Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
sofie

Bewertungen

Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 12.05.2014
Mein Sommer mit Kalaschnikow
Aciman, André

Mein Sommer mit Kalaschnikow


sehr gut

"Alles an uns war provisorisch und vorläufig, als würde das Schicksal noch mit uns herumexperimentieren und könnte sich nicht entschließen, was als Nächstes passieren sollte." S. 83
Der Ich-Erzähler dieses Romans, dessen Namen man nie erfährt, ist ein junger Ägypter aus Alexandria und Doktorand in Harvard in seinem letzten Jahr. Seinen letzten Sommer verbringt er damit, durch die Cafés der Stadt zu ziehen und Bücher zu lesen, die er für die letzten Prüfungen benötigt. Dabei begegnet er in seinem Stammcafé „Café Algiers“ Kalasch und zwischen den beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft.
Kalasch wird von allen so genannt, weil er wie eine Kalaschnikow Worte abfeuert und dabei alles in seiner Umgebung umnietet. Er ist nicht unbedingt ein sympathischer Charakter, er ist ungerecht, weinerlich und versinkt gern im Selbstmitleid, er ist auch ein wenig tyrannisch und zeigt doch einige Charakterschwächen. Aber es macht Spaß über ihn zu lesen, denn er rechnet mit allem und jedem schonungslos ab, auch mit sich selbst und seinen Freunden.
Die beiden Protagonisten verbindet vor allem das Gefühl des nicht dazu Gehörens und ihre Liebe zu Frankreich und Französisch. Gewissermaßen trennt sie diese Gemeinsamkeit aber auch, denn während Kalasch um seine Greencard und damit die Aufenthaltsgenehmigung bangen muss, hat der Ich-Erzähler diese Sorgen nicht.
Acimans Beschreibungen der Atmosphäre in der Stadt sind sehr eindrucksvoll, man fühlt sich praktisch mit anwesend im Café Algiers, spürt die Hitze und riecht den Kaffee. Manchmal waren mir die Ausführungen aber doch ein wenig zu ausschweifend und das Ende hätte etwas gestrafft werden können.
Aber „Mein Sommer mit Kalaschnikow“ ist auf jeden Fall ein besonderer Roman, sowohl von der Sprache als auch von den Charakteren her. Von mir gibt es dafür 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 10.05.2014
Zwölf Leben
Mathis, Ayana

Zwölf Leben


ausgezeichnet

Bei „Zwölf Leben“ (original: „The twelve tribes of Hattie“) handelt es sich um den ersten Roman der Autorin Ayana Mathis, die wie ihre Hauptfigur aus Germantown, einem Arbeiterviertel in Philadelphia, kommt.
In dem Roman geht es um Hattie und ihre elf Kinder sowie um eines ihrer Enkelkinder. Hattie kommt ursprünglich aus dem Süden und ist als junges Mädchen mit ihren Schwestern und ihrer Mutter nach Philadelphia gezogen. Dort lernt sie August kennen und wird mit 17 Jahren schwanger. Hier setzt die Handlung des Romans ein, es geht los mit den ersten Kindern der beiden, Philadelphia und Jubilee, im Jahr 1925 und geht bis 1980 und ihrer Enkeltochter Sala. In jedem Kapitel steht ein anderes Kind im Vordergrund, jeweils zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben. Das Hauptthema ist meiner Meinung nach das Verhältnis zwischen Mutter und Kind und wie sich dieses auf das gesamte Leben eines Kindes auswirken kann. Dabei ist mir besonders ein Zitat im Gedächtnis geblieben: „Wie viele Kinder konnte eine Frau wirklich lieben? […] Es waren zu viele Kinder. Ruthie ist eins von Hatties vielen Kindern, dachte er. Zu was für einem Mädchen würde sie unter den Geschwistern heranwachsen?“ (Seite 142)
Es geht aber auch um das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen in Amerika, besonders die Ungleichbehandlung bis in die 60er Jahre wird sehr deutlich beschrieben. Daneben geht es auch noch um Religion und die Beziehung der Menschen zu Gott.
Die Autorin erzählt den Roman episodenhaft. Es wird immer ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben von Hattie dargestellt und immer erhält man als Leser eine neue Perspektive und damit eine neue Sichtweise auf Hattie. Man lernt sie als Mutter, Geliebte, Ehefrau, Großmutter und Schwester kennen. Hattie ist eine stolze Frau, die immer mit sich und ihren Kindern ringt, die versucht, immer das Beste zu tun. Dabei hat sie jedoch nicht immer Erfolg.
An manchen Stellen erschien mir die Übersetzung etwas holprig und auch vom Lektorat erwarte ich beim dtv doch etwas mehr, aber insgesamt hat mir „12 Leben“ sehr gut gefallen und ich kann es auf jeden Fall weiterempfehlen. Ein sehr anspruchsvoller Roman, der einen mit einigen Denkanstößen zurücklässt.

Bewertung vom 08.04.2014
Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6
Löhnig, Inge

Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6


ausgezeichnet

Ein neuer Fall für Kommissar Dühnfort in München: eine alte Dame wird tot in ihrer Wohnung gefunden. Der Mord wäre vermutlich gar nicht als solcher erkannt worden, doch der Mörder hat die Leiche in einer besonderen Weise inszeniert. Neben der Ermittlungen in diesem Fall muss sich Dühnfort auch noch mit einer internen Ermittlung gegen ihn selbst herumschlagen.
„Deiner Seele Grab“ ist der sechste Band der Reihe um Dühnfort, für mich war es der zweite Band. Nach „Verflucht seist du“ hat mir auch dieser Krimi wieder sehr gut gefallen. Inge Löhnig greift auch diesmal wieder ein Thema auf, das sich durch das gesamte Buch zieht. In diesem Fall ist es der Umgang unserer Gesellschaft mit alten Menschen. Das Thema wird geschickt in den Krimi eingebaut ohne zu aufdringlich zu sein.
Genauso ist es mit dem Privatleben der Ermittler. Das Leben von Dühnfort wird immer wieder angesprochen, überlagert aber nie die Mordermittlungen. Und während im letzten Roman auch das Leben von seinem Kollegen Alois eine Rolle spielt, bleibt dieser hier eher im Hintergrund und dafür erfährt der Leser mehr über Kirsten. Die Balance zwischen Privatleben und Ermittlungen war meiner Meinung nach perfekt.
Sehr gut gefallen hat mir auch die Figur Clara Lenz, eine freiberufliche Lektorin, die sich um ihren alzheimerkranken Vater kümmert. Überhaupt ist die Figurenzeichnung toll, Löhnig versteht es vor allem auch die menschlichen Abgründe darzustellen. Einige der Charaktere haben mich beim Lesen regelrecht wütend gemacht.
Der Krimi spielt in München und hat, wenn man die Stadt kennt, auch ein wenig Lokalflair. Aber auch das wird nicht übertrieben und mit dem Holzhammer betrieben.
Insgesamt ist also auch „Deiner Seele Grab“ wieder ein richtig toller Krimi mit einem spannenden Thema und einem spannenden Fall. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den nächsten Roman mit Dühnfort!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2014
Vergeltung
Winslow, Don

Vergeltung


gut

Dave Collins ist ein amerikanischer Ex-Elitesoldat, der jetzt auf einem Flughafen als Sicherheitschef arbeitet. Kurz vor Weihnachten gibt es genau auf diesem Flughaufen einen Anschlag auf ein Flugzeug, bei dem Daves Frau und Sohn ums Leben kommen. Als Dave feststellt, dass die Regierung den Anschlag vertuscht und als Unfall ausgibt, schwört er Rache und beginnt Jagd auf die Täter zu machen. Tja, und damit ist die Geschichte eigentlich auch schon erzählt.
Ich will nicht sagen, dass „Vergeltung“ ein schlechter Thriller wäre. Er ist durchaus nicht schlecht gemacht und hat mich auch unterhalten. Aber nachdem ich „Zeit des Zorns“ gelesen hatte, hatte ich von Herrn Winslow irgendwie doch mehr erwartet. „Vergeltung“ ist schlicht ziemlich einfach gestrickt. Das geht schon bei der Motivation des Protagonisten los. Terrorist tötet Familie von Elitesoldat, Elitesoldat tötet Terrorist. Und geht weiter bei dem Team, das Collins für den Auftrag anheuert. Jeder Einzelne bekommt eine Hintergrundgeschichte und damit auch Persönlichkeit, aber auch diese sind größtenteils leider schablonenartig. Der Australier im Team ist Surfer und hört Jack Johnson. Der Deutsche ist der Sprengstoffexperte und ist detailverliebt. Er mag Fußball. Der Israeli und der Palästinenser kommen – wer hätte es gedacht – nicht miteinander aus.
Die Übersetzung holpert an manchen Stellen ein bisschen und für mich waren es ein bisschen zu viele militärische Fachbegriffe, aber das ist Geschmackssache. Der Stil hat mir aber gefallen, die knappe, harte Sprache passt zum Thema und zum Genre. Beim nächsten Mal würde ich mir aber doch wieder etwas mehr Raffinesse und auch Humor wünschen.
Deshalb gibt es von mir diesmal 3 von 5 Sternen, kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 22.02.2014
London NW
Smith, Zadie

London NW


ausgezeichnet

„Wenn sie nicht in ihr Alltagsleben zurückmüsste mit Behörden und Mieten und Mann und Job, könnte sie einfach durchdrehen! Warum nicht einfach durchdrehen!“ (S. 71)
Im Mittelpunkt von Zadie Smiths Roman „London NW“ stehen die beiden Freundinnen Keisha/Natalie Blake und Leah Hanwell. Die beiden wachsen gemeinsam im Londoner Nordwesten auf und auch wenn sich ihre Wege im Laufe der Zeit immer wieder von einander entfernen, bleiben sie für die jeweils andere sehr wichtig. Keisha ist nach der Schule die Erfolgreichere, äußerlich auch zu sehen an ihrer Namensänderung. Der Ausgangspunkt und Rahmen der Geschichte ist Leahs Begegnung mit einer ehemaligen Klassenkameradin, die verzweifelt an ihrer Tür erscheint.
„London NW“ ist voll von interessanten Gedanken und Überlegungen zu verschiedensten Themen. Vor allem geht es darum, wie man sich vor anderen und vor sich selbst präsentiert. Es geht um die Erwartungen, die andere an einen stellen. Ganz speziell geht es auch um Erwartungen, die an Frauen gestellt werden: Kind und Familie, Ehe und Beruf, Freundschaft und Gesellschaft, alles soll unter einen Hut gebracht werden. Dazu kommt auch noch die eigene Herkunft und Kultur. Ständig wechseln die Frauen ihre Rolle und beginnen diese jeweiligen Rollen zu hinterfragen.
Der Stil der Autorin hat mich begeistert. Sie schildert das Leben im Londoner Nordwesten ausgezeichnet, die beiden Frauen sind mir im Laufe des Romans regelrecht ans Herz gewachsen. Sehr gut gefallen hat mir auch die Textgestaltung, das Lektorat und auch die Übersetzung sind hervorragend.
Ich kann London NW also uneingeschränkt weiterempfehlen und möchte zum Schluss einfach noch mal den tollen Stil der Autorin für sich sprechen lassen:
„Weibliche Person sucht männliches Gegenstück zwecks liebevoller Beziehung. Und umgekehrt. Sozial niedriggestellte Person mit geistigem Kapital, aber ohne größere finanzielle Mittel, sucht höhergestellte Person mit deutlich größeren finanziellen Mitteln zwecks größtmöglichen beiderseitigem Nutzen […].“ (S. 293)

Bewertung vom 10.02.2014
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Murakami, Haruki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki


gut

Tsukuru Tazaki ist 36 Jahre alt, lebt in Tokio und arbeitet in seinem Traumberuf – er entwirft und baut Bahnhöfe. Seit einiger Zeit trifft er sich außerdem mit Sara und von außen betrachtet scheint sein Leben ziemlich geordnet und erfüllt. Doch Sara bringt einige Ereignisse aus seiner Vergangenheit ans Licht und drängt Tsukuru sich diesen zu stellen. Denn 16 Jahre zuvor wurde er aus einer Gruppe von fünf Freunden plötzlich ausgeschlossen, ohne Ankündigung und Begründung. Dieses Ereignis hätte ihn beinahe das Leben gekostet…
So ganz überzeugen konnten mich „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ von Murakami leider nicht. Das Buch enthält einige interessante Gedanken über Freundschaft und Liebe und wie einen beides verändern kann. Es geht vor allem darum, was man anderen geben kann oder sollte, um eine Beziehung zu bereichern. Und darum sich selbst einzuschätzen, aber auch wertzuschätzen. Die zahlreichen Metaphern mit Farben haben mir gut gefallen, so haben zum Beispiel die vier anderen Freunde alle eine Farbe im Namen, nur Tsukuru nicht, deshalb ist er der „farblose Herr“. Doch leider gefiel mir der Schreibstil nicht, alles wirkt sehr nüchtern und trocken, was ganz besonders bei den Szenen zwischen Tsukuru und Sara auffällt. Die besondere Liebe, die Tsukuru empfindet, kam bei mir nicht wirklich an.
Auch das Ende hat mich etwas enttäuscht, da doch einige Fragen offen geblieben sind. Da wird man als Leser etwas alleine gelassen und einige Erzählstränge versanden auch mitten im Buch und werden nicht wieder aufgegriffen.
Positiv hervorheben möchte ich noch das Cover, das wirklich sehr gelungen ist. Der Schutzumschlag ist teilweise durchsichtig und bringt so wieder ein bisschen Farbe auf das eigentlich grau gehaltene Buch.
Insgesamt kann ich sagen, dass „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ein nettes Buch ist, das an manchen Stellen auch durchaus zum Nachdenken anregt. Doch dem ganzen Wirbel, der gerade darum gemacht wird, kann es dann doch nicht gerecht werden. 3,5 Sterne von mir.

11 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.01.2014
Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6 (6 CDs)
Neuhaus, Nele

Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6 (6 CDs)


sehr gut

Ein neuer Fall für Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein. Es geht um den Tod eines jungen Mädchens, dessen Identität nicht geklärt werden kann. Doch schnell wird klar, dass dieser Fall viel größere Kreise ziehen wird.
Wie immer bei den Krimis von Nele Neuhaus ist auch „Böser Wolf“ sehr spannend und der Titel mehr als passend. Das Team ermittelt in verschiedene Richtungen, greift teilweise auch zu ungewöhnlichen Methoden und als Leser kann man auch ein wenig miträtseln.
Besonders gut bei den letzten Teilen hat mir immer die Ausgewogenheit zwischen den Ermittlungsarbeiten am Fall und den privaten Erlebnissen der Protagonisten gefallen. In dieser Hinsicht fand ich „Böser Wolf“ nicht ganz so gelungen. Von Oliver Bodenstein erfahren wir eigentlich kaum etwas aus seinem Privatleben, was gerade nach dem letzten Fall doch interessant gewesen wäre. Von Pia erfahren wir etwas mehr, aber das beschränkt sich auf den Anfang und das Ende des Krimis, dazwischen scheint auch sie kein Privatleben zu haben.
Dafür wird diesmal die Stimmung innerhalb des Teams mehr in den Vordergrund gestellt. Zum einen taucht Frank Behnke, der ehemalige Kollege, der im vorletzten Band das Team verlassen hat, wieder auf und macht Ärger. Zum anderen geht es aber auch um Vertrauen und Misstrauen zwischen den Ermittlern, um Teamwork und Einzelkämpfer. Das hat mir sehr gut gefallen und besonders Pia beweist einmal mehr ihre Führungsqualitäten.
Die Sprecherin Julia Nachtmann fand ich auch sehr passend. Sie hat eine angenehme Stimme und bringt die verschiedenen Ausdrucksweisen der einzelnen Handelnden sehr gut rüber. Der Prolog wird von Nele Neuhaus selbst gelesen, das ist ganz nett, hätte aber auch nicht gefehlt, wenn es nicht dabei gewesen wäre.
Insgesamt kann ich „Böser Wolf“ also weiterempfehlen und nun bin ich auf den nächsten Teil gespannt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.01.2014
Todestrieb (eBook, ePUB)
Schwarz, Nora

Todestrieb (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Fotograf Sven Borke wird tot in einer Lagerhalle gefunden, gefesselt und fürchterlich zugerichtet. Das ungleiche Ermittlerteam Hanna Mantolf und Tom Krohne beginnt in dem Fall zu ermitteln, der sie vor allem in die SM-Szene von Mannheim führt.
Mir hat „Todestrieb“ von Nora Schwarz sehr gut gefallen. Die Handlung erstreckt sich nur über wenige Tage, es gibt jeweils ein Kapitel für einen Tag. Doch an diesen Tagen passiert jede Menge und als Leser lernt man dabei sowohl die beiden Ermittler als auch das Opfer und sein Umfeld sehr gut kennen. Neben den aktuellen Geschehnissen rund um den Kriminalfall gibt es zwischendrin immer wieder Einschübe, die die Geschichte eines jungen Mädchens schildern, das von seinem sehr autoritären drangsaliert wird. Diese Teile des Buchs gehen ganz besonders unter die Haut, außerdem rätselt man die ganze Zeit, wessen Geschichte das nun ist. Die Autorin hat es so geschickt angelegt, dass diese Kindheit auf mehrere der Personen passen würde.
Von den Protagonisten hat mir Hanna Mantolf am besten gefallen. Nach und nach erfährt man einiges aus ihrer Vergangenheit und versteht den Charakter immer besser. Sie überrascht ihren Kollegen Tom immer wieder damit, wie gut sie sich in der SM-Szene auskennt und wie sicher sie sich darin bewegt. Er wirkt neben ihr immer etwas sehr naiv und gut bürgerlich mit seinem Haus und Frau (die natürlich Maria heißt!) und Kindern. Seine Liebe für Musik gibt ihm aber auch noch einen interessanten Anstrich.
Einziger Kritikpunkt ist leider das Lektorat des Buches. Da haben sich doch einige Fehler eingeschlichen und manches ist nicht ganz stimmig. Das sind nur Kleinigkeiten, aber die tragen natürlich auch zum Gesamteindruck bei. Trotzdem kann ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen und vergebe 5 von 5 Sternen!

Bewertung vom 08.12.2013
Die Listensammlerin
Gorelik, Lena

Die Listensammlerin


ausgezeichnet

„Die Listensammlerin“ von Lena Gorelik ist für mich eines der Bücher des Jahres. Eine wunderbare und wunderbar traurige Familiengeschichte, die einen nicht kalt lässt.
Es geht zum einen um Sofia, eine junge Mutter, deren Tochter kurz vor einer wichtigen Herzoperation steht. Aus der Ich-Perspektive berichtet Sofia von ihrem Alltag mit ihrem Mann, ihrer Tochter und vor allem mit ihrer russischen Mutter und der Großmutter, die an Alzheimer leidet und im Pflegeheim ist. Sie berichtet von ihren Ängsten und Problemen und wie sie diese teilweise bewältigt, in dem sie Listen schreibt. Zum Beispiel über die Fehler ihrer Mutter im Deutschen, Szenen ihres Lebens, die auch in einem Film hätten stattfinden können, Sätze, die sie nie sagen wollte.
Zum anderen geht es um Grischa, Sofias Onkel, den sie aber nie kennengelernt hat und von dem sie auch nichts weiß. Die Geschichte von Grischa beginnt in seiner Jugend und man lernt ihn als Leser sehr gut kennen. Grischa kommt mit dem System in der Sowjetunion nicht zurecht, er wehrt sich dagegen und wird so zum Sorgenkind der Familie. Auch Grischa schreibt Listen, zum Beispiel darüber, was er seiner Mutter wünscht.
Durch diese beiden Perspektiven lernt man als Leser die Familie ganz besonders kennen und vor allem verstehen. Man kennt die Großmutter zum einen als alte Frau mit Alzheimer, aber auch als Mutter von Grischa, wie sie mitten im Leben steht. Manchmal muss man sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass es sich hier tatsächlich um dieselbe Person handelt. Sofias Mutter lernt man auch als Schwester von Grischa kennen, als junges Mädchen und junge Mutter. Und man lernt das Leben in den verschiedenen Systemen, also in der Sowjetunion und in der BRD, kennen und sieht, wie es auch die Menschen verändert und prägt. Sofia beschreibt immer wieder das "sowjetische Erbe" ihrer Mutter, was mir auch sehr gut gefallen hat.
Die Protagonistin Sofia ist Schriftstellerin und verzweifelt öfter, wenn ihr in ihrem Leben die Worte fehlen, denn Worte sind schließlich ihr Metier, wie sie immer wieder sagt. Dasselbe kann auf jeden Fall von der Autorin gesagt werden. Lena Gorelik kann wunderbar mit Worten umgehen, sie schafft tolle Bilder und transportiert die Gefühle ihrer Figuren meisterhaft. Mich hat das Buch auf jeden Fall gefangen genommen, ich habe mit Sofia und Grischa gelitten und darf „Die Listensammlerin“ auf meine Liste der Bücher, die mich zum Weinen gebracht haben, setzen.
Von mir also eine klare Leseempfehlung und 5 von 5 Sternen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.12.2013
Stammtischmorde II

Stammtischmorde II


sehr gut

Bereits zum zweiten Mal haben sich die Leipziger Krimiautoren der Stammtischrunde mit dem fhl-Verlag zusammen getan und eine schöne Krimianthologie zusammengestellt. 13 Kurzkrimis sind es insgesamt, von 12 Leipziger Autoren und dem Gastautor Edgar Franzmann. Herausgekommen ist dabei wieder eine sehr schöne Mischung verschiedener Krimigenres. Ein wiederkehrendes Motiv ist auch dieses Mal Rache und Vergeltung, ansonsten geht es um Mord, Diebstahl, Zwangsprostitution, aber auch ganz natürliche Todesfälle kommen vor.
Das schöne an Kurzkrimis ist meiner Meinung nach, dass Autoren hier mal etwas ganz anderes ausprobieren können oder eine kleine Besonderheit einbauen können, die bei einem ganzen Roman schnell langweilig werden würde. Ich möchte zum Beispiel keinen ganzen Krimi aus der Sicht der Schuhe des Opfers erzählt bekommen, aber der Kurzkrimi „Tanz in den Tod“ von Mandy Kämpf hatte genau die richtige Länge für dieses Motiv.
Auch kleine, raffinierte Mordpläne sind genau das richtige für Kurzkrimis, in dieser Sammlung zum Beispiel „Kriminelle Fantasie“ von Hartwig Hochstein, „Leipziger Roulette“ von Gastautor Edgar Franzmann oder „Das Pfötchenhotel“ von Andreas Stammkötter.
Richtige Ermittlungen mit einem Kommissar lese ich lieber in einem längeren Krimi, in dem ich die einzelnen Personen dann auch besser kennenlernen und miträtseln kann. In diesem kurzen Format gefällt mir das nicht ganz so, daher war für mich „Herz auf Spieß“ von Frank Kreisler einer der schwächeren Kurzkrimis.
Einige der Geschichten spielen erkennbar in Leipzig, auch das fand ich wieder sehr schön. Und man trifft wieder einige bekannte Autoren des ersten Bandes. Romy Fölck und Traude Engelmann fand ich schon im ersten Teil super und sie überzeugen auch hier wieder.
Gar nicht gefallen hat mir eigentlich nur eine Geschichte, „Erste Liebe“ von Christian Barz, aber zum großen Teil wurde ich gut unterhalten. Daher gibt es von mir 4 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung!