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sleepwalker

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Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 17.05.2024
Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1


gut

Ich mag Krimis und bin von Island fasziniert, da dachte ich, ich könnte mit „Verschwiegen“ von Eva Björg Ægisdóttir nichts verkehrt machen. Damit lag ich allerdings falsch. Ich fand bis weit über die Mitte des Buchs keinen Zugang zur Geschichte, Spannung kam keine auf und ich fand ihn langatmig und langweilig. Schade, denn die Idee dahinter ist gut und der Krimi hätte viel Potential gehabt, das die Autorin bei weitem nicht ausschöpft.
Aber von vorn.
Polizistin Elma ist die Neue im Ermittlerteam im Isländischen Akranes. Sie stammt aus der Kleinstadt und ist nach ihrer Trennung wieder von Reykjavik zurückgekehrt. Kaum, dass sie wieder in der alten Heimat Fuß gefasst hat, wird in der Nähe des Leuchtturms eine junge Frau tot aufgefunden. Auch sie hatte Akranes ursprünglich einmal verlassen, war aber wieder zurückgekehrt. Elma übernimmt die Ermittlungen zusammen mit ihren Kollegen und stößt auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit der Toten, was die Zahl der Verdächtigen zunächst etwas unüberschaubar macht. Plötzlich gibt es viele potenzielle Täter und alle möglichen Menschen hätten ein Motiv, die junge Frau getötet zu haben.
„Verschwiegen“ war eindeutig nicht mein Buch, zu Ende gelesen habe ich es tatsächlich auch nur, weil ich wissen wollte, wer die junge Pilotin getötet hat. Mir fehlte über weite Teile des Buchs die Spannung, für mich gab es viel zu viele belanglose Szenen, die mit dem Krimi überhaupt nichts zu tun haben und die die Ermittlungen zu sehr in den Hintergrund drängten. Sehr oft war ich geneigt, die Lektüre einfach abzubrechen. Selbst sprachlich konnte mich der Krimi nicht begeistern, der Schreibstil ist schlicht und flüssig zu lesen, aber er lag mir nicht wirklich. Die Autorin erzählt ihren Krimi in zwei Erzählebenen, dem Hier und Jetzt und in Rückblicken in die Jahre 1989 und 1990.
Bei den Beschreibungen der Charaktere hat sich die Autorin sehr viel Mühe gegeben, allerdings wird man durch die Vielzahl der Personen leicht erschlagen und alles in allem bleiben sie etwas blass und eindimensional. Was dem Krimi für mich allerdings den Rest gab, war die Tatsache, dass es über weite Strecken überhaupt kein Krimi war. Es fehlte an Spannung, die Ermittlungen geraten bei den vielen Problemen der verschiedenen Charaktere völlig in den Hintergrund. Der Schluss kam plötzlich und überraschend, er ist zwar leidlich stimmig aber nicht befriedigend auserzählt. An manchen Stellen hatte ich das Gefühl, die Autorin hätte sich in ihrer eigenen Geschichte verrannt und wollte sie nun überstürzt zum Ende bringen. Aber es ist nicht alles schlecht an diesem Krimi, manche psychologische Aspekte hat Eva Björg Ægisdóttir ganz hervorragend ausgearbeitet und in ihre Geschichte eingebaut und wenn Spannung vorhanden war, war sie packend und greifbar. Ihre Landschaftsbeschreibungen waren toll und ihre Protagonistin ist mit ihrer unangepassten Art ein unkonventioneller Charakter, der ein echtes Highlight des Buchs war.
Alles in allem hat es mich aber nicht wirklich begeistert. Ich werde dem zweiten Teil der Reihe dennoch eine Chance geben, denn die Idee hinter diesem Buch war gut, Elma hatte als Ermittlerin auch Potential und vielleicht gefällt mir „Verlogen“ ja besser. Auf jeden Fall ist das Buch für mich weit weg von „hochspannend“, ja, es ist höchstens ein bisschen spannend. Von mir gibt es für die gute Idee drei Sterne.

Bewertung vom 17.05.2024
Annas Lied
Koppel, Benjamin

Annas Lied


ausgezeichnet

„Annas Lied“ von Benjamin Koppel ist ein Buch, das mich in vielerlei Hinsicht berührt hat. Die bewegte Lebensgeschichte von Hannah Koppelmann zieht sich über fast ein Jahrhundert, von ihrer Kindheit in den 1920er-Jahren in Kopenhagen bis zu ihrem Tod 2019 in Frankreich. Der Autor, ein bekannter dänischer Jazz-Saxophonist, erzählt damit halbdokumentarisch die Geschichte seiner eigenen Familie, denn hinter der Protagonistin verbirgt sich seine Großtante Anna Koppel. Wie sehr ihn ihre Geschichte beschäftigt, zeigt die Tatsache, dass er ihr mit dem Album „Anna’s Dollhouse“ auch ein musikalisches Denkmal gesetzt hat.
Aber von vorn und zum literarischen Denkmal.
Hannah Koppelmann wurde 1921 in Kopenhagen geboren, das Buch beginnt 1929, als sie acht Jahre alt ist. Sie ist das jüngste von fünf Kindern und das einzige Mädchen. Die Wurzeln der jüdischen Familie liegen in Polen und eigentlich hatten Vater Yitzhak und Mutter Bruche geplant, nach Amerika zu auszuwandern. Gelandet ist die Familie dann aber in Kopenhagen, wo der Vater eine Schneiderwerkstatt betreibt. Alle fünf Kinder sind sehr musikalisch. Während aber drei der Brüder Musik zum Beruf machen dürfen, diktiert die Mutter Hannah ein strengeres Leben auf. Da die Brüder für die Mutter eine Enttäuschung sind (sie verweigern sich den arrangierten Ehen, heiraten gegen den Willen der Eltern Schicksen und wenden sich von der jüdischen Religion ab), bleibt Bruche bei Hannah unnachgiebig. Sie muss den Mann heiraten, den die Eltern für sie ausgewählt haben, eine Ehe mit ihrem Geliebten Aksel ist undenkbar.
Parallel zum Familienleben passiert auch viel in der Welt. Die Deutschen fallen in Dänemark ein, Juden werden verfolgt und auch Familie Koppelmann muss fliehen. Der Weg führt sie nach Schweden, wo Hannah auch das gemeinsame Kind von ihr und Aksel zur Welt bringt. Dieses wird ihr direkt nach der Geburt genommen, sie wird es nie wiedersehen. Als wieder Frieden in Europa herrscht kehrt die Familie zurück nach Kopenhagen und für Hannah geht es kurze Zeit später weiter nach Frankreich, zu einem Wildfremden, den sie heiraten muss, um die Mutter nicht zu enttäuschen. Sie lernt die Sprache, fügt sich ins Eheleben, ordnet sich ihrem Mann unter und findet ihr einziges Glück in ihren Kindern und dem Klavierspiel, dem sie heimlich hinter dem Rücken ihres Mannes weiter nachgeht. Wirklich glücklich wird sie aber erst nach seinem Tod, denn da kann sie sich noch für ein paar Jahre den Traum von der Musik erfüllen. Die unglückliche und von Gewalt geprägte Ehe schaffte es nicht, sie zu brechen und ihr ihre Träume zu nehmen.
Benjamin Koppel vermischt in seiner speziellen „Familienchronik“ Fakten und Fiktion, gibt Einblicke in das Zeitgeschehen und in das Leben in einer jüdischen Familie. Damit schafft er ein Buch, das mir ans Herz ging. Seine Sprache finde ich angenehm, sie ist schlicht und sachlich, die Übersetzung ist sehr gut gelungen.
Mich hat das Buch sehr betroffen gemacht. Der Umgang mit den jüdischen Mitbürgern in Kopenhagen, das langsame Erstarken des Nationalsozialismus in Europa – damals so aktuell wie heute. Anna/Hannah ist ein Kind ihrer Zeit, aber auch ein Kind ihrer Eltern. Arrangierte Ehen waren zu der Zeit beispielsweise nicht selten, auch in nicht-jüdischen Familien bestimmten oft die Eltern den Ehepartner, Heiraten zwischen den Konfessionen waren häufig unmöglich. Pflichterfüllung wurde von Kindern, vor allem aber von Töchtern stets erwartet. Hannahs Mutter Bruche hatte in der Familie eindeutig das Sagen, im Zweifel setzt sie sich mit Drohungen und Wutausbrüchen durch. Für mich als Leser war es bedrückend, wie sehr Bruche ihre Familie unter Druck setzte und dass sie ihre Tochter sehenden Auges in ein unglückliches Leben zwang. Sie selbst lebt als Matriarchin eine Emanzipation, die sie ihrer Tochter traurigerweise versagt.
Für die intensive Mischung aus Familien- und Zeitgeschichte gibt es von mir eine klare Lese-Empfehlung und fünf Sterne.

Bewertung vom 03.05.2024
Ostseefinsternis / Pia Korittki Bd.19
Almstädt, Eva

Ostseefinsternis / Pia Korittki Bd.19


sehr gut

„An dieser Geschichte ist nichts einfach“ und „Es ist alles so verworren“ konstatieren zwei Charaktere in Eva Almstädts neuestem Pia-Korittki-Krimi „Ostseefinsternis“. Und das ist leicht untertrieben. Mit dem 19. Teil der Serie tischt die Autorin ihrer Leserschaft einen verworrenen Krimi mit sehr vielen Personen auf, von denen alle irgendwie miteinander verwandt zu sein scheinen. Für mich war es eine unterhaltsame Lektüre, wenn auch nicht der beste Teil der Reihe. Lediglich der Showdown zum Schluss konnte mich wirklich fesseln. Abgesehen davon hat das Buch aber viel Lokalkolorit und Familienleben.
Aber von vorn.
Eigentlich möchte Pia Korittki zusammen mit ihrem Lebensgefährten Marten und ihrem Sohn Felix Urlaub an der Ostsee machen. Ruhe und Entspannung sind ihr aber nur wenig vergönnt, denn in Kaltenbrode, ganz in der Nähe des Orts, in dem Marten sich ein Haus gekauft hat, wird erst Stella Böttcher überfallen, kurze Zeit später wird Benno Hagendorf tot am Strand aufgefunden. Hat der Überfall auf die junge Buchhalterin, die nebenbei noch als Bedienung in der örtlichen Kneipe arbeitete, etwas mit dem Tod des Architekten zu tun? Dazu herrscht zwischen den alteingesessenen Familien Hagendorf und Böttcher seit Jahrzehnten eine Fehde. Und dann verlieben sich Stella und der verheiratete Benno ineinander, zumal die jüngere Generation der verfeindeten Familien den Grund für die Feindschaft nicht einmal kennt. Als klar wird, dass Benno vergiftet wurde und einen Steilhang hinuntergestürzt ist, nehmen die Ermittlungen Fahrt auf. Sind noch andere Mitglieder der Familien in Gefahr?
Es ist der 19. Fall für Pia Korritki und eigentlich ist es gar nicht ihrer. Schließlich hat sie Urlaub und möchte die Herbstferien mit ihren Lieben verbringen. Es ist eher ein Freundschaftsdienst, dass sie die Kollegen vor Ort bei ihrer Arbeit unterstützt, da der Tatort nicht sehr weit von Martens Haus entfernt liegt. Und sie stößt auf komplizierte Familienzusammenhänge, die der Leserschaft dankenswerterweise durch einen Stammbaum am Anfang des Buchs verständlicher werden. Ohne diesen verliert man bei den ganzen Durcheinander leicht den Überblick, denn irgendwie sind alle miteinander verwandt. Naja, außer dem neuen Arzt im Dorf, Arne Freiwald, der gehört nicht wirklich dazu und er ist als Exfreund von Stella Böttcher einer der ersten Verdächtigen der Ermittler. Und auch die Einheimischen trauen ihm plötzlich nicht mehr über den Weg. Als jemand, der in einem kleinen Dorf wohnt, kann ich nur sagen: Sehr realistisch!
Und auch sonst ist Eva Almstädts Krimi realitätsnah, für die Leserschaft aber nicht unbedingt sehr spannend. Die seitenlangen Ermittlungen, in denen endlose Verhöre mit unzähligen Verdächtigen beschrieben werden, waren langatmig und langweilig und der Fall scheint lange Zeit nicht voranzukommen. Etwas sehr plakativ fand ich allerdings die Darstellung einiger Charaktere, vor allem, dass die Reichen (und Schönen) sehr oft die Arroganten und Unkooperativen sind. Der Spannungsbogen ist im ersten und im letzten Drittel ziemlich hoch, der Schluss ist tatsächlich richtig spannend und macht einige der Längen aus dem Mittelteil des Buchs wieder wett. Die Lösung des Falls ist stimmig, hat mich aber nicht wirklich zufrieden zurückgelassen. Nach so vielen Wendungen kommt die Auflösung für mich überraschend, aber etwas platt daher.
Der Schreibstil der Autorin ist bildhaft und man kann sich überwiegend gut in die Geschichte einfühlen. Ihre Sprache ist angenehm und flüssig zu lesen. Die Charaktere sind nach 18 Bänden gut bekannt. Dennoch schafft Eva Almstädt es immer wieder, ihren Personen neue Charakterzüge zu geben. Nach so vielen Teilen finde ich es eine echte Leistung, noch Neues im Familienleben von Pia, Marten und Felix, aber auch im Leben ihres Kollegen Heinz Broders unterzubringen.
Für mich war das Buch eine unterhaltsame nette Lektüre, wegen der zeitweise fehlenden Spannung gibt es von mir vier Sterne.

Bewertung vom 23.04.2024
Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
Hörner, Unda

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann


ausgezeichnet

Erika Mann war mir vor der Lektüre von Unda Hörners Buch „Solange es eine Heimat gibt“ nur namentlich bekannt. Das hat das Werk gründlich verändert, sympathisch wurde mir die älteste Tochter von Thomas Mann allerdings nicht, allerdings finde ich sie durchaus beeindruckend, zumindest wird sie von der Autorin so beschrieben. Das Buch ist eine Art Biografie, da darin bekannte Fakten zusammen mit fiktionalen Passagen zu einem speziellen Roman verwandelt werden. Ausgangspunkt von Unda Hörners Buch ist der 21. Mai 1949, der Todestag von Erika Manns Bruder Klaus. Mit diesem Datum als Zentrum beschreibt die Autorin Episoden aus Erikas Leben, immer verknüpft mit Klaus, aber auch mit ihren Eltern Thomas und Katia und vielen anderen Persönlichkeiten aus Literatur und Kunst.
Aber von vorn.
Thomas Mann war wohl enttäuscht, als seine Frau Katia 1905 nicht den ersehnten Stammhalter bekam, sondern eine Tochter. Aber Erika sollte bis zum Schluss dasjenige seiner sechs Kinder sein, mit dem er am innigsten verbunden war, sie war bis zu seinem Tod 1955 seine Assistentin, Beraterin, Sekretärin und Vertraute. 1906 wurde Klaus geboren und er und Erika wuchsen fast wie Zwillinge auf. Weil sie nur knapp ein Jahr Altersunterschied trennte, aber auch, weil sie ein Herz und eine Seele waren. Zu den jüngeren Geschwistern grenzten sie sich ab („[…] die sechs Geschwister drei märchenhafte Pärchen. Unter ihnen waltete allerdings eine rigorose Hackordnung. Erika und Klaus, Erimaus und Aißisohn, gaben unangefochten den Ton an.“), vor allem Monika wurde von ihnen verspottet und belächelt und, wie man heute sagen würde, gemobbt. Auch charakterlich waren sich Erika und Klaus ähnlich. Immer wild und unangepasst, exzentrisch und immer auf der Suche nach Identität, Sexualität, Freiheit, Glück, dem Platz im Leben und einer echten Heimat. Sie kämpften gegen Konventionen, ihr größter Kampf ist (neben dem gegen den Nationalsozialismus) aber der gegen Drogen und Alkohol. Letzteren verliert Klaus 1949, er begeht Suizid. Nach Klaus‘ Tod ordnet Erika seinen Nachlass, begleitet von Erinnerungen. Sie erinnert sich an die gemeinsame Kindheit, ihre Weltreise nach dem Abitur, die wilden Zwanziger in Berlin und ihr zunehmend aus den Fugen geratenes Leben mit dem Erstarken des Nationalsozialismus. Sie erinnert sich an die Emigration, das Leben im Exil, ihre und Klaus‘ unzählige unglückliche Beziehungen. In ihrer beider Leben gab es nur eine wirkliche Konstante: die enge Verbindung zueinander.
Unda Hörner verflicht in ihrem Buch Fakten mit Fiktion. Da ich die Familie Mann zu wenig kenne, fiel es mir als Leser oft schwer, Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden, manchmal springt die Autorin für mich auch zu wild durch die Zeitebenen. Bei manchen Themen fehlt mir auch die Einordnung der Dinge, die die Autorin zwischen den Zeilen anspricht. Zur Ehe ihrer gemeinsamen Freundin Pamela Sternheim (Tochter des Dramatikers Frank Wedekind) mit dem wesentlich älteren Dramatiker Carl Sternheim sagte Erika: „»Am schlimmsten ist es, sie so unglücklich zu sehen«. »Das fatale Gesetz der Bindung an den Vater«, erinnerte Klaus. Erika war klar, warum Klaus das so genau wusste. Ein solches Gesetz herrschte über vieles in seinem Handeln. Und in ihrem.“ – was bedeutete das für sie und Klaus und ihr Leben? Machten sie den Vater dafür verantwortlich, dass sie nie wirklich glücklich wurden? Auch Erika hatte eine „verhängnisvolle Schwäche für einen Mann, der gut ihr Vater hätte sein können“, Klaus suchte die Liebe in finsteren Kabuffs „wo ihm mehr oder weniger junge Männer zu Diensten waren, um ihn richtig glücklich zu machen – meistens vergeblich.“
Aber die Autorin schreibt mitreißend. Ihre Sprache ist bildhaft und das Buch lässt sich flüssig lesen. Es ist eine Mischung aus Biografie und historischem Roman, Familiengeschichte verwoben mit Zeitgeschichte. Trotz des für mich unbekannten Terrains war es für mich eine Freude, es zu lesen, auch wenn mir die Familie Mann unsympathisch blieb.
Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 23.04.2024
Sylter Rivalen / Kari Blom Bd.9
Tomasson, Ben Kryst

Sylter Rivalen / Kari Blom Bd.9


ausgezeichnet

Rivalitäten, wohin man auch schaut und das in der Idylle von Sylt, dazu jede Menge Menschen mit Geheimnissen. So könnte man das neue Buch von Ben Kryst Tomasson kurz beschreiben. Allerdings würde das „Sylter Rivalen“, dem neunten Teil der Kari-Blom-ermittelt-Reihe, nicht im Mindesten gerecht. Es ist ein spannender Krimi mit Verbrechen, viel Privatleben der Ermittler, sehr viel Lokalkolorit und natürlich mit der Häkelmafia (die auch in diesem Buch eher eine Strick-Mafia ist). Für mich war es eine reine Freude.
„Sie haben Jasper verhaftet“. So hatte sich Kriminalhauptkommissar Jonas Voss seine Elternzeit nicht vorgestellt. Unversehens muss er sich aus dem Familienleben mit seiner Frau Kari und der sechsmonatigen Tochter Lotta verabschieden und von Kiel zurück nach Sylt begeben, um seinem Sohn beizustehen. Der hatte als Aushilfe auf einem Ausflugsschiff angeheuert und als an Bord Geld gestohlen wird, wird es in seinem Rucksack gefunden. Linda Niehaus, die Kollegin, die Jonas während seiner Elternzeit vertritt, scheint sich auf Jasper eingeschossen zu haben und sucht eher zaghaft nach anderen möglichen Verdächtigen. Überhaupt macht sie sich durch ihre Arroganz und Überheblichkeit bei den meisten äußerst unbeliebt. „»Ich glaube, sie ist scharf auf deinen Posten. Deswegen will sie Jasper die Sache unbedingt in die Schuhe schieben. Weil sie denkt, dass man dich dann nach der Elternzeit irgendwo anders hin versetzt.«“, bringt Jonas‘ Kollegin Hanna Behrends ihre Vermutung auf den Punkt.
Als dann auch noch der Animateur des Schiffs, der eine Aussage zu den Diebstählen machen möchte, ermordet wird, wird es für Jasper noch enger, denn er hat kein Alibi und der junge Mann wurde mit seinem Gürtel erdrosselt. Daher reist Kari mit Baby Lotta ebenfalls nach Sylt und ermittelt undercover auf dem Schiff. Sie möchte den Täter zusammen mit der „Häkelmafia“ finden. Zuerst einmal findet sie aber ein ziemliches Chaos, denn nach genauerer Recherche hat jeder, der auf dem Schiff arbeitet, irgendeine Leiche im Keller. Schließlich handelt sich bei der „Sea Shell“ nicht um ein gewöhnliches Ausflugsschiff. Eine Zirkusfamilie hatte sich das restaurierte Schiff gekauft und bietet Rundfahrten mit angeschlossener Erlebnisfahrt an. Überwiegend arbeiten Familienmitglieder auf dem Schiff, von Familienidylle ist aber wenig zu spüren. Und je näher Kari und die Häkelmafia dem Täter kommen, desto gefährlicher wird es für sie.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten bin ich inzwischen ein großer Fan der Kari-Blom-Reihe von Ben Kryst Tomasson. Zwar war „Sylter Rivalen“ für mich erst das dritte Buch aus der Serie, aber ich habe die Lektüre sehr genossen. Das Buch war spannend, verworren und auch psychologisch überaus interessant. Da der Autor aber auch promovierter Diplom-Psychologe ist, war das wenig überraschend. Überraschend war aber trotzdem vieles an dem Buch, vor allem der Schluss, denn auf diesen Täter wäre ich im Leben nicht gekommen.
Der Spannungsbogen wird langsam, aber konstant aufgebaut, die Spannungskurve verläuft allerdings etwas auf und ab, denn zwischendurch gönnt der Autor der Leserschaft mit Exkursen ins Privatleben der Hauptcharaktere immer mal wieder Verschnaufpausen. Pausen, in denen man seine eigenen Vermutungen zur Lösung des Falls aufstellen kann, denn Verdächtige gibt es reichlich. Oft steht Baby Lotta im Mittelpunkt dieser Pausen, die ein echter Sonnenschein zu sein scheint. Viele Charaktere sind aus den vorherigen Teilen schon bekannt, werden aber immer weiter ausgearbeitet. Sprachlich finde ich das Buch sehr gelungen, es ist leicht zu lesen, sodass nichts den flüssigen Lesefluss bremst, den die rasante Geschichte verlangt. Sylt spielt in diesem Band wieder einmal eine größere Rolle, was mich sehr gefreut hat. Dazu kommen Eifersucht, Rivalitäten, den Verlust von Arbeit und Lebenswerk, manipulative und toxische Beziehungen – da war für jeden etwas dabei.
Für mich war das Buch eine rundum gelungene Lektüre. Von mir daher fünf Sterne.

Bewertung vom 08.04.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


gut

„Faber“ – das ist der Name, den ich hauptsächlich mit dem Schauspieler Jörg Hartmann verbinde, schließlich spielt er den kauzigen Tatort-Kommissar aus Dortmund seit über zehn Jahren. Jetzt hat er mit „Der Lärm des Lebens“ ein Buch über sein Leben, seinen Beruf und seine Familie vorgelegt. Oder zumindest war das wohl der Plan, denn so ganz funktioniert das Buch für mich nicht. Es ist keine richtige Autobiografie, es ist aber auch kein Roman, es ist irgendwo zwischendrin. Im Endeffekt war die Lektüre für mich ein netter Zeitvertreib, mehr aber auch nicht.
„In «Der Lärm des Lebens» erzählt Jörg Hartmann auf hinreißende Weise seine Geschichte und die seiner Eltern und Großeltern“ steht im Vorwort und danach habe ich überall im Buch gesucht. Ich konnte aber weder das eine noch das andere finden, er schreibt weder hinreißend, noch schreibt er übermäßig viel über seine Eltern und Großeltern. Schade, denn darauf habe ich mich gefreut, denn so etwas bringt dem Publikum den Schauspieler/Autor näher. Doch bei der Lektüre kam es mir so vor, als habe im Leben von Jörg Hartmann nur Jörg Hartmann Platz und vielleicht noch die engsten Familienmitglieder. Er schreibt ausufernd darüber, wie er sein erstes Engagement bekam, über Nebenrollen und das Anbiedern bei verschiedenen Bühnen. Dann springt er zum letzten Besuch in einem Pflegeheim in Herdecke bei seinem dementen Vater, zur Beerdigung und wieder zurück zu seinen Anfängen in der Schauspielerei.
Insgesamt fehlt dem Buch der rote Faden für mich gänzlich. Fixpunkte in der Geschichte sind der Mauerfall, 9/11 und der Ausbruch von Covid 19. Um diese gruppiert der Verfasser seine Geschichten, springt in der Zeit hin und her und wirft mit Namen um sich, oft schreibt er im Dialekt, voller „hömma“ und „wonnich“. Das gibt dem Buch Charme und Charakter, aber leider keinen Inhalt. Die Demenz des Vaters, dessen Tod und die Mukoviszidose der ältesten Tochter werden förmlich von Nebensächlichkeiten überdeckt. Wann spielte er an welcher Bühne, wann hatte er wo Dreharbeiten? Was ist mit dem großen Puppenhaus, das er gekauft und bei der Mutter im Keller zwischengelagert hat? Wieso hat er sich simplen grünen Tee in Schanghai für sehr viel Geld andrehen lassen? Das sind eher seine Themen als die gehörlosen Großeltern oder die Pommesbude der Mutter. Substanz und Relevanz habe ich größtenteils vergeblich gesucht.
Sprachlich ist das Buch gut zu lesen, die Sätze sind simpel und die Sprache kumpelhaft und bodenständig. Angenehm fand ich auch, dass er mit Lockdown nach Ausbruch der Corona-Pandemie (anders als viele seiner Kollegen) eine gewisse Entschleunigung und Selbstbesinnung auf sich und die Kinder erlebte. Die eher kurz angerissene Geschichte seiner gehörlosen Großeltern hätte ich gerne ausführlicher gelesen. Die Episode um Wilfried, den „Riesenfan von Dortmund“, der der Meinung war, „der Faber sei überhaupt der Beste“ ging mir wirklich ans Herz. Aber es gibt in dem Buch auch weniger angenehme Stellen, wie beispielsweise die ausufernde Beschreibung eines Kindergeburtstags gegen Ende. Dieses Kapitel habe ich tatsächlich nur zu Ende gelesen, weil ich wissen wollte, woher seine lang und breit geschilderten körperlichen Symptome kamen.
Jörg Hartmann wollte seine eigene Geschichte irgendwie in die Weltgeschichte einordnen. Das ist ihm zum Teil gelungen, zum Teil aber überhaupt nicht. Das Buch mäandert zwischen humorvoll und langweilig, interessant und dröge hin und her und schafft es wegen der vielen in epischer Breite geschilderten Belanglosigkeiten nicht, mich zu begeistern. Jörg Hartmann und ich haben wohl eine sehr unterschiedliche Auffassung darüber, was wichtig ist und was nicht. Es ist wohl eher ein Buch für echte Fans. Von mir daher drei Sterne.

Bewertung vom 08.04.2024
Spinnennetz / Kommissar Linna Bd.9
Kepler, Lars

Spinnennetz / Kommissar Linna Bd.9


ausgezeichnet

Joona Linna und seine Kollegin Saga Bauer gehen mit „Spinnennetz“ in die neunte Runde. Da hat das Duo Lars Kepler (dahinter verbirgt sich das Ehepaar Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril) mal wieder ein Buch voller Extreme abgeliefert! Extrem spannend, extrem kompliziert, extrem brutal – und extrem lang. Lang habe ich auch gebraucht, bis ich mich an das Buch gewagt habe, Bücher jenseits der 600 Seiten wirken oft etwas einschüchternd auf mich. Aber nach kurzer Zeit hat es mich vollkommen gefangen genommen und die Seiten flogen nur so dahin.
Aber von vorn.
Nachdem Saga Bauer ihren letzten Einsatz nur knapp überlebt hat, ist sie vom Polizeidienst suspendiert und verdingt sich als Privatdetektivin. Bevor sie aus der Reha-Klinik entlassen wird, erhält sie eine handgeschriebene Postkarte, auf der steht: „Ich habe eine blutrote Pistole der Marke Makarow. Im Magazin stecken neun weiße Kugeln. Eine davon wartet auf Joona Linna. Die Einzige, die ihn retten kann, bist du.“ Unterschrieben ist die Karte mit „Artur K Jewel“ - einem Anagramm des Serienmörders Jurek Walter. Aber der ist tot, Joona hat ihn eigenhändig getötet. Joona sieht sich selbst auch nicht in Gefahr. Doch dann passiert der erste Mord und der Modus Operandi passt zu Jurek Walter. Nach und nach tauchen Zinnfiguren auf, die den Opfern ähnlichsehen, eingepackt in Hinweise auf die Tatorte. Saga steht Joona und seinem Team bei den Ermittlungen mit Rat und Tat zur Seite. Doch als noch mehr Morde passieren und sie mehr Hintergrundwissen zu haben scheint als alle anderen, gerät sie plötzlich selbst als Hauptverdächtige ins Visier der Ermittler. Dabei will sie doch nur helfen und vor allem Joonas Leben retten, bevor der irre Serienkiller ihn erwischen kann. Oder etwa nicht?
Was für eine wilde Fahrt beschert uns Lars Kepler mit diesem Thriller! Zwar hat sich der Anfang ein bisschen gezogen und die Geschichte brauchte ein bisschen „Vorspielzeit“, als sie aber dann einmal Tempo aufgenommen hatte, war die Spannung nicht mehr auf- und manchmal kaum mehr auszuhalten. Dafür lässt die „Nachspielzeit“ (der Epilog) auf einen nächsten Teil hoffen. Der Spannungsbogen ist hoch, die kurzen Kapitel und der prägnante, fast nüchterne Schreibstil sorgen für eine zusätzliche Spannungssteigerung. „Spinnennetz“ ist für mich ein hervorragend geschriebener, sehr gut übersetzter Thriller der Extraklasse. Wie vom Autoren-Duo nicht anders zu erwarten, gibt es reichlich Leichen, an Brutalität und krimineller Perversion wird ebenfalls nicht gespart. Die Beschreibungen sind bildhaft und damit ist das Buch nichts für schwache Nerven und sensible Mägen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, Joona Linna hat dieses Mal eher eine Nebenrolle, die klare Protagonistin ist Saga, die so hart darum kämpft, wieder zurück ins normale Leben und in den Polizeidienst zurückzufinden. Aber auch Joona hat an mehreren Fronten zu kämpfen, seine Nemesis Jurek Walter lässt ihn auch nach dem Tod nicht los, denn der Serienmörder und seine Stimme haben sich unlöschbar in seine Erinnerungen eingebrannt.
Und auch die Leserschaft entkommt Jurek Walter nicht. Daher empfehle ich allen Interessierten, vorher die anderen Teile der Serie in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Die komplexe „Jurek-Walter“-Thematik wird etwas einfacher nachzuvollziehen, wenn man sie von Anfang an kennt. Aber natürlich kann man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen, wenn man das gerne möchte.
Nach einigen falschen Fährten und sehr viel Fahrerei gibt es auch für diese Geschichte einen stimmigen Schluss, der mich ziemlich überrascht hat. Für mich als bekennenden Fan der Serie ist das Buch ein absolutes Muss, ich empfehle es aber allen, die rasant spannende, blutige und brutale Thriller mit Einblicken in tiefe seelische Abartigkeiten mögen. Ich freue mich auf den nächsten Teil der Serie, bis dahin sind meine Fingernägel auch nachgewachsen, sodass ich sie dann beim Lesen vor lauter Spannung wieder abknabbern kann. Von mir gibt es natürlich fünf Sterne.

Bewertung vom 21.03.2024
Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie. Mit Farbschnitt nur in der 1. Auflage! (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 4)
Suchanek, Andreas

Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie. Mit Farbschnitt nur in der 1. Auflage! (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 4)


ausgezeichnet

Das Problem, das ich bei der Rezension von Buchserien habe, ist, dass ich irgendwann anfange, mich bei meinen Lobpreisungen zu wiederholen. Da ist Andreas Suchanek um einiges besser als ich (und vermutlich nicht nur da), denn er schafft es, sich auch im achten Teil seiner „Flüsterwald“-Reihe noch jede Menge Neues einfallen zu lassen. „Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie“ ist der Titel des neuen Teils der Serie und damit bringt er die zweite Staffel zum Abschluss, natürlich nicht ohne mit einem Cliffhanger Lust auf die nächste Staffel zu machen. Das Buch schließt nahtlos an seinen Vorgängerband in der Reihe an, deshalb war ich froh, dass ich nicht allzu lange darauf warten musste.
Aber von vorn.
Wie es sich schon am Ende des letzten Teils der Serie abgezeichnet hat, sind alle Flüsterwälder der Welt samt ihren Bewohnern versteinert. Nur der Flüsterwald in Deutschland mit seinem Zentrum der Herzburg, ist der bösen Zauberin noch nicht zum Opfer gefallen. Das möchte diese jetzt natürlich mit Unterstützung der Angreiferkatzen ändern. Außerdem saugt eine Schöpfungsapparatur alle Magie auf, und die Magie der Flüsterwäldler funktioniert nicht mehr wie gewohnt. Durch das Absaugen der Magie droht zudem ein riesiger Felsbrocken vom Himmel zu stürzen. Da haben Lukas, Ella, Punchy, Rani und Felicitas zusammen mit ihren Freunden Jacub, Ajala, Zoe und Noah und weiteren Unterstützern aus den anderen internationalen Flüsterwäldern alle Hände voll zu tun und die Zeit läuft den Freunden davon. Können sie es auch dieses Mal schaffen, ihren Flüsterwald zu retten? Und wer steckt eigentlich genau hinter den Angriffen?
Wow, was für eine Geschichte! Da hat uns Andreas Suchanek ja fast einen Krimi serviert! Ich bin ja schon ein etwas fortgeschrittenes Kind, aber mich hat das Buch komplett in seinen Bann gezogen und ich habe mit den Charakteren mitgefiebert. Die sind, wie vom Autor gewohnt, liebevoll beschrieben und ihre Entwicklung vom ersten Band der Reihe bis zu diesem ist konstant und konsistent. Freundschaft und Zusammenhalt spielen natürlich wieder eine große Rolle. Jeder einzelne hat seine eigene spezielle Fähigkeit, jeder ist im Team wichtig, egal, ob er Kämpfer oder Brauer von Zaubertränken ist. Hilfsbereitschaft und Teamwork sind im Kampf gegen die Angreiferkatzen und die böse Zauberin ebenso wichtig wie im wahren Leben, Herkunft und Hautfarbe spielen bei der Zusammenarbeit selbstverständlich keine Rolle. Die neuen Freunde von Lukas, Ella und Co. kommen zum Beispiel aus Indien, Australien, Tschechien und Amerika. Dazu werden natürlich Themen wie Umweltverschmutzung und Tierschutz auch in diesem Buch wieder aufgegriffen.
Der Schreibstil ist überwiegend altersgerecht, manche der verwendeten Worte fand ich allerdings ein bisschen überambitioniert. Trotzdem fand ich das Buch angenehm und locker zu lesen, für kleinere Fans der Reihe eignet es sich sicher auch als Vorlesebuch, zumal die Kapitel eher kurz sind. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, da sich Ella und Lukas getrennt auf Rettungsmission begeben. Ella und ein paar ihrer Freunde versuchen, das Herz des Waldes zu verteidigen und Lukas, macht sich (unter anderem begleitet vom Menok Rani, der immer noch vor sich hin pubertiert) auf zum Giftmüllsee und in die Stadt der Meerjaner.
Wie die anderen Teile der Serie hat mich auch dieser sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf die neue Staffel. Der Autor gibt sich alle Mühe, dass man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen und verstehen kann, die Geschichte ist auch weitgehend in sich abgeschlossen. Beim inzwischen achten Teil der Reihe empfehle ich aber, die Vorgängerbände ebenfalls zu lesen und das, wenn möglich, in der richtigen Reihenfolge. Für „Den letzten Funken Magie“ gibt es von mir natürlich fünf Sterne.

Bewertung vom 12.03.2024
Erinnere dich!
Reiter, Max

Erinnere dich!


weniger gut

„Erinnere dich“ von Max Reiter ist ein Buch, das mich gelinde gesagt ziemlich ratlos zurücklässt. Einerseits ist es ein teilweise rasant spannender Krimi, andererseits fand ich die Geschichte hanebüchen konstruiert und stellenweise langatmig und oberflächlich. Das finde ich angesichts der sehr guten Ideen dahinter sehr schade und der Autor hat das Potential der Thematik für mich bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Lektüre hat mich allerdings erschöpft und ich musste mich durch das Buch Seite für Seite durchkämpfen.
Aber von vorn.
Arno Seitz lebt ein ruhiges Leben in Berlin. Er ist Dozent für Literaturwissenschaften an der Universität, hat eine Fernbeziehung zu Kaitlan, die in den USA lebt und ein schwieriges Verhältnis zu seinem alkoholkranken Vater. Als er zum Treffen zum 20-jährigen Abitur eingeladen wird, bekommt sein beschauliches Leben einen Knacks. Er bekommt ein Handy zugeschickt, über das eine anonyme Person, die sich selbst „Lost and Found“ nennt, Kontakt mit ihm aufnimmt. Plötzlich sind da Erinnerungen an seine erste große Liebe Maja, die vor 20 Jahren bei einer Wanderung spurlos verschwunden ist. Lost and Found scheint überzeugt zu sein, dass Arno der Mörder von Maja ist, schließlich war er der letzte, der sie lebend gesehen hat. Lost and Found fordert ihn bei jedem Kontakt auf: „Erinnere dich!“ Arno findet sich unversehens in einem Strudel der Erinnerungen wieder. Die Frage ist nur: sind diese echt?
Der Schreibstil des Autors ist flüssig, erzählt wird die Geschichte aus Sicht des Protagonisten in der Ich-Form. So viel zum positiven Aspekt des Buchs, das für mich allerhöchstens ein Krimi war, aber ganz sicher kein Thriller. Dafür fand ich die Geschichte zu konstruiert und alles in allem fehlte mir über weite Teile die Spannung. Gegen Ende nahm diese für mich ein bisschen an Fahrt auf, da hatte ich die Lust an dem Buch aber schon verloren und wollte nur noch wissen, wie es ausgeht. Die Charaktere fand ich etwas blass und eindimensional, zudem konnte ich keinen sympathisch finden. Am unsympathischsten fand ich den Protagonisten und seinen Hang zum Alkohol, vor allem deshalb, weil er seinem Vater dessen Alkoholismus zum Vorwurf macht.
Einzig die düster-beklemmende Atmosphäre des Buchs fand ich gelungen. Die wachsende Verzweiflung und Verunsicherung des Protagonisten, gepaart mit seinen ständigen Selbstzweifeln, weil er selbst nicht mehr weiß, ob er Majas Mörder ist, waren fast physisch greifbar. Dazu kommt immer wieder das manipulativ-fordernde „Erinnere dich!“ von Lost and Found, was nach und nach dazu führt, dass Arnos Leben immer mehr aus den Fugen gerät und der eher gefestigte Uni-Dozent immer mehr abrutscht. Hätte der Autor auf diese Spannung aufgebaut, wäre es ein hervorragender und enorm spannender Thriller geworden. Dazu die psychologische Komponente von False Memory, Schuldgefühlen, Verdrängung und Eifersucht – was für eine potente Mischung! Leider konnte der Autor für mich die Themen zu wenig ausbauen und verrennt sich zu sehr in Belanglosigkeiten wie die zum Teil misogyn angehauchten oberflächlichen Gedankengänge des Protagonisten. Auch die letztendliche Auflösung des Falls war für mich zu sehr an den Haaren herbeigezogen.
Dieses Buch wird mir nicht in Erinnerung bleiben, für mich war es eine Enttäuschung. Daher gibt es von mir wegen der guten Idee dahinter zwei Sterne.

Bewertung vom 05.03.2024
Sylter Gier / Kari Blom Bd.8 (eBook, ePUB)
Tomasson, Ben Kryst

Sylter Gier / Kari Blom Bd.8 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kari Blom ist wieder aktiv! „Sylter Gier“ heißt der achte Teil der „Kari Blom ermittelt undercover“-Reihe von Ben Kryst Tomasson und das Buch hat es wirklich in sich. Auf die schwangere Kriminalkommissarin wartet nicht nur ein kniffliger Fall, sondern auch private Probleme. Und auf die Leserschaft wartet ein spannender Krimi mit ansprechenden Charakteren vor toller Kulisse.
Aber von vorn.
Beim Sylter Gesundheitszentrum „Baby-Well“, das seinen medizinischen Schwerpunkt auf die Versorgung Schwangerer legt, besteht der Verdacht, dass dieses die Krankenkassen durch falsche Abrechnungen betrügt. Was liegt da näher, als dass die hochschwangere Kommissarin Kari Blom dort undercover ermittelt? Sie ist sowieso durch die Arbeit im Innendienst gefrustet. Ihr Mann Jonas Voss ist aus Sorge um sein ungeborenes Kind nicht begeistert von ihrem Einsatz. Aber der Hauptkommissar hat mit seiner Kollegin Hanna zusammen bald selbst alle Hände voll zu tun, denn Karis erster Hauptverdächtiger wird am Fuß des Roten Kliffs tot aufgefunden und die Ermittlungen der beiden überschneiden sich. Da Kari aber als erfolglose Schriftstellerin auf Sylt unterwegs ist, dürfen sie nicht zeigen, dass sie sich kennen. Das verlangt vor allem Jonas einiges an Schauspielkunst ab. Und natürlich mischt auch bei diesem Fall die „Häkelmafia“ bestehend aus Witta, Grethe, Alma und Marijke, eifrig mit. Gut nur, dass die vier schon bergeweise Babyklamotten gehäkelt haben, denn bei den ganzen Fahrdiensten, die sie für Kari leisten, wären sie nicht mehr dazu gekommen.
Das Buch war für mich erst das zweite aus der Reihe um Kari Blom und ich fand es fast rundum gelungen. Es war spannend, wobei der Spannungsbogen langsam, aber konstant anstieg. Die Protagonisten sind sympathisch, im Falle der Häkelmafia dazu auch noch liebenswert schrullig. Der Fall an sich ist vom Autor gut konstruiert und bietet mehrere interessante Aspekte und einige falsche Fährten, dazu ein bisschen Action und reichlich Lokalkolorit – das alles machte das Buch für mich zum Lesevergnügen. Schön fand ich auch, dass man es völlig ohne Vorkenntnisse lesen kann, alles Wichtige aus den Vorgängerbänden wird erklärt. Trotzdem werde ich mir die anderen Teile wohl jetzt auch noch besorgen, ich muss ja auch die Wartezeit auf den neuen Band überbrücken, „Sylter Rivalen“ soll im April erscheinen. Neben den Ermittlungen kommt auch das Privatleben von Kari und Jonas nicht zu kurz, im Mittelpunkt steht natürlich ihr ungeborenes Kind. Aber auch Jonas‘ Tochter Finja hat mit einigen Problemen zu kämpfen. Ihr etwas angespanntes Verhältnis zu ihrer Stiefmutter wird besser und die beiden können sich annähern.
Der Schreibstil ist einfach, dadurch ist das Buch flüssig zu lesen. Erfreulich ist auch, dass das Buch so gut wie komplett unblutig daherkommt und es wenig Gewalt und noch weniger Kraftausdrücke und Fäkalsprache gibt. Manche Ereignisse, vor allem rund um die vier Häkeldamen, sind sogar lustig, was dem Krimi eine komödiantische Komponente gibt. Was mich allerdings durch die ständige Wiederholung zunehmend genervt hat, war die ständige Erwähnung von Marijkes Auto. Es ist nicht nur ein Auto. Es ist sogar nicht nur ein Golf. Es ist ein Golf Sportsvan und das wird mindestens 15-mal erwähnt, was mir dann doch ein bisschen zu inflationär war. Aber sei’s drum.
Für mich war das Buch abgesehen davon eine wahre Freude und ich empfehle es allen Freunden der Serie, von Sylt, von gut konstruierten Krimis. Von mir fünf Sterne.