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Benutzername: 
Christine
Wohnort: 
Südhessen

Bewertungen

Insgesamt 117 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2022
Mongo
Darer, Harald

Mongo


ausgezeichnet

Die Unsichtbaren

Als Harry einen panischen Anruf von seiner Frau Katja erhält, befürchtet er das Schlimmste. Den Satz „Ich bin schwanger!“ hätte er dabei allerdings nicht erwartet. Doch die Bedenken von Katja rühren daher, dass sie einen älteren Bruder mit Trisomie 21 hat. Und Katja weiß eben, welche Anfeindungen ihr Bruder Marcus und ihre Familie dadurch erleben mussten.

Für Harry ist das Ganze dagegen etwas völlig Neues und zunächst versucht er analytisch an die Sache heranzugehen. Er möchte möglichst viele Sichtweisen berücksichtigen, um seine eigene Sichtweise zu prüfen und zu hinterfragen.

Dabei beginnt er in seiner Kindheit. Welche Erfahrungen und Erlebnisse hatte er damals mit behinderten Menschen? Wie ist sein Umgang und Erleben mit Katjas Bruder Marcus? Wie sichtbar sind Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen in unserer Gesellschaft überhaupt? Und Harry stellt mehr und mehr für sich fest, dass man letztendlich keine Pro- und Contraliste erstellen kann. Es zählt nur der Mensch und der ist immer unendlich wertvoll, egal welche Einschränkungen dieser hat.

Für mich war es eine spannende, humorvolle und intensive Lektüre. Auf gerade mal 224 Seiten hat es der Autor geschafft, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und gleichzeitig viel Herz und Gefühl in die Darstellung der Protagonisten zu legen. Ein echtes Jahreshighlight!

Bewertung vom 14.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


ausgezeichnet

Schöne neue Welt

Melanie ist gerade im besten Teenageralter, als Fernsehsendungen a la „Big Brother“ auf den TV-Kanälen ausgestrahlt werden. Für sie es eine Offenbarung. So leicht kann man also berühmt werden. Doch ihre eigenen Versuche in der Fernsehwelt der Reality-Formate Fuß zu fassen, sind nicht wirklich erfolgreich. Jahre später bietet Youtube neue Möglichkeiten. Um immer mehr Likes und Klicks zu generieren, „vermarktet“ Melanie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre beiden kleinen Kinder. Bis eines Tages ihre Tochter Kimmy spurlos verschwindet.

Das hört sich zunächst nach einem Thriller an, ist es aber bei Weitem nicht. Delphine de Vigan setzt sich hier sehr kritisch mit der aktuellen Mediengesellschaft auseinander und insbesondere mit der Vermarktung von Kindern. Das alles wurde in einen sehr spannenden und lehrreichen Roman verpackt.

Natürlich kannte ich vieles, was hier zur Sprache kommt. Bei einigen Details war ich aber wirklich überrascht, dass es so etwas gibt. Eine der Protagonisten des Buches sagte es treffend: „Man muss es sehen, um es zu glauben“.

Für mich war es eine erschreckende und nachdenklich machende Lektüre. Was tun wir hier unseren Kindern an? Berühmt um jeden Preis? Wollen Kinder das wirklich?

Ich kann das Buch absolut empfehlen! Und ich werde mir auf jeden Fall auch die anderen Bücher von Delphine de Vigan ansehen.

Bewertung vom 27.02.2022
Das Mädchen mit dem Drachen
Colombani, Laëtitia

Das Mädchen mit dem Drachen


ausgezeichnet

Lässt einen aufgewühlt zurück

Für Lena ist die Reise nach Indien eine Flucht vor einem schlimmen Schicksalsschlag. Doch auch in Indien dreht sich ihr Gedankenkarussell immer nur um das eine Thema. Von dem Land und den Landsleuten bekommen sie anfänglich so gut wie gar nichts mit.

Bis sie sich eines Tages bei einem Badeausflug überschätzt und das Mädchen mit dem Drachen ihr das Leben rettet. Lena wird dadurch quasi in das reale (frauenfeindliche) Indien hineinkatapultiert. Und ihr Leben nimmt eine Wendung, mit der sie nie gerechnet hätte.

Ich muss sagen, mich hat das Buch tatsächlich überrascht. Ich hatte eine eher leichte Lektüre erwartet, wenn auch mit erstem Hintergrund. Dass mich die Lektüre aber so aufgewühlt zurück lässt, hätte ich nicht erwartet.

Die Lebensumstände von indischen Frauen allgemein und insbesondere der Frauen aus niedrigen Kasten, sind für mich unvorstellbar. Ich musste mir immer wieder bewusst machen, dass ich hier keinen historischen Roman lese, sondern sich das Ganze im jetzt abspielt.

Ein Buch, dass mir viel neues Wissen vermittelt hat und dass mir noch lange im Kopf bleiben wird.

Bewertung vom 27.02.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

Aus Erbfeinden werden Freunde – Frieden in Europa

Da ich selber an der südlichen Weinstraße (also auch noch recht grenznah) aufgewachsen und unzählige Male mit meinen Eltern ins Elsass gefahren bin, hat mich das Thema dieses Buches sofort angesprochen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Die Autorin hat sehr viele geschichtliche Ereignisse in diesen Roman einfließen lassen. Und ich habe dabei festgestellt, dass ich über den Beginn der (für mich selbstverständlichen) deutsch-französischen Freundschaft bisher so gut wie gar nichts wusste.

Als ich das Buch begonnen habe, hatten wir noch Frieden in Europa. Jetzt nach dem Lesen der letzten Seite rücken russische Truppen auf Kiew vor. Umso wichtiger ist es nun, dass der Rest Europas zusammensteht. Und man erkennt, dass die damals gelegten Grundlagen, wie eben z.B. der Élysée-Vertrag, in dem es in diesem Roman unter anderem geht, so ungemein wichtig waren.

Die Liebesgeschichte fand ich schön erzählt, wenn auch hie und da etwas zu langatmig, so dass ich am Ende gute vier Sterne vergebe.

Bewertung vom 02.02.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


ausgezeichnet

Eine interessante Lektüre

Nichtsahnend wird die Ich-Erzählerin auf einer Lesung mit der Tatsache konfrontiert, dass sie eine Halbschwester hat. Die erste spontane Reaktion ist pure Freude – doch schnell kommt die Ernüchterung. Sie fragt sich: Was wurde mir vielleicht noch alles verheimlicht? Von meinem Vater, von meinem Ehemann?

Die Ich-Erzählerin beschreibt eindringlich und für mich sehr gut nachvollziehbar, wie sich diese Begebenheit auf ihr Leben und vor allem auf ihre Sicht ihres Umfeldes auswirkt. Die Halbschwester, die sie nach der ersten Begegnung monatelang nicht mehr sieht, begleitet sie dennoch in ihren Gedanken auf Schritt und Tritt. Nicht die Existenz der Halbschwester ist das Problem, sondern es ihr verheimlicht wurde.

Ich fand die Lektüre wirklich interessant und auch ungewöhnlich. Ich hatte immer wieder das Gefühl, direkt im Kopf der Ich-Erzählerin zu stecken.

Bewertung vom 16.01.2022
Unser kostbares Leben
Fuchs, Katharina

Unser kostbares Leben


ausgezeichnet

Ein Buch das nachhallt

Die Autorin Katharina Fuchs beschreibt in ihrem neuesten Roman „Unser kostbares Leben“ wieder ein Stück deutsche Zeitgeschichte und gibt dabei Einblicke in ihre eigene Familiengeschichte.

Minka Schönwetter und Caro Stern wachsen in Mainheim (nahe Frankfurt) auf und wir steigen 1972 in die Geschichte ein und begleiten die beiden Freundinnen und deren Familien bis Anfang der 80er.

Für mich hat das Buch eine ganz besondere Stimmung erzeugt. Wie war das damals in den 70ern? Über was haben die Menschen damals geredet – anscheinend viel über Politik – und was war noch gar kein Thema –z.B. der Umweltschutz.

Gerade diese Zeitgeschichte und die Beschreibung, wie sich das Bewusstsein in Deutschland für die Auswirkungen von menschlichen Eingriffen in die Natur so langsam entwickelt hat, fand ich unglaublich spannend. Selber bin ich Anfang der 70er zur Welt gekommen, so dass mir das Bewusstsein für diese Jahre bisher gefehlt hat. Ich hatte tatsächlich so einige Aha-Erlebnisse, warum in den 80er dieses und jenes passiert oder entstanden ist. Ich hatte wirklich das Gefühl eine kleine Zeitreise zu unternehmen.

Mainheim selber gibt es tatsächlich – wenn auch unter einem anderen Namen. Und da ich gar nicht mal soweit davon entfernt wohne (da war ich sehr überrascht), werde ich mir demnächst einige Orte in echt ansehen können.

Für mich war es ein beeindruckendes Buch, das noch lange nachhallen wird. Ein echtes Highlight und ich freue mich schon auf die nächste Neuerscheinung der Autorin.

Bewertung vom 03.01.2022
Der Gräber
Persson Winter, Fredrik

Der Gräber


sehr gut

Solider Thriller, der sich schnell lesen lässt

Jedes Jahr am 6. November schlägt der Gräber zu. Seine Opfer sind alleinstehende Personen, die er aus ihrem eigenen Haus entführt. Dabei gräbt er sich durch den Kellerboden. Die Opfer tauchen nie mehr auf. Eine Gemeinsamkeit bei diesen Fällen gibt es aber. Immer befindet sich am Gebäude gerade eine Drainage zur Trockenlegung des Mauerwerks.

Um den Fall zu lösen, wurde eine Sonderkommission gebildet. Doch bisher habe alle Befragungen des Umfelds der Opfer oder der Bauarbeiter nichts gebracht. Und so wird es auch an diesem 6.November wieder ein Opfer geben.

Neben dem Handlungsstrang der kriminaltechnischen Ermittlungen, lernen wir auch noch die Lektorin Annika kennen, die eines Tages ein Manuskript vor den Türen des Verlags findet, bei dem sie angestellt ist. Ein Manuskript, dass einfach zu gut ist, um es nicht zu veröffentlichen und es hat starke Parallelen mit den Verbrechen des Gräbers.

Ich habe das Buch in drei Tagen durchgelesen, ein richtiger Pageturner. Dennoch war es für mich kein Highlight. Ich hätte mir mehr Einblicke in die Gedanken des Gräbers gewünscht, dass kam mir leider viel zu kurz. Insgesamt war es aber ein solider Thriller.

Bewertung vom 04.12.2021
606
Fox, Candice

606


ausgezeichnet

Unterhaltsam und spannend

Mit der Drohung, einen Bus mit Angehörigen der Wärter eines Hochsicherheitsgefängnisses unter Beschuss zu nehmen, erpresst eine unbekannte Gruppe die Freilassung aller 606 inhaftierter Häftlinge.

Man kann sich vorstellen, dass ein Großteil der Gefängnisinsassen die Chance ergreift und sich auf den Weg in die Freiheit macht. Manche mit einem ganz persönlichen Ziel, andere nur um im nahe gelegenen Las Vegas ein paar aufregende Stunden zu verbringen. Denn klar ist auch, dass die Polizei alles daran setzen wird, jeden einzelnen der Insassen wieder in seine Zelle zu verfrachten.

Und dann gibt es da noch einen ganz besonderen Häftling, John Kradle, der die Zeit nutzen möchte, um seine Unschuld zu beweisen und den wahren Mörder an seiner Familie zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Doch Celine Osbourne, eine Aufseherin aus dem Todestrakt, hat es auf John abgesehen – die Jagd beginnt.

Ich fand den Thriller wirklich spannend und unterhaltsam. Natürlich kann das Buch nicht über alle 606 Ausbrecher berichten, so dass sich die Autorin auf einige ausgewählte Personen beschränkt hat. Ganz besonders gut gefallen haben mir die Darstellung von Celine und die Rückblicke in ihre Vergangenheit.

Insgesamt ein wirklich gut gemachter Thriller – für mich ein 4,5 Sterne Buch.

Bewertung vom 10.11.2021
Wir sind schließlich wer
Gesthuysen, Anne

Wir sind schließlich wer


ausgezeichnet

Leichter und schöner Erzählstil

Schon beim ersten Kapitel habe ich mich köstlich amüsiert. Wir begleiten Anna, die gerade ihre erste Stelle als Pastorin angetreten hat, bei einem Geburtstagsbesuch in ihrer Gemeinde. Da sie aber einen Tag zu spät kommt, empfängt sie das Geburtstagskind – ein grummeliger 80jähriger – mit Vorwürfen und Anklagen. So hat sich Anna ihre erste Stelle, auch wenn es nur vertretungsweise für den erkrankten Pfarrer ist, weiß Gott nicht vorgestellt.

Überhaupt ist Anna eine recht untypische evangelische Pfarrerin. Als Spross einer adeligen Familie hat sich vor allem ihre Mutter eine ganz andere „Karriere“ für Anna vorgestellt. Und auch ihre ältere Schwester Marie kann mit dem Lebensweg von Anna so gar nichts anfangen. Doch auch Maries scheinbar sorgenfreies und standesgemäßes Leben ist nicht das, was es scheint.

Die Autorin erzählt eine amüsante Familiengeschichte – mit ein bisschen Drama, Liebe und Krimielementen. Mir haben tatsächlich die Rückblenden aus der Kindheit von Anna und Marie am Besten gefallen.

Ich hatte einen etwas ernsthafteren Roman erwartet, konnte mich aber dann gut auf den leichten und amüsanten Erzählstil der Autorin einlassen. Für mich war es ein hervorragendes 4,5 Sternebuch.

Bewertung vom 03.11.2021
Die andere Tochter
Golch, Dinah Marte

Die andere Tochter


sehr gut

Nicht das was ich erwartet habe, hat mir aber trotzdem gut gefallen

Antonia erblindet durch ein unglückliches Missgeschick bei ihrer Arbeit als Entrümplerin. Nur kurze Zeit später erhält sie eine Augenhornhaut-Spende mit deren Hilfe sie wieder sehen kann. Darüber ist sie natürlich sehr glücklich und schreibt sogar einen Dankesbrief an die Eltern ihrer Spenderin. Mit einer Antwort hat sie allerdings nicht gerechnet, doch genau diese wird sie erhalten und ihr Leben auf den Kopf stellen.

Das Buch ist eine Mischung aus tragischer Familiengeschichte, Thriller mit mystischen Einschlägen und ein bisschen deutsche Kunstkunstgeschichte ist auch dabei. Für mich war das eine interessante Mischung, die aber nicht immer so ganz funktioniert hat.

Spannend war es auf jeden Fall und gut geschrieben zudem. Am Ende hat mich das Buch aber leider etwas verloren. Insgesamt ein gutes vier Sternebuch.