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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

Bewertungen

Insgesamt 507 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2025
Der Traum des Jaguars
Bonnefoy, Miguel

Der Traum des Jaguars


gut

DER TRAUM DES JAGUARS
Miguel Bonnefoy

Die stumme Bettlerin Theresa findet auf den Stufen einer Kirche ein ausgesetztes Baby. Obwohl sie zunächst kein Interesse zeigt, nimmt sie den Jungen an sich und nennt ihn Antonio.
Wir begleiten Antonio durch die Straßen Venezuelas und fürchten, dass er auf die schiefe Bahn gerät. Doch rechtzeitig gibt ihm seine Ziehmutter den Rat, zu arbeiten – denn nur so könne man im Leben etwas erreichen. Antonio beginnt als Zigarettenverkäufer, nimmt jede Arbeit an, die sich ihm bietet, erkämpft sich schließlich ein Studium der Medizin und wird dank seines Fleißes und Geschicks zu einem angesehenen Arzt. Wir erleben seine Familiengründung, Revolutionen und politische Umbrüche des Landes . Wie es jedoch mit Antonio und seiner Tochter weitergeht, solltet ihr selber herausfinden.

Versprochen wurde ein magisch-realistischer Roman à la Márquez oder Allende – und genau das hat Bonnefoy eingelöst. Die Sprache ist farbenreich, voller Geschichten, Figuren, und selten habe ich ein Buch gelesen, das so bunt und schillernd war. Trotz der Vielzahl an Charakteren behält man stets den Überblick.

Allerdings blieben mir die Figuren seltsam fern. Keine der Hauptpersonen ist mir wirklich nahegekommen, alle wirkten eher wie Skizzen. Oft hatte ich das Gefühl, aus einer Art Vogelperspektive zu lesen – als befände man sich dauerhaft in einer Einleitung, ohne ganz in die Geschichte einzutauchen. Vielleicht liegt dies an der Erzählweise.

Besonders spannend fand ich den historischen Hintergrund Venezuelas mit seinen politischen Umwälzungen.

Fazit:
Ein atmosphärischer Roman für Fans von Isabel Allende und der magischen Erzählkunst Lateinamerikas. Für mich persönlich blieb er jedoch ein wenig zu distanziert.
3/5

Bewertung vom 26.08.2025
Mit dir steht die Welt nicht still
Müller, Melissa

Mit dir steht die Welt nicht still


sehr gut

MIT DIR STEHT DIE WELT NICHT STILL
Melissa Müller
ET: 23.04.2025

London, Juli 1951:
Auf einer Party begegnet John König der jungen jüdischen Frau Nanette Blitz. Sofort fühlen sie sich zueinander hingezogen, doch John plant, England zu verlassen und zu seinen Verwandten nach Brasilien auszuwandern. Die gemeinsame Zeit ist daher knapp und vergeht wie im Flug. Gerade als John merkt, wie sehr er sich in Nanette verliebt hat, ist der Tag der Abreise gekommen – der Abschied fällt ihm schwer.

Über eineinhalb Jahre hinweg schreiben sich die beiden intensive Briefe. So lernen sie sich immer besser kennen und schätzen. John erfährt von Nanettes Vergangenheit: ihrem Leben in Amsterdam, ihrer Freundschaft mit Anne Frank, der ständigen Angst vor der Deportation im Zweiten Weltkrieg. Sie überlebte als Einzige ihrer Familie das Konzentrationslager Bergen-Belsen und durfte erst Jahre später, aufgrund der schweren gesundheitlichen Folgen ihrer Haft, nach London zu ihren Tanten reisen.
John hingegen floh mit seinen Eltern rechtzeitig aus Budapest nach England. Nach deren Tod sucht er nun einen Neuanfang in Südamerika.

Melissa Müller hat hier ein berührendes Liebes- und Lebensporträt eines besonderen und beeindruckenden Paares gezeichnet. Sie durfte die beiden noch persönlich kennenlernen und steht bis heute in Kontakt mit deren Kindern und Enkeln.

Besonders eindrucksvoll ist der Briefwechsel: Nanette war ihrer Zeit weit voraus – ihr feiner Humor und ihr Lebensmut, trotz Krankheit und schwerer Vergangenheit, verzauberten nicht nur John, sondern berühren auch die Leser. Sehr gelungen fand ich zudem die zahlreichen Fotos des Paares, die das Buch noch authentischer und greifbarer machen.

Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf.
4/5

Bewertung vom 24.08.2025
Der Krabbenfischer (MP3-Download)
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer (MP3-Download)


gut

DER KRABBENFISCHER
Benjamin Wood
Gelesen von Raschid Daniel Sidgi
Longferry, England, in den Sechzigerjahren:
An der Küste von Longferry fischt der 20-jährige Thomas Flett Krabben – so wie schon sein Großvater. Doch er ahnt, dass diese Tage gezählt sind. Zu oft findet er im Meer Dinge, die dort nicht hingehören: Chemikalien, Müll und die neuen zerstörerischen Fangtechniken tun ihr übriges.
Thomas hält an der alten Methode fest. Jeden Morgen, zum ersten Niedrigwasser, spannt er sein Pferd an und fährt mit dem Wagen zum Strand, um mit Hand und Netz im Watt zu fischen. Ergiebig ist diese Arbeit nicht – meist füllt er keine zwei Körbe –, doch sie reicht, um mit seiner Mutter ein bescheidenes Leben zu führen.
Eines Tages begegnet er dem Regisseur Edgar Acheson, der für seinen neuen Film einen Drehort sucht. Er bietet Thomas eine Arbeit an – ob dies wirklich eine Chance ist, müsst ihr selbst herausfinden …

Benjamin Wood hat einen leisen, atmosphärischen Roman geschrieben, der von den Geschichten lebt, die er uns erzählt. Man spürt den dichten Nebel, das nasskalte Wetter, das durch jede Ritze zieht, und die Gefahr der Senklöcher, die wie Treibsand ganze Menschen und Tiere verschlingen können.
Wir begleiten Thomas bei seiner Hoffnung auf Veränderung. Für mich war es ein Roman, den ich gern gelesen und gehört habe – der Sprecher verleiht der Geschichte mit seiner warmherzigen Stimme zusätzliche Tiefe.
Eine klare Empfehlung für alle, die ruhige, atmosphärisch dichte Erzählungen mögen.
3½/5

Bewertung vom 20.08.2025
Zu wenig vom Guten
Ruffieux, Katinka

Zu wenig vom Guten


ausgezeichnet

ZU WENIG VOM GUTEN
Katinka Ruffieux
ET: 09.07.2025

„Ich kann den Tod meiner Schwester nicht begreifen, aber ich habe ihn verstanden. Möglich, dass ich ihn irgendwann verzeihe, ihr und mir, aber auch jedem anderen“. (S. 246)

Katinka Ruffieux erzählt die Geschichte von zwei Schwestern, die mit ihrer ungarischstämmigen Familie in der Nähe von Zürich leben – zwischen Sehnsucht und Angst, Hoffnung und Verlust. Sie warten auf die Einbürgerung wie auf einen erlösenden Moment, bemühen sich, unsichtbar zu bleiben, angepasst zu wirken, ja keinen Fehler zu machen, der diesen Traum zerstören könnte.

Die Autorin führt uns in den „Fischbau“, ein großes Mehrfamilienhaus, das seit der Flucht aus Ungarn ihr Zuhause ist. Der Platz ist knapp – die Mädchen teilen sich ein Schlafzimmer mit dem Großvater, die Waschmaschine steht im Wohnzimmer. Wir riechen den Duft ungarischer Speisen, die die Mutter liebevoll auf den Tisch stellt. Und obwohl wir von der ersten Seite an wissen, dass die Schwester der namenlosen Ich-Erzählerin sterben wird, hoffen wir bis zuletzt, dass sich das Schicksal noch umstimmen lässt.

Doch nach dem Tod des Großvaters zerbricht das fragile Gleichgewicht. Der Vater verlässt die Familie, und ohne ihn fühlen sie sich nicht mehr vollständig. Die Schwester verliert den Halt, sucht Freiheit – und findet sie in der falschen Gesellschaft. Die Mutter, erschöpft und gezwungen, wieder zu arbeiten, hat keine Kraft mehr, sich zu kümmern. Die Abwärtsspirale beginnt: Drogen, falsche Freunde – und eines Abends kommt sie nicht mehr nach Hause.

Katinka Ruffieux hat mit zarter Sprache und feinem Gespür für Zwischentöne ein eindrucksvolles Debüt geschaffen. Besonders ihre kleinen, poetischen Wortspiele verleihen dem Text eine leise Schönheit.
Es ist ein Roman über Migration, Verlust, Zugehörigkeit und Sehnsucht – nach einer Heimat, die in der Fremde niemals ganz zu finden ist. All das verdichtet die Autorin zu einer Atmosphäre, die lange nachhallt.
5/5

Bewertung vom 18.08.2025
Junge Frau mit Katze
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


gut

JUNGE FRAU MIT KATZE
Daniela Dröscher
ET: 14.08.2025

In "Lügen über meine Mutter" erzählte Daniela Dröscher eindringlich von Elas Kindheit – von einer Mutter, die sich im ständigen Kampf mit ihrem Körper befand, und einem Vater, der nie müde wurde, an seiner Frau herumzukritisieren.
Im neuen Buch verschiebt sich der Blickwinkel: Nun geht es darum, welche Spuren diese Kindheit in Elas Erwachsenenleben hinterlassen hat.

Seit fünf Jahren arbeitet Ela an ihrer Doktorarbeit. Die Dissertation ist bereits eingereicht, jetzt steht nur noch die Verteidigung bevor. Doch anstatt erleichtert zu sein, wächst die Anspannung ins Unerträgliche. Eine Kehlkopfentzündung zwingt sie zur Schonung, das verschriebene Medikament löst einen allergischen Schock aus, Herzrasen und Atemnot kommen hinzu – und schließlich landet Ela im Krankenhaus.
Kaum zurück im Alltag, reißen die Beschwerden nicht ab: Schlafstörungen, ständige Erschöpfung, Schwindelattacken, Magenprobleme und Panikgefühle bestimmen ihren Alltag und lassen sie immer tiefer in einen Kreislauf aus Krankheit und Angst geraten.
Zu allem Überfluss entsteht durch ein Missverständnis der Eindruck, sie beherrsche Japanisch in Wort und Schrift. Ihr Doktorvater nimmt das für bare Münze – und macht ihr das überraschende Angebot einer Habilitation. Anstatt sich darüber zu freuen, setzt dieses Versprechen einer akademischen Zukunft Ela zusätzlich unter Druck. Sie fühlt sich zu krank, um für die Disputation zu lernen, sucht immer neue Ärzte auf, sammelt widersprüchliche Diagnosen und verliert sich in einem Strudel aus Überforderung, Selbstzweifeln und Symptomen, die immer neue Formen annehmen.

Eine weitere Erzählebene widmet sich ihrer komplizierten Beziehung zur Mutter und zum Bruder. Mehr möchte ich hier jedoch nicht vorwegnehmen.

Mein Fazit:
Normalerweise lese ich Geschichten über Krankheit nicht gern. Doch Dröschers leichte, klare Sprache hat mich durch die Seiten getragen. Für mich ist es kein Buch, das man unbedingt gelesen haben muss – aber eines, das sicherlich seine Leserschaft finden wird. Empfehlenswert vor allem für Leser*innen, die sich gerne mit den Themen Krankheit, Psyche und familiären Prägungen beschäftigen.
3/5

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2025
Der Wurm
Imgrund, Barbara

Der Wurm


ausgezeichnet

DER WURM – Eine kleine Geschichte
Barbara Imgrund
ET: 27.03.2025

„Der Wurm war im Tal angekommen, und als er sich dort unten breitgemacht hatte, nahm er sich auch die Höhen vor. Kein Ort war vor ihm sicher, überall gab es Leute, die unzufrieden waren oder nicht genug von dem bekamen, was sie brauchten, und deshalb hatten sie offene Ohren für die Einflüsterung des Schmarotzers“. (S. 39)

Martha ist 87 Jahre alt, als sie ohne Lebenswillen auf den alten, verfallenen Hof ihrer Eltern – direkt am Berg – zurückkehrt.
Als letzte Überlebende ihrer Familie möchte sie Frieden mit den Dämonen ihrer Vergangenheit schließen. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs beging sie als kleines Mädchen einen fatalen Fehler, der unverzeihlich war. Er zerstörte nicht nur ihre Familie, sondern belastete sie ihr Leben lang mit quälenden Gewissensbissen. Nur ihrem Mann, der vor einem Jahr verstarb, konnte sie später die Wahrheit anvertrauen.

Doch Martha lag falsch: bereits lange vor dieser Tragödie war die Familie am Zerbrechen: Der Vater kehrte versehrt aus dem Ersten Weltkrieg heim – griesgrämig und schnell reizbar. Die Mutter brachte fast jedes Jahr ein Kind zur Welt, doch nicht alle überlebten. Die Grippe hatte auch den Hof hoch oben am Berg erreicht. Schließlich aber wurde der Wurm ihr Verderben. Der Nationalsozialismus konnte sich beim Vater einnisten, denn es gab immer mehr hungrige Münder zu stopfen, und die Vorräte reichten nicht aus. Da hatte der Wurm ein leichtes Spiel …

Barbara Imgrund hat hier ein kleines literarisches Meisterwerk geschaffen:
Mit sicherer Hand wechselt sie zwischen der jungen und der alten Martha und lässt uns als Zeitzeugen die Familie im Nationalsozialismus begleiten.
Dieses schmale Büchlein mit gerade einmal 150 Seiten ist ein eindringliches Mahnmal – eine Geschichte, die man gelesen haben muss, um zu verhindern, dass der Wurm jemals wieder Wurzeln schlägt.

Fazit:
Ein spannendes, zeitgenössisches Buch, das Vergangenheit und Gegenwart kunstvoll verbindet.
Große Leseempfehlung!
5/5

Bewertung vom 15.08.2025
Ein Schrei im Ozean
d`Halluin, Benoit

Ein Schrei im Ozean


ausgezeichnet

EIN SCHREI IM OZEAN
Benoit d’Halluin
ET: 6.6.2025
Der Franzose Oliver und sein kambodschanischer Freund Arun leben seit sieben Jahren in Paris. Kennengelernt haben sie sich in einem Restaurant, in dem Arun als Kellner arbeitete. Nachdem Arun zu Oliver gezogen war, wollte dieser nicht mehr, dass sein Freund arbeitet – also hütete Arun das Appartement und langweilte sich zunehmend.

Zum ersten Mal reisen sie gemeinsam nach Pattaya, Thailand, damit Arun seine Familie im benachbarten Kambodscha besuchen kann. Als er aus seinem Heimatdorf zurückkehrt, erfährt er, dass Oliver ihn in dieser Zeit mit einem Prostituierten betrogen hat. Ein heftiger Streit eskaliert. Arun verlässt wütend das Restaurant, schreibt Oliver eine letzte Nachricht, blockiert ihn und fährt mit dem Taxi in den kleinen Fischerhafen Bang Saray. Dort spricht ihn ein Fremder an, spendiert ihm Drinks – und wenig später erwacht Arun im Laderaum eines Fischerbootes, mitten auf dem Ozean.

Arun ist einer von über 200.000 Zwangsarbeitern, die in Thailands Fischfangflotte – der viertgrößten der Welt – festgehalten werden.
Ob er und Oliver sich jemals wiedersehen, müsst ihr selbst herausfinden.

Benoît d’Halluin erzählt die Geschichte aus wechselnden Perspektiven und auf mehreren Zeitebenen – und entlarvt dabei schockierende Praktiken der Fischerei, die nicht nur Menschenleben zerstören, sondern auch zur Überfischung der Meere beitragen.

Obwohl ich seit mehr als 25 Jahren in Thailand lebe, hatte ich keine Ahnung, was sich nur 1,5 Stunden von meinem Zuhause abspielt. Ich wusste nicht, dass es dort Leinenlängen von bis zu 70 Kilometern(!!!) gibt – in der EU sind nur 10 Kilometer erlaubt! Unfassbar!
Wusstet ihr, dass Fischer täglich das Fünfhundertfache des Erddurchmessers mit Netzen auslegen?

Dies ist mein zweites Buch von Benoît d’Halluin. Den Vorgänger habe ich geliebt – aber dieses Buch geht tiefer, schmerzt, macht wütend, zeigt mir meine Machtlosigkeit auf und muss deshalb unbedingt gelesen werden. Ein echter Pageturner und für mich ein #Highlight.

LEST DIESES BUCH! Und sorgt dafür, dass dieser Schrei im Ozean gehört wird!
5+/5

Übrigens: Die Bücher des @verlag_karlrauch sind mit ihrer strukturierten Oberfläche („Peywave“) ohnehin wunderschön – doch dieses Cover mit seinen Wellen ist kaum zu übertreffen.
Vielen Dank an #KarlRauch und @benoit.d.h 🌊💙

Bewertung vom 10.08.2025
Im Leben nebenan
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

IM LEBEN NEBENAN
Anne Sauer
ET: 10.07.2025

Antonia, von allen nur Toni genannt, ist seit Langem mit Jakob zusammen. Sie liebt alles an ihm: seinen Geruch am Morgen, seine Halskette und dass er ihr genug Freiraum zum Atmen lässt. Heiraten war nie ein Thema – doch jetzt, Mitte 30, kommt die Frage nach Kindern auf. Wollen sie welche? Oder genießen sie lieber weiter ihre Freiheit? Braucht man wirklich diese ständig schreienden Babys im Leben?

Als die Entscheidung schließlich auf Ja fällt, sieht Toni plötzlich überall Schwangere und Mütter mit Kindern. Gefühlt jede Frau ist schwanger oder bereits Mutter – nur bei ihr passiert … nichts. Keine Eizelle will sich befruchten lassen. Es beginnt ein zermürbender Kreislauf: Hormontherapie, Sex nach Fahrplan, Schwangerschaftstests, ständige Nachfragen von Freunden – und das alles, weil sie den Fehler gemacht hat, ihren Kinderwunsch offen zu erzählen.

Und dann die Frage: Was wäre, wenn sie damals einen anderen Weg eingeschlagen hätte?

In einem nun anderen Lebensszenario wacht Toni eines morgens wie gerädert auf – mit einem Baby an der Brust. Sie weiß nicht, wo sie ist, erkennt jedoch den Ausblick: ihr Heimatdorf. Als ihr Ex-Freund Adam sich als ihr Ehemann vorstellt, will sie sofort fliehen. Doch mit einem vier Monate alten Baby namens Hanna ist das gar nicht so einfach. Alles fühlt sich falsch an – der Mann, das Kind und die Narbe seit der Geburt.
Was war passiert?
Das müsst ihr am besten selbst herausfinden …

Mein Eindruck:
Anne Sauer greift ein Thema auf, mit dem sich jede Frau früher oder später auseinandersetzen muss: Will ich Kinder – und was, wenn es nicht klappt? Sie beleuchtet einfühlsam beide Seiten: den nicht vorhandenen Kinderwunsch und den unerfüllten. Ihr flüssiger Schreibstil hat mich mühelos durch die Seiten getragen, und ich habe die unterschiedlichen Szenarien mit großem Interesse verfolgt. Besonders jüngeren Frauen kann ich dieses Buch sehr ans Herz legen.

Das Ende ist ungewöhnlich, mutig und offen – für mich hat es perfekt gepasst.

Fazit:
Ein starkes Debüt, das nachhallt und berührt. Für mich eine absolute Leseempfehlung.
5 / 5

Bewertung vom 05.08.2025
Ocean - Gefangen im Blau
Clark, Polly

Ocean - Gefangen im Blau


gut

OCEAN – Gefangen im Blau
Polly Clark
ET: 30.05.2025

Helen und Frank stehen kurz vor dem Ende ihrer Ehe, als Helen mit 42 Jahren noch einmal schwanger wird. Das ungeplante Kind soll ihrer Beziehung neuen Halt geben – auch Sohn Nicholas freut sich auf das Geschwisterchen.

Doch alles kommt anders: Helen gerät in der Londoner U-Bahn in einen Bombenanschlag und verliert das Baby. Nur durch die Hilfe eines Mannes namens James überlebt sie. Die Trauer über den Verlust lähmt sie, starke Medikamente intensivieren ihr Gefühl, nicht mehr am Leben teilnehmen zu können.
Helen beginnt, von ihrem Retter zu träumen. Sie schreibt ihm imaginäre Briefe und versucht, ihn ausfindig zu machen.

Ein Wendepunkt kommt, als Frank seine Firma verkauft und die Yacht „Innisfree“ kauft – jenes Boot, auf dem sie sich einst kennengelernt haben. Mit ihrem Sohn und ihrer Pflegetochter brechen sie zu einer Atlantiküberquerung auf. Alles wird verkauft, das alte Leben hinter sich gelassen.
Doch der ersehnte Neuanfang auf hoher See entpuppt sich bald als Zerreißprobe: Die alten Konflikte holen sie ein, auf engstem Raum entladen sich angestaute Spannungen.

Ob am Ende wirklich alle gemeinsam wieder von Bord gehen – das müsst ihr selbst herausfinden.

Ich liebe das Meer. Und ich liebe dieses Cover!
Aber liebe ich auch den Inhalt?

Ganz ehrlich: Der Anfang war für mich richtig schlimm. Ich wollte das Buch schon zurück ins Regal stellen.
Aber irgendetwas hat mich weiterlesen lassen. Ich stand gefühlt mit offenem Mund in der Küche der Protagonisten – Zeugin von unfassbar verletzenden Dialogen. Wie kann man sich so viele Gemeinheiten an den Kopf werfen und im nächsten Atemzug gestehen, dass man sich trotzdem noch begehrt?

Ja, vieles war too much. Einige Entscheidungen waren für mich einfach nicht nachvollziehbar.
Aber dann kam die zweite Hälfte – die Reise auf dem Boot. Und die war spannend, intensiv, atmosphärisch. Ich habe diesen Teil verschlungen.

Fazit:
Liebt ihr das Meer?
Habt ihr Lust auf Drama, Wellen und emotionale Achterbahnfahrten?
Dann lest dieses Buch!

Von mir gibt’s:
🌊 für die erste Hälfte
🌊🌊🌊🌊🌊 für die zweite
= 🐭🐭🐭 insgesamt.

Bewertung vom 04.08.2025
Entscheidungen auf Tuga
Segal, Francesca

Entscheidungen auf Tuga


sehr gut

ENTSCHEIDUNG AUF TUGA
Francesca Segal
Band 2 der Tuga-Trilogie
ET 24.07.2025
Charlotte Walker ist auch nach dem Ende ihres Forschungsauftrags auf der Insel Tuga de Oro geblieben.
Ursprünglich war sie angereist, um die seltenen Goldmünzen-Schildkröten zu erforschen und gleichzeitig ihren Vater zu finden, der auf der abgelegenen Insel lebt. Sie hatte ihn nie kennengelernt und sich zeitlebens nach ihm gesehnt. Doch nach dem ersten Treffen stellte sich schnell heraus, dass er weder von ihrer Existenz wusste noch Interesse an einer Beziehung hatte.
Erst als sie Levi begegnete und sich in ihn verliebte, entschied sie sich, dauerhaft auf Tuga zu bleiben.

Mittlerweile hat sie sich gut in das einfache Leben auf der Insel eingefunden und arbeitet dort als Tierärztin. Tuga ist winzig – nur etwa sechzig Menschen leben hier, jeder kennt jeden, Geheimnisse gibt es kaum. Während der Zeit des „Island Close“, wenn aufgrund der Schlechtwetterperiode keine Schiffe anlegen oder abfahren können, ist die Insel völlig von der Außenwelt abgeschnitten.

Als plötzlich ein Segelboot genau in dieser Zeit einen Notruf sendet, ist die Sorge groß: Ein Passagier soll dringend ärztliche Hilfe benötigen. Mutig setzen sich einige Inselbewohner einem riskanten Rettungseinsatz aus – nur um festzustellen, dass es sich bei dem angeblich kranken Gast um Charlottes quicklebendige Mutter handelt: Lucinda Compton-Neville.
Sie ist fest entschlossen, dass die Zeit ihrer Tochter auf Tuga ein Ende haben muss. Charlottes Einwände wischt sie beiseite. Doch nicht nur Charlottes Leben wird durch die Ankunft ihrer dominanten Mutter durcheinandergebracht, auch das Leben der Inselbewohner gerät aus dem Gleichgewicht. Ob Lucinda ihre Tochter tatsächlich zur Rückkehr nach London bewegen kann – und zu welchen Mitteln sie greift –, sollte jede*r selbst nachlesen.

Auch der zweite Band der Tuga-Trilogie überzeugt mit Francesca Segals flüssigem und bildhaftem Erzählstil. Mit viel Einfallsreichtum entführt sie uns erneut auf die kleine (fiktive) Insel und lässt uns eintauchen in das Leben der manchmal etwas schrulligen, aber liebenswerten Einheimischen.

Auch wenn dieser Band meines Erachtens nicht ganz an seinen Vorgänger heranreicht, ist er ein ideales Buch für den Sommerurlaub – besonders für Leser*innen, die gerne in atmosphärische Inselwelten eintauchen.
Ich freue mich schon sehr auf den abschließenden Teil der Reihe und bin gespannt, wie Charlottes Geschichte weitergeht.

Fazit:
Ein warmherziger Inselroman mit Charme. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen, doch ich empfehle, unbedingt mit Band eins zu beginnen.
4/5