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Benutzername: 
Jackolino
Wohnort: 
Rheinland-Pfalz

Bewertungen

Insgesamt 65 Bewertungen
Bewertung vom 04.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

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ausgezeichnet

"Das Buch ist für dich“, so die Widmung am Anfang und so ist es auch geschrieben, in der Anredeform und in der Vergangenheit, wie ein fortlaufender Brief. Das führt schon manchmal dazu, dass man über Worte stolpert, die man doch sehr selten in der Vergangenheitsform und zweiten Person Singular verwendet. („Du wechseltest“, „du öffnetest“ …)

Sophie hat sowohl ihren Vater als auch ihre beste Freundin verloren. Eines Tages stolpert in einem Büchercafé ein fremder Mann über ihre Hundeleine und Sophies Kaffee ergießt sich auf das Hemd des Fremden. Beide entschuldigen sich, mehr passiert erstmal nicht.

Zurück in Hamburg wird sie in den nächsten Wochen zunehmend unruhiger. In ihre nächtlichen Träume schleicht sich der Fremde von der Insel, sie lernt ihn im Traum immer besser kennen. Die beiden sind vertraut miteinander. Dann wacht sie auf und kann nicht mehr einschlafen. Ihr Tagesrhythmus verschiebt sich so, dass sie ihren Mann kaum mehr sieht. Sie arbeitet, wenn er schläft und schläft, wenn er zuhause ist.
Sie wartet jede Nacht auf die Rückkehr des Fremden in ihre Träume und irgendwann fällt auch ihrem Mann auf, dass da etwas mit seiner Frau nicht stimmt. Nach einer Aussprache trennen sie sich einvernehmlich.

Sophie fährt zurück nach Rügen. Ob es wohl möglich ist, den Fremden wiederzufinden? Sie mietet sich in einem kleinen Haus ein, ihre Nachbarin in der anderen Haushälfte ist eine über 70-jährige Fischerwitwe. Mit Marlene versteht sie sich auf Anhieb und sie freundet sich auch mit einer Malerin, Ella, an. Als sie die Suche nach dem Mann ihrer Träume schon fast aufgeben will, findet sie ihn doch noch. Wird die Realität mit den Träumen mithalten können? Wird sie in der Realität jemals so vertraut mit ihm sein, wie sie es in ihren Träumen war?

Auch wenn es auf der äußeren Ebene um die Suche nach diesem Mann geht, so ist Sophie auch auf der Suche nach sich selbst. In ihrer Ehe hatte sie sich zusehends verloren, die beiden Verluste, der ihres Vaters und der ihrer besten Freundin Tessa, haben sie in eine tiefe Krise gestürzt, aus der ihr Mann ihr weder helfen kann noch will. Er scheint mehr die Annehmlichkeiten einer Partnerschaft zu genießen und sich neue Annehmlichkeiten zu suchen, wenn die alten nicht mehr verfügbar sind. Und so werden die kleinen Traumfluchten zu einer großen Flucht nach vorne und ins Ungewisse.

Sophie hilft ihre Direktheit. Nicht jeder hätte unter dem Vorwand, für den Schaden bezahlen zu wollen, dem Fremden ihre Adresse und Telefonnummer gegeben. Und sie erzählt Anton sogar von ihren Träumen, sie macht sich schwach und zeigt dabei doch innere Stärke. Das verfehlt seine Wirkung nicht. Die beiden freunden sich an, auch wenn sich keine engere Beziehung zwischen ihnen anbahnt. Aber auch Freundschaft kann inspirierend sein, nie fiel ihr die Arbeit des Übersetzens von Romanen aus dem 19. Jahrhundert leichter als auf Rügen. Und schließlich greift sie selbst zur Feder.

So haben die Träume Sophie zu einem ganz neuen Leben verholfen. Als sie es sich selbst noch nicht eingestehen wollte, sagte ihr Unterbewusstsein ihr bereits, dass in ihrem Leben etwas nicht stimmte, dass mit den beiden Verlusten auch in ihrem Leben eine Änderung anstand. Der Zufall führte sie nach Rügen und dort findet sie schnell neue Freunde. Anton ist dabei eigentlich nur Steigbügelhalter, zumal ihm seine Unabhängigkeit einfach zu wichtig ist. Aber da sind Marlene und Ella und da scheint nach einem Jahr auch Robert der Fotograf zu sein. Das Ende bleibt offen, vielleicht verabschiedet sie sich mit dieser Buchvorstellung von ihren Träumen und kommt wieder in der Realität an.

Ich mochte das Buch, es sprach mit mir. Auch das Cover passt dazu, man kann sich Sophie vorstellen, wie sie sich bei Sonnenaufgang auf dem Rücken der Sonne entgegentreiben lässt. Und gerade das Überspringen des letzten Jahres lässt so vieles offen, es regt die Phantasie an.

Bewertung vom 30.05.2023
Here With Me / Die Adairs Bd.1
Young, Samantha

Here With Me / Die Adairs Bd.1


sehr gut

Mein erster Eindruck von Cover und Buchschnitt war ausgesprochen positiv. Nun kennt man bunte Buchschnitte seit dem Trafikanten ja bereits und sie fallen im Bücherregal auch auf. Einen so schönen königsblauen und mit goldfarbenen Disteln bedruckten Buchschnitt, der sich dem Muster auf dem Cover anpasst, hatte ich aber noch nicht gesehen. Wirkt ein bisschen, wie in Geschenkpapier eingepackt. Von daher, großes Kompliment, sieht toll aus!

Das Buch spielt vor dem Hintergrund des schottischen Hochlands in einem 200 Jahre alten Schloss. Kleine anheimelnde Dörfer, herrliche Sandstrände, enge Straßen, einsame Buchten und nette und weniger nette Menschen werden beschrieben. Im Schloss von Lachlan Adair trifft sich die High Society der Schauspieler und Regisseure. Hier finden sie, was ihnen sonst verwehrt wird: Privatsphäre und ein zwar luxuriöses aber normales Leben. Um das zu gewährleisten, ist ein ganzes Heer von Angestellten und Security Mitarbeitern beschäftigt. Diese Idylle wird durch zunächst gewaltfreie, dann sich in Gewalt steigernde Anschläge bedroht. Zunächst wird nicht klar, gegen wen sich diese Anschläge richten, gegen Lachlan persönlich, gegen Robyn und ihren Vater, gegen die Einrichtung insgesamt?
Das Buch ist schwer einzuordnen: es ist Krimi, Liebesgeschichte und Familienroman gleichermaßen. Immerhin gibt es einige Tote und mehrere versuchte Morde. Im Großen und Ganzen geht es aber um die Liebesgeschichte zwischen Robyn und Lachlan, die, obwohl sie sich zunächst einmal gar nicht sympathisch sind, eine starke körperliche Anziehungskraft füreinander verspüren, der sie sich trotz aller verbalen Auseinandersetzungen und gegenseitigen Verletzungen nicht entziehen können. Beide sind in ihrem Verhalten eher altmodisch, was in ihrer persönlichen Geschichte begründet liegt. Lachlan ist in gewisser Weise kontrollsüchtig, verspürt einen extremen Beschützerinstinkt denen gegenüber, die ihm als Oberhaupt der Familie anvertraut sind. Auch Robyn fühlte sich lange ihren Eltern und ihrer Stiefschwester gegenüber verantwortlich, es ist für beide gar nicht leicht, dem jeweils anderen gegenüber einmal Schwächen zu zeigen und nachzugeben.
Und es geht auch um die Annäherung einer Tochter an ihren leiblichen Vater, den sie als Kind sehr liebte, dann aber seit ihrem 14. Lebensjahr nicht mehr gesehen hat. Hier muss einiges aufgearbeitet werden, was durch einen Mordversuch ganz zu Anfang der Handlung zwar nicht erleichtert wird, aber die beiden dann doch schneller zusammenschweißt, weil die Angst, den anderen wieder zu verlieren, sie dann doch über ihren Schatten springen lässt.
Das Buch liest sich flüssig. Es ist aus jeweils der Perspektive von Robyn und aus der von Lachlan geschrieben, so dann man beider Beweggründe, warum so und nicht anders gehandelt wird, nachvollziehen kann. Es hat einige Längen, nicht jede Erfahrung hätte mehrfach gemacht werden müssen, aber es ist doch eine unterhaltende Sommerlektüre für entspannte Urlaubstage.

Bewertung vom 28.05.2023
Winterwein
Burmeister, Jens

Winterwein


ausgezeichnet

Da habe ich doch für meine Weinfreunde mal wieder Lesestoff gefunden, den ich gerne empfehle. Und wenn das Ganze dann auch noch in der Heimat spielt, umso besser!
Es geht um einen Todesfall auf einem Flusskreuzfahrtschiff auf dem Rhein. An einem Novembermorgen wird ein Weinjournalist tot in seiner Kabine gefunden, erdrosselt mit dem Kabel des Bügeleisens. Ohne Hinweise auf Fremdverschulden geht man zunächst einmal von Selbstmord aus. Dennoch werden die Ermittler Bäumler und König von der Kripo in Koblenz dazu gerufen, um den Fall aufzunehmen und danach zu den Akten zu legen.
Am gleichen Tag verschwindet aus der gleichen Gruppe von Wein-Interessierten eine Dame, die ein Wein- und Dekorationsgeschäft in Koblenz führte. Das scheint zumindest Stephan Bäumler des Zufalls zu viel und er beginnt, sich näher mit den beiden Fällen zu befassen. Auf dem Schiff trifft er einen alten Bekannten wieder, der wohl schon bei einem der Vorgängerbücher eine Rolle gespielt hat und damals verdächtig war. Dieser alte Bekannte ist der Aromaforscher und Winzer Jaspal Wöhler und sein Freund Paul Zeehse.
Und gerade Jaspal Wöhler hat auch in diesem Fall das richtige Näschen, um den Fall fast im Alleingang zu lösen. Die Kripo muss nur noch den Täter festnehmen.
Jens Burmeister gelingt es sehr gut, viele Fährten zu legen und den Leser sehr lange im Unklaren zu lassen. Es hätten sich so viele Ansatzpunkte auch für andere Entwicklungen des Geschehens ergeben.
Für Leser, die an Wein interessiert sind und auch ein bisschen mehr wissen wollen, als lediglich zwischen trockenem und feinherbem Wein zu unterscheiden, bietet der Krimi einiges an Fachwissen, sowohl an neuen Entwicklungen (Orange Wine, Piwis) als auch an Infos zum Anbau und zur Vermarktung der Weine. Dazu eine spannende Handlung, eine selbst im Winter bezaubernde Landschaft im Mittelrheintal und die Zutaten für einen guten Krimi sind gegeben.

Bewertung vom 19.05.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


ausgezeichnet

Sandra Lüpkes hat sich mit dem Buch „Das Licht im Rücken“ der Geschichte der Leica, aber noch mehr der Geschichte der Familie Leitz vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des 2. Weltkrieges angenommen.

Anfang des 20. Jh. verdiente die Firma ihr Geld noch hauptsächlich mit Mikroskopen und doch gab es damals schon begnadete Tüftler im Unternehmen, die Visionen für die Zukunft hatten. Oskar Barnack ist einer von ihnen, er träumt von und entwickelt an einer Kamera, die in jede Jackentasche passt und bei der es nicht Stunden dauert, bis ein Bild entstanden ist. Auch der Transport der schweren Glasplatten würde der Vergangenheit angehören. Es gehören mutige unternehmerische Entscheidungen dazu, diesen Weg einzuschlagen, Ernst Leitz der Zweite trifft diese Entscheidung und letztendlich gibt der Erfolg dem Unternehmen Recht.

Im Umfeld der Familie Leitz gibt es in Wetzlar mehrere Familien, deren Schicksal im Buch ebenfalls beleuchtet wird. Da ist zum einen die Familie Gabriel, Herr Gabriel ist Jude, seine Frau Christin. Ernst Leitz ist mit Herrn Gabriel schon seit Jugendtagen befreundet. Schon in den 20er Jahren merkt man die ersten Ressentiments in der Stadt, die von den rechten Parteien eifrig unterstützt werden. Die Gabriels betreiben einen Geschenkeladen und Sohn Milan und Tochter Dana helfen schon als Kinder fleißig mit, bis die Schikanen der Nazis die Kunden aus ihrem Laden fernhalten.

Da sind am Rande aber auch Alma und Ulli, die Geschwister Julie und Gustav Schlemm und später die Partner der Kinder Elsie, Ernst und Ludi. Und in den 30er Jahren treten die neuen Machthaber immer stärker in den Vordergrund, so dass die Familie sogar fürchten muss, enteignet zu werden.

Schlaglichter werden in erster Linie auf Ernst den Zweiten und seine Tochter Elsie geworfen, die Söhne sind nur am Rande Teil des Geschehens und selbst Hedwig, Ernsts zweite Frau nach dem Selbstmord seiner ersten Frau Elisabeth tritt selten auf.
Ernst und seine Tochter sind beide mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet, sie gehören für die Nationalsozialisten den falschen Parteien an und sie machen keine Unterschiede zwischen den Rassen. Da können Schwierigkeiten nicht ausbleiben und Elsie wird sie am eigenen Leibe erfahren. Sie hat aber auch das nötige Selbstbewusstsein, sich gegen diese Schikanen zur Wehr zu setzen.

Für mich war das Buch so ein Zwischending zwischen Familienroman und Firmengeschichte. Immer in gewisser Weise neutral, niemals rührselig, selbst wenn die Situation es zugelassen hätte. Diese neutrale Schreibweise macht aber auch die schrecklichen Ereignisse erträglicher.

Das Titelbild zeigt ein Bild, wie es mit der alten Technologie niemals möglich gewesen wäre. Eine Momentaufnahme, vielleicht ein Bild von Danas Überfahrt nach England, die von Sturm und hohen Wellen begleitet war mit dem Licht im Rücken, einem der wichtigsten Lehrsätze für angehende Fotografen.

Bewertung vom 24.04.2023
Der Bojenmann
Schlenz, Kester;Jepsen, Jan

Der Bojenmann


sehr gut

Frank Schätzing hat es treffend in seinem Kurzkommentar beschrieben „Elb-Kolorit und Fischkopp-Charme treffen auf Nordic Noir“
Von Nordic Noir gibt es in diesem Krimi eine ganze Menge. Ein Serientäter geht um in Hamburg. Er plastiniert seine Opfer und inszeniert sie – zunächst einmal kaum als Leichen erkennbar – an markanten Orten in Hamburg. Da kann es schon mal sein, dass man auf dem Weg in die Elbphilharmonie an einer Leiche vorbeispaziert und es gar nicht gemerkt hat.
Das Morddezernat um Kommissar Knudsen steht vor mehr als einem Rätsel und wäre da nicht der frühere Lotse und Freund Knudsens, Oke Andersen, dann würde die Kommission noch länger im Dunkeln tappen.
Zusätzlich zu ganz viel Spannung hat das Buch auch das Zeugs dazu, neue Touri-Ziele zu erschließen oder auf zukünftige Stadtentwicklungsprojekte für Hamburg hinzuweisen. Da wird nicht nur die größte Modell-Eisenbahnanlage der Welt thematisiert und Werbung für die Elbphilharmonie gemacht, da steht auch schon die Zukunft in den Startlöchern und sei es als Spekulationsobjekt der Immobilienfirmen, wenn ab 2028 der ehemalige Tschechen-Hafen frei wird und genutzt werden kann. Zum Seemannsclub „Duckdalben“ gibt es bereits geführte Touren und ich könnte mir vorstellen, dass das Buch diesen Touren weitere Interessenten zuführen wird. Ich würde mich auf jeden Fall beim nächsten Besuch in Hamburg danach erkundigen.

Bewertung vom 24.04.2023
Lavendel-Zorn / Lavendel-Morde Bd.5
Bernard, Carine

Lavendel-Zorn / Lavendel-Morde Bd.5


sehr gut

Carine Bernard hat mit „Lavendel-Zorn“ den 5. Krimi in der Reihe der Lavendel-Krimis und den 4. Krimi um die Ermittlerin und Commissaire Lilou Braque geschrieben. Die Krimis spielen im beschaulichen Städtchen Carpentras in Südfrankreich.
Lilou wollte endlich mal einen Tag mit ihrem Partner am Badesee verbringen. Dieser Tag wird durch einen Leichenfund empfindlich gestört. Im Wasser treibt eine Frauenleiche, die auch recht bald identifiziert werden kann. Die tote Dame ist Mitarbeiterin in einem Notariat vor Ort. Zunächst ist von einem Unfall auszugehen und die Gendarmerie lehnt Ermittlungen ab.
Doch schon am nächsten Tag wird die Polizei zum Vorgesetzten der Toten gerufen, er hat sich offenbar erschossen, die Türen seines Amtszimmers waren von innen verschlossen, von Fremdverschulden kann also nicht ausgegangen werden.
Lilou glaubt jedoch nicht an Zufälle und beginnt, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Spurensuche gestaltet sich schwierig und im Umfeld der beiden Opfer scheint es auch keine Ungereimtheiten zu geben. Charlene Thomas war glücklich liiert und Notar Sousteron führte wohl ein gänzlich korrektes und unauffälliges Leben. Man kann im Buch über vier Kapitel nachvollziehen, dass dieser Teil der Polizeiarbeit mühevoll ist, man stochert im Leben eines Verstorbenen herum, sucht nach einem Motiv, sei es für Mord oder Selbstmord und zunächst einmal scheint alles in bester Ordnung zu sein, nirgendwo ergibt sich ein Anhaltspunkt.
Die Autorin versteht es gut, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten. Und wäre da nicht Kommissar Zufall gewesen, dann hätte der Mörder mit seiner Tat straffrei davonkommen können. Es hätte sein können, dass die Lügen des Täters überzeugender wirkten als die Beteuerungen des Tatverdächtigen.
So wurde aus Unfall und Suizid doch noch eine veritable Mordermittlung.
Ich fand den Krimi sehr lesenswert und habe ihn in einem Rutsch durch gelesen.
Dennoch habe ich eine kleine Kritik: Das Cover mit dem Lavendelfeld und dem pittoresken Haus ist wunderschön und natürlich muss zur Reihe der Lavendel-Krimis auch ein Feld mit Lavendel abgebildet werden. Der Titel allerdings gefällt mir nicht ganz so gut.
Er erinnert mich an die Ostfriesen-Krimis von Klaus-Peter Wolf, da gibt es auch "Ostfriesenzorn". Vor allem auch im Zusammenspiel mit Lavendel erschließt sich mir der Sinn nicht.

Bewertung vom 23.04.2023
Tochter einer leuchtenden Stadt
Suman, Defne

Tochter einer leuchtenden Stadt


sehr gut

Was einen schon zum Beginn für das Buch einnimmt, ist das sehr schöne Cover. Das gemalte Bild einer schönen, jungen Frau im schwarz-weiß gestreiften Kleid vor einem rosé farbenen Hintergrund mit weißen Blüten.
Bei dieser jungen Frau muss es sich wohl um Panayota oder Schehezerade handeln, um die Tochter der ehemals leuchtenden Stadt Smyrna.

Smyrna ist der frühere Name des heutigen Izmir. Damals handelte es sich um eine kosmopolitische Stadt, die von Türken, Griechen, Armeniern, Juden und Europäern bewohnt wurde. Das war, bevor die Streitigkeiten zwischen Griechen und Türken eskalierten. Das kleine Mädchen kommt 1905 zur Welt, wird aber erst nach einem langen Leben erfahren, woher sie eigentlich kam und wer ihre Eltern waren.
Der Anfang liest sich schwer, man braucht lange Zeit, um ins Buch reinzukommen. Es ist verwirrend und oft weiß man nicht, von welcher jungen Frau gerade die Rede ist. Geht es um Juliette, um Edith oder um Schehezerade? Ich hatte da zunächst einige Schwierigkeiten und erst als ich die Familienverhältnisse für mich geklärt hatte, wurde es einfacher, die Geschichte zu verfolgen.
Es wird die Geschichte dreier Frauen erzählt. Da ist zunächst einmal Juliette, die aus einer ursprünglich französischen Familie stammt, die aber schon seit Generationen in Smyrna ansässig ist.
Juliette bringt neben ihren älteren Kindern als Nesthäkchen Edith zur Welt. Dieses Kind ist ein Kuckuckskind, was aber lange Zeit und bis nach dem Tode des Familienvaters niemand erfährt. Auch Edith selbst wird erst darüber aufgeklärt, als sie das Vermögen ihres leiblichen Vaters erbt.
Edith ist ein freiheitsliebendes Kind, was in der doch zum Teil sehr konservativen Stimmung in Smyrna nicht jedem gefällt, vor allem ihrer Mutter nicht. Nach dem Tod ihres leiblichen Vaters löst sie sich daher aus dem Familienverband und bezieht allein das geerbte Haus. Ihr indischer Partner Avinash Pillai steht ihr dort zur Seite. Ihr Leben und ihre Besonderheiten nehmen einen Großteil des Buches ein, parallel wird aber auch immer wieder aus einer griechischen und einer türkischen Familie berichtet. Hier geht es um unterschiedliche Zeiten, was das Lesen nicht unbedingt einfacher macht.
Dass Edith eine Tochter hatte, die sie bei der Geburt abgeben musste und von der sie seither glaubte, dass sie die Geburt nicht überlebt habe, wird zwar immer mal wieder angeschnitten, Einzelheiten dazu erfährt man aber erst zum Ende hin. Und damit lösen sich dann auch endlich viele Unklarheiten auf und viele Fragen werden beantwortet.
Smyrna muss nach den Schilderungen eine wunderschöne Stadt gewesen sein. Sie ersteht mit dem Lesen vor unseren Augen neu und ist mit dem heutigen Izmir wohl auch nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Es ist schön, dass sich Defne Suman diesem Thema angenommen hat und in gewisser Weise ist ihr Buch auch ein Beitrag zur Völkerverständigung zwischen Griechen und Türken. Man hat den Eindruck, die Menschen allein kamen gut miteinander aus. Erst die Politik, die Einmischung der Westeuropäer und die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Ermordung tausender unschuldiger Menschen hat die bis heute andauernden Spannungen zwischen Griechen und Türken befeuert.

Bewertung vom 20.04.2023
Südlich von Porto lauert der Tod
da Silva, Mariana

Südlich von Porto lauert der Tod


ausgezeichnet

Es ist Mariana da Silvas erster Krimi und schon das Cover ist ein Hingucker. Wenn man so wie ich Bücher schon mal nach dem schönen Titelbild kauft, dann fällt dieser Krimi auf jeden Fall in diese Kategorie. Außerdem haben wir vor Jahren einmal die Küste zwischen Lissabon und Porto befahren, waren begeistert von Coimbra, Figuera da Foz und auch Aveira und konnten uns die Region so ganz gut vorstellen.
Den blauen Azulejos kann man in Portugal nicht entgehen, ganze Bilder sind in Fliesen gelegt und eins ist schöner als das andere und so deutet die Auswahl an blauen und jeweils unterschiedlichen Fliesen schon auf ein Buch hin, das mit Portugal zu tun hat.
Ria Almeida ist eigentlich zu Beerdigung ihres Großvaters nach Portugal gekommen, normalerweise lebt sie in Stuttgart und hat sich dort vor einiger Zeit nach menschlichen Enttäuschungen im Ermittlungsdienst zur Streifenpolizei versetzen lassen. Nur, glücklich ist sie dort auch nicht. Ein Monat Abstand von der Arbeit soll ihren Kopf frei machen und ihr einen Weg weisen, wie ihr Leben weiter gehen könnte.
Schon kurz nach der Beerdigung wird in dem Dorf, in dem es eigentlich gar keinen Mord gibt, eine tote Frau gefunden. Zunächst wird der Fall auch als Unfall angesehen, aber dann verschwindet die Leiche aus dem Haus des Bestatters und für Rias Cousin Joao, den Polizisten des Dorfes, beginnt die erste Ermittlung in einem Kriminalfall. Ria hilft tatkräftig mit und selbst als die übergeordnete Polizei in Aveira den Fall an sich zieht und der sehr unsympathische Kommissar Baptista den Fall übernimmt, ist sie weiterhin mit von der Partie. Und tatsächlich bringen Ria und Joao die Ermittlungen weiter.
Der Krimi bleibt spannend bis zuletzt und die Auflösung war eine Überraschung für mich. Mehr soll aber auch nicht verraten werden😊
Ich denke, dieses Buch könnte der Auftakt einer ganzen Reihe von Krimis um Ria und Joao sein. Ich gehe nach dem Schluss schon davon aus, dass Ria sich für Portugal entscheidet und wer weiß, vielleicht ist Baptista ja doch nicht ganz so unsympathisch, wie er sich gerne gibt.

Bewertung vom 29.03.2023
Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
Boks, Aron

Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat


sehr gut

Aron Boks, 1997 geboren, entdeckt bei seiner Großmutter ein Bild seines Urgroßonkels Willi Sitte: „Die Heilige Familie“ und stellt fest, dass ihm keiner der darauf abgebildeten Menschen irgendwie vertraut ist. Der Maler selbst ist der Bruder seines Urgroßvaters und auch von dem hat er bislang nur wenig gehört.
Er beschließt sich auf die Suche zu machen und den Spuren zu folgen, die Willi Sitte hinterlassen hat.
Er befragt Verwandte, recherchiert aber auch in Italien, am Geburtsort Willi Sittes Kratzau im heutigen Tschechien, in Halle, seinem langjährigen Wohnort und an anderen Orten seines Wirkens. Zunächst einmal erweitert diese Recherche Arons Horizont beträchtlich. Er lernt viele Verwandte kennen, die ihm vorher vollkommen fremd waren. Und er spricht mit Weggenossen, mit Künstlerkollegen, Schülern, mit Schriftstellern und mit ehemaligen Freunden, die die DDR verlassen haben. Er ergründet das Werk seines Vorfahren ohne Vorurteile. Weder stören ihn die Verwicklungen seines Urgroßonkels in die Politik der DDR noch ist er Kunstkenner und könnte die Bilder von einem künstlerischen Standpunkt aus begutachten. Er geht also sehr offen an die ganze Geschichte heran.
So taucht er doch unverhofft in die Kulturpolitik der DDR in den Jahren zwischen 1950 und 1990 ein. Offenbar war Willi Sitte in seinen jungen Jahren lange nicht so angepasst, wie man es ihm später nachgesagt und angelastet hat. Obwohl überzeugter Kommunist und auch aus einer kommunistischen Familie stammend tat er sich schwer mit den Vorgaben und hätte sich zumindest in den 50er und Anfang der 60er Jahre sehr viel mehr künstlerische Freiheiten und Interpretationsspielraum gewünscht. Später dann nutzte die Schlupflöcher, die sich ihm auftaten. Wie offenbar die meisten DDR-Bürger. Man kannte jemanden mit Einfluss und warum sollte man die Kontakte nicht für sich nutzen. Und wenn man geschickt war, konnte man sich selbst einen Bereich aufbauen, in dem man selbst Einfluss hatte und Dinge entscheiden konnte.
Unsere heutige Sicht auf die Dinge ist im Westen stark von der langen Berichterstattung der Medien während der Zeit der Trennung der beiden dt. Staaten in BRD und DDR geprägt. Es war nicht der Geschichtsunterricht, denn die Politik träumte ja immer noch von einer Wiedervereinigung und entsprechend hörte Geschichte mit dem Dritten Reich auf. Offenbar war es auch später noch so, auch Arons Kollegin Ruth berichtet von zwei Stunden Unterricht über 40 Jahre der Teilung.
Es ist nicht einfach, Menschen, die ein ganzes Leben an das System geglaubt haben und mit dem System gelebt haben, vor den Kopf zu stoßen und ihnen zu verkünden, dass ihr Leben umsonst war. Und die Wiedervereinigung war für viele auch nicht die Lösung, die sie sich erhofft hatten. Sie wollten eine runderneuerte DDR, sie wollten Reisefreiheit, sie wollten das verknöcherte Regime loswerden, sie wollten einen anderen Sozialismus aber sie wollten nicht unbedingt wiedervereinigt werden.
Als Familiengeschichte ist das Buch gut zu lesen, es ist nicht trocken, obwohl eine Auseinandersetzung zwischen Realismus und Kubismus in der Kunst schon mal recht abstrakt werden kann.
Das Titelbild ist einem der Bilder Willi Sittes entnommen, mit dem Titel fremdele ich noch ein wenig. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass Willi Sitte mit Vorliebe nackte Menschen gemalt hat und dafür an den zahlreichen FKK-Stränden Anschauungsunterricht nahm.

Bewertung vom 12.01.2023
In tiefen Seen / Commissario Grauner Bd.8
Koppelstätter, Lenz

In tiefen Seen / Commissario Grauner Bd.8


sehr gut

Die Kriminalromane von Lenz Koppelstätter spielen in Südtirol, im Bereich um Bozen, Meran und den angrenzenden Tälern. Kommissario Grauner und Ispettore Saltapepe arbeiten zusammen und werden von einer fähigen Assistentin, nämlich Silvia Tappeiner und der Praktikantin Sabrina Donnachiara unterstützt.

Dieser Krimi spielt im Passeiertal, einem Tal nördlich von Meran, das ziemlich abgeschlossen von der Außenwelt nur noch in die Berge führt, es gibt kein Durchkommen nach Österreich oder die Schweiz, mit dem Schneeberg endet das Tal. Im Passeiertal wurde jahrhundertelang nach Erz gegraben und so sind die Berge mittlerweile ziemlich unterhöhlt und Geologen fürchten eine Einsturzgefährdung. Dort wird auf einer grünen Wiese die brutal zugerichtete Leiche eines Malers gefunden. Die Inszenierung der Leiche ähnelt einem Gemälde von Botticelli.

Was kaum jemand wusste, ist, dass die unterirdischen Höhlen in den 40er Jahren als Verstecke für geraubte Kunst aus den Florentiner und römischen Museen missbraucht wurden. Daraus entwickelt sich eine spannende Handlung, die sich auch den ermittelnden Beamten nur langsam erschließt und sie sehr in Gefahr bringt.

Koppelstätters Hauptakteure, die beiden Kriminalbeamten, könnten unterschiedlicher kaum sein. Der eine im Nebenerwerb Bauer mit Kühen, die ihm sehr nahestehen und mit einer Schwäche für Mahler-Sinfonien, der andere Neapolitaner mit einer großen Liebe zum Fußball. Trotzdem sind sie über die Jahre zusammengewachsen und auch die unterschiedlichen Kulturen und Sprachen wirken sich nicht negativ aus, jeder hat sich auf die Eigenheiten des jeweils anderen längst eingestellt.

Die Bauern im Passeiertal hingegen machen gegenüber jedem Fremden erst mal dicht, da dringt nichts nach außen und das erschwert den ermittelnden Beamten lange die Arbeit.

Das Buch ist spannend geschrieben und tatsächlich lösen sich die Rätsel erst ganz zum Schluss auf, auch aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit der Ermittler. Nicht einmal Staatsanwalt Belli kann da noch etwas verschlimmbessern.
Um dem Buch folgen zu können, muss man die Vorgängerromane nicht kennen, man bekommt aber Lust darauf, sie kennenzulernen.