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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2066 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2025
Mickey und Arlo
Dick, Morgan

Mickey und Arlo


sehr gut

Töchter
In diesem Roman stehen die Halbschwestern Mickey und Arlo im Mittelpunkt. Der gemeinsame Vater ist gestorben und die Schwestern treffen sich das erste Mal durch eine Klausel im Testament des Vaters, der Mickey verlassen hatte, als sie erst Acht war.
Die Bedingung für das Erben sind 8 Therapiestunden, die Mickey absolvieren muss. Sie ist Grundschullehrerin und Alkoholikerin. Und Arlo ist Therapeutin.
Aber beide Schwestern wurden durch das Verhalten des Vaters innerlich beschädigt. Überraschenderweise sind auch beide Mütter eher kalt.
Die Autorin weiß das einzuschätzen und kann das darstellen. Sie lässt beide aufeinandertreffen.
Die Ausgangsposition kann man als sehr originell einstufen. Vielleicht ist es etwas zu langgezogen. Manche Passagen sind auch nicht einfach zu verkraften. Als Leser ist man mitgenommen.
Morgan Dick hat einen interessanten Roman geschaffen, in der die psychologischen Momente wirklich glaubwürdig wirken.

Bewertung vom 20.02.2025
Im Meer waren wir nie
Kureyshi, Meral

Im Meer waren wir nie


sehr gut

Sätze wie gemeißelt

Das Buch ist sehr von der Icherzählerin geprägt, die ruhig und beobachtend wirkt. Man spürt auch sofort ihre Sensibilität.
Es beginnt mit dem Begräbnis der 95jährigen Lili, um die sie sich lange gekümmert hat. Sie hatten eine besondere Beziehung, wie sie sie auch zu Lilis Enkel Sophie hat. Sophie ist seit Kindheitstagen ihre Freundin und heute auch eine Nachbarin, Sophie ist alleinerziehend, d.h. ihren Sohn ziehen sie eigentlich gemeinsam auf.

Es ist kunstvoll und gelungen, wie die Autorin das komplexe Beziehungsgeflecht schildert.

Der Stil de Schweizer Sxchriftstellerin Meral Kureyshis hat sich nicht geändert, der neue Roman erinnert an ihre Vorgängerbücher Fünf Jahreszeiten und Elefanten im Garten.
Ihre Sätze sind bemerkenswert, wirken wie gemeißelt.

Bewertung vom 18.02.2025
Achtzehnter Stock
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


sehr gut

Leben mit Realität und trotzdem an den Traum glauben

Wanda lebt mir ihrer kleinen Tochter Karlie im Achtzehnten Stock und hofft, als Schauspielerin rauszukommen.
Sie steht damit in einem Konflikt sich ausreichend um ihr Kind zu kümmern, aber auch alles für ihre Karriere zu tun. Die ist aber bisher anscheinend kaum in Fahrt gekommen.
Ziemlich oft muss sie die Hilfe der Nachbarin in Anspruich nehmen. Die nennt sie immer nur Aylins Mutter. Anscheinend kennt sie ihren Namen nicht. Das passt ein wenig dazu, dass sie immer wieder mal egoistisch und oberflächlich wirkt. Davon abgesehen finde ich schon, dass sie an ihre Träume glauben soll.
Ein zentraler Moment des Buches ist als Karlie krank wird. Eine Mittelohrentzündung stellt sich als Hinhautentzündung heraus. Das wurde zuerst unterschätzt. Für Wanda eine Zeit der Angst.

Sara Gmuer schafft mit Wandas Stimme einen Sound für ihren Roman, ein wenig rotzig und forsch, aber das hat was.

Bewertung vom 18.02.2025
Die schönere Lüge
Spiotta, Dana

Die schönere Lüge


sehr gut

Hommage an das Kino

Schon das Cover deutet auf die Freundschaft zweier Frauen an.
Beide beschäftigen sich mit Film, vielmehr, es ist ihr Lebensmittelpunkt.
Doch sie sind sehr unterschiedlich. Die Autorin präsentiert zwei Lebenswege.
Das macht sie auf komplexe, manchmal unnötig komplizierte Art.
Man sollte für das Buch ein Interesse an Film mitbringen, insbesondere auch an die Filmgeschichte. Man wird einiges wieder entdecken und vielleicht auch neues.

Ich muss gestehen, dass mich Dana Spiottas letzter Roman (Unberechenbar) mehr angesprochen hatte, aber auch Die schönere Lüge ist ein gutes Buch.

Bewertung vom 18.02.2025
Russische Spezialitäten
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


ausgezeichnet

Eindrucksvoll

Ein Buch über den Riss in Familien, der durch äußere Konflikte wie Krieg entsteht.
Der Icherzähler Dmitrij ist als 8jähriger aus Kyjiw nach Deutschland gekommen. Seine Eltern führen dort einen Laden, der russische Spezialitäten verkauft.

Das Buch ist autobiografisch.

Zur Coronazeit übernimmt er dort kurzzeitig die Leitung, damit seine Eltern geschützt sind, auch weil der Vater nach einem Schlaganfall nicht mehr der alte ist. Doch schließlich muss der Laden schließen.
Der Angriff auf die Ukraine kommt und Dmitrijs Mutter, die aus Russland stammt, nimmt einseitig Partei gegen die Ukraine. Sie glaubt der russischen Propaganda. Durch dieses Buch wird klar, wie stark Putins Lügen bei vielen doch ziehen.
Dmitrij ist daher ständig im Streit mit der Mutter, auch mlt Freunden. Der Vater ist eher gleichgültig, als Jude jedoch mitgenommen vom Massaker in Israel.

Dmitrij möchte den Streit nicht eskalieren lassen, um Familie und Freunde nicht zu verlieren.

Er reist in die Ukraine, um sich selbst ein Bild zu machen. Diese Beschreibungen sind eindrucksvoll, obwohl die Sprache ungekünstelt, manchmal verhalten ist.

Dmitrij Kapitelman konnte mir als Leser die Situation der Ukrainer gut vermitteln.

Bewertung vom 18.02.2025
bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
Lovrenski, Oliver

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann


sehr gut

Überdosis vom Leben

Das Buch mit dem ausgefallenen Titel „bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann“ ist außergewöhnlich.
Das Buch ist komplett in Jugendsprache erzählt. Das ist teilweise witzig, manchmal auch anstrengend.
Abwechselnd erzählen vier Jugendliche.
Ivor, Marco, Arjan und Jonas. Sie sind wie Brüder.
Sie leben in Norwegen, lieben es zu chillen und ihr Interesse liegt bei vielen Drogen. Nicht umsonst heisst der zweite Teil des Buches Absturz.

Die Kapitel sind überwiegend sehr kurz und es gibt viele von ihnen.

Noch ein Wort zum Cover: es ist ganz in rot gehalten und zeigt offenbar einen der Jugendlichen in nachdenklicher Pose. Das passt schon.

Ein manchmal witziges, aber auch raues und wildes Buch.

Ich vermute, der Autor Oliver Lovrenski wird seinen Erfolg nicht wiedrholen können. Er hat es geschafft, ein Lebensgefühl auszudrücken. Ein weiteres mal ist das nicht zwingend.

Bewertung vom 18.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


sehr gut

Die vielen Geschichten rund um den Panamakanal

Man taucht tief ein in eine historisch bedeutende Zeit.
Das große historische Ereignis ist der Kanalbau Panama ca. 1907. Bis 1913 wird erzählt.
Der Autorin Cristina Henriquez gelingt es, ihre Figuren lebhaft und glaubhaft zu gestalten. Das gilt vor allen für die junge Ada Bunting, die mutig ist und Geld für ihre kranke Schwester verdiene will und als zweite Hauptfigur Omar, der auch am Kanal arbeitet. Aber auch Nebenfiguren sind großartig, zum Beispiel Omars Vater Francesco oder auch Lucille. Dann gibt es auch noch John und Marian, deren Rollen leider etwas zu klein ausfallen.
Es steckt also viel drin, denn lalle Figuren haben auch noch ihre eigenen Geschichten.

Cristina Henriquez hat einen epischen Ansatz und verwebt ziemlich viel in die Handlung, vielleicht zu viel. Nicht immer ist man als Leser dicht am Plot, da es manchmal zu ausufernd wird. Das Buch kann also nicht ganz überzeugen.
Trotzdem ist das Buch schon ganz gut geschrieben und absolut lesenswert.

Bewertung vom 18.02.2025
Dienstmädchen für ein Jahr
Boo, Sigrid

Dienstmädchen für ein Jahr


sehr gut

Band 10 der rororo-Entdeckungen

Dienstmädchen für ein Jahr von Sigrid Boo stammt aus dem jahr 1930.
Das Buch wird von der Erzählstimme der Protagonistin geprägt. Sie ist eine moderen junge Frau im Norwegen
Als Icherzählerin verfügt sie über Frische und erfreulicherweise auch über Witz und Selbstironie.

Die verwöhnte Helga nimmt aufgrund einer Wette eijne Strelle als Diuenstmädchen für ein jahr an. Das fällt ihr anfangs nicht leicht.
In Form von Briefen berichtet sie ihrer Freundin, wie es ihr ergeht.
Streckenweise überzogen, weitgehend harmlos, aber immer munter setzen sich Helgas Erlebnisse fort.

Band 10 ist wieder eine zündende und lesenswerte Entdeckung in der Reihe.

Bewertung vom 18.02.2025
Ich gehe in ein anderes Blau
Töteberg, Michael;Vasa, Alexandra

Ich gehe in ein anderes Blau


sehr gut

Ein Kultautor

Rolf Dieter Brinkmann, jung gestorben, war ein wichtiger Deutscher Autor der siebziger Jahre.
In letzter Zeit war es eher ruhig um ihn und seine Bücher.
Diese Biographie bietet die Chance ihn wieder zu entdecken oder vielleicht sogar überhaupt erst kennen zu lernen.
Die Biografie ist relatv konventionell aufgebaut, dass heißt es wird zeitlich von Kindheit bis zum tödlichen Autounfall erzählt. Für mich ist diese Form sehr in Ordnung.

Man spürt schon schnell, dass Brinkmann ein Erneuerer der Sprache war, der radikal und kompromisslos schrieb. Schon das Cover, auf dem er abgebildet ist, strahlt das irgendwie stark aus.
Er war streitbar, anscheinend auch manchmal exzentrisch und immer suchte er das Neue in seine Texten.
Solche Schriftsteller sind in heutiger Zeit eher selten.
Außerdem erfährt man in diesem Buch viel vom Literaturbetrieb dieser Zeit und das hat mich vielleicht am meisten am Buch überzeugt.

Bewertung vom 18.02.2025
Der Junge
Aramburu, Fernando

Der Junge


ausgezeichnet

Der 23.Oktober 1980

Fernando Aramburu ist in San Sebastian geboren, lebt aber schon lange in Deutschland. Doch seine Romane sind ganz und gar Spanien.
Ein schreckliches Ereignis 1980 in Spanien und wie die betroffenen Menschen damit umgingen, ist das Thema dieses großartig gemachten Buches. Durch eine Explosion gab es 50 Tote in einer Schule, überwiegend Kinder.
Stellvertretend wird die Familie des sechsjährigen Nuco, der unter den Todesopfern war, gezeigt. Für die Eltern Mariaje und Jose Miguel ein Schock. Sie versuchen auf verschiedene Art, mit dem Verlust umzugehen. Nicos Großvater schließt nicht mit dem Tod ab. Regelmäßig besucht er den Enkel auf dem Friedhof und scheint eine Verbindung aufrecht zu erhalten. Auf andere wirkt er deswegen wunderlich.

Fernando Aramburu ist ein Autor, der es versteht, die Psyche seiner Figuren auf realistische Weise zu untersuchen und er verdeutlicht die Probleme, die entstehen, wenn man die Gefühle aufgrund von Verlusten nicht auf- und verarbeitet.

Es gibt eine ungewöhnliche zusätzliche Ebene, in dem sich das Buchmanuskript selbst zwischenschaltet und Absichten des Autors kommentiert. Solche Schreibmethoden mit Ironie kennt man von Fernando Aramburu. Manche Leser kann das irritieren, ich finde es originell.

Der Junge ist verglichen mit anderen Romanen dieses Autors relativ kurz, ist aber dem Stoff angemessen und absolut passend.