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Aischa

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Insgesamt 584 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2018
Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen
Bruns-Bode, Marie

Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen


sehr gut

Rainer Noltenius legt eine außergewöhnliche Biografie über seine ebenso außergewöhnliche Großmutter vor:
In jahrelanger Kleinstarbeit hat er sich durch 18 Tagebücher und Hunderte von Briefen von Marie Bruns-Bode gearbeitet, die diese hinterlassen hat.
Entstanden ist ein anschauliches Porträt nicht nur der Person Marie Bruns-Bode, sondern ebenso ein Stück Zeitgeschichte, angefangen von Ihrer Kindheit und Jugend während der Kaiserzeit, über Ihre Ehe mit Volker Bruns, dem Gründer des Berliner Instituts für Völkerrecht, bis zu ihrem dramatischen Tod nach einem Sturz in einer psychiatrischen Klinik. Wir begleiten die Protagonistin durch die Weimarer Republik, das NS-Regime, den zweiten Weltkrieg und die ersten Nachkriegsjahre.
Der Herausgeber hat das vorliegende Werk in zwei große Teilen gegliedert: Einmal bekommt der Leser Einblick in Maries Leben anhand von Tagebucheinträgen, im zweiten Teil folgen dann Auszüge aus Briefen an Verwandte und Freunde. Mir wäre eine chronologische Anordnung unter Mischung dieser beiden Quellen lieber gewesen.
Das Nachwort liefert wertvolle Hinweise zur damaligen Nutzung von Tagebüchern und Briefen, die sich von der heute üblichen deutlich unterscheidet. Mein Tipp: das Nachwort vor dem Hauptteil lesen, man erfährt hier wichtige Hintergründe und kann so einiges besser verstehen bzw. anders werten.
Im Anhang findet sich ein Überblick über die zahlreichen Familienmitglieder. Dies hätte ich als Stammbaum übersichtlicher gefunden.
Positiv hervorheben möchte ich die äußerst hochwertige Ausstattung des Buches: Hardcover mit Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen, Zeichnungen, die Marie Bruns-Bode angefertigt hat und Fotografien sind eine wunderbare Ergänzung des Texts.
Die Sprache wirkt erstaunlich aktuell, die Biografie war für mich gleichermaßen unterhaltsam wie lehrreich. Einzig über Maries Lebensjahre nach dem zweiten Weltkrieg hätte ich gerne mehr erfahren, zumal sie hier eine charakterliche Wandlung vollzogen hat, ihr Leben mit Volker Bruns nun auch kritisch sah und letzlilet eine Depression entwickelte.
Insgesamt aber ein wirklich lesenswertes Buch!

Bewertung vom 28.09.2018
Töne durch die Wand
van Bebber, Andrea

Töne durch die Wand


ausgezeichnet

Eigentlich ist es eine Geschichte, die schon tausendfach erzählt wurde:
Der Großvater, als Veteran des zweiten Weltkrieges ein psychisches Wrack, tyrannisiert seine Familie, auch die Enkelin hat noch darunter zu leiden.
(Auf Details muss an dieser Stelle verzichtet werden, um nicht zu spoilern.) Das Mädchen ist - auch durch den autoritären Vater - extremem Druck ausgesetzt. Trost findet sie im Gitarrenspiel. Die Story begleitet die junge Anne durch ihre Kindheit und Jugend bis in ihre junge Ehe, die von einem weiteren Trauma überschattet ist.
Wie gesagt, inhaltlich ist hier wenig Neues zu finden. Und dennoch hat mich dieser Roman durchgehend gefesselt, er hat mich auf eine ganz besondere Art und Weise berührt.
Dies liegt auch nicht am Aufbau der Erzählung, die in zwei Zeitebenen stattfindet - der Gegenwart, in der ein nebulöser Schleier über Annes Erinnerung liegt, der sich nur allmählich lichtet, und Rückblicken in Kindheit und Jugend. Nein, wirklich innovativ ist der Wechsel zweier Erzählebenen nicht, auch wenn er der Autorin handwerklich gut gelungen ist.
Was mich aber durchgehend begeistert hat, ist die Sprache van Bebbers. Mit pointierten Neologismen amüsiert sie mich einerseits und erzeugt beim Lesen andererseits eine Nähe, die mich völlig in die Handlung eintauchen lässt: "Hörst-du-mir-auch-zu-Schläge" auf den Oberarm - eine großartige Beschreibung der penetranten Mutter am Krankenbett. Überhaupt ist der Roman gefüllt mit großartigen Formulierungen, z.B. "Elisabeth litt wie ein ausgekühltes Baby." Auf derartige Vergleiche zu kommen ist für mich große Literatur.
Der ein oder andere Nebenschauplatz hätte für meinen Geschmack noch etwas mehr Beachtung verdient. So etwa die Probleme des Bruders, da habe ich nicht alles verstanden.
Insgesamt aber ein vor allem sprachlich großartiger Roman, der wichtige Themen behandelt und unter die Haut geht.

Bewertung vom 12.09.2018
Der Stoff, aus dem Träume sind
Stieler, Jana

Der Stoff, aus dem Träume sind


gut

Nein, das war leider kein gutes Buch für mich.
Dabei hatte der Klappentext eine interessante Geschichte versprochen.
Und der Plot ist auch gar nicht Mal schlecht. Die beiden Protagonistinnen könnten unterschiedlicher nicht sein: Zum einen die taffe Designerin Claire, die ihre Karriere vor die Familie gestellt hat. Und zum anderen das graue Mäuschen Vivian, alleinerziehende Studienabbrecherin, voller Selbstzweifel, mit starker Tendenz zur Helikoptermutter.
Gut recherchiert und umgesetzt sind die Rückblenden in Claires Vergangenheit im London der Nachkriegszeit.
Dagegen musste ich mich durch den Erzählstrang in der Gegenwart streckenweise regelrecht quälen. Vivian permanentes Analysieren ihrer Zeitgenossen nervt, ebenso wie ihre extreme Unsicherheit. Dann wiederum handelt sie plötzlich völlig unglaubwürdig, nur weil sie auf einmal ein Kleid trägt, das eigens für sie entworfen wurde. Das ist mir selbst für einen Liebesroman zu kitschig, wir sind ja nicht im Märchen!
Auch sprachlich konnte ich mit dem Roman nicht warm werden: "Sie erinnerte Vivian an den Farn in dunklen Wäldern, in denen Efeu knorrige Bäume im liebkosenden Würgegriff hielt und durch die Äste gebündelte Sonnenstrahlen die Staubkörner in der Luft glitzern ließen." Wie bitte??? Liebkosender Würgegriff? Eine S/M-Beziehung zwischen Efeu und Baum?! Sorry, aber gute Literatur ist für mich etwas anderes.
Leider nur Durchschnitt.

Bewertung vom 09.09.2018
Die Liebe in 1000 Farben
Hügel, Xenia

Die Liebe in 1000 Farben


sehr gut

Zugegeben, 1000 Farben sind es nicht, in der die Liebe zwischen den Buchdeckeln eingefangen ist. Aber auch so ist ein farbenfrohes Spektrum entstanden, das eines der stärksten Gefühle, das wir Menschen kennen, in unterschiedlichen Facetten zeigt.
Das Buch ist ein gelungener Dialog von Poesie und Malerei. Auf jeweils einer Doppelseite steht ein Bild der Malerin Irene von Müller-Liebig einem Gedicht der Autorin Xenia Hügel gegenüber. Die Werke sind gut aufeinander abgestimmt, nur manchmal könnte ich keinen Bezug herstellen.
Die Druckqualität ist hervorragend, die Farben haben eine hohe Leuchtkraft und machen Lust, die Kunstwerke im Original zu betrachten. Schön wären Angaben zu Originalgröße und Material der Bilder gewesen.
Die Bilder sind überwiegend abstrakt oder schemenhaft und gefallen mir außerordentlich gut, lediglich die wenigen gegenständlichen Motive treffen meinen Geschmack nicht wirklich (und haben auch handwerklich noch Luft nach oben).
Die Gedichte sprechen mich äußerst unterschiedlich an. Manche Zeilen berühren mich sehr, mit anderen Versen kann ich gar nichts anfangen, weder mit der darin enthaltenen Aussage, noch mit dem Klang der Worte.
Doch dies soll keinesfalls als Abwertung verstanden werden. Gerade die Wahrnehmung von Lyrik ist sehr individuell, meines Erachtens immer auch von persönlichem Geschmack geprägt, daher meine Empfehlung: Einfach reinlesen, vielleicht lohnt es sich!

Bewertung vom 08.09.2018
Das Erwachen des letzten Menschen
Pale, Leveret;Skrobisz, Nikodem

Das Erwachen des letzten Menschen


sehr gut

Das Buch hat mich gleich zwei Mal zum Erstaunen gebracht: Zum einen hatte ich aufgrund des Klappentextes einen deutlich größeren Umfang erwartet und war zunächst (aber nur ganz kurz) enttäuscht, dass die Geschichte in gerade mal 53 Seiten erzählt wird. Aber keine Sorge, mehr braucht der Autor auch gar nicht, die Story ist gut, so wie sie ist.
Meine zweite Überraschung betrifft den Autor: Nikodem Skrobisz ist gerade einmal 19 Jahre alt. Die wichtigsten Fragen für manche seiner Altersgenossen sind da, in welchen Club man am Samstagabend geht, oder wie man die Eltern am geschicktesten anpumpt, weil das bewilligte Taschengeld für das luxuriöse Studentenleben einfach nicht reichen will.
Skrobisz hingegen legt mit "Das Erwachen des letzten Menschen" eine dystopische Novelle vor, die sich einer der ganz großen existenziellen Fragen widmet: der Frage nach dem Sinn des Lebens.
Sein Protagonist Edgar findet unterschiedliche Antworten, mal in der Kreativität, im Erschaffen von Neuem, mal in der Zerstörung, in der Machtausübung, doch dann ...
Keine Sorge, ich werde hier nicht spoilern, sondern möchte nur neugierig machen.
Auf ein erstaunliches Buch, das absolut lesenswert ist und trotz seines knappen Umfangs viel Anregung zum Nachdenken und Stoff für Diskussionen bietet.
Über einige kleine Grammatik- oder Logikfehler habe ich daher gerne hinweggesehen.

Bewertung vom 07.09.2018
Töchter der Lüfte
Jenoff, Pam

Töchter der Lüfte


ausgezeichnet

Pam Jenoff ist mit diesem Roman eine großartige Geschichte gelungen.
Eine Geschichte über Freundschaft, über Menschlichkeit in den unmenschlichen Zeiten des zweiten Weltkrieges, inmitten der Schrecken der Naziherrschaft.
Die Autorin nimmt uns mit in das für die meisten von uns fremde Milieu der Zirkusartisten. Dabei versteht sie es, Klischees zu vermeiden und hilft dabei, eventuell vorhandene Vorurteile abzubauen.
Die Figuren wie auch die Szenerien werden so anschaulich geschildert, dass ich schon nach wenigen Seiten gebannt war.
Die Story erzählt von Schicksalsschlägen, Verrat und ganz großen Gefühlen, aber ohne in Kitsch abzudriften.
Für mich ist "Töchter der Lüfte" ein wundervoller Roman, der dazu beitragen kann, die Gräuel der NS-Diktatur ins Gedächtnis zu rufen. In diesem Sinne wünsche ich dem Buch möglichst viele Leser!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.09.2018
Ein unvergänglicher Sommer
Allende, Isabel

Ein unvergänglicher Sommer


ausgezeichnet

Nachdem das Feuilleton Allende bei den letzten Büchern eine gewisse Nähe zu Groschenromanen vorgeworfen hatte, hat sie mit dieser Erzählung in meinen Augen wieder zu ihrer früheren literarischen Größe zurück gefunden.
"Ein unvergänglicher Sommer" behandelt große Themen: Schuld, Verzeihen, Sühne. Der Alltag südamerikanischer Diktaturen, in denen brutale Gangs und nicht die Polizei die Regeln aufstellen, in denen Menschen durch das Regime verschleppt, gefoltert und hingerichtet werden, wird anhand zweier Protagonistinnen so anschaulich geschildert, dass mir beim Lesen der Atem stockte.
Das ist eine der Stärken Allendes, für die ich sie als Autorin so schätze: Sie vermag es einerseits, ihre Figuren so anschaulich und empathisch darzustellen, dass man von Anfang an mit ihnen mitfühlt, egal ob es sich um Sympathieträger handelt oder, wie im Fall des Protagonisten Richard, um einen sehr kauzigen Eigenbrötler, der sich unter der Last einer riesigen persönlichen Schuld jahrzehntelang einigelt.
Aber Allende verweilt nicht auf einer persönlichen Ebene, nein, Gesellschaftskritik ist ihr ein ebenso großes Anliegen. Als Diplomatentochter schon früh eine Globetrotterin, lernte sie bereits in jungen Jahren unterschiedliche politische Systeme kennen. Später lebt und arbeitet sie in Chile, bis sie nach dem Putsch 1973 in die USA emigriert. Allende heroisiert kein Regierungssystem; die Machenschaften Pinochets kritisiert sie ebenso wie das FBI.
Besonders gelungen ist in meinen Augen außerdem die unaufgeregte Schilderung von Verliebtheit und Sex bei Senioren.
Für meinen Geschmack glitt die Erzählung teils etwas zu sehr ins Mystisch-Spirituelle ab. Auch telie ich Allendes Sicht auf Selbstjustiz nicht: Meiner Meinung nach muss ein Verbrechen immer zur Anzeige gebracht werden, auch wenn man die Motive des Täters verstehen und Mitleid mit ihm haben mag.
Dennoch hat mich der Roman sehr gut unterhalten, und ich habe viel über Gesellschaft, Kultur und das unsagbare Leid der Bevölkerung Chiles und Guatemalas erfahren. Daher: unbedingte Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 27.08.2018
Im Blick
Lehner, Marie L.

Im Blick


weniger gut

Der Roman hat mich sehr enttäuscht. Mag sein, dass ich von Autorin Marie Luise Lehner als Alpha-Literaturpreisträgerin 2017 sprachlich mehr als Durchschnitt erwartet habe.
Es mag auch an dem für mich missverständlichen Klappentext liegen, der von der Wut der Protagonistinnen spricht. Einer Wut aufgrund sexueller Übergriffe, die Antrieb zum Kampf gegen Sexismus ist.
Doch genau diesen Kampf habe ich im Buch vermisst. Ich glaube nicht, dass Wut allein Veränderungen bewirken kann, dazu muss sie konstruktiv genutzt werden, und das kann ich in dieser Erzählung nicht erkennen.

Die Sprache ist in Ordnung, mit den sich abwechselnden Erzählebenen Kindheit/Jugend und aktuelle Beziehung bin ich klar gekommen, aber eine überdurchschnittliche schriftstellerische Leistung konnte ich darin nicht erkennen.
Über den Inhalt habe ich lange nachgedacht, sehr lange. Eigentlich ein gutes Zeichen, wenn mir ein Buch nicht gleich nach der letzten Seite aus dem Sinn gerät.
In diesem Fall allerdings bleiben einfach zu viele offene Fragen, allen voran: Was will mir die Autorin sagen?
Ja, es gibt zu viele sexuelle Übergriffe, und nein, Frauen und Mädchen (im Übrigen auch Jungen und Männer) sind nicht selbst daran schuld.
Aber dennoch heiße ich es nicht gut, wenn sich die Protagonistin derart mit Drogen zudröhnt - und das in der Wohnung mit einem Zufallsbekannten, dessen Namen sie noch nicht einmal weiß - dass sie nicht mehr nach Hause gehen kann und es daher zu nicht einvernehmlichem Sex, sprich: einer Vergewaltigung, kommt. Wo bleibt hier der Kampf gegen Sexismus? In der Schilderung des Vorgefallen?
Ja, auch ich denke, dass sich Frauen noch viel mehr solidarisieren müssten. Aber hier fehlen mir im Buch außer einem manifestartigen Aufruf am Schluss hilfreiche Vorschläge. Wie muss Erziehung aussehen, damit junge Mädchen selbstbewusst NEIN sagen und Grenzüberschreitungen benennen und gegebenenfalls anzeigen? Wie können wir Zivilcourage stärken?
Was ich außerdem vermisse: Wie geht es der Protagonistin damit, Zeugin und Mitwisserin von zahlreichen Übergriffen zu sein, die nicht verfolgt wurden?
Für mich ein außergewöhnliches Buch, aber (bis auf die für den Verlag gewohnt hochwertige Gestaltung) leider im negativen Sinn. Der Roman hat mich weder gut unterhalten noch habe ich aus feministischer Sicht dazu gelernt oder Anregungen für ein besseres Miteinander der Geschlechter erhalten. Von mir daher keine Leseempfehlung.