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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 529 Bewertungen
Bewertung vom 04.04.2023
Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller
Ludwig, Stephan

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller


ausgezeichnet

​Norbert Heinlein, ein rechtschaffener, gediegener Herr Ende 50, führt mit viel Herzblut ein traditionsreiches Delikatessengeschäft, in dem er für seinen kleinen, aber anspruchsvollen Kundenkreis auch erlesene Tagesgerichte anbietet, die er mit Hingabe zubereitet. Hierbei wird er von seinem jungen Gehilfen Marvin unterstützt, der autistische Züge aufweist. Seit mehreren Wochen hat Heinlein einen neuen und etwas undurchsichtigen Stammgast, Adam Morlok, der eines Tages durch ein Missgeschick Heinleins im Geschäft zu Tode kommt, und Herr Heinlein weiß sich keinen anderen Ausweg, als Morlok im Kühlhaus zu lagern. Damit nimmt das Schlamassel seinen Anfang, denn Heinlein gerät von einer Misere in die nächste...


Das Buch hat mich gleich auf den ersten Seiten begeistert, da ich den unterhaltsamen Schreibstil auf Anhieb mochte. Herr Heinlein, Marvin, die Kunden und das Delikatessengeschäft werden so lebendig beschrieben, dass ich mir alles genau vorstellen konnte und auch regelrecht Appetit auf die beschriebenen Köstlichkeiten bekam.

Die Art und Weise, wie Herr Heinlein, ein eigentlich ehrbarer, hilfsbereiter, etwas gutgläubiger und konfliktscheuer Mensch, nach der Einlagerung Morloks im Kühlhaus sich seine Wahrheit zurechtbiegt, Ausflüchte aus der Verantwortung sucht und dabei immer tiefer in eine ausweglose Situation gerät, ist toll beschrieben. Hinzu kommen dubiose Geschäfte, in die Heinlein unversehens und natürlich nur in bester Absicht hineingerät. Auch die Figur von Marvin und dessen erstaunliche Entwicklung hat mir richtig gut gefallen. Die Geschichte ist nicht nur richtig spannend, sondern bietet auch eine gute Portion unterschwelligen Humor und makabre Situationskomik.

Einen kleinen Wermutstropfen bot für mich das Ende, da man hier, wenn man etwas gründlicher darüber nachdenkt, auf einige logische Ungereimtheiten stößt bzw. zumindest entsprechende Fragen offen bleiben. Das mag aber nicht jede*n Leser*in stören.

Fazit: Ein äußerst kurzweiliger, skurriler Krimi, den ich auf jeden Fall weiterempfehlen kann. Wer "Achtsam morden" von Karsten Dusse mochte, hat sicher auch viel Spass mit Herrn Heinlein!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2023
White Bird - Wie ein Vogel
Palacio, R. J.

White Bird - Wie ein Vogel


gut

"White Bird" von R.J. Palacio erzählt die fiktive Geschichte des jüdischen Mädchens Sara, das in Frankreich in den 30er und frühen 40er Jahren ein behütetes und glückliches Leben führt. In der Schule wurde sie neben Julien gesetzt, der aufgrund einer Behinderung seit einer Polioerkrankung von seinen Mitschülern gehänselt wird, und auch Sara behandelt ihn mit Geringschätzung. 1943 muss Sara bei einer Razzia vor den deutschen Soldaten fliehen. Sie wird von Julien gerettet und von seiner Familie über Monate versteckt.

Julien, der Held des Buches, wirkt zwar schwach und unscheinbar, ist jedoch wesentlich stärker als vermutet, mutig und selbstlos. Sara, verwöhnt und ichbezogen, wächst während ihrer Zeit im Versteck charakterlich durch den Kontakt mit Julien. Diese Entwicklung wird sehr eindrücklich beschrieben und hat mir sehr gut gefallen, weil sie zeigt, wie wichtig es ist, hinter Äußerlichkeiten zu blicken, Gerüchte zu hinterfragen und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.

Das Buch vermittelt somit einige wichtige Botschaften an die jungen Leser*innen. Es zeigt auf, dass es auf die Taten jedes Einzelnen ankommt, um gegen das Böse zu kämpfen und Frieden, Freiheit und Menschlichkeit zu sichern. Es macht Mut, weil wir jeden Tag von Neuem die Möglichkeit haben, unsere Fehler zu erkennen, daraus zu lernen und unser Verhalten zu ändern. Und es lehrt uns, dass wir uns als Mitläufer schuldig machen, ob im Kleinen, wie beim Mobbing, oder während des Naziregimes. Das Buch ist somit ein wichtiger Aufruf zur Zivilcourage und zur Selbstreflexion.

Dennoch konnte mich das Buch nicht komplett überzeugen, da ich die Geschichte als zu glatt und in ihrer Intention zu durchschaubar empfand, um wirklich darin eintauchen zu können. Meines Erachtens lässt der Grundton des Romans deutlich erkennen, dass das Buch von einer amerikanischen Autorin geschrieben wurde. Der von Anfang an sehr lockere Umgangston zwischen Juliens Eltern und Sara entspricht für mich nicht den europäischen/französischen Gepflogenheiten der damaligen Zeit und wirkt nicht authentisch. Zudem habe ich insbesondere bei der Rahmenhandlung den Eindruck, dass sich das Buch an eine jugendliche Leserschaft richtet, die relativ wenig über das 3. Reich weiß. In Deutschland wird glücklicherweise dieses wichtige Thema sehr gründlich und ausführlich in den Schulen behandelt, so dass hier viel Hintergrundwissen vorhanden sein sollte. Der direkte Bezug im Epilog zwischen den unvorstellbar schrecklichen Geschehnissen im 3. Reich und aktuellen Ereignissen und Entwicklungen ist für mein Empfinden sehr pauschal und durchaus fragwürdig.

Fazit: Ein empfehlenswertes Jugenbuch, das wichtige Botschaften vermittelt, erzählerisch jedoch etwas hinter meinen Erwartungen zurückbleibt.

Bewertung vom 04.04.2023
Ostseenebel / Pia Korittki Bd.18
Almstädt, Eva

Ostseenebel / Pia Korittki Bd.18


gut

Pia Korritkis 18. Fall führt sie in das Örtchen Stüvensee, im dem sie zusammen mit der lokalen Polizei im Fall eines Mannes ermittelt, der von einer Urlauberin erschlagen am Koiteich ihres  Ferienhauses gefunden wird. Wie sich schnell herausstellt, handelt es sich hierbei um den Bürgermeister, und es scheint einige Dorfbewohner zu geben, die auf diesen nicht gut zu sprechen waren.

Obwohl ich keinen der Vorgängerbände kannte, bin ich sofort in die Geschichte hineingekommen, da alle Personen geschickt eingeführt werden und kein  Vorwissen nötig ist.

Besonders gut gefiel mir, dass die Polizeiarbeit sehr detailliert, unaufgeregt und - für einen Krimi nicht selbstverständlich - überwiegend glaubhaft geschildert wurde. Die Tätersuche ist richtig spannend und ich hatte viel Spaß dabei, bis zum Schluß mitzuraten.

Leider merkte man dem Buch am Ende deutlich an, dass einige Figuren nur dazu dienten, den wahren Täter zu verschleiern. Diese wurden zunächst vielversprechend aufgebaut und gewisse Geheimnisse oder Hintergründe angedeutet, die zum Schluss entweder in der Luft hängen blieben oder mit wenigen Worten abgehandelt wurden. Dadurch wirkten diese Personen rückwirkend wie  reine Statisten und ich blieb enttäuscht zurück, da die erhoffte Komplexität in sich zusammenfiel.

Das fand ich sehr schade, da mir die ersten beiden Drittel der Geschichte wirklich richtig gut gefallen haben und meine Erwartungen dementsprechend hoch waren.

Wer sich daran nicht stört, und vor allem Lust hat, in einem kniffligen und bis zum Schluss spannenden Fall mitzurätseln, wird an Ostseenebel sicher viel Freude haben.

Bewertung vom 31.03.2023
Das Lied der Zelle (eBook, ePUB)
Mukherjee, Siddhartha

Das Lied der Zelle (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Bevor ich dieses Buch las, hatte ich noch nie von Siddharta Mukherjee gehört, aber der Titel und die Beschreibung machten mich sehr neugierig.

Bei populärwissenschaftlichen Büchern aus dem amerikanischen Raum bin ich zunächst sehr skeptisch, da sie häufig bemüht locker und oberflächlich geschrieben sind. Das ist bei diesem Buch erfreulicherweise nicht der Fall. Siddharta Mukherjee gelingt es auf einzigartige Weise, hochkomplexe medizinische Sachverhalte Laien verständlich zu erläutern, und dabei genau soweit zu vereinfachen wie nötig. Man spürt richtig, dass er seine Leser*innen ernst nimmt und sich viel Mühe gibt, anschauliche Vergleiche und Bilder zu finden, die das Verständnis erleichtern. Sein Schreibstil ist abwechslungsreich und eingängig, und er mischt medizinische Theorie gekonnt mit interessanten Fallbeispielen aus seinem Berufsalltag und umfassenden und sehr informativen Ausflügen in die Geschichte der Medizin, so dass ein rundes Bild entsteht.

Der Enthusiasmus des Autors für sein Fachgebiet war für mich beim Lesen regelrecht spürbar und führte dazu, dass mich das Buch richtig begeistert hat. Ich möchte auf jeden Fall demnächst seine anderen bisher auf deutsch erschienen Bücher lesen und kann "Das Lied der Zelle" nur jedem empfehlen, der sich für diese faszinierenden Bausteine des Körpers interessiert. Ganz klare 5 Sterne!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.03.2023
Wir lassen uns gehen
Schalko, David

Wir lassen uns gehen


sehr gut

David Schalko ist mir bereits als Regisseur und Drehbuchautor ein Begriff, und da ich den tiefschwarzen Humor seiner Serie "Braunschlag"
sehr mochte und auch den wunderbaren Film "Touluse", war ich gespannt auf "Wir lassen uns gehen", eine Sammlung von 20 Kurzgeschichten.

Diese Kurzgeschichten sind, wie bei David Schalko zu erwarten war, ziemlich skurril, teils abgedreht, teils diabolisch, auf jeden Fall speziell und kurios. Bei einigen musste ich aufgrund des boshaften Humors wirklich lachen, andere brachten mich zum Nachdenken, und wieder andere erschlossen sich mir nicht. Mir gefällt, wie Schalko die Menschen beobachtet und die Absurditäten und Abgründe unseres Handelns aufgreift und ins Extreme treibt.

Fazit: Wer David Schalkos eigenwilligen Humor und seinen Hang zum Skurrilen schätzt, wird an dieser Sammlung von  Kurzgeschichten auf jeden Fall seine Freude haben!

Bewertung vom 30.03.2023
Ein ehrenhafter Abgang
Vuillard, Éric

Ein ehrenhafter Abgang


sehr gut

In "Ein ehrenhafter Abgang" beleuchtet Eric Vuillard das dunkle und unrühmliche Kapitel der französischen Kolonialherrschaft in Indochina (heute Vietnam, Laos, Kambodscha).

Das Buch beginnt mit einer Schilderung der menschenverachtenden und von Gewalt gegenüber den einheimischen Arbeitern geprägten Zustände auf den Plantagen Michelins in Indochina und widmet sich dann dem Indochinakrieg. Hierbei stehen jedoch nicht die militärischen Ereignisse im Fokus, sondern die politischen Debatten über den Militäteinsatz im französischen Parlament. Vuillard zeichnet ein Bild machtbesessener Männer, von Seilschaften und seit Generationen bestehenden Pfründen, und von wirtschaftlichen Interessen als dem wahren Motor hinter allem.

Vuillard schreibt im Stil einer historischen Reportage, dennoch handelt es sich bei dem Buch um Fiktion, da er den Personen Gedanken, Intentionen und Aussagen zuschreibt, die er in diesen Details nicht wissen oder belegen kann.

Das Buch setzt bereits Wissen über den Indochinakrieg und französische Politik voraus, so dass ich mehrfach innehalten und anderweitig nachlesen musste. An vielen Stellen ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass sich in mancherlei Hinsicht an den Mechanismen der Macht bis heute nicht viel geändert hat.

Fazit: Ein interessantes und empfehlenswertes Buch über das Ende des französischen Kolonialregimes, das sich vor allem an Leser*innen richtet, die mit der Thematik bereits vertraut sind.

Bewertung vom 30.03.2023
Bissle Spätzle, Habibi?
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi?


sehr gut

Angesichts des Titels erwartete ich eine eher humorvolle, pointierte Culture Clash Geschichte wie Jan Weilers "Maria, ihm schmeckt's nicht". Hier ist der Titel etwas irreführend, da die Geschichte zwar durchaus komische Momente hat, aber vor allem von der Zerrissenheit Amayas zwischen der Liebe zu Daniel und der Liebe zu ihren Eltern und deren traditionellen Vorstellungen von einem Ehemann handelt.

Der Roman enthält immer wieder ausführliche Rückblenden auf wichtige Erlebnisse in Amayas Kindheit und Jugend, die sehr eindrücklich ein warmherziges Elternhaus mit liebevollen Eltern und Geschwistern schildern. In vielen Punkten weltoffen, sind die Eltern hinsichtlich Ehe, Familie und Berufswahl jedoch muslimischen Traditionen und Moralvorstellungen verbunden. Diese Rückblenden wecken ein gewisses Verständnis für Amayas Zwiespalt und ihr langes Versteckspiel bezüglich Daniel.

An vielen Stellen fiel es mir dennoch schwer, Verständnis für Amayas Verhalten gegenüber Daniel aufzubringen, und wäre ich Daniel, hätte ich ehrlicherweise die Beziehung schon lange beendet, da ich Amayas Hinhaltetaktik und ihre damit verbundenen Lügen als äußerst verletzend empfunden hätte und bei ihr kein Entgegenkommen spürbar war. An keiner einzigen Stelle ist für mich erkennbar, dass sie bereit ist, um Daniel zu kämpfen.

An manchen Stellen wirkt die Geschichte etwas bemüht, insbesondere was die Figur von Lucas angeht - hier ist die Absicht der Autorin, Amayas Zwiespalt auf andere Konflikte zu übertragen, allzu auffällig.

Besonders positiv fand ich, dass die Autorin das Elternhaus und die Geschwister beschreibt, ohne dabei typische Klischees zu bedienen und stattdessen vielmehr facettenreiche, individuelle Figuren entwickelt, die auf ihre Art Aspekte zweier Kulturen in sich vereinen.

Fazit: Insgesamt eine kurzweilige Lektüre, die auf leichte und unterhaltsame Weise vom Leben in zwei Kulturen erzählt und den Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn man allen, die man liebt, gleichermaßen gerecht werden möchte.

Bewertung vom 27.03.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


ausgezeichnet

​"Seemann vom Siebener" von Arno Frank beschreibt einen heißen Sommertag in einem Dorffreibad in der Pfalz. Einem Freibad, auf dem der Schatten einer Tragödie liegt, die sich dort vor wenigen Jahren ereignet hat.


Dorffreibäder sind seit jeher Orte, an denen im Sommer alle aufeinandertreffen, Familien mit Kindern, Jugendliche, Singles, Pärchen, Senioren. Ein Mikrokosmos mit eigener Dynamik und einem eigenen Rhythmus, der aufmerksamen Beobachtern Einblicke in das Leben der Besucher gewährt und einen interessanten Schauplatz für dieses Buch bildet.

Der Roman wechselt häufig die Erzählperspektive und lässt uns den Tag im Freibad aus mehreren Blickwinkeln erleben: Da ist Kiontke, der langjährige Bademeister, Renate, die Frau an der Kasse, Sergej vom Kiosk, und da sind die Besucher Melanie, Lennart, Josephine und Frau Trautheimer, die aus unterschiedlichen Gründen das Freibad aufsuchen und deren Wege sich dort kreuzen. Und dann ist da noch das namenlose Mädchen mit seinem Bruder, das als Ich-Erzählerin besonders heraussticht. Das Leben aller ist auf verschiedene Weise mit dem Freibad verbunden, als Arbeitsplatz, als Ort der Erinnerung an vergangene Tage, an die Leichtigkeit und die Verheißungen der Jugend, an Tragisches und Schmerzhaftes, an Wendepunkte im Leben. Und im Laufe der Geschichte wird klar, dass auch dieser Tag ein solcher Wendepunkt sein kann, der Dinge abschließt und einen neuen Anfang ermöglicht.

Das Buch lebt von Arno Franks Gefühl für Sprache und seinem genauen Blick auf die kleinen, unscheinbaren Dinge. Besonders gelungen fand ich die Zeichnung der einzelnen Personen, deren Charaktere bis in die Sprache hinein so detailliert und nuanciert ausgearbeitet sind, dass ich sie in allen Einzel- und Eigenheiten lebhaft vor Augen hatte.

Ein sehr berührender, leiser Roman mit wehmütigen, aber auch hoffnungsvollen Momenten, und eine Hommage an die unscheinbaren alten Freibäder, die denen, die hinhören, vom Leben erzählen. 

Bewertung vom 27.03.2023
Die spürst du nicht (MP3-Download)
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht (MP3-Download)


sehr gut

Zwei gutsituierte österreichische Familien fahren gemeinsam in den Sommerurlaub in die Toskana. Mit dabei ist Aayana, eine Freundin der 14jährigen Tochter Sophie-Louise und Flüchtlingskind aus Somalia. Der erste Ferientag verläuft geruhsam im Feriendomizil mit Pool, bis am Abend ein Unglück geschieht, das alles verändert.

Die Geschichte beginnt als herrlich bissige Gesellschaftssatire und wechselt nach dem Unglück etwas den Ton, die ironische Note tritt in den Hintergrund. Der Roman beleuchtet unseren Umgang als Gesellschaft und als Einzelne mit Migranten und Migrantinnen, geprägt von mangelnder echter Empathie, herablassender Ignoranz und kulturellen Missverständnissen.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Tochter Sophie-Louise und ihre Mutter Elisa, die für die Grünen im Nationalrat sitzt. Die Erzählung wird immer wieder ergänzt durch Onlineberichte diverser Medien und zugehörige Postings, die sehr gut getroffen sind. Jede Figur hat ihre eigene Art, mit dem Unglück umzugehen, doch drehen sie sich alle im Grunde nur um sich selbst und ihre eigenen Befindlichkeiten.

Die Charaktere sind scharf getroffen, der Schreibstil ist toll zu lesen. Leider ist der Part um Sophie-Louise recht vorhersehbar. Die Beschreibung der somalischen Familie empfinde ich als weniger gelungen, die Figuren wirken unrund und ihr Verhalten wenig glaubwürdig.

Zum Hörbuch: Das ungekürzte Hörbuch mit einer Laufzeit von 8h 47 min wurde von Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth eingesprochen, wobei Frau Mittelstaedt die eigentliche Geschichte vorträgt und Herr Groth die Passagen, die Presseberichte und zugehörige Postings beinhalten. Diese Aufteilung ist eine tolle Idee und sehr gelungen umgesetzt. Beide haben eine sehr angenehme Stimme und ein gutes Sprechtempo. Herr Groth trifft genau den richtigen Presse-Ton und spricht auch die einzelnen Postings und Kommentare facettenreich und teilweise mit wunderbarem Wiener Dialekt. Ein echter Zugewinn zum reinen Buch! Auch Frau Mittelstaedt verstimmlicht jede Figur gekonnt und verleiht ihr eine individuelle Note.

Insgesamt eine interessante, außergewöhnliche und zum Nachdenken anregende Geschichte und ein  sehr empfehlenswertes Hörbuch mit  hervorragenden Sprechern.

Bewertung vom 27.03.2023
Big Five For Health
Lück, Stephan;Schweiger, Andi

Big Five For Health


gut

Bevor ich auf das Kochbuch "Big Five For Health" aufmerksam wurde, kannte ich die Autoren Dr. Stefan Lück und Andreas Schweiger nicht. Dr. Stefan Lück ist Ernährungswissenschaftler und Andreas Schweiger Sternekoch und Leiter eine Kochschule und Event-Location in München.

Das Konzept der Big Five-Basisernährung hat mich angesprochen, da die 5 Grundbestandteile - Hülsenfrüchte, Körner, Kohlgemüse, Zweiebelgemüse und Wurzelgemüse - fester Bestandteil meiner Ernährung sind und ich hier auf neue Rezeptideen gespannt war.

Das Buch besteht zunächst aus einem informativen Theorieteil, der die ernährungsphysiologischen Vorteile der Big 5 erläutert und zusätzlich auf deren Begleiter eingeht (Kräuter und Gewürze, Samen, Nüsse und deren Öle, Frucht-, Blatt- und Stielgemüse, Obst, Milch und Milchprodukte).

Daran schließt sich der Rezeptteil an, der nach Jahreszeiten geordnet ist, da erfreulicherweise viel Wert auf regionale und saisonale Produkte gelegt wird. Die Rezepte sind innovativ, kreativ und sehr abwechslungsreich, viele sind asiatisch angehaucht. Einige der Gerichte klingen sehr interessant und ich würde sie gerne einmal essen.

Nun komme ich leider zum großen Aber: Die Zutatenlisten sind lang und beinhalten viele zum Teil sehr ausgefallene und auch teure Zutaten, die ich weder zu Hause habe noch wüsste, wo ich diese in den Geschäften vor Ort beziehen kann. Auf dem Viktualienmarkt in München ist das sicher kein Problem, im kleinstädtischen Umfeld schon. Die Zubereitung ist oft sehr aufwendig und zeitintensiv, also nichts, was ich abends noch kurzfristig als Familienessen auf den Tisch bringen kann. Somit sind die Rezepte bis auf wenige Ausnahmen für mich leider nicht alltagstauglich. Generell habe ich bei den Rezepten den Eindruck, dass sich das Buch an gutsituierte Erwachsene ohne Kinder im Haushalt richtet, die gerne Exklusives kochen und dafür viel Zeit investieren können.

Abgesehen von der Alltagstauglichkeit sprang der Funke bei mir auch in einem anderen Punkt nicht über: Ein Kochbuch muss mich bereits beim Durchblättern greifen und Freude am Kochen und Essen vermitteln. Das war hier nicht der Fall. Alles wirkt betont sachlich, nüchtern, nahezu steril.

Fazit: Für Freunde gehobener, von der Sterneküche inspirierter Rezepte sicher ein sehr interessantes Kochbuch, für alle, die abends im Allltagsstress innerhalb einer Stunde ein ausgewogenes, aber unkompliziertes Essen für die ganze Familie zubereiten möchten, leider ungeeignet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.