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VolkerM

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Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2025
Wächst nicht gibt's nicht
Lugerbauer, Katrin

Wächst nicht gibt's nicht


ausgezeichnet

„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“. Das Gleiche kann man von sogenannten „Problemzonen“ im Garten sagen. Die gibt es nicht, es gibt nur die falschen Pflanzen für den Ort, denn bis auf wenige Ausnahmen werden in unseren Breiten alle Orte irgendwie von Pflanzen besiedelt. Man braucht nur mit offenen Augen durch die Natur zu gehen, dann lernt man viele Arten kennen, die sich auf solche „Problemzonen“ spezialisiert haben und da gut zurechtkommen. Sie sind oft wenig durchsetzungsstark, aber an ihrem Standort eben konkurrenzlos. Katrin Lugenbauer erklärt in ihrem neuen Buch diese Lebensraumstrategien und wie man sie im Garten vorteilhaft nutzen kann. Dabei bedient sie sich nicht nur in der heimischen Flora, sondern auch in Nordamerika, dem Nahen Osten und Asien, wo es sehr gartenwürdige Vertreter gibt, die oft auch mit unseren Einheimischen verwandt sind.

Neben der richtigen Pflanzenauswahl setzt die Autorin auch einen Fokus auf die richtige Bodenvorbereitung, denn auch hier lässt sich einiges optimieren, was dann wieder die Auswahl erhöht.
Neben der Neuanlage hat Katrin Lugenbauer einige praktische Ideen für den Umbau von bestehenden Beeten „im laufenden Betrieb“. Nicht jeder kann oder will ja seinen eingewachsenen Garten mit dem Bagger umgestalten. Aber wie anfangs schon gesagt, sind viele der attraktiven Problemzonenbewohner nicht sehr konkurrenzstark, so dass man ihnen ein bisschen nachhelfen muss. Allerdings hat die Autorin auch ein paar Vertreter im Programm, die ganz schön lästig werden können (Centranthus ruber ist so ein Kandidat), ohne dass die Autorin darauf ausdrücklich hinweist. Dann kann eine Problemzone nach ein paar Jahren auch gerne zur Monokultur mutieren. Kann auch schön aussehen.

Die Artenlisten sind nach den jeweiligen Standorten sortiert (Wurzeldruck, schattig, vollsonnig und trocken etc.), unterscheiden sich aber deutlich vom Nullachtfünfzehn-Sortiment. Die üblichen Baumarkt-Kandidaten wird man hier eher nicht finden. Trotzdem sind die Vertreter ausgesprochen attraktiv, darunter echte Leitstauden und Begleiter, in vielen Höhenstaffelungen und Farben. Eigentlich kann man mit ihnen genauso arbeiten wie mit den Standardpflanzen, man muss sie eben nur kennen. Da viele Vertreter auch heimisch sind, sind sie von besonderem ökologischen Wert, indem sie z. B. Insekten mit Nahrung, Nistmaterial oder Behausung versorgen. Bezugsquellen nennt die Autorin genauso wie weiterführende Literatur.

Obwohl das Buch weitgehend auf dem wissenschaftlichen Konzept der Strategietypen basiert, erklärt Karin Lugenbauer das Prinzip in einer allgemeinverständlichen Sprache, ohne akademischen Ballast. Viele Anmerkungen zur Praxiserfahrung ergänzen die Pflanzenlisten und die Illustrationen sind sehr attraktiv. „Problemzonen“ gibt es wirklich nicht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus
Twain, Mark

Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus


ausgezeichnet

Mit 14 habe ich den „Yankee“ zum ersten Mal gelesen, damals noch als reine Abenteuergeschichte. Es war tatsächlich meine erste literarische Begegnung mit Mark Twain, noch vor „Tom Sawyer“ oder dem herrlichen „Bummel durch Europa“, mit der wohl lustigsten Beschreibung der deutschen Grammatik überhaupt. Im Abstand von einigen Jahrzehnten habe ich den „Yankee“ jetzt wieder gelesen und er hat mich erneut gefesselt. Zu meinem Glück hatte ich viele Wendungen schon vergessen, so dass die Spannung nicht gelitten hat, hinzugekommen ist aber die Bewunderung für die originelle Geschichte, die tatsächlich ein echter Science-Fiction-Roman ist. Der Ich-Erzähler wird aus seiner Gegenwart, dem Ende des 19. Jahrhunderts, geradewegs ins Mittelalter katapultiert, wobei er mit seinem technischen und naturwissenschaftlichen Wissen einen unschlagbaren evolutionären Vorteil genießt. In kürzester Zeit erobert er sich die Stelle des Premierministers und beginnt, das Land umzubauen. Sein Fernziel ist die Abschaffung der Leibeigenschaft und des Adels, was erwartungsgemäß auf Widerstand trifft, doch Twains Überlegenheitsgefühl bekommt irgendwann Risse. Der Zauberer Merlin, mit dem er in inniger Feindschaft verbunden ist, wartet nämlich nur auf seine Gelegenheit. Und die wird kommen.

Twains Humor zeichnet sich besonders durch seine Menschenfreundlichkeit und feine Selbstironie aus, wodurch die menschlichen Schwächen sogar noch deutlicher hervortreten. Der Kampf von Wissenschaft und Logik gegen tumben Glauben ist selten so originell beschrieben worden und die Mechanismen, mit denen Menschen in einer weltanschaulichen Blase die Wahrheit ausblenden, erinnert doch sehr an unsere Gegenwart. Twain ist erstaunlich zeitgemäß, bedenkt man, dass das Buch fast 150 Jahre alt ist. Die Einfälle sind heute noch so originell wie damals und nicht umsonst wurde es mehrfach verfilmt. Übrigens erschien der „Yankee“ noch vor dem Roman „Die Zeitmaschine“ von H. G. Wells, der sich nicht wenige Ideen von Twain „geborgt“ hat.

Die Übersetzung ist gut, aber an einigen Stellen, bei denen englische Wortspiele im Hintergrund stehen, hätte ich mir etwas mehr Mühe bei der Übertragung gewünscht. Harry Rowohlt war einer der wenigen Übersetzer, der solche Transferleistungen ins Deutsche genial hinbekam, hier gelingt das nicht ganz so elegant. Auch die „mittelalterliche“ Wortwahl der Einheimischen erinnert mich eher an Living History als an authentischen Sprachgebrauch.

Trotzdem habe ich das Buch wieder mit großem Vergnügen gelesen, auch weil die liebevolle Buchausstattung der Manesse-Ausgabe dazu zusätzlich beiträgt. Eine Geschichte, die jede Generation aufs Neue begeistern wird.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Seunggu Kim
Kim, Seunggu

Seunggu Kim


ausgezeichnet

Wie erholt man sich in einer Gesellschaft, die immer in Eile ist, die keine Zeit hat und in überindustrialisierten Städten mit wenig Naturräumen lebt? Koreaner sind Pragmatiker. Sie planen ihre Freizeit so effizient wie die berufliche Arbeit und wägen Aufwand gegen Nutzen ab. Stadtnahe Freizeitparks und Festivals sind Gelegenheiten, mit geringem Aufwand zusammen mit anderen Spaß zu haben. „Kollektiven Individualismus“ nennt der Fotograf Seunggu Kim dieses Phänomen, das es in dieser Ausprägung nur in Korea gibt. Für Europäer sind das uniforme Verhalten und die trostlose Einfachheit der „Attraktionen“ mit Individualismus kaum zu assoziieren, in Korea ist das ganz offensichtlich anders. Kim hat seit fast 10 Jahren detaillierte Übersichtsfotos von Freizeitparks und Festivals aufgenommen und gibt so interessante Einblicke in das Vor-Corona, Während-Corona und Nach-Corona Korea. Die Unterschiede sind kaum wahrnehmbar, was auf bestimmte kollektive Verhaltensmuster zurückzuführen ist, die es Korea ermöglichte, ohne drakonische Maßnahmen die Corona-Pandemie zu überstehen, bei der gleichzeitig geringsten Todesrate aller Industrienationen.
Kims Fotos werden immer aus erhöhten Perspektiven aufgenommen und wirken oft wie Drohnenbilder, wodurch der gleichgeschaltete Individualismus, der für den europäischen Betrachter so irritierend ist, auf den ersten Blick erkennbar wird.

Im Nachwort erklärt der Autor diese auffälligen kulturellen Unterschiede, allerdings zeigen die Fotos auch keine absolute Realität, denn die vielen Dutzend Menschengruppen eines einzelnen Bildes sind einfach zu perfekt arrangiert, um natürlich zu sein. Sie visualisieren also eher ein Konzept. Aber letztlich macht das künstlerische Fotografie immer.

Kim nutzt Großformatkameras für seine Fotos, was im verkleinerten Format als Überdetailliertheit wahrgenommen wird. Es sind echte Wimmelbilder, die man gerne größer sehen möchte, um die Raffinesse der Komposition klarer zu erkennen. Das Buchformat ist erkennbar ein Kompromiss, der den riesigen Originalen zwar nicht wirklich ebenbürtig ist, aber zumindest einen realen Eindruck vermittelt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Das Reisebuch Japan
Kleinschmidt, Bernhard;Elisa Mori

Das Reisebuch Japan


ausgezeichnet

Als ich Japan vor fast 20 Jahren „entdeckte“, war es wirklich noch eine Entdeckung. Das Land war vom Massentourismus völlig unberührt und das Reisen war eine Erfahrung, wie ich sie noch nicht kannte. Zuverlässig, sauber, ruhig. Zuverlässig ist das Reisen in Japan immer noch, sauber auch, aber ruhig? Das Land der aufgehenden Sonne ist Opfer seines eigenen Erfolgs geworden, Influencer und Bucket Lists haben schweren Schaden angerichtet, so dass mittlerweile nicht nur die Einwohner, sondern auch die Touristen über massive Einschränkungen klagen. Umso wichtiger ist die Vorbereitung.

Das „Reisebuch Japan“ ist eine gelungene Mischung aus Bildband und Reiseführer, wobei die Reiseinformationen sich auf touristische Sehenswürdigkeiten beschränken. Es gibt also keine „Praxistipps“ zu Transport, Unterkunft oder Verpflegung. Es ist eher ein Buch für die Vorbereitung zu Hause, weniger ein Reisebegleiter vor Ort.

Positiv ist die große geografische Bandbreite, die auch entlegene Winkel berücksichtigt und das wirklich ausgezeichnete Bildmaterial. Man bekommt visuell einen sehr guten Eindruck von dem, was einen erwartet und man kann sich auch darauf verlassen, dass es jeweils die absoluten Höhepunkte der Region sind. Die Kultur steht zwar im Vordergrund, aber es gibt auch Tipps für Erlebnisurlaub in der Natur oder zum Sport. Eingeschoben sind Spezialkapitel, die japanische Besonderheiten erklären (Onsen, Matsuri, Sushi ...) und gleich auch noch ein paar Empfehlungen geben. Sowohl die Auswahl der Ziele als auch die „Rankings“ der Autoren zeugen von viel Reiseerfahrung. Die meisten würde ich bedenkenlos teilen und ich kenne wirklich sehr viele der genannten Ziele.

Es gibt nur einen Punkt, den ich kritisieren muss, und der bezieht sich auf das anfangs Gesagte: So schön einige der Sehenswürdigkeiten auch sind, sie sind teilweise hoffnungslos (!) überlaufen. Der Eikando in Kyoto, auf Platz 7 der persönlichen Bestenliste der Autoren, hat im Herbst Warteschlangen von 2-4 Stunden und die berühmten Torii von Fushimi-Inari sind unerträglich geworden. Das muss man wissen, wenn man eine Tagestour plant und ggf. auf weniger überlaufene Ziele ausweichen. In Kyoto wird das aber schon schwierig. Andererseits kann ich verstehen, wenn man die Top-Highlights auch sehen möchte, deshalb ist es absolut notwendig, die Ziele unabhängig zu recherchieren. Die Stadt Kyoto hat z. B. für einige Attraktionen seit Kurzem einen „Crowd Simulator“, der dabei hilft, ein geeignetes Zeitfenster zu finden.

Das Buch ist mit großer Reiseerfahrung zusammengestellt, es ist in den gewählten Themenbereichen informativ und erlaubt dem Leser gute Entscheidungen zu treffen. Aber das Japan von heute ist nicht das Japan von gestern, besonders im Expo-Jahr 2025, so dass vor Reiseantritt in jedem Fall eine gründliche Nachrecherche nötig ist, sonst wird ein zu voll gepackter Tagesplan schnell zur herben Enttäuschung.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Stanley Kubrick's The Shining
Rinzler, J. W.

Stanley Kubrick's The Shining


ausgezeichnet

Steven Spielberg, der die Buchvorlage für „The Shining“ geliefert hat, schreibt im Vorwort sehr treffend, was Stanley Kubricks Filme auszeichnen: Sie brechen die etablierten Regeln des Kinos, erobern stets cinematisches Neuland und kein Film ist wie der andere. 13 Werke, darunter der esoterisch angehauchte Science-Fiction „2001- A Space Odyssey“, der Historienfilm “Spartacus”, die Endzeit-Komödie „Dr. Seltsam“ oder „Clockwork Orange“ und „Eyes Wide Shut“, die eigene Kategorien sind. Insgesamt 13 Oscar-Nominierungen für 13 Filme. Nicht nur für Spielberg ist Kubrick eines der größten Genies der Filmgeschichte.

„The Shining“ hat eine ganze Generation traumatisiert, ein Film, der sich in die Albträume eines jeden einbrennt, der ihn gesehen hat. Ganz ohne hektische Schnittfolgen, wie es bei Horrorfilmen üblich war (und ist), durchzogen von einer bedrohlichen Ruhe im eingeschneiten Overlook Hotel, dessen Geister Jack Torrance langsam in den Wahn treiben werden. Ein epochaler Horrorfilm über den regalmeterweise cineastische Literatur existiert, aber kein einziges Making-of. Fast zeitgleich kamen der renommierte Buchautor J. W. Rinzler und der Oscar-prämierte Regisseur Lee Unkirch („Toy Story“) auf die Idee, dem abzuhelfen. Rinzler hatte bereits umfangreiche Making-ofs der Star Wars Serie publiziert, Unkirch galt als einer der versiertesten Kenner von „The Shining“, dessen Memorabilia und Hintergrundinformationen er seit vielen Jahren sammelte. Die beiden trafen sich im Kubrick-Archiv in London und vereinbarten eine Zusammenarbeit, die über 10 Jahre bis zur Publikation andauerte. Rinzler verstarb kurz vor Drucklegung.

Der 900 Seiten starke Textband folgt chronologisch den Ereignissen, von Spielbergs Buchvorlage bis zur Rezeption des Films nach der Premiere 1980. Zahllose Set Fotos, faksimiliertes Hintergrundmaterial und Film Stills ergänzen die minutiösen Beiträge, die Kubrick nicht nur als hochintelligenten Workaholic erkennen lassen, sondern vor allem als jemanden, der in einem extrem komplexen Umfeld buchstäblich jeden Aspekt des Filmemachens aktiv begleitete. Der Vertrag mit Warner ließ ihm nach Abnahme des Drehbuchs uneingeschränkte Freiheit, die Kubrick in den über zwei Jahren Produktion auch nutzte. Alle Teilnehmer beschreiben die Arbeit mit ihm mindestens als sehr intensiv, oft sogar brutal, Kubricks Perfektionismus nahm jedenfalls keinerlei Rücksicht. Er selber stand zwar nicht mehr für Interviews zur Verfügung, aber sein Archiv wurde noch von ihm für die Nachwelt konzipiert und enthält das, was er als Quintessenz in tausenden Kisten sorgfältig bewahrte. Dazu kommen noch über 100 Stunden Interviews mit noch lebenden Weggefährten, Publiziertes aus Filmzeitschriften, Yellow Press und weiteren privaten Aufzeichnungen. Es ist eine unfassbare Menge an Material, bei dem es nicht wundert, dass die Auswertung über 10 Jahre gedauert hat.

Der zweite Band ist mit „Scrapbook“ betitelt und enthält mehr als 400 Fotos der Produktion von „The Shining“. Kubricks echtes Notizbuch ist zwar nicht erhalten, es ging zerlegt in seinem Archiv auf, aber diese Rekonstruktion zeigt, wie es hätte aussehen können. Quellen sind das Kubrick-Archiv, aber auch private Fotos von anderen Beteiligten, viele Stills aus Deleted Scenes oder Set Fotos, alles jeweils mit knappen Erklärungen versehen. Sie ergänzen, ebenfalls chronologisch, den Textband und können fast parallel gelesen werden.

Die buchtechnische Verarbeitung ist hervorragend, mit solider Fadenbindung, angenehm getöntem Papier, Farbschnitt und robustem Schuber. Einzig der Textband hat einen Flexeinband aus Kunststoff, die ich persönlich nicht so schätze, weil man nicht vorhersehen kann, ob die Weichmacher im Lauf der Zeit ausblühen und die Oberfläche klebrig wird. TASCHEN achtet normalerweise auf sowas, also hoffe ich, das Material ist dauerhaft. Es wäre auch sehr schade, denn nach dieser Ausgabe ist zum Thema Making-of von „The Shining“ wirklich alles gesagt und recherchiert, was es zu sagen und recherchieren gibt. Als wäre man selbst dabei gewesen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Warren Buffett: Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.
Hagstrom, Robert G.

Warren Buffett: Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.


ausgezeichnet

Warren Buffett gilt als der erfolgreichste Investor aller Zeiten. Kein Wunder, dass es unzählige Bücher über ihn und seine Anlagestrategien gibt, darunter sehr gute Analysen wie auch die von Robert G. Hagstrom. Seit 30 Jahren ist das Buch ein Bestseller und wird immer wieder neu aufgelegt und aktualisiert.

Der Portfoliomanager und Autor Hagstrom hat Buffetts Aussagen und Anlageentscheidungen über mehrere Jahre hinweg analysiert, um daraus die wichtigsten Methoden und Strategien für Privatanleger abzuleiten. Das Ergebnis ist eine Checkliste mit zwölf zeitlosen Anlagestrategien, die sich auf das Unternehmen, das Management und die Finanzen beziehen: Ist das Geschäftsmodell des Unternehmens verständlich, arbeitet das Management rational, ist es aufrichtig gegenüber den Aktionären und wie hoch ist die Eigenkapitalrendite?

Obwohl ich schon einige Bücher über Warren Buffett und seine Value-Investing-Strategien gelesen habe, hat mich Hagstrom überrascht, zum Beispiel beim Thema Diversifikation, die er kritisch sieht. Warren Buffett hat sich bei seinem Portfoliomanagement immer auf wenige herausragende Unternehmen konzentriert und sieht sich daher als „company picker“ und nicht als „stock picker“. Dieser einzigartige Ansatz ist wahrscheinlich das Gegenteil von dem, was normalerweise über das Investieren am Aktienmarkt gelehrt wird, nämlich Aktien und damit das Risiko zu streuen. Buffett hat einleuchtende Gründe für sein „Focus Investing“, das allerdings nur für „erfahrene“ Anleger geeignet ist und entsprechendes Wissen und viel Arbeit voraussetzt. Will man das nicht, empfiehlt er „unwissenden“ Anlegern, in Indexfonds zu investieren, auch wenn diese Absicherung ihren Preis hat – schließlich kauft man immer auch die Underperformer im Index mit.

Neben einer kurzen Biografie Buffetts (mit 11 Jahren kaufte er seine erste Aktie) stellt Hagstrom auch fünf Fallstudien vor, die das Handeln und die Grundsätze des Jahrhundert-Investors anhand der Unternehmen Coca-Cola, Apple & Co. verdeutlichen.

Der Autor hat aber auch andere fokussierte Investoren daraufhin untersucht, ob sie ähnlich erfolgreich sind wie Warren Buffett (z.B. Bill Ruane vom Sequoia Fund oder Lou Simpson von GEICO). Hagstrom erklärt, warum es so wenige Nachahmer von Berkshire gibt und warum die Strategien der meisten Investmentmanager nicht funktionieren. Auch mit der Effizienzmarkttheorie geht Buffett hart ins Gericht.

Für mich das beste Buch über Warren Buffett, denn es betet nicht einfach nach, was andere schon geschrieben haben, sondern kommt zu ganz eigenen und oft überraschenden Schlüssen. Und auch wenn man nicht alles beherzigen kann, was Hagstrom herausgefunden hat, sollte man es zumindest wissen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Briefe von morgen, die wir gern gestern schon gelesen hätten
Vermes, Timur

Briefe von morgen, die wir gern gestern schon gelesen hätten


ausgezeichnet

Unsere Welt ist mittlerweile so irre, dass die Zukunft nicht mehr das Versprechen, sondern die Drohung ist. Was wäre, wenn es immer so weitergeht? Wenn die künstliche Intelligenz irgendwann bemerkt, dass es gar keine natürliche gibt? Wenn uns Konzerne regieren, deren Beschwerde-Hotline nur noch eine Geheimnummer hat? Oder man stelle sich mal vor, Wahlprogramme würden sich von der Realität entkoppeln! Eine gruselige Vorstellung.

Timur Vermes hat unsere Gegenwart ein kleines bisschen weiter überdreht und daraus keinen Roman gemacht, sondern ein satirisches Kaleidoskop, das er nach jedem Kapitel schüttelt, damit ein neuer Irrwitz herauskommt: Eine KI-Augenlinse, die die Realität an die Wünsche des Trägers anpasst. Archäologen der Zukunft, die sich Gedanken über eine unterirdische Kultstätte machen, in der tödliche Strahlenschätze lagern. Ein virtueller Thomas Gottschalk, der aus dem Grab eine Laudatio auf Deutschlands erste Influencer-Kanzlerin hält. Einen Bestellschein für maßgeschneiderte Babies, mit eingebauter Ritalinpumpe und Fernbedienung. Ein Gespräch mit Gott, der sich um andere Dinge kümmert als die um die Menschheit. Und das ist noch lange nicht alles.

So unterschiedlich die Themen, so unterschiedlich die Formate: Briefe, Interviews, Werbebroschüren, Zeitungsartikel, geheime Gesprächsmitschnitte. Immer ganz dicht dran und knallhart nachgefragt. Lanz ist auch dabei.

Den meisten Spaß hatte ich an den Dialogen, die so auf den Punkt geschrieben sind, dass wirklich jede Pointe sitzt. Messerscharf, absurd, aber nicht weniger realistisch als unsere absurde Gegenwart. Etwa so wie der brachialrhetorische Schlagabtausch zwischen den Presseabteilungen der Hamas und Israelis. Nur Gewinner. Irgendwann.

Sogar Dennis Scheck lobt Timur Vermes, aber spätestens hier wird dann klar, dass das alles nur ausgedacht ist. Kurz, aber nicht schmerzlos.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Hokusai
Marks, Andreas

Hokusai


ausgezeichnet

Der im Westen wohl bekannteste japanische Künstler ist Katsushika Hokusai, was nicht nur an den bemerkenswerten Zuschlägen für seine Werke bei internationalen Auktionen liegt, sondern auch an seinem Einfluss auf die europäische Kunstgeschichte. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden seine weltweit vertriebenen Holzschnitte und die seiner Nachfolger zu prägenden Vorbildern für Impressionismus und Jugendstil.
In Japan steht Hokusai in einer weit zurückreichenden Tradition, die er zwar in neue Bahnen lenkte, aber er wird dort nicht als isoliertes Ausnahmetalent gesehen. Andreas Marks stellt Hokusai, sein Leben und Werk in einen größeren Zusammenhang, indem er die Wechselwirkungen zwischen seinen Lehrern, Schülern und Verlegern thematisiert, aber auch seine vielfältige künstlerische Entwicklung. Hokusais frühe Arbeiten sind wesentlich seltener als die späteren, die teilweise in riesigen Auflagen gedruckt wurden. Die frühen unterlagen meist nicht der Zensur, da sie in kleiner Auflage privat verkauft wurden und motivisch größere Freiheit genossen. Dass Marks auch aus dieser Frühphase zahlreiche authentische Beispiele aufgespürt hat, ist die erste Überraschung in dieser an Überraschungen reichen Monografie. Die verzerrte Wahrnehmung von Hokusai nur als begnadetem Landschaftsmaler bekommt hier ganz neue Facetten, denn er war auch auf den Gebieten des (Schauspieler-)Portraits, der Buchillustration oder buddhistischen Malerei sehr erfolgreich. Es gibt kaum ein Genre, das er im Lauf seines langen Lebens nicht bediente.

Marks macht in seinem Buch nicht den Fehler, den anekdotischen Hokusai mit dem historisch Belegten zu vermischen. Die erste Hokusai-Biografie erschien fast 50 Jahre nach seinem Tod und stützte sich auf Erzählungen von Menschen, die den Künstler meist nicht mehr persönlich kannten. Hier die Wahrheit von der Legende zu trennen, ist nicht einfach, gelingt Marks aber überzeugend. Das gleiche gilt für die unterschiedlichen Künstlernamen, die Hokusai führte und die immer noch kontrovers diskutiert werden. Hokusai kommt auf weit über 20 belegte Namen, die er in verschiedenen Kontexten und Phasen verwendete. Auch hier sorgt der Autor für Ordnung. Unlösbar bleibt dagegen das Problem der „Eigenhändigkeit“, das bei der engen Kooperation von Schülern und Lehrern in japanischen Druckwerkstätten unvermeidlich ist. Hokusai hatte mindestens 50 Schüler, die alle in die Produktion involviert waren und seinen Stil perfekt beherrschten. Marks folgt nicht der vor allem im hochpreisigen Kunsthandel verbreiteten Heroisierung, die Hokusai als One-Man-Show inszeniert. Die „Marke“ Hokusai war ein Kunstbetrieb, der Masse liefern musste, um Familie und Angestellte zu ernähren. Reich wurde der Meister übrigens nicht damit, anders als die heutigen Händler, die mit ökonomischen Hintergedanken immer weiter an einer vermarktbaren Legende stricken.

Der Band ist chronologisch gegliedert und in sechs Kapitel nach den sechs Hauptkünstlernamen Hokusais unterteilt. Jedes Kapitel zeigt sowohl die biografische Entwicklung, als auch die charakteristischen Stil- und Motivmerkmale der jeweiligen Periode, wobei der Autor großen Wert darauf legt, Werke zweifelhafter Zuschreibung auszuklammern. Diese beispiellose Monografie zeigt mit fast 1500, oft originalgroßen Abbildungen, das riesige Oeuvre, das nach Schätzungen etwa 8000 Gemälde, Drucke und Zeichnungen umfasst haben mag. Auch wenn der Band damit keinen Catalogue raisonné repräsentiert (was er auch nicht vorgibt zu sein), ist es die mit großem Abstand umfangreichste Darstellung, nicht nur im Westen, sondern überhaupt. Die kritische Herangehensweise hebt Marks außerdem stark von kommerziell beeinflussten Autoren ab, und seine Unabhängigkeit und ausgewiesene Expertise machen „Hokusai“ zu einem echten Grundlagenwerk, das in keiner Sammlung fehlen darf, auch wenn ein Anhang mit authentischen Namenssiegeln und Verlegerstempeln sicher hilfreich gewesen wäre.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Faszination Schmuck / The Fascination of Jewellery
Chadour-Sampson, Beatriz

Faszination Schmuck / The Fascination of Jewellery


ausgezeichnet

Zwar gibt es Schmuck schon bedeutend länger als seit 7000 Jahren, aber die Sammlung des Museums für Angewandte Kunst verfügt dennoch über einen bemerkenswerten Bestand an hochwertigen Schmuckstücken aus vielen Epochen. Die aktuell in Köln laufende Ausstellung zeigt einen repräsentativen Querschnitt von fast 400 Werken, mit einem starken Fokus auf Zentraleuropa, also Deutschland und Benelux. Interessant sind die verschiedenen Aspekte, unter denen die Ausstellungsmacher die Stücke gruppiert haben, denn sie zeigen, wie Schmuck seine Rolle im Lauf der Zeit immer wieder geändert hat. Er reflektiert gesellschaftliche Zugehörigkeit, persönliche Einstellung, Macht, aber auch Bildung, Stilwandel und nicht zuletzt technologische Möglichkeiten. Die in der Antike entwickelte Granulationstechnik war z. B. über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, bis sie um 1920 in Deutschland experimentell wiederentdeckt wurde und heute ein besonderer Sammlungsschwerpunkt des MAKK ist.

Schmuckdesigner haben zu allen Zeiten versucht, neuartige Materialien zu verarbeiten, auch das zeigt die Ausstellung (und der Katalog) sehr eindrucksvoll. Aluminium war einmal kostbarer als Gold, andere Materialien fanden Verwendung, nicht weil sie (möglicherweise nur temporär) wertvoll sind, sondern weil sie neue Konstruktionstechniken ermöglichen, neue Farb- und Formeffekte, oder schlichtweg den Schmuck demokratisieren, indem sie Luxus erschwinglich machten. Das begann im 19. Jahrhundert mit dem dünnen „Schaumgold“ und setzte sich in den Zwanzigerjahren mit dem Einsatz von frühen Kunststoffen und preiswerten, aber attraktiven Schmucksteinen fort. Der Trend hält bis heute an, auch wenn die Korrelation preiswerte Materialien = preiswerter Schmuck nicht mehr unbedingt gilt.

Allen Objekten im Katalog ist gemeinsam, dass sie Handarbeit sind und in das Luxus-Sortiment fallen. Es gibt hier keine CNC-gefrästen Karkassen und auch keinen 3D Druck. Das wird sicher noch kommen, aber Museen tun sich oft etwas schwer, wenn Technik auf Kunst trifft. Der von der Museumsdirektorin betonte Fokus der „Nachhaltigkeit“ in der Sammlung erscheint mir hingegen nachträglich aufgesetzt, um einem woken Zeitgeist zu huldigen. Bei Industrieunternehmen nennt man so etwas „Greenwashing“, denn ein paar Schmuckstücke aus Schlackeabfällen machen noch lange keine nachhaltige Sammlung, aber das Wort verhindert zumindest einen schreienden Mob vor den Türen.

Die Fotos im Katalog sind hervorragend und zeigen Details, die man in der Vitrine aufgrund ihrer Feinheit kaum erkennen kann. Jedes Stück wird mit seinem Schöpfer (soweit bekannt), Datierung, verwendeten Materialien und ggf. auch Verarbeitungstechniken vorgestellt. Auch der kulturgeschichtliche Hintergrund, wie Tragekonventionen, stilgeschichtliche Einordnung oder der Zeitgeist der Epoche (z. B. Erinnerungskultur) wird in den Beschreibungen kurz beleuchtet. Die Vielfalt ist enorm, nur beschränkt durch den bewussten Sammlungsschwerpunkt auf Zentraleuropa.

Ein umfangreicher und exzellent illustrierter Ausstellungskatalog, buchtechnisch sehr schön verarbeitet und auf festem, matten Papier gedruckt. Informativ und vielfältig.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2025
Burn Book
Swisher, Kara

Burn Book


sehr gut

Kara Swisher gilt als eine der einflussreichsten amerikanischen Journalistinnen der Technologie- und Internetbranche, da sie seit über 30 Jahren die Entwicklungen im Silicon Valley begleitet. Als Insiderin der Tech-Branche ist sie bei vielen Tekkies wegen ihrer Fachkompetenz gefürchtet, aber auch wegen ihrer fairen Berichterstattung geachtet und beliebt. In Deutschland kaum bekannt, ist die Journalistin in den USA eine Institution.

In ihrem “Burn Book“ zeichnet Kara Swisher ihren beruflichen Werdegang nach und blickt zurück auf die Stationen ihrer Karriere, etwa beim Wall Street Journal und ihrer eigenen Firma Recode. Zusammen mit ihrem langjährigen Kollegen und späteren Geschäftspartner Walt Mossberg führte sie unzählige Interviews mit führenden Persönlichkeiten der Tech-Branche. Die New York Times bezeichnete diese Konferenzen als „Goldstandard für Live-Journalismus“, wobei das gemeinsame Interview mit Steve Jobs und Bill Gates im Jahr 2007 als legendär gilt, da „Jobs und Gates seit langem eine Antipathie gegeneinander hegten“. Dazu gibt es übrigens ein Video auf youtube: einfach „Interview Steve Jobs and Bill Gates by Kara Swisher and Walt Mossberg at D5 Conference 2007“ googeln.
Alle relevanten Führungspersönlichkeiten saßen bei ihr auf dem „roten Stuhl“. Viele Interviewpartner waren narzisstisch, arrogant und nicht kritikfähig. Aber es gab auch andere interessante Personen, menschlich, bescheiden und dennoch fokussiert. Erwähnenswert sind Marc Andreessen von Netscape („ein lästiger, verärgerter Trottel“, „mürrisch“, „dystopisch“), Sergey Brin und Larry Page von Google („liebenswert tollpatschig und zunehmend bizarr“), Sheryl Sandberg, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Rupert Murdoch, George Lukas und Elon Musk („nur eine Frage der Zeit, bis wir in das Kapitel ‚Howard Hughes‘ eintreten – der nächste brillante Mann, der auf die schiefe Bahn gerät.“) .
In vielen unterhaltsamen Anekdoten charakterisiert Swisher diese Menschen. Dabei geht sie manchmal hart, oft subjektiv und bissig, aber meist fair und unterhaltsam mit ihnen ins Gericht und nimmt kein Blatt vor den Mund. Ein Personenregister sucht man übrigens vergeblich, das hat sie bewusst weggelassen. Sie möchte, dass die Betroffenen ihr Buch lesen müssen, um herauszufinden, ob sie auch dabei sind.

Neben ihren Interviews sind auch ihre Analysen treffend formuliert. So hat sich ihre frühe Prognose, dass alles, was digitalisiert werden kann, auch digitalisiert wird, als richtig erwiesen. Ebenso zutreffend ist, dass es die Politik nach einem Vierteljahrhundert Internetzeitalter versäumt hat, den Tech-Unternehmen wichtige Regeln zum Schutz der Menschen aufzuerlegen: kein Schutz der Privatsphäre, kein angepasstes Kartellrecht, keine Transparenzvorgaben für Algorithmen, kein Fokus auf Sucht und psychische Auswirkungen. Swisher ist überzeugt, dass Sicherheit und Innovation keine Gegensätze sein müssen, sieht aber einen technologischen Tsunami auf uns zukommen, insbesondere durch künstliche Intelligenz.

Der Stil ist umgangssprachlich und daher gut lesbar, auch wenn die Autorin manchmal verbal ins Vulgäre abdriftet. Die Übersetzung ist aus meiner Sicht verbesserungswürdig und wirkt, als habe eine überforderte KI mitgeholfen. Manchmal passen die Bilder nicht, Redewendungen werden holprig übersetzt und die englischen Spitznamen für Ikonen des digitalen Zeitalters funktionieren häufig im Deutschen gar nicht.

Kara Swisher legt mit ihrem Buch die Finger in viele Wunden und benennt Probleme und Schwächen von technischen Entwicklungen mit großer Klarheit. Sie lässt sich den Mund nicht verbieten, nennt Unsinn beim Namen, auch wenn er von „mächtigen“ Personen verbreitet wird. Man spürt, sie brennt für ihren Beruf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.