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anette1809 - katzemitbuch.de
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Sulzheim
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Mein Blog: https://katzemitbuch.de/

Bewertungen

Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2015
Seeland
Ruhe, Anna

Seeland


ausgezeichnet

Als älterer Leser fühlte ich mich zeitweise auf der Reise in Anna Ruhes Seeland in eine Reise zum Mittelpunkt der Erde des berühmten Jules Verne versetzt.

Wie Jules Verne beweist Anna Ruhe viel Fantasie und Erfindungsreichtum, um unter der Erde eine Landschaft lebendig werden zu lassen, auf deren Erkundung sich der Leser sofort heimisch fühlt, obwohl er sie nie zuvor betreten hat.
So ergeht es auch den beiden Kindern Emma und Max aus dem Örtchen Bittie Cross, die durch einen kleinen Brunnen an der Erdoberfläche klettern und sich kurze Zeit später in einer bis dahin völlig unbekannten Welt wiederfinden.

Die Handlung ist sehr dialoglastig. Durch die Gespräche zwischen den beiden Kindern Emma und Max und zu ihren Gesprächen mit den Bewohnern des Seelandes erfährt man nach und nach immer mehr über die beiden Kindern sowie über die geheimnisvolle Welt unterhalb der Erdoberfläche. Schon bald stellt sich raus, dass Max hier unten seinen verschollenen Vater suchen möchte. Auf der Suche dorthin könnte den beiden der Seeland-Junge Ari helfen. Nachdem sowohl dieser den beiden als auch die beiden ihm mehr als einmal aus der Patsche geholfen haben, sind die drei ein eingespieltes Team auf einer gemeinsamen Quest, denn nicht nur Max hat eine wichtige Person in den Tiefen des Meeres verloren.
Auf der langen und gefährlichen Fahrt kommen sie in Kontakt zu Piraten, lernen Meerjungfrauen und deren geheimnisvolle Bezugstiere - die Quallen - kennen, die nicht mit ihnen kommunizieren auf herkömmliche Art, sondern Gefühle und Pläne durch Reize ertasten können, in dem sie ihre Fangarme auf sie oder deren Unterwassergefährt auflegen.
Die Reise durch die Meereswelt bestreiten die drei Jugendlichen in dem von Ari gebauten Kustoh - einem Unterwasserseeboot, das seinen Namen dem Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau verdankt. Anna Ruhe hat damit ihren Forscher- und Erfinderdrang noch lange nicht ausgelebt. Rollstühle heißen hier Stuhlorasant, Papier ist kein einfaches Papier, sondern wasserfestes Elastopri und vielfältige Gaumenschmausen aus Meerestieren und -pflanzen machen einem auf Grund der fantasievollen Namen den Mund wässrig.

Auch wenn sich unsere drei Helden oftmals recht einfach aus sehr spannenden Zwickmühlen retten können, so ist dies der angesprochenen Zielgruppe ab 10 Jahren sehr gut angepasst, zum Vorlesen würde ich sogar noch 2 Jahre tiefer gehen und das Buch gemeinsam mit abenteuerlustigen 8jährigen lesen. Zudem folgt einem entflohenem Fettnäpfchen meist auf direktem Fuße ein zweites, aus dem die drei sich wiederum befreien müssen.

Anna Ruhes Fantasie und Einfallsreichtum wird zusätzlich unterstrichen von den beinahe magischen Unterwasserszenarien aus der Feder Max Meinzolds. Obwohl er die Geschichte nur mit schwarz-weiß-Illustrationen untermalt, bringt er die Szenen zum Leuchten und Strahlen.

Kinder, die Abenteuer lieben, egal ob Mädchen oder Jungen, werden hier eine fantasievolle Welt vorfinden, die sie nicht zuletzt auf Grund der drei Jugendlichen Emma, Max und Ari lieben lernen. Die drei wachsen einem im Laufe des Abenteuers sehr ans Herz und es fällt schwer sie zu verlassen, nachdem man ihnen bei so vielen Abenteuern zur Seite stehen durfte.
Aber ich bin sicher, dass selbst einige erwachsene Leser hier ein Abenteuer ganz nach ihrem Geschmack vorfinden werden, denn mit völlig unbekannten Szenarien bei Lesern Kopfkino zu erzeugen ist eine Kunst, die Anna Ruhe meisterhaft umsetzt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.03.2015
Dem Spuk auf der Spur - Eisblau, eiskalt und unsichtbar / Grusel-Club Sammelbd.1
Brezina, Thomas

Dem Spuk auf der Spur - Eisblau, eiskalt und unsichtbar / Grusel-Club Sammelbd.1


sehr gut

"Gruselclub - Eisblau, eiskalt und unsichtbar" ist ein Sammelband aus den drei bereits als Einzeltitel erschienenen Büchern "13 Stunden in der Geisterbahn", "Der Mann mit den eisblauen Augen" und "Das unsichtbare Biest".
Die Abenteuer sind gerade richtig, um Jungs (aber auch Mädchen) in der angesprochenen Altersgruppe zu begeistern und zum Lesen der Folgebände zu animieren.

Bewertung vom 02.03.2015
Gans für dich
Schwarz, Christine;Baltscheit, Martin

Gans für dich


ausgezeichnet

Ein Bilderbuch für kleine Zuhörer und ein Gedichtband für Selbst(und-zwischen-den-Zeilen)leser:

Gans für euch alle!

Meistens ist es gar nicht dumm:
Erst ein Gedicht und dann ein Bild.
Diesmal war es andersrum.
Auch schön.

In "Gans für dich" treffen mehrfarbige Zeichnungen von Tieren, die sich auf das Wesentliche des Charakters konzentrieren, auf intelligente Wortspiele von Martin Baltscheid.

Bereits eine der ersten Bild-Gedichten geht mit einem skurrilen Inhalt los: im Schwarm haben sich zwei verliebte Fische aus den Augen verloren, doch für die beiden findet sich ein Happy End in der Ölsardinendose.

Das Innere des Buches ist recht minimal gestaltet. Oftmals kommen die Tierbilder sogar ohne Hintergrund aus, so dass einem das Buchinnere zum größten Teil klar und cremefarben entgegenwirkt im krassen Gegensatz zu dem in zarten Farben und schön herausgearbeiteten Details des Buchumschlags. Der Buchumschlag ist ein Beispiel dafür, dass manchmal ein Bild mehr als tausend Worte sagt:

VERSPROCHEN

Ich liebe dich

Gans wie du bist

Und der blaue Himmel des Tages und der rötliche Himmel des Abends versprechen dies immerwährend, für alle Zeit.

Mit Wortspielen sind die Gedichte gespickt, die nicht nur lustig sind, sondern auch Neckereien, Rätsel und Wunder verbergen, gerade recht, dass auch große Entdecker einen (Wort)Schatz darin finden.

Bewertung vom 01.03.2015
Zum Glück bemerkt mich niemand ... dachte ich
Weberg, Liv Marit

Zum Glück bemerkt mich niemand ... dachte ich


gut

Anne Lise ist für das Studium nach Oslo in ihre erste eigene Wohnung gezogen. Leider ist sie derartig schüchtern, dass sie es nicht schafft Kontakte in der Stadt zu knüpfen geschweige denn ihr Studium aufzunehmen. Mehr oder weniger zufällig bekommt sie zwar einen Freund, der jedoch schon bald auf Grund Anne Lises zurückhaltender Art das Handtuch wirft. Nur aus der Not gezwungen nimmt Anne Lise einen Job an, nachdem ihr die Studienhilfe gestrichen wird und auch ihre Eltern weitere Unterstützung verweigern. Nachdem der Ball des Schicksals gezwungenermaßen eine Richtung einschlagen muss, die Anne Lise von selbst nie gegangen wäre, entwickelt sich vielleicht doch noch alles in eine positive Richtung?!

Mit der Lektüre von "Zum Glück bemerkt mich niemand... dachte ich" bekam ich stilistisch und auch von der Hauptfigur einen völlig anderen Roman als ich es erwartet hätte. Die kurzen Kapitel reihen sich stakkatoartig aneinander, die Schrift ist relativ groß, die Seiten teilweise nur zur Hälfte bedruckt, so dass sich die Geschichte von Anne Lise schnell lesen lies, obwohl ich weder mit der Handlung noch mit ihrer Art richtig warm geworden bin. Anne Lise ist zwar einerseits schüchtern und versucht Aufmerksamkeit zu vermeiden, andererseits hat sie aber eine Art an sich, mit der sie aneckt und anstößt und damit auffällt. Vom Klappentext her hätte ich eine Figur erwartet, die gegen ihre Schüchternheit angehen und Leute kennenlernen will, tatsächlich tut Anne Lise aber alles dafür, um allein zu bleiben, selbst den Kontakt zu ihren Eltern sucht sie erst dann freiwillig, als ihre einzige Geldquelle durch die Studienhilfe versiegt.

Einerseits hat es mir gut gefallen, dass die Autorin aufzeigt, wie schwierig die ersten Schritte in das selbstständige Erwachsenenleben sein können und mit welchen sozialen Kontaktproblemen sich Menschen konfrontiert sehen, die von ihrer Art introvertiert und zurückhaltend sind. Diese Thematik derart auf die Spitze zu treiben, wie es die Autorin in ihrem Roman macht, ist aufrüttelnd, da man als Leser gar nicht umhin kommt, auf Anne Lises Art zu reagieren. Die Autorin polarisiert mit ihrer Hauptfigur und fordert Reaktionen heraus. Andererseits war mir die Umsetzung für das anvisierte Zielpublikum ab 14 Jahren teilweise zu überspitzt und ironisch. So fällt es mir schwer, für diesen Roman eine definitive Empfehlung auszusprechen. Anfang und Ende haben die Geschichte für mich gerettet, aber mit dem Mittelteil, bei dem Anne Lise ihrem erzwungenermaßen angenommenen Job nachgeht, konnte ich nicht viel anfangen: hier war Anne Lises Art von der Autorin zu gezwungen übertrieben und sarkastisch gezeichnet.

Bewertung vom 01.03.2015
Super-GAU / Rupert Rau Bd.1
Bauer, Michael Gerard

Super-GAU / Rupert Rau Bd.1


ausgezeichnet

"Rupert Rau, Super-Gau" ist der erste Band einer Comic-Roman-Reihe, die Michael Gerard Bauer zusammen mit seinem Sohn Joe entwickelt hat. Auch wenn die Rupert-Rau-Serie für ein jüngeres Publikum als die Ismael-Trilogie des Autors konzipiert ist, so beinhaltet sie doch seinen typischen Humor und eine gewisse Tiefe, wie man sie aus seinen anderen Büchern kennt.

Rupert Rau erzählt, wie er zu seinem Spitznamen gekommen ist und von den diversen Super-Gaus, die er in der Schule verursacht. Diese verdankt er seiner Verträumt- und Unkonzentriertheit, denn statt dem Unterricht zu folgen, schreibt Rupert Rau lieber an seinem Helden-Comic um Archie "Achtung" Amber, der sich sogar mit weitaus simpleren Mitteln als der Fernsehserienheld MacGyver aus scheinbar ausweglosen Situationen befreien kann. Wie schade, dass das in der Realität bei Rupert Rau nicht genauso gut klappt. Nach vielen Super-Gaus stellt sich jedoch heraus, dass so ein Gau durchaus auch seine positiven Seiten haben kann, aber bis es soweit ist, blamiert sich Rupert nicht nur einmal... Doch auch sein bester Freund Puff-Puff Rodriguez oder gar sein Lehrer Mr Winter bleiben von den peinlichen Vorfällen nicht verschont, nur das Puffy eine sehr viel lockerere Einstellung zum Leben hat als Rupert:

'Er findet einfach immer alles gut. Ich glaube, das liegt an seinen Eltern. Eigentlich sind sie nett. Sie arbeiten beiden als 'Lebensberater'. Keine Ahnung, was genau das bedeutet, aber sie sagen dauernd Sachen wie: "Denke nie, das kann ich nicht, denn dann kannst du es nicht! Denke immer, das kann ich, dann kannst du es!" und "Scheitern gibt es nicht, nur verzögerten Erfolg!"' (S.14)

Neben vielen peinlich-witzigen Vorfällen, die sich Rupert durch seine Schusseligkeit aussetzt, behandelt das Buch auch die Integration von neuen Schülern und den Glauben an seine Fähigkeiten, aber wie immer schafft Michael Gerard Bauer solche tiefschürfenden Dinge federleicht in eine witzige Handlung zu integrieren.

Nicht nur Michael Gerard Bauers Geschichte überzeugt, auch die visuelle Umsetzung seines Sohns Joe schafft dies: die Bilder sind schräg und nehmen den Humor seines Vaters auf. Neben den Illustrationen ist auch die Typographie verspielt und comicartig. Der Comic im Comic (Archie "Achtung" Ambers Geschichte) fügt sich nahtlos in die Haupterzählung ein und verleiht dem Comic-Roman noch eine weitere Facette.

Rupert Rau wird sicherlich auch Lesemuffel zum Lesen animieren können: der großartige Humor lässt die Seiten nur so fliegen. Auch wenn es mittlerweile einige Comic-Roman-Reihen auf dem Markt gibt, sollte man sich Michael Gerard Bauers Geschichten um Rupert nicht entgehen lassen!

Reihen-Info:
http://michaelgerardbauer.com/my-books/eric-vale-epic-fail/
1. Eric Vale Epic Fail (Rupert Rau, Super-Gau)
2. Eric Vale Super Male
3. Eric Vale Off the Rails

Bewertung vom 23.02.2015
Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek
Whitehouse, David

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek


ausgezeichnet

Das Buch beginnt mit dem Ende und erinnert ein wenig an den Kultfilm "Thelma und Louise":

Bobby, Val und Vals Tochter Rosa sind mit einem Bücherbus durch England geflüchtet - warum und vor wem, das erfährt man an dieser Stelle noch nicht - die Polizei hat sie nun an einer Klippe umstellt und versucht zumindest die beiden Kinder zu retten. Das Ende ist sehr melancholisch. Bobby, Rosa und ein Hund stellen sich der Polizei, im Hintergrund stürzt der Bus die Klippen herunter. Danach beginnt das Buch von vorne, nicht zu dem Zeitpunkt, als die Entführung oder Flucht im Bus losgeht, sondern einige Wochen oder Monate früher, in Bobbys Kindheit, wo er nur einen Freund hat und von den anderen Kindern unterdrückt und erniedrigt wird. Die Freundschaft der beiden hatte eine schockierende Wirkung auf mich, Sunny, Bobbys Freund, will sich für Bobby zum Cyborg umbauen lassen, um immer zu seinem Schutz an seiner Seite sein zu können. Wie schlecht es Bobby geht, kann der Leser zu diesem Zeitpunkt nur erahnen, dass sein einziger Freund deshalb so weit geht, sich Beine und Arme brechen zu lassen, um während der OPs Metallplatten eingesetzt zu bekommen. Die Kinder scheinen verrückt! Leider geht der Plan daneben, Sunnys Mutter zieht mit ihrem Sohn an die Südküste Englands und Bobby steht wieder einmal alleine auf sich gestellt da.

In dieser Situation macht der die Bekanntschaft zu der behinderten Rose und deren Mutter Val, die für die Reinigung des Städtischen Bücherbuses zuständig ist. Als Die Stadt die Mittel streichen und den Bus schließen wollen und zudem Gerüchte aufkommen, dass Val Bobby entführt und misshandelt, kommt es zu einer Kurzschlussreaktion: die drei hauen mit dem Bücherbus auf eine Odyssee quer durch England ab... und dem Leser wird nun erst so richtig klar, dass die Insassen des Busses vor ihren alten Leben davonlaufen.

Sie treffen auf böse Gestalten, zum Beispiel einen Baron, der ihre Mission beinahe zum Scheitern bringt, aber wie die kleine Dorothy auf ihrer Wanderung durch Oz bekommen sie auch Hilfe: durch den Roboter, der eigentlich mal ein Cyborg werden sollte. Ein Höhlenmensch, eine Königin, eine Prinzessin und ein Junge werden später eine Familie bilden, denn Familie ist nur dem Namen nach eine Blutsbande, eine wirkliche Familie besteht aus Liebe, Hilfe und Zusammengehörigkeit. Ob der Höhlenmensch und seine Familie zusammenfinden, klärt das "Ende" dieses Buches nicht völlig, aber trotzdem ist es so passend als Abschluss für dieses Buch, wie es nur sein kann, denn...

"Hat diese Geschichte ein Happy End?", fragte Bobby.
"So etwas wie ein Ende gibt es nicht", sagte sie. "Gutes ergibt sich aus Schlechtem und Schlechtes aus Gutem und so geht es immer weiter. Genau wie im Leben. Bücher sind das Leben. Es gibt nicht nur den Teil, den du liest. Sie fangen schon lange vorher an. Und sie gehen danach weiter. Alles geht ewig weiter. Du nimmst nur für ein paar Seiten daran teil, für die Dauer eines winzigen, aus der Zeit geschnittenen Fensters." (S.138)

"Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek" ist literarisch, märchenhaft, mehrdeutig und verzaubernd! Und das weitaus mehr, als es sich auf den ersten Stationen der Reise erahnen lässt. Die Fahrt mit dem Bücherbus lohnt nicht nur für Vielleser!

Bewertung vom 22.02.2015
Love Letters to the Dead, deutsche Ausgabe
Dellaira, Ava

Love Letters to the Dead, deutsche Ausgabe


sehr gut

"Love Letters to the Dead" ist ein Roman, der komplett in Briefen verfasst ist.

Durch eine Hausaufgabe im Englischunterricht fängt Laurel an, Briefe an früh verstorbene, berühmte Persönlichkeiten zu schreiben, in denen sie über ihre ebenfalls viel zu früh verstorbene Schwester May schreibt. So fällt ihre erste Wahl auf den Lieblingssänger ihrer Schwester: Kurt Cobain. Da Laurel in diesen Briefen sich Dinge von der Seele schreiben kann, über die sie mit niemandem reden kann, folgen dem Brief an Kurt Cobain weitere an Janis Joplin, Amy Winehouse oder Heath Ledger. Dabei ergibt sich diese Wahl immer aus dem Kontext der Geschichte, so wird ihr die Musik von Janis Joplin von einer Freundin empfohlen, die Filme von Heath Ledger oder dem ebenfalls früh verstorbenen River Phoenix hat sie zusammen mit ihrer Schwester May angesehen. So wird verständlich, warum Ava Dellaira teilweise Persönlichkeiten gewählt hat, mit denen Jugendliche von heute auf den ersten Blick nicht viel anfangen können.

Da man lange nicht weiß, warum Laurels Schwester May so früh verstorben ist und welche Geheimnisse Laurel sonst auf der Seele lasten, zieht sich der Mittelteil der Geschichte etwas in die Länge, da vieles über Kapitel hinweg nur angedeutet wird, ohne in irgendeiner Weise konkretisiert zu werden. Da man Laurels eigene Geschichte kurz vor dem Tod ihrer Schwester ebenfalls nicht kennt, ist es zudem schwer für ihr aktuelles Verhalten Verständnis zu zeigen. Es lohnt aber bei dieser Geschichte am Ball zu bleiben, da die Autorin mit einer besonderen Auflösung der Geschichte aufwartet, die zudem Laurels schwieriges Verhalten nach dem Tod ihrer Schwester erklärt. So gibt sich Laurel tatsächlich aus sehr schockierenden Gründen die Schuld am Tod ihrer Schwester und man versteht, warum sie die Bindungen zu Freunden und ihrer alten Schule gekappt hat, und sich nicht einmal ihren geschiedenen Eltern anvertrauen wollte.

"Angst zu haben und sich danach zu sehnen, beschützt zu werden, sind die beiden elementarsten Gefühle im Leben."
Ich musste an May denken. "Glaubst du, dass wir uns manchmal absichtlich in Gefahr bringen, weil wir uns wünschen, beschützt zu werden?" (S.188)
"Aber was ist mit meiner Schwester? Warum habe ich es nicht geschafft, sie zu beschützen?" Meine Stimme zitterte, und ich konnte richtig spüren, wie ich innerlich zusammenzuckte. Vielleicht auch äußerlich. Ich hatte das vorher noch nie so laut ausgesprochen. (S.285)

"Love Letters to the Dead" ist ein intensives Buch über Freundschaften und Familienbande, über die Zeit, die eine Familie durchmachen muss nach dem Verlust eines Familienmitglieds. Dabei wird - aber ebenfalls erst sehr spät in der Geschichte - angesprochen, wie schwer es für Elternteile ist mit dem Verlust eines Kindes umzugehen. So erklärt sich nun auch die Flucht von Laurels Mutter nach Kalifornien und das Insichgekehrtsein ihres Vaters. Worum es noch geht, will ich an dieser Stelle nicht verraten, auch wenn es einerseits die Begründung dafür wäre, warum sich das Durchhalten lohnt, falls jemand den Mittelteil ebenfalls als zäh und in die Länge gezogen empfindet, aber es würde zu viel von der Auflösung über die Umstände von Mays Tod verraten.

"Love Letters to the Dead" ist eine intensive und zu Herzen gehende Geschichte einer Jugendlichen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, die zeigt, wie wichtig ist, sich im Nacheifern an einen geliebten Menschen nicht selbst aus den Augen zu verlieren und das man Probleme nicht verarbeiten kann, in dem man sie in seinem Innersten verschließt. Laurels Briefe an die Toten sind eine Therapie in Tagebuchform, die ihr helfen ihre Probleme zu verarbeiten und mit deren Hilfe sie lernt, wieder mit den Lebenden zu kommunizieren.

Bewertung vom 18.02.2015
Kirschen im Schnee
Yeh, Kat

Kirschen im Schnee


ausgezeichnet

"Kirschen im Schnee" ist die Geschichte von GiGi und ihrer Schwester DiDi (die außergewöhnlichen Namen stehen übrigens nicht für BH-Größen, sondern sind die Abkürzungen für "Galileo Galilei" und "Delta Dawn", einem Song aus den 70ern, und ihre Wahl ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte), die nach einem Millionengewinn aus den Südstaaten weggezogen sind, um fernab ihres früheren Umfelds ein neues Leben anzufangen. GiGi und DiDi sind in einer Wohnwagensiedlung aufgewachsen, ihre Mutter haben sie sehr früh verloren durch einen Wohnungsbrand, das einzige, was den beiden als Erinnerung geblieben ist, ist die alte Rezeptkladde ihrer Mutter, aus der DiDi regelmäßig Rezepte nachkocht, ohne jegliche Abwandlung, immer genau nach den Vorgaben ihrer Mutter, obwohl die durchaus das Talent und die Raffinesse hätte, diese Rezepte weiter zu entwickeln, aber sie widersetzt sich jeden Änderungen. Darüber hinaus besitzt GiGi nur noch die Geschichte von Mas Lieblingslippenstift "Kirschen im Schnee" von Revlon, den sie immer verwendet hat, denn "mit 'Kirschen im Schnee' kann ein Mädchen alles meistern, was auch kommen mag." Der Leser wird direkt in die Geschichte der beiden Schwestern hineingeworfen, durch die Rezepte, die Einblick in das Leben ihrer Mutter geben, und die Ich-Perspektive aus der Sicht von GiGi, lernt man jedoch sehr schnell die beiden Schwestern kennen und kann sich dem Sog der Geschichte von Anfang an nicht zur Wehr setzen, obwohl sie bis zu einer überraschenden Wendung im letzten Drittel eher ruhig verläuft.

GiGi hat eine enge Beziehung zu unser Schwester, fühlt sich aber auch immer etwas bevormundet durch sie, da diese sehr viel Wert darauf legt, dass GiGi sich durch nichts von der Schule und dem Lernen dafür ablenken lässt. GiGi nimmt dies lange hin und lässt sich auch durch ihre neue Freundschaft zu den beiden Jungs Trip und Billy und den Mädchen der Astronomie-AG nicht von ihrem Fleiß abbringen, jedoch kommt es zwischen den beiden Schwestern beinahe zum Bruch, als DiDi sich mit GiGis Mitschülerin Mace anfreundet, mit der GiGi sich gar nicht versteht, da diese vor der Ankunft GiGis Trips allerbeste Freundin aus Kindergartenzeiten war und GiGi ihr diese Rolle nun mehr als streitig macht. Der Leser wird in einen wahren Strudel der Gefühle mit hineingezogen, und teilweise versteht man selbst als Außenstehender nicht, warum DiDi für die mit ihrer Schwester gleichaltrige Mace scheinbar viel mehr Verständnis zeigt als zu GiGi selbst. DiDi lässt Mace, aber auch die Freunde ihrer Schwester, viel mehr Kind sein. Bei mir hat das beim Lesen ein richtiges Gefühlschaos ausgelöst, DiDi war mir zeitweise richtiggehend unsympathisch, aber um ihr Verhalten und das anderer Figuren aus dem Buch verstehen zu können, muss man die bereits erwähnte überraschende Wendung im Buch abwarten... DANACH konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und musste es in einem Rutsch durchlesen, aber mehr verraten, als das diese Geschichte viel tiefgründiger und stellenweise leider auch trauriger ist, als man durch Titel und Cover schließen würde, kann ich leider nicht verraten. Aber sie ist auch wunder-wunderschön! Allein schon, wie GiGi durch ihre neuen Mitschüler den Wert echter Freundschaft erst richtig kennenlernt und man im Laufe der Geschichte erfährt, was DiDi alles auf sich genommen hat, um GiGi eine möglichst unbeschwerte Kindheit und die bestmöglichen Aussichten für ihre Zukunft zu bieten.

Auch wenn der Verlag dieses Buch unter Kinderbüchern mit einer Altersempfehlung ab 11 Jahren führt und die Hauptfigur GiGi ebenfalls erst in diesem Alter ist, sollten sich Jugendliche und auch Erwachsene nicht davor scheuen dieses Buch in die Hand zu nehmen: wer um diesen Titel auf Grund der Alterseinstufung einen Bogen macht, verpasst eine wunderschöne und tiefgründige Geschichte um Familienbande und wahre Freundschaft. Oder, um es mit einem abgewandelten Zitat aus dem Buch zu sagen: "Achtung, hier kommt eins eurer Lesehighlights in diesem Jahr!"

Bewertung vom 16.02.2015
Marienkäfertage
Marmon, Uticha

Marienkäfertage


sehr gut

In "Marienkäfertage" beleuchtet Uticha Marmon das Thema Adoption von einem besonderen Blickwinkel aus.

In jedem Sommer haben Elin und ihre Eltern ihre Ferien im Marienkäferhaus verbracht. Diesen Sommer machen Elins Eltern alleine Urlaub und Elin hatte eigentlich vor ihre Tage mit Unternehmungen mit ihren Freundinnen zu füllen. Doch kaum sind ihre Eltern weg, erreicht sie ein seltsamer Brief aus dem hervorgeht, dass Elin adoptiert ist und der sie dazu treibt alleine nach Dänemark aufzubrechen auf der Suche nach Antworten und vor allen Dingen auf der Suche nach sich selbst... Denn ist sie überhaupt Elin, oder waren all die vergangenen Jahre eine einzige, große Lüge? Wer ist diese Lykke, was hat dazu geführt, dass aus Lykke Elin wurde und kann ihr Kurt - der Nachbar in Dänemark - Antworten liefern? Weiß er möglicherweise mehr, hat er Elin doch die ganzen Jahre mein Lykke-Mädchen genannt...

'"Lykke. Ich heiße Lykke. Lykke Elin Michelsen."
Jetzt ist es raus. Das erste Mal hat sie es laut gesagt. Und nichts ist passiert. Kein Ruckeln, weil die Welt für eine Millisekunde aufgehört hötte, sich zu drehen, kein Moment, in dem alles still war, nichts dergleichen.' (S.58)

"Marienkäfertage" ist ein sehr atmosphärisches Buch und im Gegensatz zu Titel und Cover oftmals düsterer, als man von diesen beiden aus schließen würde. Die mysteriöse Atmosphäre rührt von den vielen Zwischenschüben, die von dem unbekannten Briefeschreiber stammen, dessen Identität sich lange vor dem Leser und vor Elin verbirgt, auch wenn man nach einer Weile Schlüsse ziehen kann, wer sich möglicherweise dahinter verbirgt. Die Einschübe des Unbekannten geben Einblicke auf eine Kindheit, die das genaue Gegenteil von Elins Kindheit ist: wo Elins Kindheit von Glück und Licht bestimmt war, umgab den Unbekannten ein problematisches familiäres Umfeld und Schatten.

Es dauert lange, bis Elin die Augen aufgehen, dass ihre Adoption kein Unglück war, sondern vielmehr ihre große Chance, die einem anderen verwehrt geblieben ist, viel mehr möchte ich zum Kontext und zum Inhalt des Buches gar nicht verraten, da die Geschichte viel durch die Überraschungsmomente und Offenbarungen gewinnt.

Kritik habe ich nur an den (fehlenden) Reaktionen einiger Nebenfiguren, so hat mir Elins Kindheitsfreundin Silje zu viel als selbstverständlich hingenommen, ohne zu hinterfragen, und von Elins während ihrer Kindheit überbesorgten Adoptiveltern, kam ebenfalls zu wenig Reaktion. Ansonsten kann ich "Marienkäfertage" sehr empfehlen, für alle, die gerne ein stilles, aber sehr tiefgründiges und intensives Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Adoption so ganz anders auseinandersetzt, als man dies erwarten würde.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.