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Frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 726 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2021
Alien Academy Bd.1
Till, Jochen

Alien Academy Bd.1


ausgezeichnet

Cody ist ein Kind wie jedes andere, aber Moment mal! Seine Eltern haben einen Rüssel, sind grün, essen Pampekugeln und haben drei (!) Pobacken…da stimmt doch was nicht?! Mmmhhh, also Cody hatte einen Unfall und danach schien alles anders zu sein. Als er dann im Schul-Shuttle viele andere andersartige Schüler:innen trifft, bemerken sie zusammen, dass sie scheinbar ALLE einen Unfall hatten und keiner erinnert sich an das was vor dem Unfall war. Cody geht es mit all seinen neuen Mitschülern auf den Grund.
Besonders ist natürlich das kreative Setting dieses Kinderbuches. Es spielt auf einem fernen Planeten und es kommen allerlei erdachte Alien vor. Allesamt eine wunderbare Ansammlung an Charakteren: da gibt es flauschig mürrisch, kalte Wasserliebende und große Leichtgewichte. Wir fanden sie allesamt herrlich, auch wenn es ein sehr üppiges Figurenpersonal ist. Ein Grund es entweder vorzulesen, verständlich schon ab 6 Jahren aus unserer Sicht oder eben als besser geübter Grundschüler selbst zu lesen. Der Schriftabstand ist groß und gut gewählt. Text pro Seite ist gut verdaulich und bereitet kein Kopfzerbrechen.
Spannend ist es allemal, da will man eh ständig weiterlesen. Es passiert viel phantasievoll Unerwartetes, aber auch witzig bis trauriges. Die emotionale Palette ist lang wodurch das Buch auch sehr kurzweilig ist. Wunderbar wie spielerisch hier mit eingefahrenen Denkmustern umgegangen wird und vor Augen geführt wird das der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind.
Jochen Till hat eine faszinierende neue Welt mit seiner Alien Academy erschaffen, die uns in den Bann gezogen hat und es ist nostalgisch cool von Raimund Frey in Szene gesetzt um die Vorstellung ein wenig zu unterstützen.
Ach, und was ich unbedingt noch loswerden wollte: Nicht nur für Jungs spannend! Meine Tochter fand es mindestens genauso spannend wie mein kleiner Weltraumjäger.
Fazit: Den ersten Band der Alien Academy Reihe empfehlen wir wärmstens allen Sterneguckern, die gerne abgefahrene Außerirdische treffen wollen würden. Aber Achtung, hier könnte der erste Grundstein für Science-Fiction Fans in jungen Jahren gelegt werden.

Bewertung vom 11.05.2021
Pubertät ist voll nice ... Nur blöd, dass wir jetzt die Eltern sind
Neumayer, Silke

Pubertät ist voll nice ... Nur blöd, dass wir jetzt die Eltern sind


sehr gut

Zeit der Metamorphose -man leidet mit Liebe zu seinen Kindern

Die ewig frisch geblieben Silke Neumayer bringt uns nach den Strapazen mit den Männern in ihren vorherigen „erzählenden Sachbüchern“ nun die grausamste Phase der eigenen Kinder näher: die Pubertät! In „Pubertät voll nice – Nur blöd, dass wir jetzt Eltern sind“ geht es vorrangig um die Tochter der Autorin, Sophie. Diese hat das kritische Alter erreicht in dem die Autorin als Muttertier komplett doof und uncool einstuft wird und wir sind als Leser:innen hautnah dabei.
Natürlich musste ich auch sofort an die Megaseller-Reihe „Das Pupertier“ von Jan Weiler denken, denn auch er hat erfolgreich aus dem heimischen Nähkästchen geplaudert. Wer das gut fand, sollte auch bei Silke Neumayer mal vorbeischauen. Silke Neumayers Buch berichtet uns Grausamstes, aber so amüsant und charmant verpackt, dass man oft lauthals lachen muss oder einfach resigniert angesichts der hormonübersprudelnden Brut.
Kurze Kapitel und knackige Sprache machen es kurzweilig und nett zu lesen. Da ist man blitzschnell durch die 224 Seiten geflogen. Dieses Buch hat nicht den Anspruch zu beraten, sondern zu unterhalten. Weder findet man wie die Zeit der Kindspubertät als Elternteil überstanden werden kann noch wie die Kommunikation verbessert werden könnte, aber es lehrt einen etwas gelassener an die Sache heranzugehen.
Sicherlich am amüsantesten für Eltern, die diese Phase mit den eigenen Kindern schon hinter sich lassen konnten. Weniger amüsant für Eltern wie mich, die es noch vor sich haben (nein, war witzig!). Selbst Menschen ohne Kinder haben sicher hier auch amüsante Momente und freuen sich was ihnen erspart bleibt.
Fazit: Was bin ich froh, dass es (hoffentlich) noch ein paar Jahre dauert bis die Metamorphose einsetzt und wir zwei Badezimmer haben! Aber ich brauch mich dann nicht mehr wundern.

Bewertung vom 11.05.2021
Wenn Wahrsagen so einfach wäre / Akademie Fortuna Bd.1
Kempen, Sarah M.

Wenn Wahrsagen so einfach wäre / Akademie Fortuna Bd.1


ausgezeichnet

Kerstin Gier mit ein wenig Harry Potter für die etwas Kleineren!

Wer Fan von Kerstin Giers Jugendbüchern ist, findet bei Sarah M. Kempen das kindliche Äquivalent! Die Akademie Fortuna öffnet mit Band 1 seine Pforten für uns und es beginnt sogleich mit einem Donnerschlag. Denn es gibt 9 verschiedene Wahrsager-Disziplinen, die alle hier an der Akademie ihre prestigeträchtige Ausbildung machen in Horror’s Cope. Wie man gleich merkt, die Autorin hat einen Hang zu witzigen und ausgefallenen Namen!
Im Mittelpunkt steht die Tochter der Schulleiterin, Sorry, also eigentlich Anniversary, aber alle nennen sie Sorry. Ihr ist es leider nicht vergönnt ohne Hilfsmittel die großen Vorhersagen zu leisten und muss daher bei ihrer Einschulung bangen. Retten tut sie ein ungebetener Gast, der als verbannte Wahrsager-Disziplin wieder in die Akademie als Schüler aufgenommen werden möchte. Das bringt nicht nur Unruhe, andere Wahrsager-Disziplinen sehen hier ihre Chance wieder die Schulleitung zu übernehmen.
Ein spannender Auftakt zu einer hoffentlich noch länger währenden Reihe. Zwar wirkt es zunächst sehr Komplex mit 9 verschiedenen Wahrsager-Disziplinen und das Buhlen um die Macht sowie die einzelnen Kinder selbst, aber das gute an der Prosa und dem Aufbau des Buches ist es, dass es leicht verständlich und sehr unterhaltsam geschrieben ist.
Sarah M. Kempen schreibt leicht und angenehm. Ein richtiger Pageturner für 10jährige. Vorlesbar schon zu Beginn der Grundschulzeit, für das Selbstlesen sollte man schon sehr geübt sein, denn es ist recht viel Text und die Schwarz-Weiß-Illustrationen sind wenige, aber dafür umso gelungener!
Fazit: Akademie Fortuna – Band 1 „Wenn Wahrsagen so einfach wäre“ ein Page-Turner mit buntem und durchdachtem Setting!

Bewertung vom 11.05.2021
Krötensex
Frei, Franka

Krötensex


ausgezeichnet

Krötensex – wenn man den Titel liest, geht gleich ein Kopfkino los und was für eines! Genau das hat wohl Franka Frei im Sinn gehabt bei dem Titel kombiniert mit dem abstrakten Bild auf dem Cover.
Wer kennt sie nicht, die Perioden-Expertin durch Zufall: Franka Frei, die nun einen Roman veröffentlicht hat. Sie bleibt ihren Themen treu und spielt eine kreative Coming-of-Age Geschichte durch die offener ist als Bekanntes und sehr im Hier und Jetzt verortet ist.
Frisch, aber unfrei. So könnte man auch die Protagonistin vorstellen: Frieda. Eine junge Frau, Single, studiert in Berlin „Business“ an einer teuren Privatuni. Sie ist im Bachelorstudium und steht kurz vor einem Auslandsstudium in Amerika. Tja, hätte sie mal das Kleingedruckte gelesen. Denn die Reise ist nicht weit, denn es geht nach Sachsen, dort gibt es ein kleines Kaff das eben auch Amerika heißt. Dumm gelaufen.
Es ist kein Satire-Roman oder ein witziges Feel-good-Buch. Dieser Roman über Frieda ist eine Reflektion der Generation Y, den sogenannten Millennials. Wir als Leser begleiten sie in ihrem Veränderungsprozess, ihrem anfänglichen Erwachsen werden.
Es geht viel um Ideale und Erwartungshaltungen an sich selbst und denen der eigenen Umwelt, sei es die Familie oder die Freunde. Frieda vergleicht sich viel und oft mit ihrer Zwillingsschwester Freia. Frieda sieht sie als die coolere, die Feministin, „grün“ und unabhängig. Frieda ist zerrissen zwischen den sich widersprechenden Idealen und Anforderungen an sie und arbeitet sich durch den Sumpf um sich selbst zu finden, sich selbst zu definieren. Dabei ist es vielleicht nicht schlecht statt in einer Metropole in den USA in einem kleingeistigen Dorf in der Provinz gelandet zu sein.
Das hört sich jetzt allerdings tiefgreifender an als es dann ist. Denn der Roman ist trotzdem oder gerade wegen dieser Auseinandersetzung gut zum Weglesen und macht viel Spaß! Aufgelockert durch einige Dialekte, die aus meiner Sicht gut getroffen sind und die mit voller Absicht sehr stereotypischen Darstellungen unterstützen.
Ein unterhaltsamer Roman mit viel Metaebene, der an Fahrt aufnimmt und zum Schluss ein wenig ins Rasen kommt, aber es sind ja schon knapp 450 Seiten, mehr hätte es auch nicht werden dürfen, daher auch ok, dass im letzten Drittel das Tempo anzieht.
Und warum heißt dieses Buch jetzt Krötensex? Eine Kindererinnerung der Protagonistin spielt hier eine Rolle. Lese, dann findest du es heraus!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.05.2021
Freitag ist Sonntag in Katar
Benedikt, Frida

Freitag ist Sonntag in Katar


ausgezeichnet

Ihr wollt mal aus eurem doch sehr eintönigem Alltag entkommen? Kein Problem! Dann macht es euch gemütlich und lest ‚Freitag ist Sonntag in Katar‘ von Frida Benedikt! Am besten in der prallen Sonne! ;0)
Frida Benedikt, übrigens ein Pseudonym um ihre Familie zu schützen (was sehr löblich ist). Sie lebte von 2014 bis 2017 mit ihrem Mann und ihren Kindern in Katar und hat aus ihren Erfahrungen und Erlebnissen, die zum Teil uns aberwitzig vorkommen, zum Glück ein Buch gemacht.
Sie führt uns anhand von kurzen Kapiteln durch die knappen 3 Jahre ihres „Abenteuers“ und beschreibt Erlebtes, wie beispielsweise die Suche nach einer Wohnung verlief oder Arztbesuche als Frau. Man denkt, alltäglicher könnte es nicht werden, wenn vom Autofahren die Rede ist oder von Haustieren ….aber Achtung, es ist einfach Vieles, wenn nicht ALLES anders. Haustiere in Katar, da denken die locals an Kamele nicht an Hunde und Katzen!
Klar, natürlich taucht sie auch kulturell mit uns ab in die arabische Sprache, in den alltäglichen Klang des Muezzin und was an Ramadan passiert und natürlich die Reflektion der Frauen in dieser traditionellen Gesellschaft. Aber alles aus einer Beobachtenden, absorbierenden Haltung heraus, nie überheblich, nie ablehnend, nur ab und an überfordert mit der Andersartigkeit, aber sie schafft es auch einzutauchen oder versucht es zumindest so weit es geht, denn es ist eine Klassengesellschaft, was auch erörtert wird.
Ich war noch nie in Katar und hatte bisher nur ein vages Bild, dass nun viel bunter und vielfältiger ist. Ich habe viel gelernt über die Katari und ihr Land, wurde trotz viel Input auch sehr gut von Frida Benedikt unterhalten dabei.
Lesenswert! Vor allem momentan, wo man doch eher im Kopf reisen sollte als in echt.

Bewertung vom 05.05.2021
Die Wahrheit der Dinge
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge


ausgezeichnet

„Gerechtigkeit ist Wunschdenken.“ (Seite 31)
Mich überzeugt immer, wenn jemand weiß wovon er schreibt und bei Markus Thiele liest man diesen Kenner deutlich durch die Zeilen! Er ist von Hause aus Anwalt. Der neuste Coup von ihm: „Die Wahrheit der Dinge“ ist ein gelungener spannungsgeladener Politkrimi.
Wenn nun ein Könner auch noch real existierend Begebenheiten als Grundlage für die Fiktion heranziehen, wird es umso spannender. Die „Vorbild-Fälle“ die hier eingeflossen, sind Marianne Bachmeier und Amadeu Antonio Kiowa. Aber keine Sorge, die muss man vorab nicht kenne.
Geschickt tauchen wir Leser:innen in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen parallel in das Geschehen ein, manches mal verwundert es einen und die Frage steht im Raum wie das alles zusammen kommt, aber keine Sorge: es passt!
Vor allem begleitet man den Richter Frank Petersen und taucht mit ihm in seinen letzten Fall ab und auch in seine persönliche Selbstfindung. Im Vordergrund dieses Buches steht das komplexe Zusammenspiel von moralischer Beurteilung im Bezug zu einer gerechten Verurteilung durch die Klärung der Schuldfrage.
Wir als Leser werden direkt mit der Justiz konfrontiert und wie versucht wird Gerechtigkeit herzustellen. Viel Futter für den Kopf um mal das System zu überdenken. Mich erinnerte es entfernt an Ferdinand von Schirach, der auch ähnliche Fragestellungen aufwarf.

Bewertung vom 26.04.2021
Die Rebellion der Alfonsina Strada
Baldelli, Simona

Die Rebellion der Alfonsina Strada


sehr gut

Die vergessene Vorreiterin: Die Königin der Tretkurbel

Alfonsina Strada war ihrer Zeit weit voraus, heute bezeichnet man sie bewundernd als willensstarke Frau, die sich ihren Platz in der Männerdomäne des Radrennsports erobert hat! Sie war die einzige Frau die je am Giro D’Italia teilnahm! Ach, sie haben diesen Namen noch nie gehört? Was eine Schande, aber so ging es mir vor dem Lesen dieses guten Romanes auch. In „Die Rebellion der Alfonsina Strada“ wird die Lebensgeschichte dieser Dame erzählt. Es beginnt mit ihrem Todestag, den 13 September 1959 und der Text springt munter vor und zurück zu bestimmten Ereignissen und wichtigen Lebenspunkten. In der Summe ist alles wichtige enthalten was ihre Biographie ausmacht und natürlich auch die feinen Nuancen die dazwischen liegen – was wird die gedacht und gespürt haben? Wie erging es ihr?

Simona Baldelli hat sich feinfühlig in die starke Frau mit dem Fahrtwind im Haar hinein gedacht und Fakten in Fiktion verwandelt und uns somit eine wunderbare Frau näher gebracht. Das Einzige was mich störte, waren die zeitlichen Sprünge innerhalb einiger Kapitel. Mag das Kapitel mit 1959 betitelt sein und dann springt sie wiederum in Gedanken in das Jahr 1924 muss der Leser sich manchmal noch mal bewusst machen wo man in ihrem Lebenszeitstrahl gerade steckt. Sonst haben mich die Sprünge nicht gestört, im Gegenteil lockert es die Geschichte doch auf und wird sie nicht stupide vom Anfang bis zum Ende erzählt, hat die Strada doch einige Höhen und Tiefen erlebt.

Ein interessanter literarischer Kniff ist die Art wie sich Alfonsina im Roman mit ihren Toten verständigt. Sie erscheinen ihr ab und an und Alfonsina erzählt ihnen was sie selbst nicht mehr erleben können. Hier handelt es sich hauptsächlich um die toten Geschwister, die durch Krankheiten und Hunger früh verstorben sind.

Was den Schreibstil anbelangt, muss man Simona Baldelli ein großes Lob aussprechen sowie ihrer Übersetzerin Karin Diemerling. Der Roman ist wie eine Daunendecke in die man sich einhüllen mag. Die Gegenwart wird ausgesperrt und man ist mit Alfonsina gedanklich auf dem Rad und saust durch die Zeit. Die Prosa ist fließend und was dem Italienischen scheinbar sehr liegt auch streckenweise poetisch.

Fazit: Sehr gelungen – erfahren sie mehr über eine vergessene Ikone des Radrennsports!

Bewertung vom 22.04.2021
Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei
Schmidt, Susanne

Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei


ausgezeichnet

Bitte einsteigen und bereichern lassen!

Ein essentielles Transportmittel sind die Busse des ÖPNV weltweit. Sehr unterschiedlich ausgestaltet und getaktet bereichern sie das öffentliche Leben oder machen es teilweise erst möglich. In Deutschland sticht das äußerst gut ausgebaute Busnetz der BVG in Berlin ins Auge mit seinen leuchtend gelben Bussen.
Susanne Schmidt hat ihre Erfahrungen als Busfahrerin in einem Buch nun literarisch ausgefeilt zusammengefasst in „Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei“, erschienen bei hanserblau.
„Die ganze Stimmung unserer Stadt sitzt im Bus. Großzügig wird hier Frust mit Lust vermischt, Frechheit mit großer Schnauze zu klugen Sätzen verquirlt, zu viel Egoismus fällt schon mal vom Sitz, Dummheit wird in Berliner Manier auf den Arm genommen.“ (S.200)
Kein Buch für einen schnellen Gag und auch nicht ein Schenkelklopfer nach dem andere, erwarten Sie bitte keine Anekdotensammlung, dies ist ein ernstzunehmendes literarisches Buch. Wer Marzahner Fußpflegerinnen mag, wird diese Busfahrerin lieben! (Anspielung auf ‚Fußpflege in Marzahn‘).
Susanne Schmidt, eine selbstironisch reflektierte Frau, hat um die letzte Jahrtausendwende die Chance genutzt und ist als erfahrene gestandene Frau Busfahrerin der BVG geworden. Dieses Buch ist eine Reflektion des Erlebten von der Bewerbung bis zur Kündigung.
Ich habe sehr viel über den Beruf selbst gelernt, was alles zu wissen, wieviel Verantwortung zu tragen ist und wie einsam es sein kann und vieles mehr! Hier werden nicht platt Fakten abgespult, sondern auch die Zwischentöne gehört und das auch noch literarisch angenehm verpackt! Pro Kapitel wird ein Thema beleuchtet, nie einseitig und facettenreich gut geschrieben! Auf jeden Fall wird man für den Beruf sensibilisiert mit all seinen Belastungen und zum Schmunzeln kommt man auch. Nur Vorsicht, wenn man dieses Buch gelesen hat, kann man zur Nervensäge für alle anderen werden, sichtet man einen ÖPNV-Bus, denn man hat plötzlich viel zu teilen und zu sinnieren.
„Sinnvolle Veränderungen warten lange draußen vor der Tür.“ (S 174) Susanne Schmidt setzt sich auch kritisch mit dem System auseinander, aber respektvoll und als Leser merkt man wie sehr ihr die BVG am Herzen liegt.

Fazit: Unbedingt im Bus lesen, bereichern lassen und den/die Busfahrer:innen freundlich grüßen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.04.2021
Mission Hollercamp Band 1 - Der unheimliche Fremde
Hach, Lena

Mission Hollercamp Band 1 - Der unheimliche Fremde


ausgezeichnet

Über sich hinauswachsen in den Ferien

Wie? Alleine ohne Eltern oder Großeltern in die Ferien fahren? Das hat meine Kinder sehr beeindruckt. Hatten sie doch noch nie dieses Vergnügen und konnten sich hier via Buch in eine ungekannte Situation hineindenken. Denn im Auftakt Band der neuen Reihe „Mission Hollercamp“ mit dem Titel „Der unheimliche Fremde“ ist das die Ausgangsbasis. Leon, Emily und Jakub verbringen ihre Ferien gemeinsam im Hollercamp auf einem Campingplatz und das ohne Verwandte! Schon mal aufregend.
Die Geschichte wird aus Leons Sicht erzählt und wird von Emilys Kommentaren begleitet. Die Freude ist bei allen groß, nur ist dieses Jahr etwas anders. Denn Cousine Charlotte kommt auch mit und stört die Gruppendynamik. Gelungen ist dabei, dass hier aus meiner Sicht eine sehr ehrliche und unterschiedliche Reaktion auf die veränderte Situation aufgezeigt wird und dies sich mit weiteren Erfahrungen und gemeinsamen Erlebnissen überdenkend verändert. Aber nicht nur Cousine Charlotte ist anders dieses Jahr und das ergründen die Kinder.
Lena Hach hat mit großem Bedacht die kindliche Interaktion dargestellt, was uns gut gefallen hat. Großartig finde ich, wie selbstverständlich Jakub sein Hörgerät braucht und endlich mal auch nicht nur perfekte, blitzschlaue und nette Kinder dabei sind. Alle Menschen haben ihre Ecken und Kanten, mache äußerlich, manche innerlich und natürlich variiert auch der Grad der Ausprägung. Bisher wurde dies selten bis wenig in Kinderbüchern berücksichtig, aber so langsam beginnt ein Umdenken was ich SEHR begrüße. An der Stelle muss ich den Mixtvision Verlag auch lobend erwähnen, denn sie trauen sich oft Dinge, die im Mainstream noch nicht selbstverständlich sind!
Die Altersangabe mit 10 Jahren finde ich schwierig. Zum einen, weil es sich hervorragend für die Grundschule eignet thematisch und inhaltlich und eben auch vorgelesen werden kann. Ab der 2. Klasse, so ab 8 Jahren definitiv ein lesenswertes Buch zum gemeinsamen entdecken und vorlesen. Da die Textmenge und Fülle natürlich nicht einem Erstleser entspricht, kann man dieses Buch zum Selbstlesen für gute Leser empfehlen ab der 3.Klasse, ca 9 Jahre. Natürlich ist 9-11 Jahren die perfekte Spanne, die ich aber als zu kurz erachte für so ein klasse Buch. Daher vorlesen ab 8 Jahren und Selbstleser für gut geübte ab 9 Jahren.
Band 2 „Das verlassene Boot“ ist auch schon erhältlich und steht auf unserer Lese-Liste!

Bewertung vom 17.04.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

Zartbitter oder bittersüß?

Nimmt man dieses Buch zum ersten Mal in die Hand oder liest den Klappentext kann schnell der Eindruck entstehen, es ist die hundertste Nachkriegsgeschichte die publiziert wird. Dieser Teil der deutschen Geschichte wird seit ein paar Jahren ausdauernd und wiederkehrend beleuchtet. Aber dieses Buch hat Qualitäten, die andere nicht haben. Daher nicht gleich aus dem Rennen kegeln, wenn gerade nach neuer Lektüre gesucht wird!
In diesem Roman stehen aus meiner Sicht zwei Themen zentral im Fokus: Zum einen Eltern, die älter werden und für den rasanten Alltag eine Belastung bedeuten, da sie bedürftiger sind. Zum anderen die Lebensgeschichte der Mutter im Nachkriegsdeutschland, die ihren Platz finden musste mit einer belastenden Vergangenheit. Diese beiden Ebenen werden von der Autorin Susanne Abel wunderbar verwoben.

Der Sohn, Tom, ein erfolgreicher Nachrichtensprecher, erfährt, dass seine Mutter, Greta, im Krankenhaus ist, nicht wie erwartet in Bonn, sondern 400 km weit weg in Aschaffenburg. Nun kommt zu Tage was die Mutter geschickt verbergen konnte: Sie ist dement und braucht Hilfe. Ihm passt das wenig, ein Unsympath, aber realistisch gezeichnet.
Im Zuge dieser neuen Annäherung von Sohn und Mutter, erzählt sie ihm zum ersten Mal ihre Geschichte, ihren Lebensweg mit den vielen Tiefen, die sie erlebt hat. Bittersüße Erinnerungen. Es wird Vieles ausgesprochen was die Mutter zeitlebens belastet hat, aber keine Worte dafür fand, nun im hohen Alter mit der Demenz muss es raus.
Und dabei steht besonder eine Geschichte im Fokus: Ihre Liebe zu einem Alliierten GI. Etwas was damals verteufelt wurde von beiden Seiten. Hier im Roman wird dieses Thema eingehend beleuchtet, denn der GI ist Afroamerikaner. Mir war der Themenkomplex im Ansatz bekannt um die damals sogenannten „brown babies“, aber es in einer fiktiv persönlichen Geschichte gebetet zu lesen ergreift mehr und macht sprachlos.
Sprachgewand schreibt Susanne Abel und seitenfliegend habe ich das Buch gelesen. Macht es doch einerseits Spaß zu lesen und andererseits ist man erschüttert wie Menschen miteinander umgehen.
Nicht nur hat sie die Nachkriegsgeschichte plastisch und ergreifend beschriebene, auch die Demenz der Mutter ist gut gezeichnet und man hat den Eindruck, dass die Autorin weiß wovon sie schreibt.

Fazit: Eine klare Leseempfehlung! Wer als Erwachsener seine Eltern noch hatte, sollte sich denen auf Augenhöhe widmen und echtes Interesse an dem zeigen was die ureigene Geschichte der eigenen Eltern ist bevor es zu spät ist!