Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Kwinsu
Wohnort: 
Salzburg

Bewertungen

Insgesamt 121 Bewertungen
Bewertung vom 10.02.2025
Lichtungen (eBook, ePUB)
Wolff, Iris

Lichtungen (eBook, ePUB)


gut

Lev und Kato verbindet ein besonders Band - eine Freundschaft, eine Anziehung und eine Verbundenheit, die bereits seit Kindheitstagen existieren. Während Lev in Rumänien geblieben ist, hat es Kato nach Zürich verschlagen - trotzdem denken sie aneinander. Doch wie hat die Geschichte der beiden begonnen?

Iris Wolff nimmt uns in "Lichtungen" in eine Zeitreise der beiden Protagonist:innen. Das besondere dabei: die Geschichte wird rückwärts erzählt. In neun Kapitel, ausgehend von der Gegenwart, tauchen wir in die Vergangenheit Levs und Katos bis in ihre Kindheitstage. Die Erzählerin folgt dabei Levs Werdegang und seinen Erinnerungen an Kato. Die Sprache der Autorin ist poetisch und das Tempo ist gemäßigt, ruhig, plätschert so dahin. Die einzelnen Kapiteln sind Momente / kurze Ausschnitte des jeweiligen Lebensabschnitts, erst zum Ende - angekommen in der Kindheit Levs - schließen sich so langsam die Kreise und man kann nachvollziehen, weshalb die Autorin die jeweiligen Ereignisse als Erzählung gewählt hat. Besonders schön ist es zu lesen, wie Lev Kato wahrnimmt, mit welcher Liebe, welchen Details und welcher Hingabe. Kato ist speziell und man spürt ihre Warmherzigkeit regelrecht beim Lesen. Die Beschreibungen von Lev selbst hingegen waren für mich eher blass und ich konnte seinen Charaktere über weite Strecken nicht einschätzen. Auch die Beschreibungen Rumäniens, mit den unterschiedlichen Ethnien und der bewegten Geschichte, finden ihren Platz, die Sehnsucht nach Althergebrachten und der freien Welt sind spürbar, bleiben aber für mich trotzdem eher oberflächlich beschrieben.

Für mich war das Buch - vor allem in der ersten Hälfte - ehrlichgesagt eher reizlos. Irgendwie verspürte ich Monotonie, es passierte nicht viel, die uneinschätzbaren Zeitsprünge verwirrten teilweise. Je kindlicher die Kapitel waren, desto mehr konnte ich mit dem Erzählten anfangen. Vielleicht lag es an der kindlichen Naivität, die nachvollziehbarer ist. Vielleicht sollte diese Veränderung zwischen Kindheit und Erwachsensein auch der Kern sein. Komplett einnehmen konnten mich aber leider weder die Figuren oder die Atmosphäre, noch die Geschichte selbst. Ja, die Verbindung zwischen den beiden ist zu spüren, ja, ihre Geschichte erschließt sich rückwärts etwas, aber was die Essenz des Erzählten ist, blieb mir verborgen. Vielleicht hat mir auch die nötige Geduld gefehlt, die die sanft gewählte Sprache einem abverlangt, aber ich konnte den Zauber, den scheinbar viele in "Lichtungen" gefunden haben, nicht erleben.

Bewertung vom 09.02.2025
Von Norden rollt ein Donner (eBook, ePUB)
Thielemann, Markus

Von Norden rollt ein Donner (eBook, ePUB)


sehr gut

Jannes ist 19 und steht in der Tradition seiner Familie - er ist Schäfer in der Lüneburger Heide. Eines Tages entdeckt er Spuren eines Wolfes und schnell wird diese mutmaßliche Bedrohung zum Gesprächsstoff Nummer 1. Während sein Vater langsam aber sicher einer Demenzerkrankung unterliegt und sich mit Hilfe eines völkischen Nachbarn immer mehr in die Wolfsbedrohung hineinsteigert, hat Jannes immer öfter verstörende Begegnungen mit einer Frau, die scheinbar nur er sehen kann. Und auch sein Großvater besinnt sich ob des Wiederauftauchens des ungewollten Tieres seiner Vergangenheit. Bis sich herausstellt, dass alles mit allem zusammenhängt und eine belastende Dunkelheit über der Familie liegt.

Markus Thielemann schafft mit "Von Norden rollte ein Donner" einen höchst atmosphärischen Roman, dessen Tempo die heutige schnelllebige Zeit vergessen lässt, auch wenn das Setting recht gegenwärtig ist (es spielt im Jahr 2014). Der Autor erzeugt mit seinem ruhigen und ausdrucksstarken Schreibstil eine bildhafte Szenerie, stets nimmt man sich in der Heide wahr, sieht auch jene Sachen, die verborgen zu sein scheinen und ahnt recht früh, welche Düsternis die Vergangenheit der Familie überschattet, auch wenn sie es selbst gar nicht weiß. Die Verschränkung der Themen (Alltag in der) Viehwirtschaft, Generationenkonflikte- und Generationenzusammenhalt, Demenz, psychische Erkrankung, Nazi-Vergangenheit & Rechtsextremismus und Overtourism werden hier so selbstverständlich erzählt, dass kein Zweifel aufkommt - diese Geschichte könnte auch wahr sein. Thielemann beherrscht die einnehmende Erzählkunst wie aus dem Effeff, auch wenn die gedrosselte Geschwindigkeit des Erzählten mitunter seine Längen aufweist. Lediglich Jannes wirkt mit seinen 19 Jahren um ein vielfaches älter: zwar werden ihm Freundschaften zugestanden, nichtsdestotrotz bleibt er in seinem Schäferdasein recht einsam, nur die nicht ausgewählte Familie umgibt ihn stetig. Weder gibt es (den Wunsch nach) Liebschaften, noch scheint der Protagonist das Verlagen nach Abwechslung, Party und Geselligkeit zu verspüren, was doch eher ungewöhnlich wirkt. Vielleicht ist es aber auch seine psychische Situation, die ihn wie einen Älteren scheinen lässt. Nur die volle Anerkennung seines Berufsstands und somit seiner Familie liegt ihm am Herzen.

Lange Zeit fragt man sich beim Lesen, in welche Richtung sich die Geschichte wohl bewegen wird, welche Wendungen da wohl auf eine zukommen. Es gibt zahlreiche Andeutungen und Hinweise, der Autor beherrscht es wirklich, sich nicht in Eindeutigkeiten zu verstricken, lässt vieles unausgesprochen, was aber immer klarer wird und darin ist seine Kunstfertigkeit zu erkennen. Von Norden rollt ein Donner ist ein souveränes, langsames und literarisches Buch, das stellenweise langweilt, aber größtenteils durch seine eindrückliche Atmosphäre, den Hauch der Andeutungen, die Verstrickung gesellschaftsrelevanter Themen und den generationsübergreifenden Geschichtserzählungen besticht.

Bewertung vom 26.01.2025
Zitronen
Fritsch, Valerie

Zitronen


ausgezeichnet

August Drach verbringt seine Kindheit in einem Dorf, umgeben von einem gewalttätigen Vater und einer distanzierten Mutter. Dies ändert sich, als der Vater plötzlich verschwindet - nun wird August von der Liebe der Mutter nur so überschüttet, so sehr, dass er dauerhaft krank wird. Schließlich kann er sich aus ihren Fängen entreißen und beginnt ein Leben in der Stadt. Langsam und anhand einer scheiternden Beziehung erkennt er seine eigenen Unzulänglichkeiten - oder auch nicht. Irgendwann jedoch kehrt er zurück in das Dorf um sich seiner Vergangenheit zu stellen.

Ich kann kaum ausdrücken, wie großartig ich Valerie Fritsch's "Zitronen" finde. Die nüchterne Sprache schafft eine ganz eigene Atmosphäre, sie stockt einem den Atem und reißt zugleich enorm mit. Der Hals schnürt sich zu wenn man von der Gewalt des Vaters liest, die er seinem Sohn antut. Dem gegenüber steht die Liebe des Familienoberhaupts zu seinen Hunden, die er liebevoll umhegt - August erkennt diesen Zwiespalt emotionslos aber doch voller Sehnsucht. Herzzerreißend lesen sich die stillen Momente, in der August sich nach Berührungen ereifert. Die Tyrannei scheint vorbei zu sein, als sein Vater spurlos verschwindet, wird aber prompt abgelöst von dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom seiner Mutter. Als sie mit dem neuen Lebensgefährten Otto in den Süden auf Urlaub fahren, darf August den schönsten Sommer seines Lebens verbringen, er genießt seine unverhoffte Gesundheit, das Meer und auch die Zugewandtheit Ottos. Nur die Mutter muss Höllenqualen durchstehen, kann sie doch ihren geliebten Jungen nicht mehr umsorgen. Im Schleier verbleibt dann der letzte Rest von Augusts Kindheit. Als Erwachsener schlägt er sich mit Lügen und Betrügen durch, bis er selbst eine Liebe findet, die er erdrückt mit der Gewalt der unvermögenden Liebe. Seine Emotionen wechseln vom Überbordenden über kindlichen Trotz bis hin zur scheinbaren Emotionslosigkeit, es wird klar, dass er sich nie Gelerntes als Erwachsener nur schwer aneignen kann.

Dieses Psychogramm Augusts ist Fritsch so hervorragend gelungen, dass man sich ab und an in der Figur selbst findet, Verständnis hat, wo keines sein sollte und seine Art doch mit Wiederwillen ablehnt. Der Roman ist erzählerisch dicht, er erfordert Aufmerksamkeit, eckt immer wieder an, zieht einen in seinen Strudel. Die Luft ist knapp, der Schleier über der Geschichte kompakt. Unfassbar ist die Kunst, die die Autorin mit ihrer nüchternen Sprachgewalt an den Tag legt. Zitronen ist ein Buch, das nachhaltig in Erinnerung bleibt und trotz aller Grausamkeit durch die hohe Erzählkunst einfach umwerfend ist! Meines Erachtens ein Meisterwerk!

Bewertung vom 25.01.2025
Das geerbte Weingut
Zingerle, Roland

Das geerbte Weingut


gut

Detektiv Heinz Sablatnig staunt nicht schlecht, als er von einem Notar informiert wird, dass er der alleinige Erbe eines Weinguts sein soll. Der Tote ist ihm aus der Vergangenheit ein Begriff, aber der Grund für die unverhoffte Erbschaft ist, dass der Gewesene langsam mit Arsen vergiftet wurde und ihm mit der Erbschaft auch auferlegt, seinen Mörder zu finden. Als Heinz sein Erbe antritt, stößt er selbstverständlich auf viel Widerwillen der Hinterbliebenen. Wer von ihnen wollte den Weingutbesitzer tot sehen? Die Spurensuche verläuft holprig, führt zu einer Bruderschaft und entlarvt einen unerwarteten Tötungsgrund.

Roland Zingerle ist mit "Das geerbte Weingut" ein souveräner Kärntner Regionalkrimi gelungen, der leicht und kurzweilig zu lesen ist, auch wenn er sich streckenweise in die Länge zieht. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf seine Hauptfigur Heinz, die umfassend beschrieben wird. Auch andere Charaktere werden detailliert gezeichnet. Ebenso erfahren wir viel über die Kärtner Weinkultur und über Weinbau generell. Teilweise hat es den Anschein, als würde der Autor das für ihn neu Gelernte direkt an seine Leserschaft weitergeben. Ein weiteres Manko ist, dass Zingerle traditionelle Rollenbilder unreflektiert weitergibt, indem er beispielsweise die Figur "Marie", 19 Jahre alt und Tochter des Ermordeten, selbstverständlich und ohne Gemurre die Herren der Familie bedienen lässt, sie kocht zur richtigen Zeit und tut so gar nichts für sich selbst Da liegt es auch auf der Hand, dass sie sehr emotional ist und ständig in Tränen ausbricht. Das erscheint in der heutigen Zeit äußerst altbacken und eher weniger mit der Realität zu tun zu haben. Ebenso wird der Bruder des Verstorbenen, der im Rollstuhl sitzt, als dafür bedauernswerte Person geschildert und dem Autor fiel kein anderes Verb für seine Fortbewegung als "rollen" ein. Auch dies mutet unzeitgemäß und unreflektiert an. Auch von einem "geistig Behinderten" zu sprechen, lässt sprachsensible Menschen ratlos zurück. Aber selbstverständlich ist das Ansichtssache, es gibt wohl einige Leser:innen, die sich daran nicht stören mögen. (leider) Sehr verwunderlich ist es weiters, dass die um ihr Erbe betrogenen keinerlei juristische Hilfe in Anspruch nehmen, um sie sich rechtmäßig zurück zu holen. Generell ist fraglich, ob es überhaupt legal ist, dass nahe Verwandte so ganz ohne Erbanteil aussteigen können (hierfür fehlt mir allerdings die juristische Expertise).

Als zusätzliche Handlung, die den Ermittlungen neuen Schwung einhauchen, wird eine Fahne aus dem Büro des Toten gestohlen, die zu einer alten Weinbau-Bruderschaft führt. Für mich hat sich diese Wendung etwas an den Haaren herbei gezogen angelesen und hätte es nicht unbedingt gebraucht. Nichtsdestotrotz habe ich das Buch in weiten Teilen gern gelesen und habe versucht, die sich mir nicht erschlossenen Details außer Acht zu lassen. Was mich aber dann wirklich gestört hat, war die Aufklärung des Falles, da er uns ein Mordmotiv liefert, das zwar überraschend, aber für mich überhaupt nicht glaubwürdig erscheint. Auch hier bedient der Autor Gesellschaftsklischees, die mit der Wirklichkeit nur wenig am Hut haben.

Mein Fazit: "Das geerbte Weingut" ist ein Kärtner Regionalkrimi, der durchaus angenehm und teilweise spannend zu lesen ist, besonders, wenn man etwas über Weinkultur und Weinanbau lernen möchte. Leider konnte mich die Aufklärung des Falles so gar nicht überzeugen und mir waren die von Zingerle vermittelten Gesellschaftsbilder viel zu altbacken.

Bewertung vom 19.01.2025
Nach Ibiza
Hessenthaler, Julian

Nach Ibiza


sehr gut

Jedem politisch interessierten Menschen in Österreich wird jener Tag im Mai 2019 in lebendiger Erinnerung bleiben, als es plötzlich hieß: Strache will die Nation verscherbeln. Durch investigative Journalisten der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, führte die "Ibiza-Affäre" zum Bruch der Koalition von Türkis-Blau. Bereits kurz danach veröffentlichten die Ostermayer-Journalisten der SZ ein Buch zu den Hintergründen. Nun ist aber jener Mann an der Reihe, seine Version der Geschichte zu erzählen, der hinter dem kompromittierenden Video steckt: Julian Hessenthaler.

Schon kurz nach der Aufdeckung des Skandals wurde er zu einem der meistgesuchten Österreicher, konnte sich aber noch einige Zeit in Deckung halten, bis er schließlich aufgespürt und rund eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft saß. In "Nach Ibiza" lässt uns Hessenthaler, der Sicherheits-Consultant, wissen, wie es aus seiner Sicht zu dem Video gekommen ist, warum es rund zwei Jahre dauerte bis es veröffentlicht wurde und wie er die Jagd auf sich erlebte. Hessenthaler ist kein Schreiberling, dass merkt man bereits an den ersten paar Seiten - die Sprache wirkt teils holprig, teils sehr umgangssprachlich, aber das macht das Gelesene noch authentischer. Hessenthaler gibt auch Einblick in seine Herkunft und wie es ihm vor seiner Sicherheits-Karriere ergangen ist, was seinen weiteren Werdegang erklärt.

Trotzdem wundert man sich häufig über das was man liest. Einerseits schien Hessenthaler, nicht nur bei der Erstellung und Weitergabe des Videos, oft sehr dilettantisch und naiv vorzugehen, andererseits gelang es ihm trotzdem, Vertrauen zu Schlüsselpersonen aufzubauen. Oft schwingt auch ein Stückchen Selbstmitleid mit, obwohl er häufig doch ziemlich viel Glück hatte, betrachtet man die Blauäugigkeit, die ausführlich geschildert wird. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich ihm einiges nicht abnehme, was auch daran liegt, dass Hessenthalers Argumentation teilweise unschlüssig oder wenig glaubhaft ist. Nichtsdestotrotz ist es spannend mitzuverfolgen, wie ihm das Video gelungen ist, wie seine Gefühlslage war, es so lange unter Verschluss zu halten, wie er es verkraftete zum Gejagten und Beschuldigten zu werden. Besonders bemerkenswert ist, wie die österreichische Justiz bzw. Exekutive versuchte, ihn zum Schuldigen zu machen, das Kopfschütteln hört nicht auf, wie Hessenthaler den Prozess beschreibt, der gegen ihn geführt wurde und ihn schließlich verurteilte für Delikte, die er nach seinen Aussagen nicht begangen hat. Und tatsächlich sind die geschilderten Widersprüche im Verfahren unfassbar, auch wenn klar ist, dass hier nur eine Seite erzählt wird.

Wie erwähnt, fand ich es oft schwer, Julian Hessenthaler alles abzukaufen, so wie er es in seinen Worten erzählt. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass nur ein Bruchteil des Erzählten stimmt, was ganz sicher der Fall ist, lässt es einen schier sprachlos zurück, denn es führt einem vor Augen, was alles schief läuft in unserem Land. Man wundert sich nicht mehr, weshalb Österreich in den Korruptionsrankings immer weiter nach oben gereiht wird, worüber man sich allerdings sehr wundern darf nach dem Gelesenen, das zwar nicht allzu viele neue Facetten auf die Ibiza-Affäre wirft, aber doch die Gefühlslage des Drahtziehers gekonnt wiedergibt, ist die Tatsache, dass nach all den korrupten Vorhaben, die uns die FPÖ (aber auch die ÖVP) vor nur so kurzer Zeit eingebracht haben, sich diese über einen solchen Wähler:innenzuspruch freuen dürfen. Die Welt ist wohl aus den Fugen geraten. Hessenthaler schließt jedenfalls mit dem inbrünstigen Plädoyer, die Demokratie niemals aufzugeben, sie zu schützen. Hoffen wir, dass viele Menschen sich auf dieses Ansinnen berufen.

Bewertung vom 23.12.2024
Siebenmeilenherz
Winkler, Katharina

Siebenmeilenherz


ausgezeichnet

Katharina Winkler erzählt in "Siebenmeilenherz" das Unerzählbare: den sexuellen Missbrauch an einem Kleinkind. Die Erzählform ist teils märchenhaft - auch weil das Buch Märchen immer wieder als Referenz verwendet - besonders im ersten Teil des Buches, als die Protagonistin und gleichzeitige Erzählerin Kind ist, verwendet sie eine Gedichtform, die das Erleben des Kindes in seinem naiven und elterngläubigen Weltbild absolut realistisch wirken lässt. Die Liebe des Vaters seiner fünfjährigen Tochter gegenüber ist so groß, dass das Herz ihrer Mutter stehen bleiben würde, wüsste sie davon - so erzählt der Täter es dem Kind. Der Missbrauch wird als Geschichte gestaltet, der Vater erzählt vom Mäuseloch, der Zauberritze, dem Horn und dem Zaubersaft. Die Missbrauchsszenen sind unpackbar, das Kind ist dem schutzlos ausgeliefert, glaubt, dieses Spiel sei normal, auch wenn sie weiß, dass sie nicht will, was geschieht.

Der Erzählstil wechselt, als die Protagonistin älter wird, es erfolgt eine Abkehr von der Lyrikform hin zur Erzählung. Trotzdem zeichnet die Autorin ein realistisches Bild von der Qual der Missbrauchten, wie sie sich in der Pubertät und darüber hinaus durch das Leben hetzt, sich selbst verletzt, beziehungsunfähig zu sein scheint. Der innere Kampf, der nichts sehnlicher will, als ein Eingeständnis des Vaters für das Unrecht und den Schmerz, den er ihrer Seele angetan hat, ist absolut nachvollziehbar.

So grausam das Thema ist, so großartig ist es der Autorin gelungen, das Innenleben einer Missbrauchten zu erzählen, es den Lesenden fühlen zu lassen. "Siebenmeilenherz" kam wohlverdient auf die Shortlist des Österreichischen Buchpreises, auch wenn es bedauerlicherweise nicht ausgezeichnet wurde. Es ist literarisch ein Meisterwerk, auch wenn es ob der schockierenden Thematik nicht für jede/n geeignet ist. Es stellt ein großes Risiko dar, dieses Thema literarisch zu bearbeiten, glaubhafter könnte es aber nicht dargestellt werden.

Bewertung vom 02.12.2024
White Lives Matter
Kuhnke, Jasmina

White Lives Matter


gut

In "White Lives Matter" finden sich die Leser:innen in einer umgekehrten Welt wieder: Menschen mit weißer Hautfarbe sind die Unterdrückten, wohingegen die schwarze Gesellschaft rassistische Unterdrückung ausübt. Hauptprotagonistin ist die junge Studentin Anna, die es als eine der wenigen geschafft hat, an der Uni studieren zu können. Mit außerordentlichen Eifer treibt sie ihr Geschichtestudium voran, um gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Einer ihrer Professoren bittet sie, eine Hausarbeit über die Unterdrückung der Weißen zu schreiben und akribisch, wenn auch mit anfänglichen Widerwillen, beginnt sie zu recherchieren, stößt immer wieder auf fatale Geschichten einzelner, die aufgrund der kolonialen Unterdrückung ihr Leben lassen mussten. Schnell erkennt sie, dass diese Geschichte der Unterdrückung bislang in der Forschung kaum beleuchtet wurde, was ihren Forscher:innenergeiz vorantreibt. Bis ein schrecklicher Vorfall ihr einen geliebten Menschen entreißt und sie zur Mitbegründerin von "White Lives Matter" macht.
Das Gedankenexperiment, das Jasmina Kuhnke zu wagen versucht, ist großartig - wie fühlt es sich an, zum unterdrückten Teil der Gesellschaft zu gehören, was macht das mit den Leser:innen, wenn plötzlich Weiße diskriminiert, gefoltert, aufs grausamste zur Schau gestellt und getötet und grundsätzlich als minderwertige, ja teils animalische Menschen behandelt werden? Was macht das mit einer/m, den Rassismus umzukehren? In "White Lives Matter" ist die Welt und deren Geschichte umgekehrt, Schwarze sind hier die herrschenden Eliten. Die Autorin ersetzt einfach schwarz gegen weiß, lässt aber jegliche geografische Verordnung außen vor. Lediglich "Norden" und "Süden" dienen als geografische Orientierung. In kurzen Blitzlichtern wird in die Vergangenheit geblickt und beschrieben, wie Weiße auf bestialische Art zu Tode kamen, meist durch die Hand ihrer Unterdrücker, auf alle Fälle aber mit deren Zutun. 
Die Hauptprotagonistin Anna versucht es allen recht zu machen, versucht nicht aufzufallen und glaubt anfangs mit Ehrgeiz und Unauffälligkeit weiterzukommen. Sie muss einiges an Diskriminierung aushalten, schluckt es, auch wenn es sie innerlich zerfrisst. In den ersten zwei Dritteln des Buches wirkt sie recht naiv. Ein besonderes Augenmerk wird auf ihr Verhältnis zu ihrem Bruder gelegt und hier reagiert Anna oft mit kindlichem Trotz auf Konflikte. Ihr Bruder, der die gesellschaftlichen Verhältnisse so nicht hinnehmen will, reagiert auf jede Diskriminierung mit Widerstand, etwas, was Anna falsch findet. Auch wenn sie sich im Verlauf des Buches emanzipiert, ist das meiner Meinungen einer der Schwachstellen in der Geschichte. 
Der Mann als Widerständiger und die Frau als jene, die alle Unterdrückung schluckt, ist ein Rollenbild, das lang tradiert wurde - und noch immer wird. Deshalb finde ich es auch sehr schade, dass Anna diese Rolle lange Zeit inne hat. Besonders im ersten Drittel erfahren wir viel von Annas (oft trotzigem) Innenleben, was aber im Laufe der Geschichte etwas abnimmt, das mich aber aufgrund der folgenden Ereignisse etwas verwundert. Grundsätzlich finde ich die Aufteilung des Romans etwas unausgewogen, erfahren wir im ersten Teil doch sehr viel über ihre Lebenssituation, wie es im Studium läuft, wie das Zusammenleben in der WG funktioniert (Anna ist hier die einzige Weiße), ein bisschen etwas über ihre Freundschaften und ihre Familie. Das einschneidende Erlebnis, bei dem ein ihr geliebter Mensch stirbt und der darauffolgende Widerstand gegen die Unterdrückungsverhältnisse und das System werden relativ rasch abgehandelt. Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist zudem, dass beschrieben wird, wie Anna zur Geschichte der Unterdrückung recherchiert - als Studentin der Geschichtswissenschaft - und hier passieren die Einschübe aus der Vergangenheit, bei denen jeweils eine Geschichte des Zutodekommens einer weißen Person beschrieben wird. Danach folgt die Beschreibung, wie Anna das gerade Recherchierte aufnimmt. Das ist für mich etwas unglaubwürdig, denn es wird nicht erklärt, welche Quellen Anna hier verwendet hat - vermutlich auch deshalb, weil es dazu keine gegeben haben könnte, denn die Geschichte der Unterdrückten wurden so gut wie nie aus ihrer eigenen Perspektive festgehalten, sondern wenn dann aus der Sicht der Unterdrücker.
Mein Fazit: "White Lives Matter" ist ein Roman, der die Welt der Unterdrückung aus einer fiktiven Umkehr der Machtverhältnisse erzählt. Die Idee ist großartig, kann sie doch den Unterdrückenden einen Spiegel vor Augen halten. Leider hat mich jedoch die Umsetzung nicht wirklich überzeugt, ist die Hauptprotagonistin doch sehr im patriarchalen Rollbild gezeichnet. Außerdem wirkte für mich die Geschichte und deren Erzählweise an Geschehnissen etwas unausgewogen.

Bewertung vom 01.12.2024
Was wir nicht kommen sahen
Seck, Katharina

Was wir nicht kommen sahen


sehr gut

Ada ist 18, als sie sich das Leben nimmt. Ihr Suizid ist für ihre Eltern Jenny und Dominik anfangs unerklärlich, doch sie machen sich auf Spurensuche und blättern nach und nach auf, welchem Terror sich ihre Tochter unterziehen musste. Ada wurde Opfer einer ganz perfiden Art von Cybermobbing, das auch auf ihr physisches Leben übersprang. Und keiner konnte ahnen, wie belastet die junge Frau wurde...

Katharina Seck ist mit "Was wir nicht kommen sahen" ein mitreißender Roman gelungen, welcher der Gesellschaft einen Spiegel vorhält - und das mit Nachdruck. Sie thematisiert so viele unterschiedliche gesellschaftliche Aspekte, wie das nach wie vor vorherrschende Patriarchat, Mobbing in seinen unterschiedlichsten Formen (physisch & digital & hybrid), Incels, fehlende Aufklärung im Schulsystem und allgemein in der Gesellschaft was den digitalen sozialen Raum betrifft, um nur einige wenige zu nennen.

Die Erzählperspektive macht das Buch neben der relevanten Themen noch spannender - wir wechseln uns beim Lesen ab zwischen Ada und ihrer Mutter Jenny, wobei auch immer wieder in der Zeit gewechselt wird - wir erleben, wie Jenny und Dominik mit Adas tot und der Trauer kämpfen, aber auch den schweren Kampf, den Ada gegen die digitalen Trolle führte. Nach und nach recherchieren ihre Eltern, welche Ereignisse ihre Tochter durchleben musste, ohne dass sie auch nur einen Funken davon mitbekommen hatten (kaum gab es einen treffenderen Buchtitel!). Den Schreibstil der Autorin finde ich sehr eindringlich, er ist direkt und philosophisch und gesellschaftskritisch durch und durch - und erinnert mich sehr an den Stil von Mareike Fallwickl.

Besonders hervorheben möchte ich, dass zwischendurch auch immer wieder "die Anonymität" zum Erzählen kommt: in diesen kurzen Kapiteln werden Menschen, über deren Identität wir nichts genaueres erfahren, beschrieben - wie sie denken und fühlen, beispielsweise ein Incel, der über seinen Frauenhass und seine Incel-Gruppe berichtet, aber auch eine junge Frau aus schwierigen Verhältnissen, die (Mobbing-) Täterin und Opfer zugleich ist. Das finde ich deshalb so gut, da hier ohne Wertung auch die "Gegenseite" gezeigt wird, die nämlich auch Menschen und meist selbst in irgendeiner Weise Benachteiligte der Gesellschaft sind. Aber auf sie wird nicht mit dem Finger gezeigt, sondern durch die objektive Beschreibung dieser Charaktere den Lesenden veranschaulicht, dass es eben auch eine andere Seite mit eigenem Schicksal gibt - toll!

Besonders die Trauer und Verzweiflung von Adas Mutter Jenny werden so absolut nachvollziehbar beschrieben, dass ich beinahe das Gefühl hatte selbst in ihrer Haut zu stecken. Auch die Beziehung zu ihrem Mann Dominik, die in der Trauer nicht nur Höhen erlebt, wird authentisch dargestellt. Einen kleinen Punkteabzug gebe ich aber trotzdem, da für mich die Figur Ada nicht ganz greifbar ist. Sie wird als so starke und kämpferische junge Frau dargestellt, dass für mich der radikale Schritt Suizid nicht wirklich nachvollzogen werden kann. Ich möchte keinesfalls herunterspielen, dass das was sie durchmachten musste, an Heftigkeit kaum zu überbieten ist, hinzu kam ein persönlicher Vertrauensbruch als letztes Tüpfelchen - und trotzdem fühlte sie sich wie eine Person an, die gegen das System kämpft und nicht aufgibt.

Mein Fazit: "Was wir nicht kommen sahen" ist ein Buch, was alle Eltern von Teenagern lesen sollten, um etwas mehr von ihrer Lebensrealität zu verstehen. Es wäre außerdem ein hervorragendes Buch für den Unterricht, um das Thema Cybermobbing zu reflektieren. Im Stil von Mareike Fallwickl hält Katharina Seck der Gesellschaft eine Spiegel vor, der einen ordentlich zum Nachdenken bringt und auch etwas fragend hinterlässt.

Bewertung vom 03.11.2024
Die große Sehnsucht
Sydow, René

Die große Sehnsucht


sehr gut

Am Bodensee, Mitte der 1990er: Fete, Michi und Rabe starten die letzte Klasse Gymnasium und durchleben allerhand Zukunftsfantasien. Vor allem für Rabe ist klar, was er werden will: Regisseur. Doch je mehr sie sich mit konkreten Plänen beschäftigen, desto mehr Realität erleben sie. Und sie spüren, dass die Zeit, die sie jetzt haben, jene ist, die gelebt werden muss.

René Sydow ist mit "Die große Sehnsucht" ein unterhaltsamer Coming-of-Age-Roman gelungen, der die Protagonist:innen voller Leben zeichnet. Die Jungs sind allesamt einfühlsam, engagiert und glauben zu wissen, wohin sie wollen. Natürlich steht das andere Geschlecht im Mittelpunkt und die Beziehungen, die die Hauptprotagonisten entwickeln, fühlen sich trotz Unsicherheiten und gespieltem Selbstbewusstsein sehr authentisch an. Besonders gefallen hat mir, dass der Autor nicht mit oft gelesenen Jungs-/Mädchenklischees spielt, die Charaktere sind einander gegenüber respektvoll, auch wenn es natürlich auch hier das eine schöne Mädchen gibt, das alle begehren. Doch Fantasie und Realität unterscheiden sich und so gelingt es den jungen Männern, tiefergehende Beziehungen aufzubauen.

Der Schreibstil des Autors ist einnehmend und ich konnte mir die Szenen des Buches sehr bildlich vorstellen. Die Erzählperspektive wechselt zwischen den drei Hauptfiguren, selten werden auch Elternperspektiven erläutert. Die meiste Aufmerksam erhält Rabe mit seiner Fokussierung auf seine Zukunft als Regisseur. Hier ist besonders schön zu sehen, dass der Junge zwar schon seit er denken kann, sein Ziel vor Augen hat, aber als dieses näher kommt, zweifelt er mitunter, ob es tatsächlich das ist was er will. Dazu trägt auch seine sich entwickelnde Beziehung zu Viola bei, die er mehr und mehr ins Herz schließt. Auch Fete wird eingehender beleuchtet, er ist der Partytiger und gilt als Frauenheld. Dass es damit in der Realität aber nicht weit her ist, überrascht nicht nur seine Herzensdame Dani, sondern auch die Lesenden. Nur Michi wird etwas stiefmütterlich beschrieben, was schade ist, denn seine Geschichte wird zwar angedeutet, aber nur wenig erläutert.

Trotzdem mir das Buch sehr gefallen hat, finde ich es schade, dass es zwischen den drei Hauptcharakteren ein Ungleichgewicht an Erzähltem gibt. Hier hätte es mir persönlich besser gefallen, wenn entweder nur ein Charakter die volle Aufmerksamkeit bekommt oder aber alle drei Protagonisten gleichermaßen erzählt werden. Irritiert hat mich die nur ganz selten auftauchende Erzählperspektive eines Elternteils und auch das Auftauchen eines verloren geglaubten Vaters wird nicht näher beleuchtet, obwohl anzunehmen ist, dass dies durchaus etwas mit dem Jungen anstellt. Die Beschreibungen der 90er-Jahren standen für mich gar nicht so zentral im Fokus, waren aber schön, auch wenn manche geäußerten Zukunftsprognosen der Figuren für mich etwas zu konstruiert und deshalb etwas unglaubwürdig erschienen.

Mein Fazit: "Die große Sehnsucht" ist ein unterhaltsamer Coming-of-Age Roman, der in den 1990er spielt. Besonders schön ist die Einfühlsamkeit, die Zielstrebigkeit und die Tiefe der Charaktere, auch wenn sie leider nicht allesamt die gleiche erzählende Aufmerksamkeit bekommen. Der Schreibstil des Autors ist kurzweilig und auch wenn das Buch für mich kleinere Schwächen hat, habe ich es gern gelesen.

Bewertung vom 29.10.2024
Die Zeit im Sommerlicht
Laestadius, Ann-Helén

Die Zeit im Sommerlicht


gut

Anne-Risten, Else-Maj, Jon-Ante, Marge und Nilsa ereilt Anfang der 1950er Jahre das gleiche Schicksal: als geborene Samen - damals noch (abwertend) "Lappen" genannt - müssen sie die "Nomadenschule" besuchen. Dort sind sie wie in einem Kinderheim untergebracht und dürfen ausschließlich Schwedisch sprechen, ihrer eigenen Muttersprache werden sie enteignet. Dem nicht genug, steht der Schule die "Hausmutter" vor, einer bösartigen Erzieherin, die es scheinbar genießt, die kleinen Kinder zu quälen und auch vor körperlichen Übergriffen nicht Halt macht. 30 Jahre später sind alle Protagonist:innen auf ihre eigene Art von ihren schrecklichen Kindheitserlebnissen traumatisiert und die Wiederbegegnung mit der Hausmutter wird zum schicksalshaften Ereignis...



Ann-Helen Laestadius setzt mit "Die Zeit im Sommerlicht" die Aufarbeitung der Unterdrückung der Samen im 20. Jahrhundert in Schweden fort. Bereits in ihrem ersten auf Deutsch erschienenen Roman "Das Leuchten der Rentiere" thematisierte sie die Diskriminierung der indigenen Bevölkerung Skandinaviens.

Ihr Schreibstil mutet kindlich-naiv an, was in den Episoden der 1950er Jahre, als tatsächlich über die Erlebnisse der Kinder erzählt wird, wunderbar passend und einfühlend ist. In den Zeitsprüngen, welche die Leser:innen zwischendurch immer wieder in die 1980er versetzt, scheinen die Erwachsenen doch noch sehr viel kindliches an sich zu haben, was bestimmt auch an eben jenem Schreibstil liegt. Ob dies als Stilmittel beabsichtigt oder eben die grundsätzliche Schreibart ist, kann nicht nachvollzogen werden, ich empfand es aber über weite Teile des geschilderten Erwachsenenlebens als etwas mühsam und teilweise auch nervig.



Grundsätzlich hat der Roman seine Längen, besonders in der ersten Hälfte des Buches. Obwohl das Erzählte berührend ist, musste ich das Buch immer wieder weglegen. Erst in der zweiten Hälfte begann der Roman wirklich mitreißend zu sein, die Geschichten fanden zusammen und verwoben sich ineinander. Exakt so ist es mir bei "Das Leuchten der Rentiere" auch ergangen. Was die Lesefreude bei mir zudem etwas hemmte, war die Tatsache, dass für die Geschichte eigentlich unwichtige Details in aller Breite ausgeschmückt werden. Natürlich ist es wichtig, samische Rituale und Gepflogenheiten zu erläutern, ob dies jedes Mal der Fall sein und sich immer wieder wiederholen muss, bleibt zu bezweifeln. Aber auch bezüglich anderer Thematiken, vorwiegend wenn es um Beziehungen geht, weiß sich die Autorin ausführlich in Details zu verlieren.



Was mir wirklich sehr gut gefallen hat, ist der Umgang und die Thematisierung von Sprache - nicht nur, dass oft samische Ausdrücke verwendet werden, auch die Beschreibung wie diese eingesetzt wird, wie sie teils von eigenen Angehörigen aufgrund von schlechten Erfahrungen negiert wird, was sie aber trotzdem für die Sami bedeutet, das alles ist wunderschön beschreiben.



Mein Fazit: "Die Zeit im Sommerlicht" ist ein lehrreicher Roman, der die Geschichte der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Skandinaviens fiktional nachzeichnet. Die kurzen Kapitel und die Zeitsprünge, die zwischen der Kindheit der Protagonist:innen und dem Erwachsensein derer wechseln, macht das Lesen abwechslungsreich. Leider macht die teilweise vorhandene Detailverliebtheit und der durchwegs kindliche Sprachstil es zu keinem kurzweiligen Lesevergnügen. Es ist trotzdem lesenswert, schon alleine, weil über Menschen berichtet wird, die in der europäischen Wahrnehmung bislang zu wenig Platz gefunden haben.