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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 584 Bewertungen
Bewertung vom 25.01.2018
Adele Spitzeder
Spitzeder, Adele;Nebel, Julian

Adele Spitzeder


gut

Julian Nebel legt mit seinem Debüt ein gleichermaßen kurzes wie interessantes Sachbuch über Adele Spitzeder vor.
Die erfolglose und verschuldete Schauspielerin gründete 1869 eine Privatbank, mit der sie sich selbst aus ihren finanziellen Nöten retten möchte. Anfangs sieht alles danach aus, als ob der Plan aufgehen würde: Indem sie zehn Prozent Zinsen sowie die jederzeitige Auflösung der Einlage verspricht, laufen ihr die Leute bald die Tür ein. Ihr geschicktes Schneeballsystem - wer neue Kunden bringt, erhält eine Provision - sowie die Tatsache, dass die Anleger aus den unteren Gesellschaftsschichten als eine der ihren ansehen, lässt Spitzeder ihren Betrug drei Jahre lang aufrechterhalten.
Doch der Zusammenbruch lässt sich nicht beliebig verzögern, 1872 fliegt der Schwindel auf und mehr als 30.000 Opfer in und um München verlieren ihre - meist hart verdienten - Ersparnisse. Es kommt zu zahlreichen Selbstmorden, Spitzeder wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Nebel versteht es, Idee und Umsetzung des Spitzederschen Kreditsystems gut verständlich zu vermitteln. Fotos, Originalzitate aus Zeitungen und Spitzeders eigenen Memoiren lockern den Text auf. Gegen Ende gibt es einige Längen und Wiederholungen, außerdem vermisse ich Anmerkungen, welche gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Skandal nach sich zog. Gab es so etwas wie Verbraucherschutz, wurden Gesetze verschärft, fanden sich Trittbrettfahrer, die die Idee von Adele Spitzeder nachzuahmen versuchten?
In jedem Fall macht das Buch neugierig, Spitzeders eigene Aufzeichnungen zu studieren.

Bewertung vom 25.01.2018
Wo noch Licht brennt
Özdogan, Selim

Wo noch Licht brennt


sehr gut

Özdogans letzter Teil der Trilogie rund um die Deutschtürkin Gül ist auch ohne Kenntnis der ersten beiden Bände gut zu lesen.
Gül kehrt nach einigen Jahren in der Türkei erneut nach Deutschland zurück, um wieder bei ihrem Mann Fuat zu leben. Die Familie ist verstreut, ihre bereits erwachsenen Kinder leben teils in Deutschland, teils in der Türkei. Wo sich Gül zu Hause fühlt ist lange unklar, sie scheint irgendwo zwischen der türkischen und der deutschen Gesellschaft zu hängen.
Özdogan schildert die Gefühlswelt seiner Protagonistin sehr einfühlsam und mit ungewöhnlichen Bildern. Seine Sprache ist blumig, geradezu poetisch. So werden etwa Gefühle mit Farben assoziiert, und man findet noch weitere Synästhesien, die jedoch nie ins Kitschige abdriften.
Gül wird von mehreren Schicksalsschlägen getroffen, ihr so sehr geliebter Vater stirbt in der Türkei, ohne dass sie ihn noch einmal sprechen kann, Güls Tochter wird jung Witwe. Gül muss nicht nur mit der Untreue ihres Ehemannes fertig werden, nein, er verspielt auch noch das gemeinsame Ersparte. Gül reagiert wenig, meist erträgt sie ihr Schicksal, sie ist gottergeben, bescheiden und doch sehr stark. Diese Stärke ist ihr selbst wohl kaum bewusst, sie ist zugleich in vielen Ängsten gefangen und begehrt nur selten auf.
Als Rentnerin geht sie wieder zurück in die Türkei, doch auch dort ist es nicht wirklich ein "nach Hause kommen".
Der Roman ist weniger eine Geschichte über kulturelle denn über individuelle Unterschiede. Ich habe sehr mit Gül gelitten, ihre Melancholie zieht sich fast wie ein roter Faden durch die Geschichte. Beeindruckt hat mich, wie sie ihr Schicksal anzunehmen vermag.
Ein großer Roman über eine leise Frau.

Bewertung vom 22.01.2018
Der Tag an dem David Bowie starb (eBook, ePUB)
Steigerwald, Christopher

Der Tag an dem David Bowie starb (eBook, ePUB)


sehr gut

Eigentlich waren seine Rahmenbedingungen für einen guten Start ins Leben ganz o.k., das stellt der Protagonist selbst fest.
Dennoch studiert er eher, weil es von ihm erwartet wird, als aus eigenem Antrieb. Was zunächst noch wie ein typisches Studentenleben mit Parties und wechselnden Beziehungen wirkt, driftet schließlich ab. Ohne genau zu wissen wieso, zieht sich der Erzähler immer mehr zurück.
Es ist eine Geschichte, die manches nur andeutet und doch vieles sagt. Es ist keine farbenfrohe Geschichte, sie ist zunehmend grau. Vielleicht sind aber auch nur mir beim Lesen die Farben abhanden gekommen. Möge sich jeder Leser selbst einen Eindruck verschaffen, es lohnt sich.
Steigerwalds Sprache ist eigen, manchmal spricht der Protagonist den Leser unvermittelt direkt an. Das ist ungewohnt, aber gut. Ich habe dadurch mehr nachgedacht, nicht so leicht über Dinge hinweg gelesen. Leider nicht hinweg lesen konnte ich auch über einige Rechtschreibfehler, daher ziehe ich einen Stern ab. Dennoch empfehlenswert, nicht zuletzt für alle, die ihren Weg noch suchen, die jemanden kennen, der immer mehr an sich zweifelt.

Bewertung vom 18.01.2018
Immer wieder Licht ein Fenster
Treber, Friedrich

Immer wieder Licht ein Fenster


ausgezeichnet

Eins vorneweg: Ich bin kein großer Lyrik-Kenner, seit der Schulzeit habe ich zwar sehr viel gelesen, aber darunter waren nur wenige Gedichtbände.
Aber dieses kleine Büchlein habe ich in den letzten Wochen sehr oft und zunehmend freudiger zur Hand genommen. Friedrich Trebers Gedichte sprechen mich an, sie berühren meine Seele. Die Verse handeln von Hoffnung, Sehnsucht, Glauben und Politik. Von Menschlichkeit, davon wie wir einander begegnen (könnten), im Kleinen wie im Großen. Treber skizziert Bilder aus der Natur, die für sich stehen, aber auch als Gleichnis interpretiert werden können. Die Gedichte, die über mehrere Jahre hinweg entstanden sind, wurden im vorliegenden Band als Jahrkreis angeordnet.
Ein immer wiederkehrendes Motiv ist die Verletzlichkeit von Kindern, ein Thema das dem pensionierten Lehrer sichtlich sehr am Herzen liegt. Dabei klagt er auch an, weist auf Missstände hin, aber ohne zu moralisieren.
Und dann gibt es wieder Worte, die zu ganz zarten Zeilen gesponnen sind, Zeilen, die ineinander verwoben ein luftiges, leichtes Lyriktuch ergeben, in das sich der Leser weich einschmiegen darf.
Das Buch hat nicht nur einen Platz in meinem Regal, sondern auch in meinem Herzen gefunden.

Bewertung vom 15.01.2018
Geboren, um zu töten / The Fourth Monkey Bd.1
Barker, J. D.

Geboren, um zu töten / The Fourth Monkey Bd.1


ausgezeichnet

Ein Psychothriller allererster Klasse: der psychopathische Serienkiller mit seinem außerordentliche Schrecken verbreiteten Folter- und Tötungsmuster, der bei der Auswahl seiner Opfer indirekte Selbstjustiz verübt, das schräge Ermittlerteam, hervorragend charakterisiert, das geheimnisvolle Tagebuch des Täters, das die memschlichen Abgründe, in denen er aufwachsen musste, nach und nach Preis gibt - ja, Barker ist ein Meister seines Faches.
Ein hervorragendes Lektorat und die gelungene Übersetzung runden den Lesegenuss für jeden deutschsprachigen Thrillers ab. Ich kann die Fortsetzung kaum erwarten!

Bewertung vom 07.01.2018
Grenzenlos
Kruse, Peter

Grenzenlos


sehr gut

Max, Alter Ego des Autors Peter Kruse, nimmt den Leser mit auf seinen Lebensweg. Nach einem lustlosen, aber dennoch erfolgreich abgeschlossenen BWL-Studium zieht es ihn zunächst nach Costa Rica, um dort fließend Spanisch zu lernen.
Es folgt ein ungewöhnlicher Berufsstart voller Abenteuer. Sein Mut, sich auf Neues, Unkonventionelles einzulassen, führt Max nach Guatemala, Kuba, wieder zurück nach Deutschland, um letztlich in seinem Traumhaus (und mit seiner Traumfrau) in San Diego sein Glück zu finden.
Erwartet hatte ich von "Grenzenlos" eine amüsante Reisereportage eines Globetrotters, bekommen habe ich darüber hinaus einen Lebensratgeber. Eigentlich nicht so mein Ding, aber dieses Buch kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger daher. Kruses Tipps zur Lebensplanung wirken auf mich vielmehr als Anregung, als gut gemeinte Hilfestellung, sehr sympathisch.
Peter Kruse schreibt gefällig und sehr unterhaltsam. Besonders gut gefallen haben mir die thematisch passenden Zitate und Aphorismen am Ende jedes Kapitels.
Einen Punkt Abzug gibt es leider für etliche Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler; ein gutes Lektorat wäre für eine Neuauflage empfehlenswert.

Bewertung vom 03.01.2018
Kunduztochter
Schnehage, Sybille

Kunduztochter


weniger gut

Der Klappentext versprach eine interessante Geschichte im Spannungsfeld zwischen lockerer westlicher Gesellschaft in Deutschland und traditioneller muslimisch geprägter Kultur in Afghanistan.
Da die Autorin selbst Afghanistan seit über 25 Jahren kennt und dort eine Hilfsorganisation leitet, hatte ich mich auf tiefe Einblicke in die Lebensart der Paschtunen und Tadschiken gefreut und auf Erklärungen so mancher für uns ungewohnten Verhaltensmuster gehofft.
Stattdessen findet sich zwischen den Buchdeckeln: Platte Schwarz-weiß-Malerei, das durch den Ehrenmord an seinen Eltern schwerst traumatisierte und behinderte Mädchen Masumah fügt sich fast nahtlos in seine deutsche Adoptivfamilie ein, erst mit dem Tod des Adoptivvaters wächst der Wunsch wieder, die eigenen Wurzeln kennenzulernen. In Afghanistan wird Masumah durch ihren eigenen Bruder entführt, es droht die Zwangsheirat an einen reichen Alten. Die Darstellung schürt eher Vorurteile als sie abzubauen, die afghanischen Traditionen werden ohne groß zu hinterfragen als böse und menschenverachtend dargestellt. Nicht falsch verstehen, ich will hier keineswegs Zwangsheirat und ähnliche Menschenrechtsverletzungen beschönigen, aber ich hatte mir von dem Buch etwas mehr Tiefgang erhofft. So aber bleibt die Geschichte oberflächlich wie ein Groschenroman. Alles ist aus westlicher Sicht geschildert, die Protagonistin lehnt ihre afghanische Herkunft selbst ab und verleugnet sie etwa beim Besuch eines afghanischen Restaurants in Deutschland.
Auch die sehr einfache Sprache steht dem Lesegenuss etwas entgegen. Die Dialoge wirken oft gekünstelt, die Gedanken der Protagonistin wirken auch dann noch wie die eines Kindes, als sie längst eine junge Frau ist.
Man merkt an den Landschaftsbeschreibungen, dass Sybille Schnehage sich mit der Geografie am Hindukusch auskennt - mit der Kultur hat sich sich offenbar nie wirklich vertraut gemacht. Schade.

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