Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
leserattebremen
Wohnort: 
Berlin
Über mich: 
https://sarahs-buecherregal.blogspot.com

Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2014
Traumatische Tropen
Barley, Nigel

Traumatische Tropen


ausgezeichnet

Wenn man als Ethnologe praktische Erfahrung sammeln will, muss man raus in die Wildnis und Feldforschung betreiben. Also macht sich Ethnologe Nigel Barley auf den Weg nach Kamerun um das kleine Völkchen der Dowayos zu erforschen. Doch statt danach einen trockenen Bericht über seine Erkenntnisse zu liefern, schreibt er ein witziges und ehrliches Buch über seine Erfahrungen. Diese beginnen damit, dass die Bürokratie in Kamerun gemeinsam mit dem Bankensystem alles zu tun scheint, um ihn am Erfolg seiner Reise zu hindern. Und auch die Dowayos haben nicht die letzten Jahrhunderte sehnsüchtig auf einen Ethnologen gewartet, der ihre Sprache nur mühsam lernt und versucht, ihre Rituale zu verstehen. Wobei die Grenze zwischen wirklichen Ritualen und den Versuchen, den bemühten Feldforscher in die irre zu führen, sich stark zu verwischen scheinen.
Nigel Barleys „Traumatische Tropen“ sind an manchen Stellen so witzig, dass einem fast die Tränen kommen und an anderen so ernst und einsam, dass einem an der Authentizität des Berichts kein Zweifel bleiben kann. Er berichtet von seinen Erfolgen und seinen Niederlagen und gibt sich so manchmal selbst der Lächerlichkeit Preis. Und wenn er nicht weiter weiß, schaltet er in seinen „Feldforschermodus“ und verharrt stundenlang still und wartet was passiert. Selbst aktiv etwas tun kann er nämlich in den meisten Fällen nicht, da er abhängig ist von den Gebräuchen seines kleinen Stammes.
Entstanden ist dadurch ein unglaublich kurzweiliges und gleichzeitig informatives Werk, dass die Ethnologie und ihre Ernsthaftigkeit hinterfragt und bloßstellt. Ein absolut empfehlenswertes Buch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2013
Die Analphabetin, die rechnen konnte
Jonasson, Jonas

Die Analphabetin, die rechnen konnte


ausgezeichnet

Nombeko arbeitet eigentlich als Latrinenträgerin, als sie als Jugendliche von einem Ingenieur mit dem Auto angefahren wird. Ein Gericht spricht sie schuldig, nicht genug aufgepasst zu haben, wohin dass Auto fuhr und als Strafe muss sie sieben Jahre als Angestellte des Ingenieurs arbeiten. Schnell stellt sich heraus, dass eben dieser für die Entwicklung des südafrikanischen Atomprogramms zuständig ist und Nombeko sehr viel klüger ist, als er vermutet hat. Sie kann mit Zahlen umgehen, wie sonst kaum jemand und so wird sie zur rechten Hand des Ingenieurs, während sie seine Fußböden schrubbt. Dass die von ihr mit entwickelte Atombombe sie den Rest ihres Lebens verfolgen soll - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes - hat sie damals nicht erwartet.
Mit Nombeko hat Jonas Jonasson eine ebenso einzigartige und bewundernswerte Hauptfigur geschaffen wie in seinen „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Auch wenn die Story an Absurdität manchmal kaum zu überbieten ist und die Personen sich mit komischen bis blödsinnigen Einfällen gegenseitig übertrumpfen, hat man nie das Gefühl einen bemüht witzig konstruierten Roman zu lesen. Die Charaktere an sich liefern so viel Potential für Wendungen und Kapriolen, dass der Roman gar nicht langweilig werden kann. Spätestens wenn zwei schwedische Zwillinge auftauchen, von denen einer nicht existiert und die beide Holger heißen, fragt man sich als Leser, woher der Autor diese wahnsinnigen Ideen nimmt. Dabei setzt er diese um, ohne jemals ins Alberne oder anstrengend Blödsinnige abzurutschen. Nombeko bleibt trotz aller seltsamen Ereignisse eine bewundernswerte, intelligente junge Frau, die sich auf ihre spezielle Art mit dem Leben arrangiert.
„Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist ein wunderbares Buch, das in seiner Art einzigartig ist. Wer Angst hatte, dass Jonas Jonasson nach „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ nur einen müden Abklatsch seines Debüts liefern würde, kann sich entspannt zurücklehnen und sich an seinen neuen Ideen erfreuen.

55 von 90 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2013
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry / Harold Fry Bd.1
Joyce, Rachel

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry / Harold Fry Bd.1


ausgezeichnet

Harold Fry lebt ruhig und und zufrieden mit seiner Frau Maureen in Kingsbridge in England als er eines Tages den Brief seiner alten Kollegin Queenie bekommt. Sie liegt im Sterben und möchte sich mit dem Brief von ihm verabschieden. Harold schreibt eine kurze Antwort und will den Brief zum Briefkasten zu bringen, läuft dann jedoch einfach immer weiter. Im Laufe des Tages entscheidet er sich durch ganz England zu Queenie nach Berwick zu pilgern, wo diese in einem Hospiz liegt. Er lässt ihr ausrichten, sie müsse nur durchhalten, er sei auf dem Weg. Eine aufregende Reise beginnt für Harold und seine Frau, die überraschend alleine zurück bleibt.
Die Reise zwingt Harold sich mit seiner eigenen Vergangenheit und seinem Leben auseinanderzusetzen, allein mit seinen Gedanken und hunderten Kilometern vor sich. Seine Ehe mit Maureen läuft nicht wirklich gut, das Verhältnis zu seinem Sohn David war immer schwierig. Er durchlebt viele Situationen und findet viele Fehler in seinem Verhalten, oft kommt vergangen geglaubte Verzweiflung auf. Aber er findet auch viel Hoffnung und Ermutigung in seinem Projekt und in den Menschen, die er auf seiner Pilgerreise trifft. Nur mit seinen Segelschuhen und ohne Wanderausrüstung wird er sogar zu einer medialen Sensation, was seinem Grundgedanken völlig zuwider läuft. Harold läuft um Queenie zu retten, sie soll überleben weil er diese Reise auf sich nimmt, das betrifft nur ihn und Queenie und vielleicht auch noch Maureen, aber sonst niemanden. Harold bewegt einen als Leser durch seinen Kampfgeist, seine Ehrlichkeit und auch durch seine Liebe zu seiner Frau, die mehr seine Partnerin ist als er selbst gedacht hätte.
„Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ ist ein witziges, überraschendes und zugleich zutiefst bewegendes Buch über die Hoffnung und das Leben des Protagonisten, der einem sofort ans Herz wächst. Wer jetzt noch ein Weihnachtsgeschenk sucht ist damit ganz sicher gut beraten.

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.11.2013
Die Larve / Harry Hole Bd.9
Nesbø, Jo

Die Larve / Harry Hole Bd.9


ausgezeichnet

Nach seinem letzten Fall hatte Harry Hole sich nach Bangkok abgesetzt, er wollte nicht mehr zurück nach Oslo, nachdem er seine große Liebe Rakel verloren hatte und sein Job als Polizist ihn immer tiefer in die Welt von Kriminalität und Alkohol gezogen hatte. Was könnte ihn also dazu bringen, doch zurückzukommen? Nur Rakel und ihr Sohn Oleg natürlich. Als Oleg wegen Mordes an einem Junkie verhaftet wird, fliegt Harry zurück nach Oslo und versucht den Fall zu lösen. Dass sein ehemaliger Ziehsohn ein Mörder sein soll, kann er einfach nicht akzeptieren. Doch damit bringt er auch sich selbst in Gefahr, denn einige mächtige Kriminelle in Oslo wollen Harry tot sehen. Schnell rutscht er wieder in die düstere Welt ab, aus der er damals fliehen wollte.
Jo Nesbøs Krimis um den Kommissar Harry Hole sind an Spannung kaum zu überbieten. Auch in diesem Band sind die wieder so viele Menschen in die Taten verstrickt, dass man als Leser bis kurz vor Schluss im Unklaren ist, wer der eigentlich Mörder ist. Zu viele Personen des kriminellen Milieus zeigen sich auf der Bühne und hätten ein Motiv, die Gelegenheit und die kriminelle Energie, einen Mord zu begehen. Gleichzeitig rückt mit Rakel auch Harrys Privatleben wieder in den Vordergrund, was den Fall um so spannender Macht. Denn Harry würde alles tun, um Rakel den Schmerz ersparen, dass ihr Sohn einen Menschen umgebracht hat. Man kann gar nicht aufhören und muss immer weiterlesen, um endlich zu wissen, ob der ruhige und intelligente Oleg aus den früheren Harry Hole Krimis wirklich dieser kaputte und drogensüchtige junge Mann geworden ist. Dass sich auch noch die Drogenmafia Oslos in die Geschichte einschaltet, macht es umso spannender und auch bei der Polizei ist einem kaum noch klar, wer auf Seiten der Gerechtigkeit steht und wer alles geschmiert ist.
„Die Larve“ ist ein hervorragender Krimi, spannend und mit detailliert gezeichneten Charakteren, die einen in die Geschichte reinziehen und einen nicht mehr loslassen. Absolut empfehlenswert!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.11.2013
Englands Königinnen
Panzer, Marita A.

Englands Königinnen


ausgezeichnet

In ihrem Werk „Englands Königinnen“ beschreibt Marita A. Panzer das Leben der englischen Königinnen beginnend mit Elisabeth von Yorck, die 1486 zur Königin gekrönt wurde und mit ihrem Mann Edward VII. nicht nur die Blutlinie der Tudors begründete, sondern auch Mutter des berühmten Königs Heinrich VIII. war. Nach dem Tod seines älteren Bruders Arthur wurde er König und nahm dessen Frau Katharina von Aragon zur Ehefrau. Sie war damit die erste von sechs Königinnen während der Regentschaft Heinrich VIII. Nach diesen Königinnen kamen deren Kinder an die Macht, unter anderem die bekannte Elisabeth I., die Zeit ihres Lebens nicht heiratete, um die Macht nicht teilen zu müssen, wie man vermutet.
Bis hin zur heutigen Queen Elisabeth II. beschreibt die Autorin die Eigenarten der Königinnen, ihre Zeit und die Herrschaftsverhältnisse. Obwohl es sich bei diesem Werk um ein reines Sachbuch handelt, ist es keineswegs langweilig oder trocken. Die Beschreibungen sind detailliert und spannend erzählt, was aber auch daran liegt, dass keine der Königinnen ein „normales“ Leben führte. Oft kannten sie ihren Ehemann nicht, bis sie nach England kamen, um dort verheiratet zu werden oder lebten unglücklich, weil der erwünschte Erbe ausblieb, der König sich anderweitig mit Frauen vergnügte oder die politischen Herrschaftsverhältnisse zwangen sie ins Exil. All dies hatten sie mit Würde zu ertragen und sich weiter freundlich dem Volk zu präsentieren. Ihre Aufgaben und Herausforderungen beschreibt Marita A. Panzer sehr anschaulich und menschlich, so dass man ein wenig das Gefühl bekommt, den Charakteren näher zu kommen und sie kennen zu lernen.
„Englands Königinnen“ ist ein detailliert recherchiertes und lebendig geschriebenes Sachbuch, das einen fesseln kann und auf eine Reise durch die Zeit mitnimmt - von 1486 bis ins heutige Jahrtausend.

Bewertung vom 30.11.2013
Die Rache trägt Prada / Andrea Sachs Bd.2
Weisberger, Lauren

Die Rache trägt Prada / Andrea Sachs Bd.2


sehr gut

Andrea Sachs ist zurück. Sie hat sich von der Arbeit bei "Runway" Chefin Miranda Priestly erholt und sich inzwischen mit ihrer ehemaligen Konkurrentin Emily selbstständig gemacht. Die beiden geben ein Hochglanzmagazin heraus, dass sich mit Hochzeiten und allem was dazu gehört beschäftigt und sind damit höchst erfolgreich. Doch dann tritt Elias-Clark, der Verlag dem Miranda Priestly als Chefin vorsteht, an sie heran und will ihr Magazin „The Plunge“ kaufen. Während Emily begeistert von der Idee ist, graust es Andrea vor dem Gedanken, wieder für Miranda arbeiten zu müssen. Auch einige private Veränderungen in ihrem Leben führen dazu, dass sie eigentlich nur ihren Frieden haben will. Doch dass man Miranda nicht unterschätzen darf, hat Andrea bereits im ersten Teil gelernt.
Endlich ist der Nachfolger von „Der Teufel trägt Prada“ da und ist überraschend gelungen. Dieser Roman ist kein billiger Abklatsch des ersten Bandes, sondern genauso spannend und witzig. Miranda scheint tatsächlich eine Veränderung durchgemacht zu haben und Andreas Privatleben rückt in den Vordergrund. Mit „The Plunge“ bringt zudem endlich ein Produkt heraus, hinter dem sie Qualitativ und inhaltlich selber steht. Die Charaktere haben sich entwickelt und verändert, wenn auch nicht so sehr, wie ich es mir erhofft hatte. Gerade zum Ende hin fand ich die Entwicklung etwas vorhersehbar und enttäuschend. Mit Andys Mann tritt ein völlig neuer Charakter auf die Bildfläche, der ihr Verhalten mit beeinflussen will, weil er gleichzeitig ein wichtiger Investor der Zeitung ist. Die Verbindung von Geschäft und Privatleben erschwert Andrea eine unabhängige Entscheidung und lässt sie teilweise sehr passiv und schwach wirken.
Das ändert aber nichts daran, dass auch „Die Rache trägt Prada“ ein sehr gut lesbarer und unterhaltsamer Roman ist, auf dessen Verfilmung man hoffen darf. Welcher Fan des ersten Teils würde nicht Meryl Streep gerne noch einmal als Miranda Priestly über die Kinoleinwand wüten sehen?

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.11.2013
Léon und Louise
Capus, Alex

Léon und Louise


ausgezeichnet

Als Léon und Louise sich das erste mal begegnen, steht das Ende des ersten Weltkriegs kurz bevor. Beide sind in einem kleinen französischen Ort gelandet, um das Land in Kriegszeiten zu unterstützen. Während Louise im Bürgermeisterbüro arbeitet, ist Léon als Morseassistent bei der Bahn angestellt. Die beiden verlieben sich, doch bei einem Ausflug werden sie durch Granatenbeschuss verletzt und verlieren sich aus den Augen. Erst zehn Jahre später erfahren sie, dass der jeweils andere überlebt hat. Doch Léon ist bereits verheiratet und seine Frau erwartet ein Kind. So muss ihre Liebe in aller Stille leben, möglichst ohne die Menschen zu verletzen, die sie lieben. Doch auch der zweite Weltkrieg lässt sie einander wieder aus den Augen verlieren.
Die Geschichte von Léon und Louise ist eine besondere Liebesgeschichte, da sie den größten Teil ihres Lebens nur in den Köpfen der Protagonisten stattfindet. Obwohl sie sich nicht sehen, lieben sie sich und wissen, dass der andere irgendwo in der Welt draußen ist und auch an den anderen denkt. Die Leidtragende dabei ist zumeist Léons Frau Yvonne, der von Anfang an klar ist, dass sie keine Chance gegen die fremde Frau, die Jugendliebe ihres Mannes hat. Und so schlüpft sie im Laufe ihres Lebens in alle möglichen Rollen, um ihn zu halten und dazu zu bringen auch sie auch zu lieben. Auf eine gewisse Weise tut er das auch, doch an die Liebe zu Louise reicht die Liebe nie heran. Louise fragt ihn an einer Stelle des Buches, ob es wohl funktioniert hätte, wenn sie damals mit 18 Jahren nicht getrennt worden wären, ob sie ein glückliches gemeinsames Leben geführt hätte. Und sie gibt ihm die Antwort gleich mit: Der Kopf sagt nein, aber das Herz sagt ja. Ich denke ihr Kopf hätte Recht behalten, ihre Liebe hat nur funktioniert, eben weil sie so wenig Zeit zusammen verbracht haben, ihnen der Kampf im Alltag erspart blieb und die Langeweile, die das Leben mit sich bringen kann. Insofern ist es Yvonne um so höher anzurechnen, dass sie ihren Mann bei sich hielt und mit ihm den Alltag bekämpfte, während Louise für ihn immer mehr ein Kopfabenteuer war als die Realität.
Diese wunderbare Geschichte schreibt der Autor Alex Capus so sensibel und leise, dass man mit allen Figuren mitfühlt und leidet und seine Sympathien von einer Person zur anderen mitnimmt, ohne in dieser Geschichte Position beziehen zu müssen. Sie haben alle ihre Sichtweise und alle haben ein wenig Recht. Léon und Louise, die ihrer verpassten Liebe eine neue Chance geben wollen und auch Yvonne, die das dritte Rad an diesem Wagen ist und dennoch ihre Rolle fleißig weiter spielt.
Mit „Léon und Louise“ ist Alex Capus eine faszinierende Liebesgeschichte gelungen, die völlig ohne Kitsch und übertriebene Romantik auskommt und nur vom Wesen ihrer Figuren zu leben scheint.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.11.2013
Firmin
Savage, Sam

Firmin


sehr gut

Firmin kommt in Boston in einem Buchladen zur Welt - sein Schicksal ist damit eigentlich schon besiegelt. Die kleine Ratte Firmin ist das schwächste von 13 Kindern der dicken, saufenden Ratte Flo und wird von seinen Geschwistern weggejagt, wenn es Essen gibt. Um nicht zu hungern, fängt er an Bücher zu essen. Er futtert sich durch die Bücher wie ein Bücherwurm. Doch irgendwann beginnt er zu lesen, hier einen Absatz dort eine Seite, dann ganze Bücher. Die Bücher werden alles, was ihm etwas bedeutet und so kämpft er sich durch seine kleine, aber anstrengende Welt- alles aus der Rattenperspektive. Er muss lernen, dass die Menschen es nicht immer gut meinen mit ihm, dass aber nicht alle Menschen schlecht sind. Am Ende findet er sogar einen Freund, der ihn aufnimmt und ihn ein Stück durch sein Leben begleitet.
„Firmin“ wirkt auf den ersten Blick wie ein fröhlicher, witziger Tierroman, ist aber eigentlich eine traurige Geschichte über Einsamkeit, den Wunsch geliebt zu werden und die Suche nach einer Heimat. Firmin fühlt sich immer allein, als kämpfe er gegen die ganze Welt und kleine Hoffnungsschimmer werden meist schnell wieder vernichtet. Weil sein Leben ihm so düster und traurig erscheint, beginnt er, sich ein anderes Leben zu träumen, es immer wieder umzudichten, zu erweitern und zu verschönern. Daher weiß man als Leser auch gar nicht, welche Fassung dieser Dichtung man gerade liest. Ist es das Original, das wirkliche Leben von Firmin? Oder ist es schon erfunden? Welche Personen gab es wirklich in seinem Leben, welche hat er dazu gesponnen, um die düsteren Seite der Geschichte abzumildern? Der Roman ist sehr nachdenklich, doch stellenweise auch witzig, wenn zum Beispiel die Ratte uns Leser direkt anspricht, uns vorwirft, ihm nicht zu glauben, ihn auszulachen, Vorurteile zu haben. Wir sollen ihn so nehmen wie er ist und seine Geschichte so, wie er sie uns erzählt- ob wahr oder nicht, ist egal. Es ist sein Leben wie Firmin es haben will, und damit ist es für ihn so wichtig als wäre es die Wahrheit.
Sam Savages Debütroman „Firmin“ kann man jedem empfehlen, der ein besonderes Buch sucht, etwas, das in Erinnerung bleibt und einen länger begleitet, weil es immer wieder gelesen wird. Vielleicht findet man zwischen den Zeilen dann irgendwann doch noch Firmins wahre Geschichte.

Bewertung vom 08.11.2013
Jetzt kann ich's dir ja sagen
Sanders, Annie

Jetzt kann ich's dir ja sagen


ausgezeichnet

Was würden wir nicht alles gerne tun, wenn wir wüssten, dass uns die Folgen nicht treffen können? Dem Chef mal die Meinung sagen, der besten Freundin endlich sagen, dass ihr Mann ein A... ist oder seiner großen Liebe endlich die Gefühle gestehen? Als ein Guru Lucy voraussagt, dass sie in einer Woche sterben wird, krempelt sie ihr Leben um und tut alles, was sie sich nie getraut hätte. Doch ihr Todestag kommt, verstreicht und sie ist immer noch das blühende Leben. Was ihr bleibt ist das Chaos, das sie in einer Woche angerichtet hat, davon ausgehend, dass es sie nicht mehr betreffen würde.
Mit „Jetzt kann ich‘s dir ja sagen“ ist der Autorin Annie Sanders ein locker-leichter Roman gelungen, der aber nicht so oberflächlich ist, wie er am Anfang scheint. Denn Lucy sagt nicht einfach allen Menschen die Meinung, sie überdenkt ihr Leben, fragt sich, was sie ändern würde, wenn sie es noch könnte und hat endlich den Mut, die kleinen und großen Dinge anzugehen, die sie sich sonst nie getraut hätte. Zum Beispiel eine Liebesbeziehung zu ihrem besten Freund aufzubauen und sich die Haare raspelkurz zu schneiden- beides äußerst einschneidende Veränderungen. Während sie mit den Haaren jedoch auch nach ihrem nicht stattfindenden Tod glücklich ist, scheint ihre Freundschaft zu Richard zerstört und nur schwer wieder zu kitten. Was will sie wirklich von ihm, nur Freundschaft oder doch mehr? Lucy muss sich plötzlich ganz neuen Fragen stellen, es geht nicht darum, was sie gerne einmal machen möchte, sondern wie sie damit lebt, es getan zu haben.
Dieser Roman von Annie Sanders ist wieder einmal empfehlenswert für alle, die ein wenig abtauchen und sich in einer Geschichte verlieren wollen. Optimal, um den beginnenden Herbst bei einer Tasse Tee auf dem Sofa auszublenden.

Bewertung vom 08.11.2013
Río Puro
Kratochwil, Germán

Río Puro


schlecht

Was kann sich der Autor nur dabei gedacht haben? Zwei alternde, dickliche Männer jagen durch Patagonien, bei dem einen (Franz Melan) ist der Grund dafür bis zur letzten Seite unklar, der andere (Leopold Kainzer) wird von des ersten Ehefrau geschickt, den wildgewordenen Mann wieder einzufangen, der mit den gesamten Ersparnissen durchzubrennen scheint.
Die ganze Geschichte ist ein Armutszeugnis für die Männer und auch für alle Frauen, die sie umgeben und sich ihnen jederzeit bedingungslos hingeben, um sie danach entweder anzubeten oder sie der Vergewaltigung zu bezichtigen. Insgesamt scheint sich das Verhältnis von Mann und Frau in diesem Roman grundsätzlich auf zwei Dinge zu beschränken: Der Mann hat Sex mit der Frau oder die Frau macht den Haushalt beziehungsweise kocht. Auch die wissenschaftliche Assistentin des durchbrennenden Patagonientouristen ist lediglich dazu da, die Männer zu unterhalten und zu belustigen.
All dies erzählt der Autor in einer derart plumpen und farblosen Sprache, dass die Geschichte an Belanglosigkeit kaum zu überbieten ist. Die anfangs entstehende Spannung durch die scheinbar grundlose Abreise Melans wird schon dadurch zunichte gemacht, dass es an keinem Punkt weitergeht, nie klarer wird, was die Motivation der Handelnden eigentlich ist.
Was der Autor sich gedacht hat oder was auch die Absicht der Geschichte war, kann man also auch nach Abschluss der Lektüre nicht sagen. Man kann jedoch allen raten, dieses Buch nicht zu lesen und die Zeit sinnvoller zu nutzen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.