Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 75 Bewertungen
Bewertung vom 28.04.2020
Kann Gelato Sünde sein? (eBook, ePUB)
Hennig, Tessa

Kann Gelato Sünde sein? (eBook, ePUB)


weniger gut

Auf den ersten Blick würde diese Frage doch jeder mit NEIN beantworten. Doch in dem Roman gibt es dazu verschiedene Auffassungen. Ob ehrlich oder nicht, das darf der geneigte Leser herausfinden.
Ich war nach der Lektüre des Klappentextes sehr von der Idee angetan, alten Leuten das Sterben zu verbieten, ihnen Kuchen zu verbieten und dafür Sport zu verordnen. Neugierig auf die Umsetzung des Themas geworden, habe ich die Lektüre des leicht-lockeren Romans begonnen.
Nun sollte man Büchern die Gelegenheit geben, zu offenbaren, was in ihnen steckt. Darauf habe ich hier lange gewartet, denn das so witzig angelegte Thema wabert an der Oberfläche und entwickelt nicht wirklich lustigen Tiefgang. Es dient im Grunde nur der Verschleierung von persönlichen Problemen einer Figur.
Die Protagonisten und alle anderen Figuren bleiben bis auf die Mutter der Heldin farblos und langweilig. Sie haben zwar einen Haufen Probleme zu bewältigen, die aber nicht tief gehen und keinen Einfluss auf das weitere Leben der Figuren haben.
Die Sprache ist flüssig lesbar, lässt aber witzige Formulierungen vermissen, die der Plot eigentlich hergegeben hätte. Eine gute Portion Sarkasmus hätte der Geschichte nicht geschadet und hätte mit Sicherheit viele Lacher provoziert.
Einen Spannungsbogen habe ich ebenfalls vermisst, wobei es immerhin gelungen ist, so etwas Ähnliches wie ein dramatisches Ende zu schaffen. Das verpufft allerdings und verliert sich am Ende. Insofern hört die Story auch nur auf, ohne ein wirkliches Ende zu haben.
Derjenige Leser, der anspruchslos-oberflächliche Unterhaltung ohne Tiefgang sucht, ist hier an der richtigen Adresse.
Ich bin etwas enttäuscht, dass dieser wundervolle Plot so schwach ausgearbeitet worden ist.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.03.2020
Rendezvous in zehn Jahren
Pinnow, Judith

Rendezvous in zehn Jahren


ausgezeichnet

Hätte ich fünf Daumen an jeder Hand, würde ich sie alle hochstrecken, um diesem Roman zu versichern, er ist wundervoll.
Einfühlsam, aber auch ein wenig schnodderig in manchen Ausdrücken der Helden schildert die Autorin eine faszinierende Idee wie sich zwei Fremde nicht mehr aus dem Kopf kriegen, sich aber erst in zehn Jahren wieder treffen wollen.
Das dauert beiden zu lange. Eine Suche beginnt.
Dieses Suchen und es begleitende Lebensumstände werden dem Leser als gelebter Alltag nahe gebracht. In einer leichten Sprache, die den Leser in das Geschehen hineinzieht und ihn mit fiebern lässt, wird das Buch zu einem Pageturner, den man in zwei Tagen durchgelesen hat.
Bewundernswert ist das Verhalten der Helden, die sich ihren Weg zueinander nicht verbauen lassen und letztlich sich Gott sei Dank nicht gezwungen sehen, auch durch schwerwiegende Veränderungen, von ihrer Liebe abzuweichen.
Dieser Roman ist eine Hommage an die Liebe und was sie alles möglich macht. Keine fragwürdigen Zweifel - so nach dem Motto: ich bin einmal enttäuscht worden und muss mein Leben lang allein bleiben, weil eine zweite Enttäuschung nicht auszuhalten wäre - quälen die Helden, sie sehen die Liebe und ihr eigenes Wohlbefinden in der Nähe des anderen. Es werden keine Probleme geschaffen, um Dramatik zu erzeugen, sondern es werden Lösungen gesucht und gefunden.
Wenn jemand auf der Suche nach einem Roman ist, der ohne Umwege und nervtötendes Hinhalten, die Liebe als Ziel vor Augen hat, der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.

Bewertung vom 14.03.2020
Die Kleider der Frauen
Lester, Natasha

Die Kleider der Frauen


ausgezeichnet

Als ich diesen Roman angefangen habe zu lesen, war das Ende das letzte, womit ich gerechnet habe und ich bin sehr begeistert von diesem unvorhergesehenen Handlungsverlauf. Ein Roman, über den ich nach Ende der letzten Zeile noch tagelang nachgedacht und mich gefreut habe, auf ihn gestoßen zu sein.
Die Figuren sind wunderbar gezeichnet und von einer so beeindruckenden Charakterstärke, dass man sich veranlasst sieht, über den eigenen Umgang mit den Unbilden des Lebens nachzudenken. Manch einer kann sich davon eine dicke Scheibe abschneiden.
Furchtlos und stets das Ziel vor Augen kämpfen die Figuren um den eigenen Erfolg und für ihr ganz privates Lebensglück. Es gilt Umwege zu nehmen, häufig auch mal einige Schritte zurückzugehen, aber immer stetig dem Ziel entgegen.
Freunde sind dabei unerlässlich. Und sie erweisen sich als echte Freunde, die in jeder Lebenssituation zusammenstehen, einander auffangen und unterstützen. Jeder zieht Nutzen aus dem Anderen und kann sich vollständig auf ihn verlassen.
Familie ist ein weiterer Baustein dieses Romans, der im Leben der Protagonisten wichtig ist. Sie wird als lebensnotwendige Basis angesehen, die aber gleichzeitig aus Menschen bestehen kann, die anderen Mitgliedern das Leben zur Hölle gemacht hat. Der Umgang damit ist eine weitere Aufgabe, der sich die Figuren stellen müssen. Und das in Vergangenheit und Gegenwart, denn es gibt zwei Handlungsstränge, die durch die Heldin Estella verbunden sind.
Das die Liebe in einem solchen Gesellschaftsroman nicht fehlen darf, versteht sich beinahe von selbst. Die Helden treffen in dieser wundervollen Geschichte auf den zweiten Teil ihrer selbst, den Teil, der sie ganz werden lässt. Das das Leben aber manchmal richtig dazwischen kommen kann mit all seiner Tragik, Hoffnung und Zweifeln, das bleibt den Figuren nicht erspart und macht den Roman zu einer spannenden Geschichte.
Das Buch abends vor dem Einschlafen auf den Nachttisch zu legen wird zu einer Vernunftfrage. Weiterlesen und den folgenden Tag nicht so wirklich auf die Reihe zu bekommen oder schlafen und sich vor Ungeduld unruhig im Bett zu wälzen. Auf jeden Fall lässt diese Geschichte einen nicht mehr los.

Bewertung vom 06.03.2020
Zu wahr, um schön zu sein
Engelmann, Gabriella

Zu wahr, um schön zu sein


gut

Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn dieser kurzweilige, unterhaltsame Frauenroman nicht so voller Sarkasmus stecken würde, dass der geneigte Leser nicht wirklich Zugang zu der Heldin Caro finden kann.
Was die gute Frau ab dem Tag ihrer Silberhochzeit so alles erleben muss, ist schon starker Tobak und normalerweise steckt Frau solche Dinge nicht mal so eben weg, als wäre nur eine Blumenvase der Ming-Dynastie zerschellt.
Die gute Caro wird ohne ihr Zutun in ihr Schicksal katapultiert und hat jetzt bitte schön das Beste daraus zu machen und das soll ihr durch handfesten Sarkasmus gelingen. Tut es aber nicht, denn der Leser weiß nicht wirklich wie es um ihr Gefühlsleben bestellt ist und was sich in ihrem Inneren abspielt. Sicher, sie hat Weinkrämpfe und ruft die beste Freundin um Hilfe, aber von wirklicher Trauer ist hier keine Spur. Caro tut locker und lässig, als wäre es völlig normal am 25. Hochzeitstag zu erfahren, dass der Ehemann… . Ihr Verhalten danach wirkt wenig 'echt' und auch ihr Umfeld steckt diese Info eher locker weg.
Was dann einsetzt, wenn Caro ihr Leben wieder 'entdeckt' erinnert mich streckenweise an einen schlechten Roman, der unter Klischees erstickt und an das verhalten verliebter Teenager erinnert. Ich meine Caro ist eine gestandene Frau von Mitte 40 mit entsprechend Lebenserfahrung (nehmen wir mal an, denn in 40 Jahren geschieht schon eine Menge) und die soll sich die Nacht um die Ohren schlagen, weil sie nicht weiß, was sie zu ihren ersten Date anziehen soll? Ehrlich? In dem Alter zu glauben, dass das Aussehen eine ausschlaggebende Rolle spielt, ist naiv. Entweder der andere nimmt mich so, wie ich bin oder er lässt es bleiben. Wenn nur das Aussehen den Ausschlag gibt, dann hat die gute Caro aber eine ganze Menge nicht gelernt.
Das Ende ist ziemlich typisch für Romane von Gabriella Engelmann. Wer andere von ihr gelesen hat, wird wissen wie es läuft.
Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Heldin den Leser mehr an sich heran gelassen hätte. Der Sarkasmus verhindert letztlich auch, dass Caro einen Reifungsprozess durchläuft. Das Leben geht einfach weiter (fast so wie vorher) und einige Veränderungen, die sich ergeben haben sind eben normal und nicht zwangsläufig durch den Big Bäng am Silberhochzeitstag bedingt.

Bewertung vom 23.02.2020
Das Geheimnis von Ray's Rock / Silberflut Bd.1
Falkner, Alex

Das Geheimnis von Ray's Rock / Silberflut Bd.1


ausgezeichnet

Ein wundervolles Abenteuerbuch. Anders lässt sich diese schöne und aufregende Geschichte über Freundschaft, Unterstützung, Hilfe und Teamwork nicht beschreiben. Nach einem merkwürdigen Naturphänomen plötzlich auf sich allein gestellt, ist eine Schülergruppe gezwungen auf einer Insel mitten im Meer zu überleben.
Zunächst hocherfreut, ohne "blöde" Erwachsene zu sein, schlägt dieses sehr schnell in Ernüchterung um, als die Realität sie mit hoher Geschwindigkeit einholt. Survival ist angesagt und die Schüler müssen sich zusammenraufen. Was gar nicht so einfach ist, denn ein Mädchen hat schwere Probleme, die sie zur Einzelgängerin werden lassen. Tough aber unzugänglich zeigt sie Charakter und weiß die Dinge zu nehmen.
Die anderen lernen ihren Kopf einzusetzen, greifen auf ihr Wissen zurück und warten in schwierigen Situationen mit guten Lösungen auf. Der Gruppenzusammenhalt wächst, auch wenn es Zeiten gibt, wo sie sich gegenseitig auf die Nerven gehen und Streit in der Luft liegt.
Die vielen Rückschläge, die die Kinder in der Geschichte erleben und gezwungen sind hinzunehmen, verleiht viel Spannung und lässt den Leser am Buch haften.
Die Charaktere kommen lebensecht rüber und meistern die ihnen auferlegten Schwierigkeiten auf beeindruckende Weise.
Wunderbar in dem Zusammenhang ist das komplette Fehlen von Strom und Netzempfang. Die Kinder müssen begreifen, ohne diese Segnungen auszukommen. Die zwangsläufige Rückführung auf das "einfache Leben" bringt sie in einen Überlebensmodus, der ihnen zeigt, dass es nach wie vor ein schwieriges, aber machbares Leben außerhalb der Zivilisation gibt.
Sehr empfehlenswert, da Freundschaft und Teamwork der hohe Wert beigemessen wird, den er trotz Digitalisierung und Pseudogemeinschaft von Social Media immer noch hat.

Bewertung vom 12.02.2020
Goodbye, Bukarest
Seeberger, Astrid

Goodbye, Bukarest


sehr gut

Als ich begann diesen Roman zu lesen, fand ich mich in einer erzählten Welt wieder, die es versteht, den Leser in diese Welt hineinzuziehen. Eine dichte Erzählweise lässt den Leser in einer gefühlsgeladenen Stimmung zurück, die ihn zwangsläufig über das Gelesene nachdenken lässt.
Dabei gerät der eigentliche rote Faden manchmal aus dem Fokus, nämlich die Suche nach dem Onkel, der angeblich gestorben sein soll. Erste Spuren aus dem Nachlass der Mutter geben den Weg vor, den die hartnäckige Tochter einschlagen wird, weil sie nie geglaubt hat, dass ihr Onkel damals gestorben ist.
Auf ihrer Suche trifft die Tochter auf Menschen und deren Lebensschicksale, die alle mehr oder weniger mit dem Onkel zusammenhängen und die das Leben und Schicksal des Onkels beschreiben.
Diese Lebensschicksale sind ergreifend, bewegend, meist bedrückend, aber immer voller Hoffnung und von dem Willen zu überleben gekennzeichnet. Es findet sich immer ein Weg, immer ist jemand da, der hilft und das Wenige Eigene teilt.
Starke familiäre, freundschaftliche aber auch sexuell begründete Bindungen zwischen den Protagonisten zeichnen ein Bild gegenseitiger Abhängigkeiten und Annäherungen. Dabei sind Musik und Kunst der Kitt zwischen den Menschen. Aus diesen kulturellen Dingen ziehen alle Halt und finden ihre Bestimmung im Leben.

Goodbye Bukarest ist ein ergreifender, stimmungsvoller, streckenweise beklemmender Roman, der dem Leser deutlich vor Augen führt, wozu Hoffnung fähig ist und dass diese der größte Anker im Leben des Menschen ist.

Bewertung vom 06.02.2020
Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!
Simmons, Jo

Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!


ausgezeichnet

Die Idee, unliebsame Geschwister einfach gegen ein perfektes Wunschmodell eintauschen zu können ist wunderbar und durch das Internet 'machbar/vorstellbar' geworden; das heißt, dass es eine Plattform gibt, die es theoretisch möglich machen würde. (All die hinderlichen rechtlichen/moralischen/ethischen Probleme, die sich ergeben, lassen wir hier man in der Versenkung liegen.)
Ein nervtötendes Geschwisterkind loszuwerden, ist für manch einen gekränkten Bruder/Schwester der Himmel auf Erden. Doch sollte man vorsichtig sein, mit dem, was man sich wünscht. Es könnte sein, dass man es bekommt und dann auf einmal nicht mehr haben will. So, wie es unserem Helden Jonny ergeht. Die Austauschgeschwister erweisen sich als unbrauchbar, weil ihre Eigenarten (hier überzeichnet dargestellte Klischees) Probleme aufwerfen, die ungewohnt sind. Erst langsam dringt bei Jonny durch, dass das Gewohnte vielleicht blöd ist, aber immerhin weiß man, woran man ist. Und das ist ein ganz großer Unterschied. Zu wissen, woran man ist, bringt Sicherheit und das ist für viele Kinder der Anker schlechthin.
Die Geschichte ist gut ausgedacht und spannend gehalten bis zum Schluss.
Themen, wie Internetsicherheit (nicht alles anklicken, was auf dem Bildschirm hochpoppt), Geschwisterliebe, Angst überwinden und Freunden helfen werden in die Handlung eingebaut und als wichtige Elemente des kindlichen Lebens betont.
Es gibt jedoch zwei Dinge, die ich gerne kritisch anmerken möchte:
Jonnys Mutter ist so dämlich, dass ein Leser mit gesundem Menschenverstand den Eindruck bekommt, ihr sollte die Erziehungsberechtigung entzogen werden. Wie sie mit dem Verschwinden ihres älteren Sohnes umgeht ist äußerst fragwürdig und sonst tritt sie nur als vergessliche Person in Erscheinung, die entweder arbeitet, irgendwo im Haus herumläuft oder schläft.
Es ist klar, das im Rahmen solcher Abenteuergeschichten die Eltern immer Randfiguren bleiben und vieles nicht mitkriegen dürfen, damit die Geschichte funktioniert, aber in diesem Fall ist meiner Meinung nach die Grenze des Ahnungslosen weit (!) überschritten worden.
Dann noch ein Wort zu den Illustrationen:
Sie sind witzig und modern gezeichnet und ein klein wenig verrückt, wie die Story selber. Doch leider stimmen Handlung und Bilder nicht immer überein. So z. B. hat Jonny einen Laptop, in der Illustration aber einen Desktop-PC.
Empfehlenswert, wie auch die folgenden Anmerkungen meiner Tochter (10Jahre) aufzeigen:

Wenn ich das Buch beschreiben müsste, wäre es: `Die heutige Jugend`. Das, was die Figuren in diesem Buch tun, würden die Leute von früher noch nicht einmal in Betracht ziehen, aber es passt für die heutige Generation perfekt.
Man kann sich auch sehr gut in jeden der Charaktere hineinversetzen und zwar so, dass man auch wie sie fühlt.
Der Titel zieht einen magisch an, dass man nicht an dem Buch vorbei gehen kann, ohne dass man das Buch in die Hand nimmt oder in das Buch hineinliest oder es glatt mitnimmt. Man kann dem Sog des Buches einfach nicht Endflüchten. Man kann nicht mehr auf hören zu lesen sobald man angefangen hat . Es ist quasi an den Fingern festgeklebt.

Bewertung vom 03.02.2020
Die Galerie am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.1
Cedrino, Alexandra

Die Galerie am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Was für eine Geschichte! Eingeklemmt zwischen zwei Buchdeckeln und einem anspruchslosen Schutzumschlag.
Never judge a book by its cover! Diesem Rat sollte der Leser unbedingt folgen und er wird mit einem wundervoll dargestellten Sittengemälde aus dem Berlin Anfang der 1930er Jahre belohnt.
In diesem Sittengemälde trifft der Leser auf eine junge Frau - Alice - die nach dem Tod der Mutter nach Berlin reist, um ihre ihr unbekannte Großmutter zu einem Schuldeingeständnis zu bewegen. Sie trifft auf eine Mauer des Schweigens und gnadenlose Gefühlskälte. Das ändert sich auch nicht wirklich.
Während Alice Aufnahme in die Familie ihrer Onkel findet, wird anhand ihres Alltags und ihrer Interessen das Leben in Berlin mit all seinen Facetten beschrieben. Reste der wilden 20er mit Partys, lesbischer Liebe, Kunst, viel Champagner, endlosen Zigaretten und dem Besuch illegaler Lokale illustrieren das gesellschaftliche Leben kurz vor dem Wahlsieg der Nationalsozialisten. Antisemitismus ist ein Thema, genau wie die schrittweise Aushebelung demokratischer Verfahren dem Leser vor Augen geführt wird.
Alice findet ihren Weg entlang vieler Widrigkeiten, Stolpersteinen und selbst produzierten Problemen, weil ihr sturer Dickkopf sie so manches Mal ausbremst.
Und die Liebe darf natürlich nicht fehlen. Sie verläuft als stetige Parallele im Selbstfindungsprozess von Alice - bis hin zu einem Ende, von dem hier nicht die Rede sein soll. Diese Neugier sollte den potentiellen Leser in die Buchhandlung führen.

Bewertung vom 28.01.2020
Das Wolkenschiff - Aufbruch nach Südpolaris (Das Wolkenschiff 1)
Hardy, Vashti

Das Wolkenschiff - Aufbruch nach Südpolaris (Das Wolkenschiff 1)


ausgezeichnet

Dieser wunderbare Abenteuerroman für junge Leser ab 10 Jahre ist fesselnd und bisweilen richtig pageturnerverdächtig.
Die Handlung beschreibt eine anstrengende, abenteuerliche und bisweilen halsbrecherische Reise mit einem an einen Zeppelin erinnerndes Wolkenschiff zum Südpol eines imaginären Planeten, der aus drei Kontinenten besteht.
Atmosphärische Beschreibungen der Umgebung machen den Leser zum Teilnehmer an dieser Expedition. Er fiebert mit dem Zwillingen Arthur und Marie - sie haben ihren Vater auf dessen letzter Expedition verloren - die dem vermeintlichen Unrecht, das ihm widerfahren sein soll, auf den Grund gehen wollen. Nichts als die Familienehre steht auf dem Spiel.
Die Zwillinge schließen sich einer neuen Expedition zum selben Ziel an und müssen leidvoll erfahren, dass die Menschen auf dieser Welt nun mal nicht alle freundlich sind.

Die Charaktere werden entsprechend einem Lese- und Erfahrungshorizont Zehnjähriger angepasst. So sind die Zwillinge tapfer, hart im Nehmen, ehrgeizig, zielstrebig, schlau und sehr intelligent.
Die sie umgebenden Erwachsenen - je nach deren Rolle - bösartig, freundlich, liebevoll, respektvoll, helfend, anerkennend oder grausam. Alles in einer Weise dargestellt, dass junge Leser deren Handlungsweisen verständlich nachvollziehen und akzeptieren können. Es wird aber auch fein darauf geachtet, dass die Kinder auf Augenhöhe mit den Erwachsenen sind, gleichwertige Partner, die sich allerdings beweisen müssen.

Insgesamt ein empfehlenswertes Buch mit actionreichen Szenen, guten Dialogen in einer vernünftigen Sprache, einer gut ausgedachten Welt und einem zum Teil offenen Ende, das auf weitere Abenteuer von Arthur und Marie verweist.

Bewertung vom 18.11.2019
Bülent Rambichler und der störrische Karpfen / Bülent Rambichler Bd.2
Bogner, Anja

Bülent Rambichler und der störrische Karpfen / Bülent Rambichler Bd.2


gut

Wenn der Leser diesen Provinzkrimi aufschlägt, wird er genau damit konfrontiert: mit tiefster bayerischer Provinz. Dorfleben vom Feinsten mit all seine Facetten wie Klatsch, Tratsch, durchgeknallten Charakteren und Geheimnissen hinter opulenten Fassaden.
Die Leiche taucht gleich auf den ersten Seiten auf, wenig ansehnlich, aber das stört die Drumherumstehenden überhaupt nicht. Die Witwe ist gleich zur Stelle und gibt einen bühnenreifen Trauerauftritt, der jegliche wirkliche Trauer arg vermissen lässt. Wichtiger ist, was die anwesenden Besserwisser dazu beizutragen haben: jede Menge Erkenntnisse vorgebracht im breiten Dialekt. Da stockt einem Nicht-Bayern schon manchmal der Lesefluss.
Nun ist das mit dem Bayerischen so eine Sache. Netter Klang im Gesprochenen und ähnlich wie die plattdeutsche Sprache in der Lage, Unfreundlichkeiten hübsch zu verpacken, dass die eigentliche Beleidigung nicht so reinschlägt. Und davon gibt es in Bogners Text jede Menge. Sprachliche Kämpfe, bei denen die Attacken dem Leser nur so um die Ohren fliegen. Häufig ist kein Bezug zur Aufklärung des Mordfalls zu erkennen, so wird dem Dialekt gefrönt. Erst ab der zweiten Romanhälfte nehmen die Ermittlungen Fahrt auf und die Geschichte kommt weiter. Es ist, als ob die "Kriminaler" erstmal wach werden mussten.
Die Geschichte ist gut ausgedacht und die Sache mit dem Karpfen bleibt lange im Dunkeln. Wichtige Erkenntnisse kommen quasi im Nebensatz heraus und ertrinken in bayerischer Schwärmerei.
Der Provinzkrimi lebt von dem bayerischen Dialekt, der dem Ganzen eine gewisse Würze verleiht und Nicht-Bayern einen guten Einblick in die örtliche Mentalität liefert. Würde die Geschichte auf Hoch-Deutsch geschrieben sein, sie hätte keinen Charme, wäre nüchtern und knochentrocken.
Die Sprache und der Inhalt eines Romans sollten zueinander passen und sich ergänzen, so hat jedes Genre eigene Stilelemente, die einer eigenen sprachlichen Form bedürfen. Beim störrischen Karpfen hat die Sprache nichts mit dem Inhalt zu tun. Die Geschichte lebt einzig durch den Dialekt, bei dessen Grammatik Herr Duden im Grabe rotieren würde. Es müsste aber keine Krimi sein. Ein Gesellschaftsroman wäre genauso möglich, wie eine Studie über das Leben auf dem Dorf.
Von beidem finden sich Anklänge in dem dennoch unterhaltsamen Provinzkrimi.