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Benutzername: 
si_liest
Wohnort: 
Lörrach

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2021
Raumfahrer
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


weniger gut

Hoffnungslosigkeit – das war das vorherrschende Gefühl, das ich nach der Lektüre von Lukas Rietzschels zweitem Roman hatte. Hoffnungslos ist die Geschichte von Jan, dessen Leben sich zwischen dem Krankenhaus, in dem er noch arbeitet, das jedoch bald schließt, und der Kellerwohnung im Haus seines Vaters, eingerahmt von Plattenbauten und leerstehenden Gebäuden, abspielt. Parallel dazu wird die Familiengeschichte des Künstlers Georg Baselitz erzählt, der noch vor dem Bau der Mauer nach West-Berlin übergesiedelt ist, während seine Eltern und sein Bruder in seinem Heimatort in Sachsen geblieben sind. Nach und nach erfahren die Leser*innen, wie die beiden Geschichten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, zusammenhängen und wie Jan – so wie alle Protagonisten des Romans – zum Raumfahrer wird, weder der Gegenwart noch der Vergangenheit zugehörig.
Der Schreibstil des Autors ist schnörkellos und eher beschreibend-nüchtern. Dies hat es mir sehr schwer gemacht, Zugang zu den Emotionen der Charaktere zu finden und ich konnte mich nicht richtig in sie hineinversetzen. Hinzu kommt, dass die Wechsel zwischen den Zeitebenen nicht gekennzeichnet sind, so dass ich irgendwann den Faden verloren habe und mein Lesefluss immer wieder unterbrochen wurde. Es werden einige interessante Themen aufgegriffen (z.B. Stasi, Beziehung zur alkoholkranken Mutter), jedoch werden diese meiner Meinung nach zu oberflächlich abgehandelt.
Interessant fand ich wiederum, wie der Autor mit seinem Stil das oben schon erwähnte Gefühl der Hoffnungslosigkeit und den depressiven Grundtenor erzeugt, aber letztendlich konnte mich die Geschichte nicht wirklich überzeugen und hat mich verwirrt -schwebend als Raumfahrer*in- zurückgelassen, vor allem, da auch das Ende offen ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.07.2021
Was fehlt dir
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


sehr gut

Wer gerne klassische Romane mit einem geradlinigen Plot und einer zusammenhängenden Handlung liest, wird von Sigrid Nunez‘ neuestem Buch sicher enttäuscht sein. Wer jedoch offen für ungewöhnliche Herangehensweisen an ein Thema ist und wer Essays mag, wird Freude an dem Buch haben.
Die Rahmenhandlung bildet die Interaktion der namenlosen Ich-Erzählerin mit ihrer Freundin, die an Krebs im Endstadium leidet. In drei Teilen, welche jeweils an einem anderen Ort angesiedelt sind – im Krankenhaus, in einem angemieteten Haus an der Küste und letztendlich in der Wohnung der Freundin –, setzt sich die Ich-Erzählerin mit den schwierigen Themen Tod und Verlust auseinander. Daneben werden, in Form scheinbar unzusammenhängender Gedanken und fragmentarisch eingestreuter kurzer Geschichten, auch noch andere Themen, die die Menschen im 21. Jahrhundert beschäftigen (z.B. Klimawandel, #metoo, Körperkult und Älterwerden), angesprochen und auf höchst unterhaltsame Weise den Lesern*innen nähergebracht.
Ich hatte zuerst Mühe, in die Erzählweise hineinzufinden, weil mir alles etwas chaotisch erschien. Betrachtet man jedoch die unterschiedlichen Geschichten als eigenständige kleine Essays, dann haben diese durchaus ihren Reiz. Die Erzählstimme des Buches erinnert mich zum Teil sehr an Rachel Cusk; auch hier kommen neben der Ich-Erzählerin diverse andere Stimmen zu Wort, die vielfältige Meinungen kundtun. Sigrid Nunez schreibt klar und schnörkellos und gerade das macht den Roman für mich interessant, da es dies ermöglicht, die schwierigen Themen aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, wobei ich auf Grund des Klappentextes andere Erwartungen hatte und sich mir die Zusammenhänge nicht immer ganz erschlossen haben. Den zweiten Teil fand ich persönlich am stärksten, da er es am ehesten erlaubt, sich mit den Protagonisten zu identifizieren.

Bewertung vom 06.06.2021
Liebe, lavendelblau
Juli, Hannah

Liebe, lavendelblau


sehr gut

Provence – sobald ich das Wort höre, denke ich an weite Lavendelfelder, laue Sommerabende und an die wunderbaren provenzalischen Märkte. Und genau diese Bilder sind auch beim Lesen von Hannah Julis Roman „Liebe, lavendelblau“ vor meinem inneren Auge entstanden und konnten mich zumindest kurzzeitig in Urlaubserinnerungen schwelgen lassen.
Sarah, die in Hamburg ein beschauliches und nahezu perfektes Leben führt, verliert von jetzt auf gleich ihren Job und wird auch noch mit einem doppelten Betrug ihres Partners Tobias, der für ein Praktikum in Kalifornien weilt, konfrontiert. Hals über Kopf flüchtet sie zu ihrer ehemaligen Schulfreundin Cleo in die Provence, um sich zu sammeln und um darüber nachzudenken, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Im Laufe der Geschichte lernt sie, auf ihre innere Stimme zu hören und das zu tun, was ihr Herz sagt, wobei der Winzer Lucien, auf dessen Weingut sie wohnt, natürlich auch eine Rolle spielt…