespeare wissen will, sollte dringend dieses Buch lesen.

Bewertung vom 15.01.2014
Am zwölften Tag / Georg Dengler Bd.7
Schorlau, Wolfgang

Am zwölften Tag / Georg Dengler Bd.7


ausgezeichnet

Dieser Fall geht Ermittler Georg Dengler so nah wie noch kein Fall zuvor. Sein eigener Sohn ist verschwunden. Er hatte erzählt, dass er mit seinen Freunden nach Barcelona will, in Wahrheit hat er sich aber mit ihnen auf den Weg gemacht, um in einem Massentierhaltungsbetrieb zu filmen, um auf das Leid der Tiere aufmerksam zu machen. Doch sie werden von einer Rockerbande erwischt, die auf dem verschuldeten Hof ihren Geschäften nachgeht, während der Besitzer im Urlaub ist. Dengler muss sich beeilen, seinen Sohn und dessen Freunde zu finden, denn die Kreise in die sie geraten sind, verstehen keinen Spaß.
Wolfgang Schorlau hat für diesen Krimi wieder intensiv recherchiert und was er - verknüpft mit der Story - als Ergebnis präsentiert, lässt einem wirklich übel werden: Osteuropäer, die in Fleischfabriken zu Dumpinglöhnen arbeiten; Macht- und Geldgierige Fleischverarbeiter, die sich über die Dummheit der Menschen lustig machen, die ihre Produkte essen; gequälte, überzüchtete und mit Medikamenten vollgepumpte Tiere, die wir als Nahrungsmittel zu uns nehmen. Den Besitzer eines Fleischimperiums lässt Schorlau an einer Stelle sagen „Niemand aus unserem Gewerbe ist Pute.“. Und nach der Lektüre dieses großartigen Krimis möchte man gar kein Fleisch mehr essen. Zu grausam und diskriminierend sind die Begleitumstände, die dazu führen, dass das Huhn im Supermark schon für ein oder zwei Euro zu bekommen ist. Diese Informationen sind verknüpft mit einer spannenden Krimihandlung, so dass man als Leser zwischen Grusel und Spannung ständig hin und her gerissen ist.
Mit „Am zwölften Tag“ trifft Wolfgang Schorlau wirklich einen Nerv und bringt einen dazu, sich weit über das Buch hinaus mit der Problematik zu beschäftigen, die keinesfalls fiktiv ist, sondern lediglich den Rahmen für die Story bildet. Wieder einmal hebt Schorlau sich von den gängigen Kriminalromanen ab und liefert ein großartiges Buch ab.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.01.2014
Die Akte Vaterland / Kommissar Gereon Rath Bd.4
Kutscher, Volker

Die Akte Vaterland / Kommissar Gereon Rath Bd.4


ausgezeichnet

Der neuste Krimi von Volker Kutscher ist spannend und mitreißend wie schon die Vorgänger. Endlich spielt auch Charly Ritter eine größere Rolle, da sie ihre Ausbildung abgeschlossen hat und als Kommissaranwärterin in der Burg am Alexanderplatz arbeitet. Eigentlich ist sie der Inspektion G zugeteilt, wo alle Frauen arbeiten, doch für den aktuellen Fall wird sie an die Mordinspektion ausgeliehen. Wieder einmal kommt es zu Reibereien mit Gereons lockerer Art und seiner Unzuverlässigkeit. All dies geschieht vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen Anfang der 30er Jahre, die vor der Polizei nicht Halt machen. Die mörderischen Kämpfe zwischen Sozialisten und SS-Truppen verstärken sich und auch die Führungsebene des Polizeipräsidiums wird geradezu weggeputscht. All dies beeinflusst die Arbeit von Gereon und Charly jedoch noch wenig, da ihr Fall wenig politischen Bezüge hat. Ein großes Thema ist auch die Teilung Deutschlands durch die Entstehung des Staates Polen und die Abgrenzung Ostpreußens vom Deutschen Reich. Die ausgeprägte Antipolnische Stimmung und das überall präsente nationale Gedankengut schockieren Gereon Rath und behindern gleichzeitig seine Ermittlungen, da es in dem kleinen ostpreußischen Dorf keiner wagt, gegen Mitglieder von SS oder NSDAP auszusagen.
Volker Kutscher zeichnet in seinem Roman ein graues und bedrückendes Bild von den politischen Verhältnissen, die den Hintergrund bilden für Gereon Raths Mordermittlungen bilden. Das gesamte Buch ist so spannend aufgebaut und hervorragend recherchiert, das man es unmöglich aus der Hand legen kann. Ein absolutes Muss für Krimifans.

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