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easymarkt3
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Insgesamt 809 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2024
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


gut

Eine bunte Mischung an angerissenen Themen
In 15 Kapiteln stehen drei Hauptfiguren im Mittelpunkt des wenig tiefgründigen Geschehens um Bedürfnisse, Sehnsüchte und die Suche nach einem Ausweg aus dem eintönigen Alltag rund um Leipzig:
Juno, eine jung gebliebene Frau über 50 mit vielen Tattoos, mehr und mehr vereinnahmt durch Ballett und Events als freiberufliche Performance-Künstlerin. In Rückblicken zu ihrer Kindheit und Jugend hat sie sich schon damals irgendwie komisch und anders gefühlt.
Jupiter, ihr seit über 15 Jahren schwer erkrankter Ehemann, Schriftsteller, nur sporadisch in Erscheinung tretend in einer eher dürftigen Beziehung miteinander neben pflegerischen Bedürfnissen ohne emotionalen und gedanklichen Austausch.
Benu, Love-Scammer aus Nigeria, Junos nächtlicher Kommunikationspartner im Internet. In wenig tiefsinnigen Dialogen erwächst eine Schein-Freundschaft voller Lügen.
Thematisiert werden Mythologie, Rassismus, Kolonialismus, Traurigkeit, Einsamkeit, Anforderungen eines Lebens als pflegende Person eines Angehörigen, Gefahren des Internets. Eintönigkeit, Schlaflosigkeit, das Altern, Unzufriedenheit, die Problematik des schwierigen Lebensunterhalts vieler Künstler – eine große Fülle, die nur angeritzt wird. Die Bedeutung der Verwendung mythologischer Namen, der Gedankengänge zu Sternbildern und auch zu dem Film „Melancholia“ bleibt unklar. Wie fremde Einschübe wirken solche Details in Junos Fantasiewelt.
Der Schreibstil gefällt, inhaltlich eher flach bei geringem Tiefgang in angeschnittene Themenbereiche. Der emotionale Faktor in Junos trostloser Alltagswelt wird wenig herausgestellt.
Ein unterhaltsames Büchlein.

Bewertung vom 06.12.2024
Im Namen der Barmherzigkeit
Lind, Hera

Im Namen der Barmherzigkeit


sehr gut

Keine leichte Kost
Das Cover zeigt ein Mädchen im ländlichen Ambiente auf einem unbefestigten Feldweg in kühlerer Jahreszeit – passend zum Thema. Die Hauptfigur Steffi Dreier, 1972 in Wien unehelich geboren, lebt als Pflegekind zunächst im Kinderheim, ab 1975 bei der kinderreichen Bauernfamilie Kellerknecht mit weiteren Pflegekindern als Arbeitskraft unter unmenschlichen Bedingungen. Ab zwölf Jahren vergewaltigt sie der Bauer brutal bei jeder möglichen Gelegenheit, bis sie 1986 in einer psychiatrischen Klinik in Graz behandelt wird unter der Aufsicht von Frau Dr. Winkler, die Steffis weiteren Lebenslauf teils begleitet und weiter verfolgt. Vor Gericht sagt Steffi, verfolgt von Panikattacken, Ohnmacht und Angstzuständen nicht gegen den Pflegevater aus. Die Schilderung dieser Kindheit mit so viel Demütigung, Prügelei, Lügerei bis zu sexuellem Missbrauch durch die Pflegeeltern zu lesen, ist schwer zu ertragen, sicher auch nicht leicht in passende Worte zu fassen als Autor:in. Der weitere stressige Lebensweg mit Re-Traumatisierung, mit Flashbacks gipfelt mit fünfzehn Jahren in einer Schwangerschaft. Die Sorge um ihre Tochter Sarah begleitet den Leser bis zu deren 18. Lebensjahr. Die Folgen durch Verletzung der Aufsichtspflicht von Jugendämtern und fehlender notwendiger Hilfestellungen für pubertierende Pflegekinder werden ebenso thematisiert wie das schändliche, unmenschliche Ausnutzen kindlicher Arbeitskraft und grober sexueller Missbrauch. Ein trauriges Buch zum Nachdenken.

Bewertung vom 05.12.2024
Man kann auch in die Höhe fallen / Alle Toten fliegen hoch Bd.6
Meyerhoff, Joachim

Man kann auch in die Höhe fallen / Alle Toten fliegen hoch Bd.6


sehr gut

Was für eine schöne Hommage an die geliebte Mutter
Der Schauplatz ist der ruhige, abgelegene Wohnort der Mutter in Schleswig. Diese 86-jährige Frau steht mit ihren Aktivitäten in Haus, Garten, Wasser und sonstigen interessanten Örtlichkeiten positiv im Mittelpunkt. Abwechselnd mit solchen lustigen, auch skurrilen, stets liebevoll beschriebenen Anekdoten voller Vitalität geht es um Kindheitserinnerungen und Berufserfahrungen des Autors, der über viele Wochen bei seiner Mutter innerlich gefestigt wird. Dieser Wechsel aus seiner Vergangenheit und besonders die Gegenwart in erfrischenden Dialogen und Ritualen mit der positiv eingestellten Mutter gefällt. Auch die Einblicke in die Ängste des Autors berühren, wie seine Aktivitäten in der Natur zur Gesundung beitragen neben der mütterlichen Anleitung. Die Einblicke in solch eine künstlerische Karriere sind interessant. Ein Schreibstil ist kreativ, teils humorvoll, auch sehr berührend. Diese Mutter ist schon eine ungewöhnliche Frau – Hut ab!

Bewertung vom 04.12.2024
Bock auf Eishockey
Rotter, Christian

Bock auf Eishockey


gut

Ein harter Sport für Krieger!
In 21 Beiträgen mit einer Einleitung des Sportreporters Christian Rotter werden unter dessen „Federführung“ besondere Momente von deutschen Eishockeyspielern und zwei Spielerinnen präsentiert. Besondere emotionale Erfolgsmeldungen und steile Karrieresprünge überwiegen. Betont wird, dass es in einem solchen Spiel nicht nur ums Gewinnen und Verlieren geht, sondern um die Erfahrung wichtiger Werte wie Freundschaft, Fairness und Teamgeist. Schmerzhafte Erfahrungen in diesem rauen Sport lassen nicht nur an körperliche Verletzungen mit Comeback in manch einem Beitrag denken. Auch auf Blockbuster-Deals rund um den NHL fallen negative Schatten. Manch ein Eishockeyspieler mag sich dabei wie austauschbares Spielermaterial, wie Ware fühlen ohne Möglichkeit eines Selbstentscheids. Wie hart das Sportrecht in einem irrtümlichen Dopingfall nachwirken kann, wird glaubhaft vermittelt. Dass mancher Verein nicht nur im Breitensport nach dem Mauerfall im Osten oder auch generell durch die langatmigen Corona-Maßnahmen finanzielle Einbußen und Mitgliederrückgänge verkraften musste, wird ebenfalls thematisiert. Auch für Sportkommentatoren war die Berichterstattung über solche sportlichen Events ohne Publikum kein besonderer Moment. Dieser Mannschaftssport lebt eindeutig vom Gefühl des Fairplays, was auch auf die Eishockeyfans übertragen wird. Interessante Einblicke in diese Sportart.

Bewertung vom 04.12.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


ausgezeichnet

Das Cover zeigt die Hauptfigur Thomas Mann beim morgendlichen Spaziergang in Nidden, wo sich in Sommern ab 1930 auf der Kurischen Nehrung die Familie mit drei Kindern aufhielt. Rund um ihr Sommerhaus umringt von Wald, Strand und einer Künstlerkolonie spielt die idyllisch beschriebene Szenerie mit dem jungen litauischen Übersetzer Žydrūnas Miuleris, auch Müller genannt. Als Ich-Erzähler geht es in seiner Rückbesinnung um das verloren gegangene Konzept einer brisanten politischen Rede von Thomas Mann gegen den erstarkenden Nationalsozialismus und das gleichzeitige Erwachsen von Freundschaft und Mut nicht nur zwischen beiden Figuren. Während die historische Schriftstellerfigur in seinen typischen Facetten lebendig wird in einer fiktiven Kriminalhandlung, schält sich seine klare politische Einstellung zum Nationalsozialismus und Kommunismus klar heraus. Sein damaliger Appell um Freiheit, Vernunft, Demokratie und Frieden ist auch heutzutage noch mutig, sogar existenzgefährdend wie der Autor in seiner Hommage an den Literaturpreisträger betont. Ein nicht nur spannendes Lesevergnügen mit überzeugenden Charakteren.

Bewertung vom 04.12.2024
The Twenty
Holland, Sam

The Twenty


ausgezeichnet

Spannend, kreativ, unvorhersehbar
Über 14 Tage verläuft die spannende, nicht vorhersehbare Aufklärung von angestrebten zwanzig Morden, so grausam und blutig. Mit gleich fünf Leichen auf einer Müllhalde werden die Hauptfiguren DCI Adam Bishop und sein Kollege und Freund Detective Sergeant Jamie Hoxton konfrontiert, nummeriert von 12 – 16, Todesursache – Verblutung. Während der intensiven Identitätsfindung der Opfer tauchen Obduktionsberichte aus 1995 mit der Verbindung zu dem inhaftierten Serienmörder Dr. Elijah Cole auf. Seine Tochter Dr. Romilly Cole, Bishops Ex-Frau, erinnert sich an damalige 4 Morde mit in Holzrahmen geritzten römischen Zahlen XX – XVIII. Welcher nachahmende Killer zählt hier von 20 herunter und warum überhaupt? In vielen rasanten Wendungen behaupten sich die drei Hauptfiguren: Adam mit dysfunktionaler Eltern-Kind-Beziehung und totaler Trypanophobie (Angst vor Spritzen) kein einfacher Charakter, Jamie dagegen mitfühlend, sortiert, sympathisch und Romilly mit ihrer traumatischen Vergangenheit immer noch im Zwiespalt. Während sich der Countdown des Täters auf Null zu bewegt, kommt er unter Zeitdruck selbst diesen Charakteren gefährlich nahe ohne Vorwarnung.
Ein Lesegenuss mit vielen kreativen Spannungsmomenten.

Bewertung vom 03.12.2024
Unser Ole
Lange-Müller, Katja

Unser Ole


sehr gut

Eine wahre Geschichte verfremdet erzählt.
Die Autorin ist in Ost-Berlin geboren, kennt also selbstbewusste, unabhängige Frauen der DDR und ihre oft lieblos aufwachsenden Kinder. Die besonders herzlosen Beziehungen zwischen drei Frauen hier und einem geistig behinderten Sohn Ole sind geprägt durch die Angst vor Einsamkeit, Mitschuld, Machtlosigkeit, Verarmung und dem Mangel an Liebe und Vertrauen zwischen Mutter und Tochter. Wie diese doch sehr unterschiedlichen Frauen durch Lieblosigkeit im gesamten Leben beeinträchtigt wurden, wird gut beschrieben, wenn auch in manch verschachteltem Satzbau. Das Zusammenleben mit dem autistischen Ole wird realistisch vorstellbar in seiner ganzen Absonderlichkeit, bildet hier den roten Faden bis zu seinem ungeklärten Verschwinden als dramatischer Höhepunkt. Das dörfliche Ambiente des renovierungsbedürftigen Umsiedler- Hauses, Elviras Nikolaushaus, bildet den traurigen Mittelpunkt für tiefgehende emotional abweisende Verstrickungen untereinander und auch gegenüber Ole. Drei verschiedene Frauen-Biographien mit ihren seelischen Verletzungen sind gut karikiert mit passender Wortwahl.

Bewertung vom 02.12.2024
Wo der Wald beginnt
Junk, Martina

Wo der Wald beginnt


sehr gut

Tiefe Freundschaft auf die Probe gestellt
Die Idylle auf dem Land mit viel erwarteter Bewegungsfreiheit für die Kinder im Garten, auf angrenzender Wiese und nahem Wald stellt sich als bedrohliche Kulisse heraus, dramatisch und atmosphärisch gut schrittweise aufgebaut. Auch die knisternde zwischenmenschliche Spannung nicht nur zwischen den zwei Freundinnen Kim und Anne, sondern auch zwischen den Eheleuten wird in den Dialogen kitzelnd mit Bedacht überzeugend beschrieben. Das Fremdsein, die Feindseligkeit im Dorf wird ebenso scharf thematisiert wie ihre alte Freundschaft und Toleranzgrenzen, Gerüchte und große Vorurteile aller dörflichen Beteiligten gegenüber Zugereisten. Die Angst vor Veränderung, vor allem Neuem, Fremden wird durch die Aktivitäten von Ehemann Sebastian wirkungsvoll behoben. Der Versuch, im Dorf anzukommen, akzeptiert zu werden ist bildlich, inhaltlich und auch sprachlich gelungen wie Schnee und Eis sich im Schmelzprozess mit Wasser vermischen. Am Beispiel des verdreckten, verletzten Mannes im Wald wird dem Leser ein Spiegel unserer Toleranzfähigkeit und Mitmenschlichkeit vorgehalten. Ein Buch zum Nachdenken.

Bewertung vom 02.12.2024
Nostalgia
Kubiczek, André

Nostalgia


gut

Eine unsortierte Familienchronik
Dieser Roman handelt in den ersten drei Teilen von dem Aufwachsen eines Kindes André mit Migrationshintergrund in der DDR, beginnend ab 1981 mit harten Kindheitsproblemen rund um Schule, Freundschaft und Erwachsen werden. Nicht nur ist sein jüngerer Bruder geistig behindert durch einen Unfall, auch der Gesundheitszustand seiner laotischen Mutter verschlechtert sich zunehmend bis zu deren Tod 1986. Im vierten Teil handelt es sich hingegen hauptsächlich um seine Mutter Teo, ab 1979 chronologisch in der Rückschau bis zu ihrer Kindheit in Laos. Der rote Faden ist verwirrend bei dieser zeitlichen Aufbereitung von detaillierten, interessanten Informationen zum Alltagsleben in der ehemaligen DDR. Der sensible, eher schweigsame Junge André, im Buch als “er“ bezeichnet, erträgt die schwere Bürde der großen Verantwortung für Bruder und kranker Mutter. Wie schwer diese familiäre Last ist, wird feinfühlig und atmosphärisch beschrieben, jedoch ohne Wut oder Vorwürfe gegenüber allen Familienmitgliedern. Der Vater spielt keine so wichtige Rolle hier, denn mit „Lappalien“ kann er nicht belastet werden neben dem Schreiben seiner Dissertation und starker akademischer Arbeitsbelastung mit Reisetätigkeit. Erzählerisch imponiert der Romanteil um André bis zu Teil 4, der eher die bisherige einheitliche Struktur zeitlich wirr verkompliziert.

Bewertung vom 02.12.2024
Über allen Bergen
Goby , Valentine

Über allen Bergen


ausgezeichnet

Über die Kraft der Natur und den Zauber der Berge
Dem Cover liegt ein Gemälde einer verschneiten, bergigen Winterlandschaft zu Grunde mit einer braun gekleideten Person am unteren Bildrand – passend zum Szenarium des Romans in den französischen Alpen. In drei Abschnitten je nach Jahreszeit strukturiert beginnt die Geschichte mit dem Jungen Vadim Pavlevitch, Jude, 12 Jahre alt, aus Paris. Ab dem Winter 1942 lebt er nun in Valloncine an den Aiguilles Rouges, einer Bergkette in den nördlichen französischen Alpen, unter falschem Namen - nämlich Vincent Dorselles – acht Monate lang in bäuerlicher Gemeinschaft bis zu erneutem Aufbruch im Herbst 1943. Nicht nur seine bisherige Asthma-Erkrankung heilt, auch seine anfängliche Schüchternheit, Blässe und Unterernährung scheinen während seines Reifeprozesses in idyllischer Landschaft und ursprünglicher Fauna und Flora zu schwinden. Während Vincent sich harmonisch einfügt bei der Mithilfe in tägliche bäuerliche Tätigkeiten, die sehr detailliert je nach Jahreszeit und Wetterlage beschrieben werden in authentischer, teils romantisierter Schreibweise, gewinnt er Freundschaft, erneute Familienwärme und fast eine neue Identität. Seine besondere Sensibilität für Farben erinnert nicht nur in seinen Zeichnungen an Kandinsky oder auch an Arthur Rimbaud mit seiner Sonett über Vokale, deren unterschiedlichen Charaktere er mit Farben verbindet. In die leise, atmosphärische Natur-Erzählung sind auch politische Fakten dieser Zeit eingeflochten wie die italienischen Alpini als Besatzer, Mussolinis Absetzung, die Ferienkindern aus Lyon etc. Anfang und Ende dieses Romans sind eingerahmt von den Gräueln des 2. Weltkriegs, doch im Kern bleibt in der dörflichen Abgeschiedenheit in den Bergen eine heile, behütende, mitmenschliche Welt bestehen. Der warmherzige, poetische Schreibstil gefällt.