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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 721 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


ausgezeichnet

Elle verbringt den Sommer mit ihrer Familie, bestehend aus ihrer Mutter Wallace, ihrem Mann Peter sowie den drei gemeinsamen Kindern, wie jedes Jahr im Sommerhaus am See, das Papierpalast genannt wird, aus Gründen, die viele Jahrzehnte zurückliegen. Elle ist glücklich, aber da gibt es auch Jonas, ihren besten Freund seit Kindertagen, mit dem sie so viel verbindet. Als Elle zufällig etwas erfährt, das ein Ereignis in ihrem Leben in einem anderen Licht erscheinen lässt, steht sie vor der wichtigsten Entscheidung ihres Lebens. Soll sie so weitermachen wie bisher, oder ihrem Herzen folgen?

Das Buch ist in fünf Teile aufgeteilt, die ersten drei sind benannt nach den drei wichtigsten Personen dieses Romans. In dem ersten Teil wechseln sich Gegenwart und Vergangenheit ab, Elle wird vor die Wahl gestellt und erinnert sich dazwischen an ihre früheste Kindheit als Baby und Kleinkind. Auch über ihre Familie erfahre ich viel, sodass ich mir ein gutes Bild machen kann. Die Rückblicke sind interessant und faszinieren mich stellenweise mehr, als die Gegenwart es vermag. Der zweite Teil behandelt gänzlich die Vergangenheit und beleuchtet Elles Jugend. Diesen Teil fand ich emotional aufwühlend, viele Stellen waren für mich sehr schwer auszuhalten. Die Andeutungen und Vermutungen aus dem ersten Teil werden hier erklärt und bestätigt, dennoch hätte ich diese Auflösung nicht erwartet. Brutal und katastrophal endet der Mittelteil und mündet in einer Tragödie.

Der dritte Teil springt wie gewohnt hin und her, behandelt aber überwiegend die Vergangenheit, wobei dies nicht immer chronologisch erfolgt. Zu keinem Zeitpunkt habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen oder nicht zu verstehen, im Gegenteil ergibt vieles endlich einen Sinn. Was ich im vierten Teil erfahre, vervollständigt die Geschichte und rundet sie ab. Es gibt viele lustige, aber auch einige traurige Stellen, die mich zum weinen bringen. All die Träume, Hoffnungen und Wünsche, erfüllte und unerreichte, Lügen und Wahrheiten, Geschichten und Geheimnisse finden ihren Platz. Der fünfte Teil führt mich wieder an den Anfang, in die Gegenwart, ins Heute. Es ist Anfang August an einem heissen Sommertag am See, der Tag der Entscheidung. Es ist, als wäre ich dort, in Back Woods, im Papierpalast.

Ich war so gespannt darauf, wie das Buch endet, von dem ich mir wünschte, es wäre nie vorbei. Ein literarischer Schatz, eine Geschichte wie ein schöner Sommertag, bei dem man möchte, dass er nie zu Ende geht. Ein weiteres Highlight für mich, das fünf Sterne verdient und eine Leseempfehlung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.04.2022
Der Garten ist mein Paradies
Busch, Wilhelm; Heine, Heinrich; Morgenstern, Christian; Fontane, Theodor; Rilke, Rainer Maria

Der Garten ist mein Paradies


ausgezeichnet

Ich bin ein großer Fan dieser kleinen Bändchen, die der Kampenwand Verlag herausbringt. Diese sind klein genug, um in die Tasche gesteckt zu werden, aber dennoch prall gefüllt mit schönen Gedichten und Sprüchen. Versehen mit zauberhaften Illustrationen ergibt sich so ein schönes Werk, das man selbst behalten, aber wunderbar auch verschenken kann.

Aufgeteilt in Frühling, Sommer, Herbst und Winter hat Frank Suchland hier eine tolle Sammlung zusammengestellt, die mir beim lesen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Ob Joachim Ringelnatz, Wilhelm Busch, Heinrich Heine oder viele mir bislang unbekannte Schriftsteller, die kurzen Werke haben mir viel Freude gebracht. Volle Punktzahl für dieses zauberhafte Buch.

Bewertung vom 04.04.2022
Eine perfekte Familie
Moriarty, Liane

Eine perfekte Familie


ausgezeichnet

Joy und Stan Delaney sind seit kurzem Rentner, nachdem sie ihre Tennisschule verkauft haben. Mit dem Rentnerdasein hadern sie ein wenig, da ihr Beruf die größte Leidenschaft in ihrem Leben war. Ihre vier erwachsenen Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne, haben seit über einer Woche nichts mehr von ihrer Mutter Joy gehört und fangen an, sich Sorgen zu machen. Joys letztes Lebenszeichen war eine kryptische Nachricht an die Handys ihrer Kinder und auch ihr Vater benimmt sich irgendwie sehr seltsam. Ob das mit der fremden jungen Frau zusammenhängt, die ihre Eltern bei sich aufgenommen haben und die den Geschwistern nicht geheuer ist? Kurze Zeit später melden die vier ihre Mutter als vermisst und plötzlich gilt ihr Vater als Verdächtiger in einer laufenden Ermittlung.

Es war eine Freude, dieses Buch zu lesen. Aus verschiedenen Perspektiven, sei es die Familie, die im Mittelpunkt steht, seien es Nachbarn, Ermittler oder die Friseurin von Joy, setzt sich die Geschichte der Familie zusammen und nach und nach wird klar, was passiert ist. Die Auflösung lässt sehr lange auf sich warten, aber das macht nichts, denn die Lebensläufe der Eltern und der Geschwister sind so interessant, dass keine Langeweile aufkommt. Gegenwart und Vergangenheit wechseln sich ab und es ist wirklich erstaunlich, wie unterschiedlich sich die Personen an vergangene Episoden erinnern. Das Gedächtnis spielt so manchem einen Streich, was mir beim lesen unglaublichen Spaß gemacht hat. Dazwischen gibt es zwar einige Längen, nicht jeder wird das Leben der Familie so spannend finden wie ich es tat, mir aber haben die Feinheiten und Kleinigkeiten sehr gefallen und unterhaltend war es sowieso.

Der feine Humor, der mir bereits in anderen Büchern der Autorin aufgefallen ist, fehlt auch hier nicht, oft habe ich geschmunzelt, manchmal sogar laut aufgelacht. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, ich lese einen Krimi, so aufregend und spannend wurde es. Die Auflösung war stimmig, alle Fragen wurden beantwortet und nun fehlt mir lediglich eine Verfilmung zum Glück. Ein tolles, wendungsreiches und lesenswertes Buch, das volle Punktzahl verdient.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.04.2022
Am roten Strand / Ben-Neven-Krimis Bd.2
Wagner, Jan Costin

Am roten Strand / Ben-Neven-Krimis Bd.2


ausgezeichnet

Dies ist der zweite Teil der Reihe mit dem Ermittlerteam Ben Neven und seinem Kollegen Christian Sandner. Man kann dieses Buch lesen, ohne den ersten Teil gelesen zu haben, ich würde aber davon abraten, denn das Buch baut auf dem Vorgänger auf und die Erzählung geht nahtlos weiter. Auch dieses Buch handelt von Missbrauch, genauer gesagt von Kindesmissbrauch der schlimmsten Sorte. Wobei das eine falsche Formulierung ist in diesem Zusammenhang, da es eine andere Kategorie als die schlimmste bei Missbrauch, egal welcher Art, nicht geben kann. Natürlich werden keine Einzelheiten genannt, aber das, was hier klar kommuniziert wird, reicht bereits, um Entsetzen, Wut und viele andere Gefühle in mir auszulösen. Wer damit nicht umgehen kann, greift besser nicht zum Buch.

Eine der zentralen Fragen in diesem Buch ist, was passiert, wenn ein Täter zum Opfer wird. Wie geht man damit um, wie verarbeitet man das? Wäre die Suche nach dem oder den Tätern weniger intensiv, wenn es so wäre? Darf sie das sein und falls nicht, wie bewerkstelligt man dies? Auch Ermittler sind Menschen, die das nicht ohne gemischte Gefühle hinbekommen. Ich als Leser habe da eine klare Meinung, aber das darf ich auch, denn es ist meine Phantasie und bleibt in meinem Kopf. Dazu kommt, dass einer der Ermittler einiges mit den Tätern gemein hat, etwas das verboten, abscheulich und abartig ist, etwas, das unbedingt geheim bleiben muss. Diesen Zwiespalt, diesen Kampf, den dieser Ermittler mit sich selbst ausfechtet, täglich, stündlich, minütlich ausfechten muss, den hat der Autor gut dargestellt. Ich schwanke zwischen Mitleid und Abscheu, weiß manchmal gar nicht richtig, wohin mit meinen Gefühlen.

Wieder einmal bin ich vom Schreibstil begeistert, von den Kapiteln, die namentlich überschrieben aus verschiedenen Perspektiven geschrieben sind, sei es Täter, Opfer oder einer der Ermittler, fasziniert. Ein schweres, wichtiges und leider auch immer noch brandaktuelles Thema hat der Autor hier gewählt. Von mir gibt es fünf Sterne. Das war meisterlich.

Bewertung vom 30.03.2022
Singe ich, tanzen die Berge
Solà, Irene

Singe ich, tanzen die Berge


ausgezeichnet

Domènec wird vom Blitz erschlagen, zurück bleibt sein Vater sowie seine junge Ehefrau Sió mit Kleinkind und Baby. Hart ist das Leben in den Bergen, entbehrungs- und arbeitsreich. Doch es muss weitergehen, auch ohne Domènec, der Bauer war, aber auch Dichter.

„Die Poesie hat alles. Die Poesie hat Schönheit, sie hat Reinheit, Musik, Bilder, Sprache, sie hat die Freiheit und die Gabe, dich zu berühren und die Unendlichkeit spüren zu lassen. Das Jenseits. Die Unendlichkeit, die weder auf Erden noch im Himmel ist. Die Unendlichkeit in jedem einzelnen.“ Seite 74

Es ist schwer für mich, dieses Buch zu beschreiben, zwiegespalten bin ich, begeistert und ratlos zugleich. Eine zeitlose Geschichte, die aber nicht so lange zurückliegt wie erwartet und auch nicht so fern ist, wie gedacht. Eine phantastische Erzählung, schwankend zwischen hier und jetzt, damals, heute und demnächst. Menschen erzählen, aber auch Tiere, zum Beispiel ein Reh und ein Bär. Sagengestalten tummeln sich drin, ein Märchen ist es dennoch nicht. Lebende und Tote kommen zu Wort, erzählen mir ihr Los und berichten Freude und Leid, das ist faszinierend und seltsam zugleich. Zwischendurch begeistert mich der Schreibstil so sehr, dass ich ganz emotional werde, verzaubert und still, dann wieder bin ich verwirrt, verloren, hoffnungslos losgelöst. Dennoch ergeben die Fragmente zusammen einen Sinn und zuletzt bleibe ich sprachlos und begeistert zurück, denn so und nur so konnte es enden, dieses wunderbare Buch. Volle Punktzahl und eine Leseempfehlung für alle, die das Außergewöhnliche und Besondere mögen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2022
Die Aosawa-Morde
Onda, Riku

Die Aosawa-Morde


sehr gut

„Ich hoffe, Sie verstehen, dass Wahrheit nichts anderes ist als die Sichtweise auf einen Gegenstand aus einer bestimmten Perspektive.“ Seite 64

Drei Generationen der hochangesehen Ärztefamilie Aosawa feiern Geburtstag, als ein unbekannter Mann Getränke liefert, die mit Zyanid versetzt sind. Es sterben siebzehn Menschen, darunter einige Kinder, lediglich Hisako, die blinde Tochter des Hauses, überlebt unversehrt. Der Mörder begeht kurz darauf Selbstmord, aber es bleiben viele Fragen offen und nicht alle sind von seiner Schuld überzeugt.

Das Buch ist ungewöhnlich aufgebaut. Es gibt Interviews mit Angehörigen der Opfer, den Nachbarn, dem damaligen Ermittler und anderen Beteiligten, wobei die Fragen nicht genannt werden. Es sind fast Selbstgespräche, denen ich folge, die Ausführungen springen von hier nach da, manchmal verliert sich die interviewte Person in Belanglosigkeiten, schweift ab, um dann wieder auf den Punkt, nämlich die Tragödie, zurückzukommen. Dazwischen geht es in Romanform weiter, kurze Sequenzen sind es, die diese Gespräche unterbrechen, Zeitungsartikel und Briefe. Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, was an jenem Sommertag geschah, der Zweifel an der Täterschaft aber wächst.

Die Erzählweise fand ich ungewöhnlich und faszinierend, allerdings ging für mich dadurch etwas von der Spannung verloren, da die Gespräche immer wieder von der Thematik abwichen. Interessant fand ich, wie unterschiedlich die Personen über das gleiche Ereignis berichteten, manches passte zusammen, vieles widersprach sich. Nicht immer war klar, wer da erzählt, dies ergab sich oft erst im Laufe der Kapitel. Das Puzzle zusammenzustellen, war knifflig und bis zuletzt war ich nicht sicher, was stimmt und was nicht. Wer ein klares Ergebnis mag und lose Fäden meidet, wird enttäuscht, denn am Ende bleibt die Interpretation des Falls dem Leser überlassen. Mich hat dieses ungewöhnliche Buch gut unterhalten, ich vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 27.03.2022
Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4
Raabe, Marc

Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4


sehr gut

Seit dreiundzwanzig Jahren sucht LKA-Ermittler Tom Babylon bereits nach seiner Schwester Viola und nun gibt es endlich einen Hinweis, der zu ihr führen könnte. Er findet im Keller seines Elternhauses ein Foto, das Viola als Erwachsene zeigt, seine Ermittlungen führen ihn nach London. Als kurze Zeit später sein Vater bei einem Überfall stirbt, verdächtig Tom seinen früheren Mentor Dr. Walter Bruckmann, hieran beteiligt zu sein. Dumm nur, dass dieser in einer psychiatrischen Einrichtung eingesperrt ist.

Es handelt sich hierbei um den abschließenden Band der vierteiligen Reihe um den LKA-Ermittler Tom Babylon und mein erstes Buch des Autors, das ich gelesen habe, die ersten drei Teile der Serie kenne ich bisher nicht. Meine Befürchtungen, ich würde deswegen der Story nicht folgen können, haben sich nicht bestätigt, obwohl mir durch Andeutungen und Hinweise natürlich schon immer wieder vor Augen geführt wurde, dass mir bestimmte Informationen fehlen. Der Schreibstil war toll, die Zeitsprünge aber oft etwas verwirrend und lediglich die Gespräche von Tom mit seiner verschwunden Schwester im Alter zum Zeitpunkt ihres Verschwindens fand ich ein wenig seltsam. Vielleicht fehlt mir hier aber einfach nur die Nähe zur Hauptfigur, die mit den vorherigen Büchern gewachsen wäre. Ein spannender Fall, ein rasantes Verwirrspiel, interessante Charaktere und ein befriedigender Abschluss. Es gibt kaum etwas zu bemängeln, außer dass es schade ist, dass ich die Reihe nicht bereits früher für mich entdeckt habe. Von mir gibt es vier Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 25.03.2022
Die Macht des Täters / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.2
Strobel, Arno

Die Macht des Täters / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.2


sehr gut

Als Leon, der Neffe der Polizeibeamtin Katharina Baumann, sich umbringt, weil er des Mordes beschuldigt wird, wendet sich diese an den Fallanalytiker und früheren Polizeibeamten Max Bischoff, weil sie von der Unschuld Leons überzeugt ist. Max soll sich den Fall ansehen und dies beweisen. Die Beweislast in dem Fall aber ist erdrückend, alles weist darauf hin, dass Leon die Tat begangen hat. Kurz darauf geschieht ein zweiter Mord, der mit dem ersten jedoch nicht in Verbindung gebracht werden kann, zu unterschiedlich sind die Taten. Max vermutet trotzdem einen Zusammenhang, hat aber Probleme damit, sich in den Kopf des Täters versetzen zu können. Irgendetwas blockiert ihn und das macht ihn schier verrückt.

Dies ist der zweite Teil der Reihe um Max Bischoff, die zeitlich nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst ansetzt. Ich kenne weder den ersten Teil, noch die diesem Buch vorausgehende Trilogie um Max, hatte aber überhaupt keine Probleme damit, der Story zu folgen. Es gab zwar einige Hin- und auch immer wieder Verweise auf die polizeiliche Laufbahn von Max und frühere Geschehnisse, dies war aber erfreulicherweise sehr dezent, sodass es mich einerseits nicht störte, andererseits aber jedem interessierten Leser die Möglichkeit gibt, die vorherigen Bücher lesen zu können, ohne gespoilert worden zu sein. Mir hat das vorliegende Buch gut gefallen. Ich fand Max zwar oft etwas humorlos und auch nicht übermäßig genial, aber das macht ihn menschlich und dadurch sympathisch, weil es den Ernst der Sache eher unterstreicht. Der Fall selbst war sehr interessant, die Auflösung schlüssig und trotz einiger Längen habe ich mich gut unterhalten gefühlt. Ich werde den ersten Teil ganz bestimmt nachholen und freue mich bereits jetzt auf eine Fortsetzung. Von mir gibt es vier Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.03.2022
Geschichte einer großen Liebe
Tamaro, Susanna

Geschichte einer großen Liebe


ausgezeichnet

Der Einstieg ins Buch fiel mir ungewöhnlich schwer, und das obwohl ich bereits nach wenigen Seiten von der Sprache, den schönen Worten und tollen Sätzen gefangen genommen und begeistert war. Anfangs konnte ich die Erzählstimme nicht zuordnen und habe tatsächlich falsch gelegen mit meiner Vermutung, wer da über seine Vergangenheit resümiert. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass die Autorin diese Perspektive wählt. Dann auf einmal packte sie mich, die Geschichte von Andrea und Edith, plötzlich und unerwartet war ich mittendrin und fühlte, was geschehen war und wie es dazu kam. Der Ausdruck Achterbahn der Gefühle passt hier sehr gut rein, denn nichts anderes hat die Erzählstimme erlebt. Ein auf und ab der Liebe, das Herz mal leicht, mal schwer. Immer klarer wird das Erlebte, die Höhen und die Tiefen. In über dreißig Jahren kommt einiges zusammen. Eine wunderbare Freundschaft, eine tiefe Liebe, aber auch Schicksalsschläge blieben den beiden nicht erspart. Nichts weniger war es als die Geschichte einer großen Liebe.

Der Klappentext klingt nach einer einfachen Liebesgeschichte, dieses Buch aber ist so viel mehr. Ich habe mitgefiebert, mitgefühlt und sehr oft Tränen vergossen. Ich war erstaunt, befremdet, froh, aber auch wütend. Die Erzählweise ist raffiniert gewählt, ein Monolog, gerichtet an den Menschen, den man liebt. Die Vergangenheit, die Gegenwart und ein wenig die Zukunft, einfach das Leben. Grandios! Von mir gibt es fünf Sterne und zwei Sternchen extra.

Bewertung vom 21.03.2022
Kleine Grausamkeiten
Nugent, Liz

Kleine Grausamkeiten


ausgezeichnet

William, Brian und Luke sind Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. William ist der Älteste, Brian ein Jahr jünger und Luke das Nesthäkchen, obwohl zwischen William und ihm nur zwei Jahre liegen. Bereits mit dem ersten Satz am Anfang des Buches ist klar, dass einer der Brüder tot ist. Welcher von den dreien es ist, was passierte und warum, das wird verschwiegen und bleibt bis kurz vor dem Ende offen. Wie es dazu kommen konnte, davon handelt dieses Buch.

„Wir wussten alle, dass dieses Erlebnis tiefe Narben bei ihm hinterlassen hatte, aber es war eine der kleinen Grausamkeiten unserer Familie, dass wir oft und gern darauf zurückkamen.“ Seite 270

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt und im ersten Teil kommen hintereinander die drei Brüder zu Wort. Dies geschieht nicht chronologisch, die Kapitel springen zwischen den Jahren und Episoden hin und her, aber nie habe ich das Gefühl, verwirrt zu sein. Genial ist hierbei, dass die Art der Erzählung vom jeweiligen Alter des Erzählers abhängt. Wenn also der neunjährige William etwas erzählt, tut er dies kindlicher, als wenn er in die 2000er Jahre springt, wo er bereits erwachsen ist. Die Sprache ist leicht an das Alter angepasst, die Handlungen sind es natürlich komplett. So konnte ich mir gut die jeweilige Gefühlslage vorstellen, was mich den Charakteren näher brachte.

Anfangs hat es gedauert, bis die Geschichte mich gefangen nahm, was damit zusammenhängt, dass die Bezeichnung Kriminalroman mich etwas anderes erwarten ließ. Ich würde hier eher von einem Familienroman sprechen, besser noch einer griechischen Tragödie, die unweigerlich mit dem Tod eines der Hauptakteure endet. Die Art und Weise der Erzählung sowie der Umstand, dass ich nicht wusste, wer gestorben ist, hat mich dazu animiert, immer wieder zu raten, was passiert sein könnte. Letztendlich lag ich falsch, obwohl ich meine Meinung immer wieder revidieren musste.

Beim lesen habe ich eine ganze Palette an Gefühlen durchlebt, die Brüder haben mich fasziniert, angeekelt, berührt und entsetzt. Zuletzt konnte ich das Buch nicht mehr als der Hand legen, fieberte dem Finale entgegen und war dennoch überrascht, wie heftig es mich traf, als und in welcher Form das Ende kam. Ein wunderbares, spannendes und überraschend emotionales Buch, das mich begeistert zurücklässt. Für mich persönlich bereits jetzt ein Jahreshighlight, für diesen Monat ganz sicher meine literarische Sensation. Von mir gibt es zehn Sterne von fünf. Grandios!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.