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Benutzername: 
Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 967 Bewertungen
Bewertung vom 16.01.2025
Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen (eBook, ePUB)
Southon, Emma

Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen (eBook, ePUB)


sehr gut

Emma Southon hat hier ein kurzweiliges Buch über die lange Geschichte des Römischen Reiches geschrieben. Dafür teilt sie die Zeitspanne von rund 1500 Jahren in folgende vier Abschnitte und geht dem Gründungsmythos der Stadt („753 Rom kroch aus dem Ei“) nach. Archäologische Ausgrabungen auf dem Palatin lassen auf eine Besiedelung ab ca. 1.000 vor Christus schließen.

Das Königreich
Die Republik
Das Imperium
Spätantike

Wie im Titel angekündigt, erzählt sie die Geschichte dieses mächtigen (und dekadenten) Reiches an Hand von 21 Frauengestalten. Einige sind bekannter (wie Clodia, Boudicca, Zenobia oder Galla Placidia) und andere treten erstmals vor den Vorhang wie Tullia, der ihr Ehemann mittels eines Epitaph gedenkt oder Iulia Felix, die Geschäftsfrau in Pompeji.

Die Geschichten der Frauen sind vornehmlich von Männern wie Cicero, Catull, Livius oder Plinius überliefert und entsprechend gefärbt.

Ein grober Schnitzer ist mir im Kapitel „Tullia“ auf S. 128 aufgefallen: Hier wird das Jahr der Ermordung Caesars mit 45 v. Chr. angegeben. Das ist falsch. Caesar wurde 44 v. Chr. erstochen. Wem auch immer dieser Fehler anzulasten ist. Jedenfalls ändert sich dadurch die Abfolge der nachfolgenden Ereignisse: Denn Octavianus bildet ab 43 v. Chr. das Triumvirat mit Marcus Antonius und Marcus Aemilius Lepidus

Ich habe mir ehrlicherweise nicht die Mühe gemacht, alle Jahreszahlen zu überprüfen, vermute aber weitere Ungenauigkeiten, was sich auf die Bewertung auswirkt.

Der Schreibstil ist launig, manchmal ein wenig flapsig, rückt aber das Weltbild, das man von den Römern hat, ein wenig zurecht. Der Blick auf ein Römerlager ist für alle jene interessant, die ausschließlich marschierende Soldaten im Kopf haben. Da ich als Wienerin das Legionslager und die Zivilstadt im Archäologiepark von Carnuntum vor der Haustüre habe, ist mir auch das zivile Leben gut bekannt.

Zahlreiche Fußnoten säumen unseren Weg durch die römische Geschichte, die im Anhang aufgelistet sind.

Fazit:

Diesem kurzweiligen Buch über die lange Geschichte des Römischen Reiches an Hand von 21 Frauen gebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 16.01.2025
Das Vogel-Tattoo (eBook, ePUB)
Mikhail, Dunya

Das Vogel-Tattoo (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die junge Jesidin Helen lebt mit ihrer Familie in Halliqi, einem kleinen abgelegenen Bergdorf im Nordirak. Als sie 2003 den Witwer Elias kennen und lieben lernt, verlässt sie das einsame Dorf und lebt mit ihm im nahen Mosul. Als Zeichen ihren Liebe lassen sich die beiden statt eines Eheringes ein Vogeltattoo stechen.

Elias ist Journalist und ist einer der ersten, der 2014 von den Männern des Daesh (IS) verschleppt wird. Helen lässt ihre wenige Wochen alte Tochter sowie ihre beide halbwüchsigen Söhne zurück und macht sich auf die Suche nach Elias. Dabei gerät sie in die Fänge der Terrororganisation und wird an verschieden Männer verkauft und systematisch misshandelt.

Auf abenteuerliche Weise gelingt ihr nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen die Flucht und die Rückkehr nach Halliqi, das inzwischen ein Fluchtpunkt für zahlreiche vom Daesh verfolgte Menschen ist. Elias bleibt weiter verschwunden und die beiden Söhne sind mittels Gehirnwäsche zu Mudschaheddin ausgebildet worden.

Meine Meinung:

Wir Leserinnen und Leser aus Mitteleuropa können uns das Leid der Menschen, die vom Daesh entführt, misshandelt, zwangsmissioniert, zwangrekrutiert und letztlich oft getötet werden, kaum vorstellen. Erinnerungen an die Erzählungen von brutaler Christianisierung und den Genozid während der NS-Diktatur werden wach. Und das alles im 21. Jahrhundert? Dieser Roman gibt dem Leid der Jesiden, die als christliche Religionsgemeinschaft gelten, eine fassbare Stimme. Helen steht stellvertretend für Tausende Frauen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben.

Gekonnt wird der Kontrast zwischen dem friedlichen Zusammenleben der Menschen im unwirtlichen Gebirge im Nordirak und den Gräueltaten des Daesh dargestellt. Helens Familie lebt vom Obst- und Gemüseanbau, Feigen sind das wohl bekannteste Produkt. Ihr Vater ist als Beschneider ein geachteter Mann. Das hilft dann, als Helen mit ihren Kindern das Dorf verlassen kann.

Berührend sind die Szenen, als wir erfahren, dass Helen und Elias die Dorfbewohner jeglichen Alters im Lesen und Schreiben unterrichten. Das von Batterien betriebene Radio wird als Zauberkasten betrachtet. Mobiltelefone halten erst spät, und dann durch Flüchtlinge Einzug in Halliqi, erweisen sich aber dann als wichtiges Requisit, um die Menschen außer Landes zu bringen.

Der Roman betrachtet die unterschiedlichen Schicksal aus verschiedenen Perspektiven. Im Zentrum stehen stets Helen und ihre Familie, für die vielen tausenden Menschen, die ähnliche Schicksale teilen.

Fazit:

Diesem Buch, das mich sehr betroffen macht, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 16.01.2025
Bitterer Hass (eBook, ePUB)
Lautenschläger, Angela

Bitterer Hass (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Anwältin Theresa Sommer und KHK Lukas Kampmann wagen das Experiment eines „Generationenhauses“. Sie ziehen erstmals zusammen, übersiedeln mit Kampmanns betagten Eltern und seinem Bruder in ein Haus, das in Wohldorf, einen beschaulichen Hamburger Vorort liegt. Vor allem die unabhängige Theresa ist skeptisch. So viel Familie auf einem Haufen? Kann das gut gehen? Noch kann niemand ahnen, dass das ungewohnte Zusammenleben das kleinste Problem sein wird und welche Schlangengrube sich hinter den mehr oder weniger gepflegten Gärten verbirgt.

Während sie versuchen, Ordnung in das Chaos der unzähligen Übersiedlungskartons zu bringen, wird Lukas Kampmann auf den örtlichen Fußballplatz gerufen: Sebastian Schramm, Trainer der Jugendmannschaft des FC Wohldorf ist erschlagen worden. Kampmann ist verwundert, dass niemand, nicht einmal die Familie Krüger, deren Sohn Leon nun in der Nachwuchsliga Fußball spielt, ein gutes Haar an dem Toten lässt.

Je mehr sich Kampmann und sein Team mit dem Toten beschäftigen, desto mehr Ungereimtheiten kommen ans Tageslicht. Warum erhielt Schramm von Karsten Beeken, einem Sponsor des Fußballvereins eine monatliche Zuwendung? Und warum haben sich die einstmals besten Freunde Schramm, Krüger, Kramer und Jensen zerstritten?

Gleichzeitig bekommt Theresa ihr erstes Mandat: Karsten Beekens Frau will sich scheiden lassen. Warum ausgerechnet JETZT? Und was hat es mit dem vergilbten Zettel auf sich, den Theresa in der Eckbank der Küche findet, auf dem nach Jytte Sundermann, einer jungen Frau, die vor dreißig Jahren verschwunden ist, gesucht wird? Und warum hat Theresa Sommer das Gefühl, dass in dieser Dorfgemeinschaft einige etwas zu verbergen haben?

Hier kommt nun Theresas Tante, Hedwig Fröhlich, ins Spiel, die mit ihr eine Anwaltskanzlei betreibt und mit einem sensiblen, detektivischen Gespür ausgestattet ist. Gemeinsam mit Taxifahrer Mustafa Yildirim haben Theresa und Hedwig in der Vergangenheit dazu beigetragen, Verbrechen aufzuklären.

Meine Meinung:

Wieder einmal habe ich den letzten, diesmal 5. Fall einer Krimi-Reihe zuerst gelesen, obwohl Band 1 bis 4 bereits auf dem Stapel ungelesener Bücher liegen.

Ich kenne die Autorin Angela Lautenschläger schon aus ihrer Reihe um Nachlasspflegerin Friederike Engel und KHK Nicolas Sander. Ihr Schreibstil gefällt mir sehr gut und dass ihre Bücher in meiner deutschen Lieblingsstadt Hamburg (und Umgebung) spielen, ist auch kein Nachteil.

Angela Lautenschläger nimmt sich hier eines spannenden Themas an: Dem Zusammenziehen zweier starker Persönlichkeiten, davon einer, mit schwer kalkulierbaren Arbeitszeiten. Um diese Situation noch ein wenig zu verschärfen, sind Lukas Eltern und sein Bruder Marc Teil der Hausgemeinschaft. Die Mutter bereits ein wenig dement und Marc ein Luftikus, was Freundinnen betrifft. Aus dieser ungewöhnlichen Familienkonstellation ergeben sich einige sowohl komische also auch berührende Momente. Allerdings bietet sie auch jede Menge Entwicklungspotential für alle.

Geschickt wird der Tod des Fußballtrainers in ein komplexes Beziehungsgeflecht der Dorfbewohner untereinander eingebettet. Am Ende wird vom scheinbaren Idyll wenig übrig sein.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 07.01.2025
Unmöglicher Abschied (eBook, ePUB)
Kang, Han

Unmöglicher Abschied (eBook, ePUB)


gut

Die Ich-Erzählerin Gyeongha, eine depressive junge Frau, die kaum ihr Bett verlässt, reist nach einem Anruf ihrer langjährigen Freundin Inseon zuliebe, die im Krankenhaus liegt, von Seoul zu deren Haus auf der Insel Jeju, um ihren Vogel Sama zu versorgen. Auf der beschwerliche Reise durch unwirtliches und winterliches Gebiet, die sie mit Flugzeug, Bus und zuletzt zu Fuß durch die Nacht unternimmt, überfallen sie eigene und erzählte Erinnerungen an das Jeju-Massaker 1948, über das bis heute nicht gesprochen werden darf. Auch Gyeonghas und Inseons Familien sind davon betroffen.

„Sogar die Säuglinge?
Ja, weil es das Ziel war, sie alle auszurotten.
Wen auszulöschen?
Die Roten.“ (S.147)

Nach und nach enthüllt sich eine Geschichte des Grauens.

Meine Meinung:

Wenn ein Autor oder eine Autorin den Literaturnobelpreis erhält, muss sein bzw. ihr Werk nicht immer alltagstauglich sein. Das ist mir beim Lesen dieser Geschichte spontan in den Sinn gekommen.

Han Kang widersetzt sich dem Tabu, dieses Massaker zu verschweigen. Das finde ich zunächst einmal wichtig, obwohl es, wie es scheint, nicht ganz ungefährlich ist. Auch über die Opferzahlen, des von der Regierung als kommunistischer Aufstand deklarierte Massaker, gibt es widersprüchliche Angaben. Man nimmt an, dass zwischen 30.000 und 60.000 der rund 300.000 Einwohner der Insel ermordet worden ist. Dieses unbekannte Kapitel der südkoreanischen Geschichte ist in Han Kangs Roman verpackt, denn im Westen weiß man sehr wenig über Korea. Nordkorea ist wegen seines verhaltensauffälligen Diktators immer wieder in den Schlagzeilen, Südkorea, bislang eine scheinbar stabile wirtschaftliche Größe, erregt aktuell durch seine Turbulenzen in der Regierung Aufmerksamkeit. Aber, das tun andere Nationen auch.

Der Schreibstil ist, gemessen an der Tragödie des Massakers, fast zu poetisch und spricht mich persönlich nicht ganz an. Manches ähnelt den Erinnerungen von Überlebenden der Shoa. Nicht immer kann ich unterscheiden, was Traum(a) oder Wirklichkeit der beiden Protagonistinnen ist.

Fazit:

Die Idee, die Geschichte rund um die beiden Frauen, deren Familien Überlebende des Massakers von Jeju sind, ist grundsätzlich interessant. Die Umsetzung hat mir nicht ganz so gut gefallen, daher nur 3 Sterne.

Bewertung vom 05.01.2025
Stumme Knochen
White, Loreth Anne

Stumme Knochen


ausgezeichnet

Als Bauarbeiter eine kleine Kapelle, die an die Rettung einer Wintersportlerin erinnert, versetzen sollen, entdeckt der Baggerfahrer beim Ausheben des Betonfundamentes menschliche Knochen. Durch die Bodenbeschaffenheit sind Teile der Leiche gut erhalten. Die Vermutung, dass es sich um die Überreste der seit 47 Jahren vermissten Annalise Jansen handelt, liegt nahe. Die damals 16-jährige ist nach einer Party ebenso verschwunden wie ihr nur wenig ältere Nachhilfelehrer. Bis in die Gegenwart ist unklar, ob die beiden gemeinsam durchgebrannt sind oder ob der junge Mann das Mädchen ermordet hat.

Detective Jane Munro erhält diesen Cold-Case-Fall übertragen. Sie scheint dafür geeignet, da ihr Verlobter vor einigen Monaten während einer Bergtour spurlos verschwunden ist und sie die Emotionen der zurückbleibenden Familienangehörigen nachvollziehen kann. Zudem ist sie im sechsten Monat schwanger.

Jane Munro beginnt mit dem Studium der alten Akten. Dabei stößt sie auf die „Shoreview Six“, jene eingeschworene Highschool-Gruppe, der auch Annalise angehört hat. Deren Aussagen von damals gleichen sich auffällig. Was haben die Mitglieder dieser Gruppe, die nun in den Sechzigern und respektable Geschäftsleute sind, zu verbergen?

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist geschickt aufgebaut. Erzählt wird er aus verschiedensten Persepektiven: Aus der Sicht von Ermittlerin Jane, der Forensikerin Dr. Ella Quinn, die eine weit reichende Entdeckung an der Leiche macht, und der TV-Journalistin Angela Sheldrick sowie den Mitgliedern der „Shoreview Six“. Mit zahlreichen Rückblenden zu den Ereignissen vor 47 Jahren wird die Spannung häppchenweise aufgebaut bis sie schlüssig, aber überraschend aufgelöst wird.

Bislang war mir die kanadische Autorin Loreth Anne White unbekannt. Nach diesem Krimi, der mich bis zur letzten Seite gefesselt hat, werde ich weitere Bücher von ihr lesen. Ob es eine Fortsetzung zu Detective Jane Munro geben wird? Immerhin ist das Schicksal ihres Verlobten unklar.

Ein winzigen Kritikpunkt habe ich bezüglich des Covers: Wenn ich nicht explizit einen Krimi, der in Kanada spielt, gesucht hätte, hätte ich dieses Buch links liegen gelassen. Das Cover beeindruckt überhaupt nicht. Auf mich wirkt es „selbstgestrickt“.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der mich bis zu seiner überraschenden, aber schlüssigen Auflösung gefesselt hat, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 04.01.2025
Barfuß in Tetas Garten
Abboud, Aline;Heymann, Nana

Barfuß in Tetas Garten


sehr gut

Wann immer in den Nachrichten vom Libanon die Rede ist, denkt man an die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020, an Korruption und Vetternwirtschaft, an die Hisbollah sowie an instabile Machtverhältnisse. Dass es auch noch einen anderen Blickwinkel auf dieses Land, das am Mittelmeer liegt und an Syrien und Israel grenzt, gibt, zeigt uns Journalistin und Autorin Aline Abboud, deren Vater aus dem Libanon stammt und zum Studium in die DDR gereist ist. Dort hat er seine Frau kennengelernt. Als die Mauer fällt, ist Aline drei Jahre alt. Dennoch bleibt die Familie aus finanziellen Gründen im Ost-Berliner Stadtteil Pankow wohnen. Sie geht dort aufs Gymnasium, nicht gerne, wie sie schreibt.

„Dass ist ein Pfund, dass du arabisch sprichst. Bau das ruhig aus. Daraus solltest du etwas machen.“

Die Kenntnisse der arabischen Sprache öffnet ihr die Türe zu ihrem Beruf als Journalistin und Moderatorin.

Aline Abboud entführt uns in ein Land, in dem Familie über alles geht. In ein Land, das sie, obwohl sie es zunächst nur während der Sommerferien kennengelernt hat, geprägt hat. Abboud stellt uns den Libanon aus Sicht des Kindes, der Jugendlichen und als Erwachsene vor. Schmunzeln musste ich, als sie über den Besuch des berühmten Zedernwaldes als Pubertierende erzählt. Die Zeder - einst haben dichte Wälder das Gebiet bedeckt bevor Phönizier, Römer und ander Völker dieses Holz für den Schiffsbau entdeckt haben, ist zentraler Teil der libanesischen Flagge und Identität.

Aline Abboud berichtet aber auch über Ängste, die sie und ihre in ganzen Welt verstreute Familie, ausstehen, wenn sie die Schreckensnachrichten aus Radio und TV hören und, die im Libanon verbliebenen Angehörigen tagelang nicht erreichen.

Sie geht auch der Frage nach, warum so viele junge Menschen den Libanon verlassen. Gleichzeitig berichtet sie von opulenten Hochzeiten mit Stretchlimousinen und eleganten Kleidern. Und überhaupt, kleiden sich die viele Libanesinnen und Libanesen in teure Designerware. Ein Mittel des Trotzes gegen das Regime? Oder ein Statement für die Selbstachtung in schwierigen Zeiten? Das erinnert mich daran, dass sich die Pariserinnen, als ihre persönliche Art des Widerstandes, während der deutschen Besatzung chic gekleidet haben.

Aufgeben ist für viele Libanesen keine Option, obwohl zahlreiche junge Menschen das Land verlassen. So haben Dutzende Geschäftsleute nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut 2020 wenig später ihre Geschäfte an anderer Stelle wieder eröffnet.

Fazit:

Dieser sehr persönliche Einblick in den Libanon hat mich sehr beeindruckt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 03.01.2025
Die blinde Zeugin
Dützer, Volker

Die blinde Zeugin


sehr gut

Dieses Buch ist 2015 erstmals unter dem Titel „Treibsand“ erschienen und ist ein rasanter und facettenreicher Thriller, in dem fast jeder der Protagonisten ein Geheimnis hat.

Die junge Trickbetrügerin Samantha „Sammy“ Baring wird Zeugin eines Mordes und gerät dadurch in Lebensgefahr. Zur Polizei gehen ist nicht möglich, zumal ein hochrangiger korrupter Polizist die schützende Hand über den Täter hält. Es scheint, als ob lediglich der ehemalige Polizist Jan Stettner der jungen Frau helfen könnte. Doch der hat wenig Lust, seinem früheren Vorgesetzten zu begegnen. Doch dann siegt die Vorstellung, es endlich dem intriganten Vorgesetzten heimzahlen zu können.

Noch wissen beide nicht, worauf sie sich einlassen ...

Meine Meinung:

Ich lese gerne Volker Dützers Kriminalromane. Besonders jene historischen, die im Umfeld des Zweiten Weltkrieges angesiedelt sind, habe ich verschlungen.

Dieser hier hat mir nicht ganz so gut gefallen. In einigen Szenen wird ein bisschen zu dick aufgetragen. Dass sich ein Firmenchef als Alleinherrscher über ein Dorf aufspielt und Abhängigkeiten erzeugt, habe ich schon öfters gelesen. Manches liest sich wie die Feudalherrschaft des Mittelalters mit Frondiensten. Entweder man macht das, was der Boss will, oder man bekommt im ganzen Umkreis keinen Fuß mehr auf den Boden. Von den Eingeschüchtert hat das niemand ausprobiert, so dass der Wahrheitsgehalt nicht überprüft werden kann.

Der Titel ist irreführend, denn Sammy verliert auf Grund eines Brandanschlags für einige Zeit ihr Sehvermögen. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen sind die Brandwunden im Gesicht und am Körper super verheilt und machen keine Beschwerden. Wer jemals eine größere Verbrennung zweites Grades gehabt hat, wird wissen, dass damit nicht zu spaßen ist.

Fazit:

Dieser Thriller hat nicht ganz meine Erwartungen erfüllt, daher bekommt er 4 Sterne.

Bewertung vom 30.12.2024
Tod im Piemont - Trüffel, Nougat und Barolo (eBook, ePUB)
Merati, Anna

Tod im Piemont - Trüffel, Nougat und Barolo (eBook, ePUB)


gut

Sofia Dalmasso betreibt in Corrazzo, einem Bergdorf unweit des Lago Maggiore ein kleines Café, dass sie von ihrer Großmutter Valerija geerbt hat. Doch ihre Großmutter hat sie nicht nur das Torten, Kekse und Nudel machen gelehrt, sondern auch das Kaffeesatzlesen. Das erfreut sich bei den Dorfbewohnern und Fremden großer Beliebtheit, weshalb sie sich nicht wundert, dass ein Fremder einen Mokka bestellt, das Codewort für die ungewöhnliche Dienstleistung. Sie sieht erstmals das Zeichen für Tod, warnt den Mann, kein Risiko einzugehen. Blöderweise ist er am nächsten Tag tot. Doch nicht nur tot, sondern stranguliert und jemand täuscht einen Selbstmord vor. Sofia ist von Schuldgefühlen geplagt, denn Mann nicht ausdrücklicher vor der drohenden Gefahr gewarnt zu haben und beginnt sich im Dorf umzuhören. Dabei entdeckt sie, dass vor Jahren eine Familie dieses Namen in Corrazza ansässig war, aber sich niemand an die Leute erinnern will. Auch ihre Eltern und die ihrer besten Freundin Laura hüllen sich in Schweigen.

Als dann herauskommt, dass der Bruder des Toten vor 23 Jahren bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht getötet worden ist, lässt sie nicht locker, um die Wahrheit herauszufinden. Dass sie bei ihren Schnüffeleien einen smarten Commissario kennenlernt, gibt diesem Krimi einen leichten, sommerlichen Anstrich.

Meine Meinung:

Dieser Reihen-Auftakt von Anna Merati hat alles für einen leicht lesbaren Sommerkrimi: Eine schöne Landschaft, gutes Essen und Trinken, eine vorwitzige Hobbyermittlerin, einen smarten Commissario und eine verschwiegen Dorfgemeinschaft sowie die eine oder andere falsche Fährt. Die 288 Seiten sind schnell gelesen.

Eine komplexe Handlung mit tiefschürfenden Dialogen darf man sich hier nicht erwarten. Dafür darf man Sofia beim Teig kneten, Kekse backen (Baci da Dama) und kochen über die Schulter schauen. Hier hätte ich mir das eine oder andere piemontesische Rezept gewünscht, denn der Duft der Rosmarinkartoffel und der Kekse hat meine Nase erreicht.

Anna Merati ist das Pseudoym von Dorothea Böhem, die ich schon als Autorin anderer Krimis kenne.

Fazit:

Ein leichter Sommerkrimi, der perfekt zu Liegestuhl und einem Glas Barolo passt. Gerne gebe ich hier 3 Sterne.

Bewertung vom 30.12.2024
Tatort Hafen - Tod im Schatten der Elbflut / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.2 (eBook, ePUB)
Kästner & Kästner

Tatort Hafen - Tod im Schatten der Elbflut / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Hamburg droht, wie im Februar 1962, eine gewaltige Sturmflut. Doch diesmal scheinen die Behörden dank Hochwasserschutzbauten, moderner Kommunikation sowie gebündelter Einsatzkräfte, dem Unwetter gewachsen zu sein. Doch die drohende Sturmflut ist nicht das einzige Problem mit der Krisenstab unter der Leitung von Hafenkommissar Tom Bendixen von der Wasserschutzpolizei zu kämpfen hat. Während Bendixen seine Leute an jene Stellen, die akut der Hilfe bedürfen dirigiert, läuft als eines der letzten Containerschiffe die Global Endeaver im Hamburger Hafen ein.

Wenig später wird ein toter Afrikaner, der mit in einem Overall, der von der Global Endeaver stammt, aus der tosenden Elbe geborgen. KHK Joanna Jakobi und Tom Bendixen halten Nachschau auf dem Schiff. Die Durchsuchung des Schiffes ergibt, dass sich vier blinde Passagier an Bord befunden haben, von denen nur eine Frau und ihr kleiner Sohn anwesend sind. Ein Crew-Mitglied ist abgängig. Niemand weiß oder gibt vor, nicht zu wissen, wohin die Offiziersanwärterin verschwunden ist. Und das ist nicht das einzige Geheimnis, das die Besatzung geschickt vor den Ermittlern verbirgt.

Während das Wasser im Hamburg unaufhörlich steigt und dich der kritischen Marke von 7,30 m über Normalnull nähert, Straßen und Plätze geräumt werden müssen, stellen sowohl der Hamburger Hafen als auch die Verkehrsbetriebe ihren Betrieb ein. Gleichzeitig ist Tom in Sorge um seine Frau Lisa, die auf keinen der Anrufe reagiert.

Meine Meinung:

Nachdem ich vor kurzem Anja Marschalls historischen Roman zur Sturmflut von 1962 gelesen habe, findet Tom Bendixen eine ungleich bessere Ausgangssituation vor, auch wenn ihn das Unwetter und die Vorkommnisse auf dem Containerschiff ziemlich fordern.

Dieser zweite Band ist wie heimkommen. Zunächst einmal in meine liebste deutsche Stadt Hamburg, wenn auch bei ziemlichen Schietwetter, und das Wiedersehen mit den Charakteren aus dem letzten Fall. Krisen-Psychologin Charlotte Severin hat nach wie vor kein Rezept gegen ihren gewalttätigen Ex, der sie und ihre kleine Tochter trotz mehrmaliger Wohnungswechsel immer wieder findet und bedroht. Woher bekommt er ihre Adresse? Was ist mit dem Datenschutz? Gibt es eine undichte Stelle bei der Polizei?

Mir hat dieser Fall sehr gut gefallen. Für alle jene, die mit den nautischen Begriffe bzw. dem Hafen- und Polizeijargon nicht vertraut sind, gibt es im Anhang ein ausführliches Glossar.

Fazit:

Die kurze Leseprobe lässt mich ungeduldig auf Fall drei warten. Diesem zweiten Band gebe ich jedenfalls 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 21.12.2024
Die Akte Graz
Mühlfellner, Margot

Die Akte Graz


ausgezeichnet

Dieser Krimi ist dem Vernehmen nach der Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe, der in der Hauptstadt der Steiermark, in Graz, spielt.

Worum geht’s?

Chefinspektorin Marlene Kranz ist vor Kurzem aus Wien in ihre Heimat Graz zurückgekehrt. Nicht ganz freiwillig, wie es scheint. Noch bevor sie sich so richtig eingelebt hat, muss sie sich schon bewähren. Denn am Morgen nach der Eröffnung der Fotoausstellung des berühmten Fotografen Gustav Zierach im Grazer Kunsthaus wird Alexandra Walfrad, die für Zierach auf der bekannten Doppelwendeltreppe in der Grazer Burg für ein Foto Modell gestanden hat, ist just auf jener Treppe, genau wie auf dem Foto inszeniert, tot aufgefunden.

Für Marlene Kranz und ihr Team beginnt die mühevolle Kleinarbeit, denn die Gästeliste der Vernissage umfasst mehrere Hundert Personen. Hilfreich erweist sich, dass ausgerechnet Marlenes Schulfreund Franky als Pressefotograf Tausende Fotos von der Veranstaltung gemacht hat und die Stimmung dort auf seinen Bildern eingefangen hat.

Wenig später wird ein weiteres Fotomodell vermisst. Zufall? Oder hat es hier jemand auf schöne Frauen abgesehen?
Jedenfalls ergreift Marlene Kranz mit Rückendeckung ihres Vorgesetzten ungewöhnliche Maßnahmen. Unterstützung erhält sie dabei nicht nur von einem jungen Streifenbeamten und ihrem Kollegen sondern auch von Franky.

Meine Meinung:

Gleich vorweg, ich habe diesen Krimi in einer Nacht gelesen. Da ich Graz, die Hauptstadt der Steiermark, und ihre verwinkelten Gassen wie die Sporgasse recht gut kenne, habe ich mich gleich wie zu Hause gefühlt, und war gleich mitten im Geschehen rund um das Kunsthaus Graz. Schmunzeln musste ich über die Aktion mit der Einsatzgruppe Cobra auf dem Grazer Hausberg Schöckl.

Margot Mühlfellner schafft es, die Spannung stets zu steigern und den Spannungsbogen hoch zu halten.

Die Charaktere, vor allem Marlene sind sehr gut gezeichnet. Niemand, außer ihrem Vorgesetzten weiß, warum sie sich von Wien nach Graz versetzen hat lassen und warum sie ihren Kollegen, trotz des steirischen Brauch, alle zu duzen, so distanziert erscheint. Auch die Leser wissen es nicht, doch in kleinen Portionen erfahren wir, dass in Wien etwas passiert sein muss, was Marlene Kranz aus dem Gleichgewicht geworfen hat. Dazu verwendet die Autorin einen interessanten Kunstgriff: Wir dürfen bei den Therapiegesprächen zwischen Marlen und dem Psychotherapeuten dabei sein. Zunächst wehrt sie sich gegen die Gespräche, die allerdings Bedingung für die Wiedereinsetzung in den Dienst notwendig sind, doch langsam öffnet sie sich dem Therapeuten gegenüber.

Auch die anderen Charaktere wie der Fotograf Zierach oder der Direktor des Kunsthauses Graz, der auf mich wie eine aufgeblasene Kröte wirkt, erhalten eine besondere persönliche Note.

Gut gefällt mir, dass neben dem Kunsthaus auch andere Plätze wie eben die Doppelwendeltreppe in der Grazer Burg, die Murinsel, jenes futuristische Gebilde, das anlässlich der Ernennung von Graz zu Kulturhaupstadt Europas 2003 errichtet wurde, „mitspielen“ dürfen. Die Autorin wirft auch einen Blick auf die quasi soziale Zweiteilung von Graz, in eine diesseits und jenseits der Mur gelegene Stadt. Auf der einen Seite (ich verrate jetzt aber nicht welche) leben jene, die es geschafft haben und auf der anderen, die, die noch nicht so weit sind.

Fazit:

Ich hoffe auf eine baldige Fortsetzung dieser Krimi-Reihe, die durch ein durchdachtes Konzept und einen hohen Spannungsbogen besticht. Gerne gebe ich diesem Reihen-Auftakt 5 Sterne und eine Leseempfehlung.