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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1254 Bewertungen
Bewertung vom 12.06.2025
Die Villa in Weimar
Marly, Michelle

Die Villa in Weimar


sehr gut

Lotte in Weimar

Weimar 1897: Marie Seebach war einst eine gefeierte Schauspielerin und verdiente, anders als viele ihrer KollegInnen, sehr gut. Aus sozialem Engagement stiftete sie 700.000 Goldmark, mit denen ein Altenheim für sechs bedürftige ehemalige Bühnenkünstler errichtet wurde. Die Verwaltung der Stiftung hat eine Anwaltskanzlei übernommen, die Leitung des Hauses ein Hausmeisterehepaar.

Während Marie zur Sommerkur in St. Moritz weilt, erhält sie mehrere anonyme Briefe mit dem Verdacht, das Stiftungsgeld werde veruntreut. Ihre Schwester Wilhelmine, die sich um das Problem kümmern soll, erreicht leider nichts. Also bittet Marie die Krankenschwester Lotte Wernitz, nach Weimar zu fahren und sich in dem Haus um eine Stelle zu bewerben – mit Erfolg. Zwar wird Lotte nicht als Krankenschwester gebraucht, die Bewohner sind noch zu rüstig, aber als Mädchen für alles.
Schon bald bestätigt sich der Verdacht: Auf Hausrechnung bestellte Waren verschwinden „Der Keller birgt anscheinend eine Menge Schätze, die nicht ihrer ursprünglich geplanten Verwendung zugeführt werden.“ (S. 206).

Dabei wollte Lotte, die ursprünglich aus der Nähe von Potsdam stammt, eigentlich gar nicht aus der Schweiz weg und hat auch keine Ahnung, wie sie in Weimar Nachforschungen anstellen soll. Doch Marie bleibt hartnäckig, und so findet sich Lotte auf einer anstrengenden 24-stündigen Zugreise nach Weimar wieder, die an ihren Nerven und Kräften zehrt.
Im Heim gelingt es ihr rasch, das Vertrauen der Bewohner zu gewinnen, einer illustren Runde einstiger Theater- und Operngrößen, die ihre Marotten und Auftritte nicht verlernt haben. Eine frühere Sopranistin liebt noch immer Rosenbouquets, eine Schauspielerin rezitiert als Gretchen aus dem „Faust“, obwohl sie die Tageszeit vergisst. Ein anderer hat stets das passende Goethe-Zitat parat, während sein Kollege die Rolle als Lüstling nie ganz abgelegt hat. Lotte bewahrt Ruhe und Übersicht – und vergisst dabei nie Maries Auftrag.
Unterstützt wird sie vom Anwalt der Stiftung, Bernhard Gaspari. Ihm imponiert, dass sie nicht gefallen will oder sich verstellt – und auch privat findet er sie sehr reizvoll. „Eine junge Frau, die als Lotte in Weimar unterwegs ist, regt jedermanns Fantasie an.“ (S. 71) Doch Lotte ist diesbezüglich ein gebranntes Kind.

Michelle Marlys „Die Villa in Weimar“ ist ein gelungener Mix aus historischem Krimi und Romanbiografie. Marie Seebach, die Stiftung und das Altenheim gab / bzw. gibt es wirklich in Weimar, es war das erste seiner Art, während Lotte und ihre Ermittlungen der Fiktion entspringen.

Bewertung vom 10.06.2025
Wild Song
Gourlay, Candy

Wild Song


sehr gut

Bejubelt, gefürchtet, geknechtet

„Schau dir die an. Verkleidet wie ein menschliches Wesen!“ (S. 217)
Luki ist 16 und lebt im philippinischen Hochland. Vor Jahren hat sie den Überfall eines verfeindeten Stammes vereitelt und wurde dafür von den Ältesten mit Tätowierungen belohnt, eine Ehre, sie sonst nur Männern erwiesen wird. Obwohl sie ihren Mut und ihre Kampfkraft damit bewiesen hat, darf sie keinen Speer tragen oder jagen. Als sie trotzdem dabei erwischt wird, soll sie ihren besten Freund heiraten. Davon hat sie bisher immer geträumt, aber als es jetzt befohlen wird, will sie nicht mehr. Stattdessen nimmt sie das Angebot des Provinzverwalters Truman Hunt an, der indigene Bergvölker für die Weltausstellung 1904 in St. Louis anwirbt.
Nach der über 100 Tage dauernden, gefährlichen Reise, für die Luki und die Anderen zum ersten Mal in ihrem Leben das Hochland und ihre gewohnte Umgebung verlassen, werden sie auf dem Ausstellungsgelände „zu ihrem eigenen Schutz“ in einem abgeschlossenen Reservat untergebracht, das sie nicht verlassen dürfen. So haben sie sich das nicht vorgestellt. Und es wird noch schlimmer. Weil ihr normaler Alltag zu langweilig ist (sie sind Reisbauern und Jäger) und sie zu wenig Besucher anlocken, müssen sie sich verstellen und jeden Tag singen, tanzen und Feste feiern.
So lange sie in „ihrem Dorf“ bleiben, werden sie bejubelt und bekommen von den Besuchern Geld geschenkt, aber sobald sie diesen geschützten Raum verlassen, was nur sehr selten passiert, scheel angesehen und beschimpft, oder man hat Angst vor ihnen.

Ich fand es sehr spannend und interessant, dass Candy Gourlay die Weltausstellung und speziell die sogenannte Völkerschau aus Sicht einer indigenen Teilnehmerin erzählt. Luki und ihre Leute wurden mit Geld und falschen Versprechungen nach Amerika gelockt, angeblich lädt Präsident Roosevelt persönlich sie ein, damit sie dort wie Tiere im Zoo ausgestellt werden. Kein Wunder, dass Luki, die sich eine besseres und freieres Leben erhofft hatte, relativ schnell desillusioniert. Sie kann die Vorurteile, die ihnen entgegenschlagen, weder verstehen noch entkräften. Ihr war nicht bewusst, dass es in Amerika Rassentrennung gibt und auch streng durchgesetzt wird. Sie versteht nicht, warum sie sich beschimpfen und bespucken lassen soll und sich nicht wehren darf. Außerdem haben die westlichen Frauen genauso wenig Rechte und Freiheiten wie sie. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat sie sich definitiv anders vorgestellt.

Lukis Geschichte wird sehr eindringlich erzählt. Ich habe schon einige Bücher über verschiedenen Völkerschauen gelesen, aber das ist das erste aus Sicht einer Jugendlichen. An den Erzählstil musste ich mich erst gewöhnen, denn Luki erzählt in Gedanken ihrer verstorbenen Mutter, was sie erlebt. Dabei verwendet sie prägnante Sätze. Ich bin nicht sicher, ob das ihr Alter oder ihre Herkunft verdeutlichen soll, aber es macht die Geschichte besonders eindrücklich.

Bewertung vom 09.06.2025
Das Versprechen eines Sommertags
Sonnberg, Elena

Das Versprechen eines Sommertags


ausgezeichnet

Don't Stop Believin

„Liebesgeschichten im Alltag haben unterschiedliche Happy Ends. Manche dauern ein ganzes Leben, überstehen jeden Sturm, und andere enden mit Respekt und hoffentlich Freundschaft.“ (S. 419)
Isabelle und Stefan sind seit 15 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder, doch seit einiger Zeit kriselt es. Während sich Isa neben der Arbeit im gemeinsamen Immobilienbüro auch um Haushalt und Kinder kümmert, zieht sich Stefan immer mehr zurück. Er will eine Beziehungspause, der Sommerurlaub wird gestrichen. Da laden Isas Eltern zu ihrer vorgezogenen Goldenen Hochzeit auf ihre Finca nach Mallorca ein, in er sie früher jeden Sommer verbracht haben. Natürlich sagen sie ja. Während Stefan hofft, dass sie bei der Gelegenheit Isas Eltern endlich von der Trennung erzählen, denkt die, dass sich alles wieder einrenkt.
Aber dann bringt ihr Bruder Daniel seinen besten Freund Ben mit. Isa hat mit ihm im Sommer vor 15 Jahren einem Roadtrip gemacht, dabei hatten sie sich versprochen, sich nach seinem Jahr im Ausland eine gemeinsame Zukunft aufzubauen ...

„Das Versprechen eines Sommertags“ ist kein so leichter, heiterer Sommerroman, wie es das Cover vermuten lässt. Isas Beziehungskrise, die sie um jeden Preis geheim halten will, spitzt sich immer mehr zu. Stefan sondert sich auf Mallorca weiter von der Familie ab, die Kinder beginnen, Fragen zu stellen. Daniel und Ben springen oft ein, um sie abzulenken. Und Isas Eltern, deren so lange, glückliche Ehe ihr Vorbild ist, scheinen auch etwas zu verheimlichen.

Ich konnte mich gut in Isa hineinversetzen und habe sie für ihren Langmut bewundert. Während sie sich nach Arbeit zu Hause um alles kümmert und dabei oft verzweifelt, lässt sich Stefan höchstens am Wochenende dazu herab, etwas mit ihnen zu unternehmen.
Und nun ist da Ben, immer freundlich, nett und zugewandt. Er macht Isa vorsichtige Komplimente und erinnert sie daran, wie sie sich ihr Leben eigentlich vorgestellt hatte. Sie wollte Künstlerin werden, hatte viel und gut gezeichnet, doch dafür hat sie schon lange keine Zeit mehr. Jetzt stellt sich ihr plötzlich die Frage, ob es mit Anfang 40 wirklich schon zu spät ist, um noch einmal neu anzufangen?!

Elen Sonnberg hat eine berührende, traurig und schöne Geschichte über einen Sommer voller Umbrüche und Entscheidungen geschrieben, die sich um Liebe, Familie, Zusammenhalt und Geheimnisse dreht. Die tolle Kulisse Mallorcas mit Bergen und Meer, sommerlicher Stimmung und köstlicher Kulinarik lädt dabei zum Träumen und Genießen ein.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2025
Schatten über Sømarken / Lennart Ipsen Bd.3
Kobr, Michael

Schatten über Sømarken / Lennart Ipsen Bd.3


sehr gut

Rache wird am besten mit einem Sternemenü serviert

„Es gab Geschmäcker, für die konnte man sterben. Und so einen hatte er zweifelsohne gerade auf der Zunge.“ (S. 8) denkt Fernsehstarkoch Falk Magnusson, als er das Menü im Argousier genießt, dann bricht er tot zusammen. Schnell wird klar, dass er vergiftet wurde – von seiner Ex-Partnerin und Starköchin Maren? Die Freundin von Kommissar Lennart Ipsen steht sofort unter Verdacht, doch trotz seiner Eifersucht, weil sie ihm nie die ganze Wahrheit über sich und Falk gesagt hat, traut er ihr den Mord nicht zu. Und dann darf er in dem Fall noch nicht mal ermitteln, weil er gerade Urlaub hat und als befangen gilt.

Es ist Sommer auf Bornholm, doch Lennart kann seinen Urlaub nach dem Mord nicht mehr genießen. Er zweifelt an seinen Fähigkeiten als Kommissar, weil seine Kolleginnen Britta und Tao anscheinend sehr gut ohne ihn auskommen. Natürlich stellt trotzdem eigene Nachforschungen an. Außerdem traut er sich nicht mehr, Marens Gerichte zu essen, falls der Täter noch mehr vergiftet hat. Das führt zu einigen unschönen Situationen zwischen ihnen.

In „Schatten über Sømarken“ nimmt Michael Kobr diverse Fernsehkochshows und Starköche ins Visier. Falk Magnussen gilt als der König des dänischen Kochfernsehens, aber er ist auch dafür bekannt, die Kandidaten bis auf Blut zu peinigen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Seine Geschäftspartner sind ebenfalls nicht gut auf ihn zu sprechen, er hat gegen so ziemlich jeden prozessiert. Wurde er von einem von ihnen umgebracht? Natürlich hätte auch Maren einen guten Grund, sich zu rächen, weil sich Falk sich vor Jahren privat und beruflich sehr plötzlich und rigoros von ihr getrennt hat.

Die Querverweise auf die verschiedenen Sendungen und Köche sind sehr unterhaltsam, wobei mir die Kandidaten echt leid getan habe. Ansonsten plätschert die Handlung diesmal etwas vor sich hin. Lennart kann nur heimlich ermitteln, was er seiner Stellvertreterin Britta echt übel nimmt. Wie soll er da nach dem Urlaub wieder ein ordentliches Vertrauensverhältnis herstellen?
Auch bei Maren ist er plötzlich unsicher. Ihrer Beziehung mit Falk hat sie auf Social Media geteilt und gelebt, jetzt sagt sie bei Interviews nicht mal, dass sie einen Freund hat. Ist er ihr etwa peinlich?
Und dann mischt sich auch noch sein Vater aus der Ferne in alles ein: Lennarts Beziehung, die Ermittlungen und die Wohnungssuche (er muss umziehen), schließlich ist er dank diverser Podcasts jetzt auf allen Gebieten ein echter Spezi.

Auch der 3. Teil der Reihe ist unterhaltsame, kulinarische Cosy Crime. Hoffentlich wird Lennart bis zum nächsten Fall seine Selbstzweifel wieder los.

Bewertung vom 04.06.2025
Der Sommer mit dir
Popescu, Adriana

Der Sommer mit dir


ausgezeichnet

Das wird der Sommer deines Lebens

„Wonach riecht Freiheit denn?“ „Na frisch gemähten Wiesen, nach klarem Wasser, nach Sonnenmilch und einer eiskalten Cola.“ (S. 74)
„Das wird der Sommer deines Lebens“ ist Cleos Mantra, als sie in München auf dem Bahnsteig steht und überlegt, ob sie wirklich allein mit dem Zug nach Kroatien fährt, wo ihre Clique wartet. Eigentlich wollte sie die Interrail-Tour mit ihrer besten Freundin Livi machen, aber die liegt mit einem Blinddarmdurchbruch im KKH.
Im Abteil lernt sie Gabriel kennen, der schon seit Hamburg im Zug sitzt und bis nach Budapest durchfährt. Obwohl Cleo sonst sehr vorsichtig ist und auch Livi Bedenken hat, dass er der Axtmörder aus ihrem letzte True-Crime-Podcast sein könnte, vertraut Cleo ihm irgendwie. Sie erkennt sich in ihm wieder, weil auch er sich in seiner Familie nicht wohl fühlt, auf sich allein gestellt scheint und vor etwas davonläuft. Cleo vor ihrer Vergangenheit und Gabriel vor seiner Zukunft. Aber bis sie sich das selbst und ihrem Gegenüber eingestehen können, rollen sie mit dem Zug quer durch Europa und kommen sie sich dabei mit jedem Schienenkilometer näher.

Einen Sommer gemeinsame Freiheit hatten sich Cleo und Livi erhofft, bevor sie zum Studium weggeht und sie sich nur noch selten sehen können. Geplant war eine Dauerparty mit ihren Freunden an der Küste Kroatiens, aber dann hat sich Cleo von ihrem Freund getrennt, der ebenfalls zu ihrer Clique gehört. Und nun weiß sie, die immer für alles einen Plan und ihr Leben fest im Griff hat, nicht weiter. Soll sie ihnen wirklich hinterherfahren und alte Wunden aufbrechen lassen? Gabriel meint, nein: „Niemand sollte den letzten Sommer vor dem echten Leben mit Menschen verbringen, auf die man keine Lust hat.“ (S. 38)
Dabei ist er auch nicht besser dran, traut sich nicht, einen Ausweg aus der Zukunft zu suchen, die sein Vater bestimmt. Cleo rät ihm: „Niemand sollte unglücklich mit seinem Leben sein, weil er Dinge tut, die andere erwarten.“ (S. 387) Gabriel ist ein Getriebener, will unbedingt ganz schnell nach Budapest, ohne ihr zu sagen, warum. Trotzdem machen beide Umwege, um Zeit miteinander verbringen zu können. Doch das reale Leben ist in Form von Nachrichten und Anrufen ihrer Freunde und Familien im Gepäck und lässt sich nicht vollends ausblenden. Immer mehr Probleme und Geheimnisse kommen ans Licht – werden die sie am Ende trennen oder zusammenführen?

Lange hat mich ein Jugendbuch nicht mehr so berührt, wie Adriana Popescus „Der Sommer mit dir“. Einerseits will man immer weiterlesen, andererseits soll es aber nicht zu schnell vorbei sein. Und dann habe ich es doch nicht aus der Hand legen können und die 400 Seiten am Stück gelesen – und am Ende eine Träne verdrückt.

5 Sterne für dieses Lesehighlight, das zeigt, dass wir im Leben immer unsere eigenen Entscheidungen treffen und auf unseren Bauch hören sollten, statt auf Kopf oder Herz.

Bewertung vom 03.06.2025
Jünger geht immer!
Berg, Ellen

Jünger geht immer!


sehr gut

Trennung mit Hindernissen

„Hiermit gebe ich unsere Trennung nach fünfzig Ehejahren bekannt“ (S. 5) ist nicht unbedingt der Satz, den man von seiner Mutter auf der Feier zur Goldenen Hochzeit hören möchte, die man monatelang akribisch vorbereitet hat. Während Anne noch überlegt, wie sie sie wieder zur Vernunft bringt, ruft ihr Vater seinen Scheidungsanwalt an – während alle Gäste aufgeregt auf das Gold-Paar ein- und durcheinander reden. Und diese Ankündigung ist erst die Spitze des Eisbergs. Ihre Mutter hat einen neuen, 15 Jahre jüngeren Lebensgefährten. Diese Beziehung will Anne natürlich um jeden Preis beenden, dumm nur, dass Tom, der Sohn ihres zukünftigen Stiefvaters, sie ihre eigene eingefahrene Ehe überdenken lässt. „Wie lange erträgt man es zu wissen, dass nichts mehr kommt? … Und auf einmal kommt mir ein seltsamer Gedanke: Ich will meine Zukunft zurück.“ (S. 38)

Anna ist 48, seit 20 Jahren verheiratet, ihre Kinder werden langsam flügge und ihr Mann Karsten ist der größte Egomane, der mir je untergekommen ist. So lange sie alles so macht, wie und wann er es will, läuft ihre Ehe. Doch wenn es mal nicht nach seinem Willen geht, wird er zum Rumpelstilzchen. Wie sie es so lange mit ihm ausgehalten hat, ist mir ein Rätsel. Die Schmetterlinge sind also längst ausgeflogen, sie ärgert sich nicht mal mehr über seine Affären. Stattdessen geht mit ihrer Mutter und der Nordic Walking Gruppe im Wald Stress abbauen. Genau diese Gruppe hilft ihr jetzt, ihre Mutter und deren neuen Freund zu überwachen, um sie vielleicht doch noch auseinander zu bringen.

Leider ist bei mir der Funke diesmal nicht ganz übergesprungen. Was sich Anne von ihrem Mann hat gefallen lassen, ging für mich gar nicht. Zudem schliddert sie von einer übertriebenen Katastrophe in die nächste und ihre Freundinnen waren mir zu drüber. Aber ich mochte den Humor, die Lebensweisheiten und Erika, die 80jährige Leiterin der Nordic Walking Gruppe, die Anne hilfreich zur Seite steht und sie nicht nur einmal überrascht.

Ellen Berg macht in ihrem neuesten Buch „Jünger geht immer“ auf humorvolle und unterhaltsame Weise Mut und Lust, seine eigene langjährige Beziehung zu überdenken und sich eventuell einen neuen (jüngeren) Mann zu suchen.

Bewertung vom 29.05.2025
Great Big Beautiful Life
Henry, Emily

Great Big Beautiful Life


sehr gut

Bilanz eines High-Society-Lebens

„Meine Familie war eine der ersten, die begriffen hat, dass es nicht die Neuigkeiten sind, die sich gut verkaufen, sondern die Schlagzeilen. … Schlicht und schlüpfrig, das ist die Gewinner-Kombination.“ (S. 81)
Seit ihrer Kindheit ist die Redakteurin Alice Scott fasziniert von Margaret Grace Ives, die aus einer der skandalösesten Familie des 20. Jahrhunderts stammt und vor über 20 Jahren untergetaucht ist. Monatelang hat sie nach ihr gesucht, weil sie unbedingt eine autorisierte Biografie über Margaret schreiben will. Als sie sie endlich gefunden hat, wird Alice zu einem Vorgespräch eingeladen. Um so überraschter ist sie, als ihr dabei ihr Konkurrent vorgestellt wird: Hayden Anderson, Musikjournalist, Biograf und Pulitzer-Preis-Gewinner. Margaret wird sich 4 Wochen lang einzeln mit ihnen treffen und reden. Den Job bekommt am Ende der, dessen Arbeitsprobe ihr am besten gefällt.

„Great Big Beautiful Life“ ist wieder ein Roman, der mich sehr zwiegespalten zurücklässt. Da ist zum einen Margarets Leben zwischen Skandalen und Tragödien, von dem sie Alice nach und nach erzählt und das diese mit dem vergleicht, was sie vorher recherchiert hat oder jetzt nachprüfen kann. Dabei stößt Alice immer wieder auf Ungereimtheiten und Lügen. Oder wird Margaret dement und erinnert sich nicht mehr richtig? Sie würde gern mit Hayden darüber reden, aber der hält sich strikt an Margarets Verbot, ihre Informationen und Erkenntnisse auszutauschen. Doch auch er meint: „Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass wir irgendwie manipuliert werden, und ich verstehe einfach nicht, wie oder warum.“ (S. 393)
Dieser Strang ist wahnsinnig spannend und bewegend, weil er einen guten Einblick in den Aufstieg und Fall der Familie Ives gibt, die es von Bauern zu Millionären gebracht haben, damit aber nie wirklich glücklich waren und jahrzehntelang die Presse beherrscht haben. Margaret führte ein aufregendes Leben, stand ab ihrer Geburt im Scheinwerferlicht der Paparazzi und hatte sich gut damit arrangiert, bis sie irgendwann urplötzlich verschwand und nicht mehr auffindbar war. Alice versucht zu ergründen, was damals passiert ist, aber Margaret gibt immer nur Bruchstücke preis.

Zum anderen sind da Alice und Hayden und ihre Konkurrenz um den Buchvertrag. Die Situation zwischen ihnen ist extrem angespannt, jeder Verlag würde ihnen die Biographie aus den Händen reißen und der Ruhm wäre vorprogrammiert. Außerdem haben beide keine einfache Vergangenheit und Probleme mit ihren Eltern. Außerdem machen sie einige unglaubliche Entdeckungen – das wäre für mich völlig ausreichend gewesen. Aber Emily Henry lässt sie sich auch noch vom ersten Augenblick an zueinander hingezogen fühlen und macht daraus ein ziemliches hin und her mit viel Drama – mir leider viel zu viel.

Mein Fazit: Eine eigentlich sehr berührende Lebensbeichte, aber mit zu viel Drama im Nebenstrang überfrachtet.

Bewertung vom 27.05.2025
Als ich dich traf
Serle, Rebecca

Als ich dich traf


ausgezeichnet

Diesmal endlich für immer?

„Ich dachte immer, wenn es passiert, steht da vierzig Jahre oder so.“ (S. 35)
Wenn Daphne einen neuen Mann kennenlernt, bekommt sie einen Zettel mit seinem Namen und der Zeit, wie lange sie mit ihm zusammen sein wird. Das können Stunden, Tage, Monate oder Jahre sein. Am Anfang hat sie sich trotzdem ganz auf ihre Partner eingelassen, hat gehofft, dass sich der Zettel irrt, aber irgendwann ist sie nur noch halbherzig auf die Beziehungen eingegangen, hatte immer den Endpunkt im Blick und gewartet, wie es passiert. Als sie Jake kennenlernt, steht auf dem Zettel nur sein Name. Bedeutet das, dass es diesmal endlich für immer ist?

Wie schon in den vorangegangenen Büchern von Rebecca Serle, hat auch „Als ich die traf“ eine mystische Komponente, die mir sehr gefallen hat. Daphne glaubt, dass ihr Leben vorbestimmt ist und sie durch die Zettel auf den nächsten Lebensabschnitt bzw. den Abschluss der Beziehung vorbereitet wird, damit es ihr nicht so schwer fällt, diese loszulassen. Allerdings haben diese Zeiträume noch eine andere, unerwartet emotionale Bedeutung, die nicht zu früh verraten wird und Daphnes anscheinend perfektes Leben in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Sie hat einen tollen Job, gute Freunde und eine sehr gute Beziehung zu ihren Eltern. Nur die ganz große Liebe für immer war noch nie dabei.

Ich habe mich beim Lesen gefragt, warum Daphne die Zettel nie ignoriert, sondern ihr angebliches Schicksal widerspruchslos hingenommen hat. Denn es gab mind. zwei Beziehungen, bei denen sie bis zuletzt gehofft hatte, dass die Vorhersage nicht stimmt. Einer der Männer ist Hugo, mit dem sie seit ihrer kurzen Beziehung eine tiefe Freundschaft verbindet. Er ist der Einzige, der wirklich alle ihr Geheimnisse kennt, ihre erste Anlaufstelle, ihr Seelentröster.
Und jetzt ist da Jake, lt. ihrem der Zettel der perfekte Mann. Aber warum kann sie ihm dann nicht alles über sich erzählen? Er hätte doch die ganze Wahrheit verdient. „Manchmal habe ich das Gefühl, du hast da noch ein anderes Leben, über das ich nichts weiß.“ (S. 217)

Daphnes Story hat mich so gepackt, dass ich das Buch wieder am Stück durchgelesen habe. Es ist schön und zugleich traurig, philosophisch und macht nachdenklich. Ein Herzensbuch über unseren freien Willen und den Mut zu Entscheidungen.

Bewertung vom 26.05.2025
Prost, auf den Doktor
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf den Doktor


ausgezeichnet

Wenn auch die beste Medizin nicht mehr helfen kann

Das Treffen der Hamburger und Traunsteiner Motorradclubs findet ausgerechnet auf einer Wiese vor Brunngries statt. Während die Hamburger Rocker noch echte Handwerker und Arbeiter sind, sind die Traunsteiner sonntagsfahrende Besserverdienende, die vor allem ihre teuren Maschinen vorführen wollen. Und weil das Übernachten im Zelt nicht mehr zu ihrem Lebensstil (und Alter) passt, haben der Arzt Sebastian Burgegger und sein Freund, der Anwalt Heiko Fricke, heimlich Gästezimmer im Krause gebucht. Doch das unauffällige Zurückkehren am nächsten Morgen scheitert. Burgegger liegt mit durchgeschnittener Kehle im Bett. Verdächtig sind alle und keiner. Es gab immer wieder Differenzen zwischen den Clubmitgliedern, aber ein schlüssiges Mordmotiv finden Hauptkommissar Tischler und Polizeihauptmeister Fink nicht. Außerdem lebt Burgegger in Scheidung und auch seine Praxis lief wohl nicht ganz so toll, wie er es nach außen dargestellt hat. Doch seine Fast-Ex-Frau hat ein gutes Alibi und bis auf einen wütenden Patienten, dessen Fall allerdings schon Jahre zurückliegt, ist da auch nicht zu holen.

Tischler und Fink müssen unter erschwerten Bedingungen arbeiten: Tischlers Hightech-Kaffeemaschine ist kaputt und der Herzhafte von Brunello aus Luises Filterkaffeemaschine natürlich keine Alternative. Wenigstens hängt ihnen Polizeioberrat Schwenk diesmal nicht im Nacken, so dass sie in Ruhe „in alle Richtungen“ ermitteln können. Dabei kommen sie einem prekären Geheimnis des Toten auf die Spur. Hat sein Mord etwa damit zu tun?!

Zudem hat sich Tischlers ehemalige Münchner Kollegin, Hauptkommissarin Anne Reusch, nach Traunstein versetzen lassen, und er begrüßt sie mit einem riesigen Blumenstrauß. Wird Britta etwa untreu? Wenigstens seine Liebe zu Dackeldame Resi ist ungeteilt. Inzwischen spottet der Stammtisch im Krause schon, wann sie endgültig zu ihm zieht.

Ich mag, wie es in der Reihe menschelt und sich Beziehungen und Personen weiterentwickeln. Fink gibt Tischler immer mehr Kontra und zeigt, dass er nicht umsonst Polizist geworden, sondern ein richtig guter Ermittler ist, wenn Tischler ihn lässt. Er entdeckt wichtige Hinweise zur Lösung des Falls und überflügelt seinen Chef bei den Verfolgungsjagden. Auch sein Modegeschmack wird besser, ich sage nur: Trachtenjanker ade.
Tereza und Nori köcheln derweil unbehelligt ein ganz spezielles Süppchen. Ob das auf Dauer gut geht?

Friedrich Kalpenstein hat mit „Prost, auf den Doktor“ wieder sehr unterhaltsame und spannende Cosy Crime geschaffen. Ich freue mich auf weitere Bände.

Bewertung vom 25.05.2025
Olaf ist weg / Ostsee-Mordclub Bd.2
Jakobi, Jette

Olaf ist weg / Ostsee-Mordclub Bd.2


ausgezeichnet

Der Ostsee-Mordclub ermittelt wieder

„Nicht jede Kleinigkeit ist der Auftakt zu einem Thriller!“ (S. 127), doch als Olaf weder zum sonntäglichen Abendessen noch dem anschließenden Tatort nach Hause kommt, sorgen sich seine Mitbewohnerinnen Elsbeth, Ursel und Karin schon um ihn. Schließlich sind sie mit Mitte 70 nicht mehr die Jüngsten, wie schnell kann da mal was passieren. Auch Olafs Freundin Linda hat nichts von ihm gehört, obwohl sie verabredet waren. Trotzdem wartet das Trio bis zum nächsten Morgen, bevor sie ihre Suche starten. Im Buchladen seines Freundes Harald stolpern sie über die Leiche eines Angestellten – und das alte Buch, wegen dem Olaf zu ihm gefahren war. Hat Olaf ihn im Streit erschlagen und ist geflohen? Ist er in die Tat geplatzt und wurde entführt? Oder steckt etwas Linda hinter seinem Verschwinden, die sich extrem merkwürdig verhält?! Kommissar Biermann, den sie von ihrem ersten Fall kennen, hofft umsonst, dass sie sich aus allem raushalten, schließlich haben sie jahrzehntelange Fernseh-Tatort-Erfahrung und außerdem hält der Ostsee-Mordclub sie jung und (nicht nur geistig) fit.

Auch der zweite Band der Reihe von Jette Jakobi (dem Pseudonym von Andrea Russo (Anne Barns) und Christin-Marie Below) hat mich wieder sehr gut unterhalten.
Elsbeth, Ursel und Karin kennen sich seit über 50 Jahren und wissen um die Fehler und Schwächen der anderen, aber auch ihre Fähigkeiten und Talente. Sie waren skeptisch, als Olaf, der pensionierte Kommissar, vor einigen Monaten in die Jugendstilvilla gezogen ist, aber er hat sich gut in ihre WG eingefügt. „Vielleicht war das Miteinander in dieser Villa nicht immer ruhig. Aber es war lebendig.“ (S. 13) Der einzige Streitpunkt ist seine Freundin Linda, die ihm immer wieder reinredet. Linda hingegen meint, dass die drei ihn zu sehr bemuttern und gegen sie beeinflussen würden.

Ihre Begeisterung für Krimis und Ermittlungen schweißt die Freundinnen zusammen. Auf der Suche nach Olaf können sie mit ihren langjährigen Erfahrungen punkten. So weist die ehemalige Krankenschwester Karin Kommissar Biermann am Tatort darauf hin, dass der Tote schon 12-18 h tot sein muss, das erkennt sie an der Haut und Totenstarre. Ursel, die frühere Friseurin und Visagistin, hat ein Auge fürs Detail, und Elsbeth, die ehemalige Lehrerin, weiß genau, wann sie angelogen wird.

Wie in den anderen Büchern der Autorinnen spielt das leibliche Wohl eine große Rolle und lässt einem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Hier bringen Elsbeths frischgekochte Karamellbonbons sie sogar auf die Spur des Täters …

„Olaf ist weg“ ist spannend, sehr unterhaltsam und voller überraschende Wendungen. Ich mag die etwas schrägen, altersweisen ErmittlerInnen, ihre Gruppendynamik und das Zwischenmenschliche (ich sage nur „Salsa-Kurs“ …). Mein Tipp für Fans von Cosy Crime mit Ostseesehnsucht.