Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
takabayashi
Wohnort: 
Berlin
Über mich: 
Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 156 Bewertungen
Bewertung vom 17.06.2023
Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1
Wacker, Florian

Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1


sehr gut

Nicht die übliche Schmuggelware!

Der Zollfahnder Lars Mathissen wird tot aus dem Main geborgen und die Abteilung für Kapitalverbrechen geht von Selbstmord aus. Staatsanwältin Greta Vogelsang ist anderer Meinung. Doch da sie wegen Arbeitsüberlastung kürzlich das Ressort gewechselt hat, ist sie nicht mehr zuständig. Trotzdem ermittelt sie auf eigene Faust weiter. Denn sie kennt Mathissen und hat ein schlechtes Gewissen, weil sie seine letzte Email ignoriert hat, obwohl DRINGEND im Betreff stand. Mathissen war einem großangelegten Schmuggel mit Glasaalen für den asiatischen Markt auf der Spur, hatte aber keine Beweise, sondern nur Indizien, und sie hatte das, wie auch Mathissens Kollegen, nicht so ernst genommen.
Es handelt sich um den ersten Band einer neuen Reihe, die in Frankfurt spielt. Greta Vogelsang, Staatsanwältin aus eher "bildungsfernem" Milieu stammend, hat sich nach oben gekämpft, nachdem sie in ihrer Jugend eher auf der anderen Seite stand und bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua 2001 dabei war. Sie ist eine sympathische Protagonistin, die anschaulich charakterisiert wird. Die Geschichte wird auch aus anderen Perspektiven geschildert, z.B. von Mian, einer jungen Frau aus Hongkong, die in einem China-Restaurant im Raum Frankfurt arbeitet, hin und wieder Kurierflüge nach Hongkong machen muss, und unter sklavenähnlichen Verhältnissen dort festgehalten wird. Auch Paul, ein arbeitsloser junger Franzose, ist am Rande in den Aalschmuggel verwickelt.
Gut lesbarer, flüssiger Schreibstil, interessante Protagonisten und ein ungewöhnlicher Plot (vom Schmuggel von Glasaalen hatte ich noch nie etwas gehört), all das hat "Die Spur der Aale" für mich zu einer unterhaltsamen, informativen und spannenden Lektüre gemacht. Ich freue mich auf Greta Vogelsangs nächsten Auftritt!

Bewertung vom 17.06.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


gut

Ein Leben als Fan

Das ist die Geschichte von Akari, einer japanischen Schülerin im Teenageralter. Die Autorin beschreibt die obsessiven Ausmaße, die das Fan-Sein bei ihr annimmt. Sie hat ganz offensichtlich schwere psychische Probleme, leidet unter Depression und Magersucht. Sie hat enorme Minderwertigkeitsgefühle, fühlt sich als unfähiges, dummes Trampel und wächst in einer dysfunktionalen Familie auf. Von ihrer Mutter und Schwester erfährt sie keinerlei Unterstützung, nur Vorwürfe und Genörgel. Die Beschäftigung mit ihrem Idol ist ihre Fluchtstrategie. Das geht so weit, dass ihr ihr Schicksal vollkommen gleichgültig ist und sie die Schule abbrechen will.
Es ist interessant, etwas über die asiatische Idol-Kultur zu erfahren, die es in diesen Ausmaßen bei uns nicht gibt. Letztendlich steckt eine gnadenlose Ausbeutung sowohl der Fans, als auch der sogenannten Idol-Groups dahinter. Die Autorin beschreibt das alles eindrücklich und gut, aber ich muss sagen, ich finde das Ganze ziemlich erschreckend.
Mich hat dieses schmale Bändchen traurig, aber auch aggressiv gemacht. Mir wäre ein etwas dickeres Buch mit mehr Hintergrundinformation lieber gewesen; man merkt, dass Akari schwer gestört ist, man ahnt, dass die familiären Umstände schuld daran sein könnten, aber ich hätte doch lieber mehr "Butter bei die Fische" gehabt. Es ist definitiv eine Kunst, so minimalistisch zu schreiben, aber mein Geschmack ist es nicht. Ich fand die Beschreibung dieses trostlosen Lebens, die Selbstzweifel dieser jungen Frau, ihre Art mit den Problemen umzugehen, erschütternd: das Buch lässt mich bedrückt und ratlos zurück.

Bewertung vom 23.05.2023
Komplizin
Li, Winnie M

Komplizin


gut

Interessant, aber weniger wäre mehr gewesen

Zuerst hat mir das Buch sehr gefallen. Als Cinephiler hat mich das Insiderwissen der Autorin sehr interessiert, außerdem freue ich mich immer über chinesische Autoren / Protagonisten, denn ich habe zehn Jahre in Taiwan gelebt und bin nicht nur cinephil, sondern auch sinophil.
Die Autorin kann sehr gut schreiben und die Beschreibungen von Sarahs (der Protagonistin) familiärem Hintergrund, von ihrer Affinität zu Filmen und ihrem Werdegang als - zunächst - unbezahlte Praktikantin in einer Produktionsfirma waren sehr gelungen und unterhaltsam. Sarah entdeckt, dass sie ein Händchen für Drehbücher hat und trägt mit ihrer Überarbeitung des Drehbuchs von Xander, einem Indie-Nachwuchsregisseur , maßgeblich dazu bei, dass dessen Drehbuch tatsächlich verfilmt werden kann. Der Film läuft dann sogar beim Festival in Cannes und dort lernen Sarah und ihre Chefin Sylvia Hugo North kennen, einen britischen Immobilien-Milliardär, der ins Filmgeschäft einsteigen will und Ihnen die Finanzierung ihres nächsten Films anbietet. Damit nimmt das Unglück seinen Lauf, denn die Figur des Hugo ist Harvey Weinstein nachempfunden.
Das Buch beginnt zehn Jahre später, Sarah ist inzwischen Dozentin für Drehbuchschreiben an einem unbedeutenden College, als ein Reporter der New York Times an sie herantritt und sie zum Thema Hugo North interviewen will. Da werden dann ihre mühsam verdrängten Erinnerungen wieder wach ...
Ungefähr die erste Hälfte des Buches habe ich mit ungetrübtem Vergnügen gelesen, aber dann fand ich, dass die Geschichte etwas zäh wurde und nicht so recht vorankam. Vor allem hat mich Sarahs Selbstmitleid gestört, denn so unterprivilegiert und diskriminiert, wie sie sich immer vorkommt, ist sie nun auch wieder nicht. Sie ist auch zu streng mit sich, denn wenn überhaupt, dann ist eher ihre Chefin Sylvia die "Komplizin" gewesen, die immer weggeschaut hat.
Alles in allem ein durchaus interessanter Roman zum Thema #metoo, der über weite Strecken auch gut unterhält, denn der Schreibstil ist angenehm und gut lesbar, aber etwas Straffung und Kürzung hätte ihm gut getan!

Bewertung vom 07.05.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Suter in Hochform!

Tom Elmer - mit abgeschlossenem Jura-Studium, aber ohne Job - reagiert auf eine eher altmodische Annonce und landet dadurch einen lukrativen Job als Nachlassverwalter für den sehr alten und sehr kranken Peter Stotz. Dieser ist steinreich, eine bekannte Persönlichkeit in der Schweiz, Nationalrat, Militär, Geschäfts- und Lebemann. Tom soll in die Gästewohnung in seiner Luxusvilla einziehen, soll das - größtenteils chaotische Aktenmaterial - sichten und entscheiden, was davon aufbewahrt und was geschreddert werden soll. Denn Dr. Stotz geht es darum, auf sein Image für die Nachwelt einzuwirken - er will gut dastehen. Neben dem Aktensortieren ist es vor allem auch Toms Aufgabe, seinem Arbeitgeber zuzuhören. Dieser erzählt von seiner unsterblichen Liebe zu Melody, von der Entwicklung ihrer Beziehung und davon, wie sie drei Tage vor der geplanten Hochzeit verschwand, und wie er sie danach ein Leben lang gesucht hat. Tom erfährt davon in kleinen Portionen in den sogenannten Kamingesprächen nach dem Mittagessen. Ihm (und auch uns Lesern) erschließt sich nach und nach Stotz' Lebensgeschichte und wie bei ihm wachsen auch bei uns die Zweifel, dass das alles wirklich so gewesen ist. Wir sind ja in einem Roman vo Martin Suter, und da ist meistens nicht alles so, wie es zuerst scheint!
Suter ist ein wunderbarer Beobachter und schildert äußerst reale Menschen. Sein lässiger Schreibstil liest sich süffig, in seinen Texten steckt auch immer eine gehörige Portion Humor und Ironie. Es geht durchaus geruhsam voran, aber die Spannung steigt stetig an, und ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Als ich dann nach zwei Tagen damit durch war, war ich auch traurig, dass es schon vorbei war, ich hätte gern noch mehr von all diesen Leuten gelesen. Andererseits war ich aber auch zutiefst beglückt von dieser anregenden und unterhaltsamen Lektüre! In meinen Augen das Beste, das Suter seit "Small World" geschrieben hat. Was nicht heißt, dass ich die anderen Bücher nicht gut fand, im Gegenteil, aber dieses kleine Meisterwerk hat mich besonders begeistert. Also: eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.05.2023
Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3
Horowitz, Anthony

Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Hawthorne und Horowitz ermitteln höchst unterhaltsam weiter

Wieder nimmt Anthony Horowitz uns in selbstironischer Weise in seine Welt mit, die Welt des Verlagswesens. Der Roman beginnt mit einer Sitzung im Penguin-Verlag, an der außer dem für Horowitz zuständigen Mitarbeiterstab auch seine Agentin teilnimmt. Man wartet auf Hawthorne, den ehemaligen Police Detective und jetzigen Privatdetektiv und Polizeiberater, der Anthony Horowitz dazu auserkoren hat, ihn quasi Doctor-Watson-mäßig zu begleiten und seine Heldentaten niederzuschreiben. Der erste Band „Ein perfider Plan“ steht kurz vor der Veröffentlichung und die Redaktion will Hawthorne kennenlernen. Dieser, der mit seinem Ghostwriter Horowitz nicht gerade freundlich umspringt, kann aber bei Bedarf seinen Charme sehr wohl anknipsen und kommt bei der Verlagscrew hervorragend an. Dadurch entsteht der Plan, die beiden zu einem Literaturfestival zu schicken.
So landen die beiden kurze Zeit später auf der kleinen Kanalinsel Alderney bei einem gerade erst neu ins Leben gerufenen Literaturfestival – und natürlich passieren dort, wo es vorher noch nie einen Mord gab, sogar gleich zwei Morde!
Zuerst lernen wir die bunt zusammengewürfelte und nicht sonderlich erlesene Teilnehmerschar kennen. Damit lässt sich der Autor viel Zeit, und erst dann passiert der erste Mord: das Opfer ist der Sponsor des Festival, ein überaus gehässiger und unsympathischer Mensch, für dessen Ermordung fast jeder der Anwesenden einen Grund hätte.
Unser Ermittlerduo folgt vielen falschen Fährten und muss viele seiner Verdächtigen von der Liste streichen. Schließlich wird der Fall glorios gelöst, doch das Ergebnis freut Hawthorne und Horowitz nicht sonderlich, denn ihre Sympathien liegen eher auf Seiten des Täters.
Das Ganze liest sich spannend und vor allem äußerst amüsant. Ich bevorzuge humorvolle Krimis, besonders wenn der Humor so schön britisch daherkommt. Der Reiz dieser Reihe liegt in der ungleichen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Hawthornes Persönlichkeit bleibt ein Rätsel auch für die Buchfigur Horowitz und wir bekommen in jedem weiteren Band nur in homöopathischen Dosen einige wenige neue Informationen über ihn. Und Horowitz stellt seine eigene Person sehr selbstironisch und in sich selbst herabwürdigender Art dar. Vieles aus seinem Leben und aus der Verlagswelt ist ja durchaus real, und diese Vermischung von Realität und Fiktion ist sehr reizvoll.
Diese gelungene Fortsetzung der Reihe unterhält bestens und bekommt von mir fünf Sterne und eine Empfehlung für alle Liebhaber des gepflegten britischen Krimis mit Humor.

Bewertung vom 25.04.2023
Lichte Tage
Winman, Sarah

Lichte Tage


sehr gut

Freundschaft, Liebe und Verlust

Es geht in diesem poetischen Roman um die Beziehungen zwischen drei Personen: zwei Männern und einer Frau.
Die auf dem Cover abgebildeten Van Gogh'schen Sonnenblumen stehen für den Kontrast zwischen einem Arbeiterleben im tristen Oxford der 50er und 60er Jahre und der sonnendurchfluteten und entspannten Zeit, die die beiden Protagonisten Ellis und Michael in der Provence verbringen. Die beiden lernen sich kennen, als Michael seine Eltern früh verliert und zu seiner Tante nach Oxford zieht. Es ist Freundschaft auf den ersten Blick, die sich im Laufe der Jahre unausgesprochen zu einer Liebe entwickelt, die während des kurzen Südfrankreichaufenthaltes zum Blühen kommt. Doch es sind die 60er und Ellis kann nicht zu dieser Liebe stehen. Er lernt Annie kennen und heiratet sie, und Annie erkennt die wichtige Rolle von Michael in Ellis' Leben und die Drei bilden ein unzertrennliches Gespann, dessen Wege sich dann allerdings irgendwann trennen.
All das erfahren wir aus den Erinnerugen von Ellis, der nicht Künstler geworden ist, sondern in derselben Autofabrik gelandet ist, in der sein Vater gearbeitet hat. Er ist mittlerweile 45, hatte einen Unfall mit dem Fahrrad und ist aufgrund seines eingegipsten Arms für längere Zeit krank geschrieben: Zeit zum Erinnern und Nachdenken! Annie ist vor ein paar Jahren gestorben und Ellis ist seitdem in der inneren Emigration. Nun beginnt er, sich mit seinem bisherigen Leben auseinanderzusetzen, die Erinnerungen blitzen sprunghaft auf. Er findet Michaels alte Tagebücher auf dem Speicher und nun erfahren wir einen Teil der Geschichte aus Michaels Perspektive.
Die Autorin kann ohne Zweifel gut schreiben, ich bin dem Leben der Drei sehr gern gefolgt. Wobei Annie etwas zu kurz kam; es geht hauptsächlich um Ellis und Michael und ihre ungelebte Liebe. Sehr leichtfüssig geschrieben, aber trotzdem auch ziemlich traurig, diese unerfüllte Liebe. Für mich persönlich sind allerdings zu viele Fragen offen geblieben ...

Bewertung vom 25.04.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


ausgezeichnet

Grandioser Genremix

Im Dezember 1941 wird der in Honolulu ansässige Polizist Joe McGrady mit der Aufklärung eines Doppelmords betraut, die Opfer sind ein junger Mann - der Neffe des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte - und dessen Freundin, eine junge Japanerin.
Ein gewisser John Smith gerät ins Visier der Ermittler, jedoch ist er gerade nach Hongkong abgereist und McGrady folgt ihm dorthin. Durch eine Intrige landet er dort im Gefängnis und wird dann nach dem Angriff Japans auf Pearl Harbour von den Japanern, die auch Hongkong besetzt haben, nach Japan deportiert, dort aber von einem japanischen Diplomaten gerettet, der ihn bei sich versteckt. Dort verlässt er jahrelang nicht das Haus und freundet sich mit der Tochter seines Retters an, die ihm Japanischunterricht gibt.
Der Roman ist nicht nur ein Krimi, er ist auch historischer Roman, Abenteuerroman, Anti-Kriegs-Roman und berührende Liebesgeschichte, er ist nicht einfach ein Thriller, sondern überraschend anders! Interessant auch die exotischen Schauplätze, und die kulturellen Einblicke die dem Leser gewährt werden. Der Autor schlägt ganz unterschiedliche Tonarten an und sein Joe McGrady ist ein sympathischer Protagonist, mit dem man mitfiebert. Ein tolles Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Bewertung vom 16.04.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


sehr gut

Ein römischer Commissario in Ligurien

Schön, ein Autor hat für seinen italienischen Regionalkrimi mal einen Schauplatz gefunden, der krimitechnisch meines Wissens noch nicht beackert wurde.
Vito Grassi aus Rom hat nach dem Tod seines Vaters beschlossen, sich nach Ligurien versetzen zu lassen, wo er ein Rustico von seinem Vater geerbt hat. Denn die Kinder sind mehr oder weniger aus dem Haus und er und seine Ehefrau leben nebeneinander her … da könnte ein Neuanfang guttun!
Die erste Überraschung: im Haus lebt Toni – wer ist sie: die Lebensgefährtin seines Vaters, ein Tochterersatz?
Dann auf der Arbeit: eine weibliche Vorgesetzte und eine aufgeweckte junge Kollegin. Grossi ist kein sehr umgänglicher Zeitgenosse; er braust schnell auf, sagt oft Dinge, die ihm schon während des Aussprechens leid tun, platzt mit Bemerkungen heraus, die er lieber hätte lassen sollen … kurz gesagt, die Zusammenarbeit gestaltet sich nicht unkompliziert, klappt aber schlussendlich dann doch. Gleich zu Beginn gibt es zwei Morde, die, wie sich herausstellt, zusammenhängen. Zunächst folgen die Polizisten zahlreichen falschen Fährten.
Ich habe gehört, dass die Cinque Terre sehr schön sind, und die Landschaftsbeschreibungen des Autors illustrieren das sehr schön. Er lässt sich Zeit, seine Protagonisten und die Örtlichkeiten vorzustellen und sorgt auch immer für genügend Spannung.
Ein gut lesbarer Schreibstil, gute, zum Teil humorvolle Dialoge, Lokalkolorit, spannende Kriminalfälle, interessante Charaktere, schöne Landschaft, gutes Essen – was will man mehr von einem Regionalkrimi?
Mich hat dieser kurzweilige Cosy sehr gut unterhalten, und ich freue mich auf den nächsten Band.

Bewertung vom 24.02.2023
Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3


ausgezeichnet

Ein Mordsvergnügen!

Der dritte Fall für den Donnerstagsmordclub und noch keine Abnutzungserscheinungen, im Gegenteil, die amüsanten und warmherzigen Geschichten werden immer besser! Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim sind allesamt Bewohner der edlen Seniorenresidenz Coopers Chase und haben sich zusammengefunden, um Cold Cases zu lösen: Ibrahim ist/war Psychoanalytiker, Ron Gewerkschafter, Elizabeth ehemalige MI5-Mitarbeiterin und Joyce ist eine nette alte Dame, die es aber faustdick hinter den Ohren hat. Um die vier herum gibt es einen Kreis von Freunden und Helfern, der bei jedem Band noch erweitert wird, und alle diese Figuren sind einem als Leser ans Herz gewachsen und bekommen auch genug Raum, um sich weiter zu entwickeln. In diesem Band kommen ein Ex-KGB-Chef (aus Elizabeths Bekanntenkreis), ein Fernsehmoderator, eine Maskenbildnerin und ein hünenhafter Wikinger hinzu, der sich perfekt auf Geldwäsche per Kryptowährungen versteht.
Der Mordclub hat sich auf den Fall einer Fernsehjournalistin verlegt, die vor etwa zehn Jahren im Zuge der Recherche zu einem ungeheuren Mehrwertsteuerbetrug ums Leben kam. Man ermittelt also im Fernsehmilieu, und dann wird Elizabeth entführt und mit der Drohung, dass ihre beste Freundin Joyce sonst umgebracht wird, dazu erpresst, ihren alten Freund Victor zu töten ...
Es geht also hoch her, Autor Osman hat sich wieder trickreiche Wendungen einfallen lassen, die vielleicht nicht ganz realistisch sind, dafür aber höchst unterhaltsam, und bietet dann eine völlig unerwartete Lösung. Dazu kommen noch ein paar neue Paarbildungen, auch diese äußerst vergnüglich. Spannung, Einfallsreichtum und Humor - was will der geneigte Cosy-Leser mehr? Ein rundum gelungenes Lesevergnügen! Jetzt heißt es wieder ein Jahr auf den nächsten Band warten ...

Bewertung vom 15.02.2023
Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


sehr gut

Faszinierendes Debut
Dieser ungewöhnliche Roman lässt sich schwer einem Genre zuordnen, als Thriller würde ich ihn jedenfalls nicht bezeichnen! Es ist ein Western, eine Liebesgeschichte, ein Rachedrama, das 1869 spielt, in der Zeit als das amerikanische Eisenbahnnetz gebaut wurde, größtenteils von chinesischen Arbeitssklaven. Es geht dem jungen Autor, der in Beijing geboren wurde und dann in den USA aufgewachsen ist, auch um die Kränkungen, die Misshandlung und die Ausbeutung seiner chinesischen Landsleute. Es ist ein Western, der nicht aus der weißen Perspektive geschrieben wurde.
Ming Tsu ist vom Schicksal in die Rolle des Auftragskillers verschlagen worden. Als Waisenkind aufgewachsen bei einem Amerikaner, den er als Vater anerkannte, der auch meistens gut zu ihm war und ihm aber eine ganz spezielle Ausbildung angedeihen ließ: als Hit-Man. Im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute spricht er fließend Englisch und gar kein Chinesisch. Zu seinem Pech verliebt er sich in ein weißes Mädchen, sie sich auch in ihn, sie brennen durch und heiraten: Das kann der Vater des Mädchens keinesfalls akzeptieren, seine Mannen brechen in die Idylle des Paares ein und bringen Ming fast dabei um. Dann wird er als Arbeitssklave an die Eisenbahngesellschaft verkauft. Nach einigen Jahren gelingt es ihm, zu fliehen, und zu diesem Zeitpunkt beginnt der Roman. Ming hat einen greisen, blinden Chinesen mitgenommen, der gewisse seherische Fähigkeiten hat. Und er hat sich geschworen, Rache zu üben an allen, die sein Glück zerstört haben und dann sein Mädchen wieder in die Arme zu schließen. Eine ziemlich naive und romantische Sichtweise für einen so harten Kerl. Ein Wanderzirkus heuert ihn als Begleitschutz an und mit dieser schrägen Truppe geht es auf die Reise nach Westen, Richtung Kalifornien.
Unterwegs verschwindet Ming immer mal wieder, um einen Kandidaten von seiner Todesliste zu eliminieren. Aber er ist kein schlechter Mensch, er entwickelt durchaus fürsorgliche, warme, einfühlsame Beziehungen zu einigen aus der Gruppe, er ist geduldig und friedfertig im Umgang mit seinen Reisegefährten. Es gibt immer wieder Kämpfe mit gegnerischen Gruppen, das sind die Stellen, die so sind, wie man sich einen Western vorstellt. In diesen Szenen geht es brutal zur Sache, aber trotzdem schafft der Autor es, dass man als Leser mit dem Protagonisten sympathisiert. Dann gibt es eindrückliche Landschaftsbeschreibungen und viele Szenen im Zusammenhang mit dem Propheten und der Gauklertruppe mit einem surrealen, irgendwie esoterischen, fast fellininesken Einschlag.
In meiner Jugend habe ich jede Menge Karl May gelesen, danach aber eigentlich mit dem Thema „Western“ abgeschlossen, Aber dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen, es ist eben viel mehr als nur ein Western, es ist Literatur!