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nessabo

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 28.11.2024
The Freedom Clause
Sloane, Hannah

The Freedom Clause


ausgezeichnet

Ein Befreiungsschlag auf mehreren Ebenen

Dieser Roman zeigt einmal aufs Neue, welch hohe Qualität der Pola-Verlag in seinem ersten Programm zu bieten hat. Auch „The Freedom Clause“ behandelt eine progressive Geschichte rund um weibliche Selbstbestimmung und hinterfragt ansatzweise den Standard einer heteronormativen, monogamen Beziehung.

Trotz meiner bislang guten Erfahrungen mit dem Verlag war ich ein bisschen skeptisch, ob ich hier nicht einfach zwei Protagonist*innen auf ihrer 6uellen Reise begleite. Doch auch, wenn der Aufhänger die teilweise Öffnung der Beziehung von Daphne und Dominic ist, geht es erstaunlich wenig um spicy Szenen und umso mehr um viel grundlegendere Fragen zu Selbstentwicklung und Beziehungen.

Das Paar im Zentrum der Handlung kennt sich seit Unibeginn und ist dementsprechend schon das gesamte Erwachsenenleben zusammen. 6uell scheint es dabei weniger rund zu laufen als in manch anderen Lebensbereichen, was Dominic dazu bringt, Daphne ein Abkommen vorzuschlagen: Die Freiheitsklausel erlaubt es ihnen, einmal jährlich eine Nacht mit einer anderen Person zu verbringen. Im Abkommen sind zudem weitere Regeln definiert, die diese Idee aber wenig überraschend auch nicht zu einer sonderlich guten machen. Dabei wird jedoch an keiner Stelle suggeriert, offene Beziehungsformen seien grundlegend irgendwie besser oder schlechter. Der Roman bezieht dazu meiner Meinung nach gar keine Stellung und behandelt alternative Beziehungsmodelle schlicht neutral.

Im Laufe der kommenden fünf Jahre tritt zutage, dass die beiden ganz grundlegende Unterschiede haben und sie sich noch in einer Lebensphase befinden, in der viel persönliche Entwicklung stattfindet. Und genau das ist das authentische Kernelement des Romans, welches ihn für mich so fesselnd gemacht hat. Dominic hat mit konkreten Unsicherheiten und auch einer bestimmten Männlichkeitsvorstellung zu kämpfen, für Daphne stehen vielmehr die eigenen (6uellen, aber nicht nur) Bedürfnisse im Fokus. Das Buch behandelt darüber hinaus die gesellschaftlichen Ansprüche an Frauen und transgenerationale Weitergabe.

Hannah Sloane hat hier einen Roman geschrieben, der so gut von seinen Figuren getrieben wird, dass ich ihn nicht aus der Hand legen wollte. Sie entwickelt die beiden Protagonist*innen unglaublich stark, ohne in Klischees abzurutschen. Ich mochte den klaren feministischen Ton, den lockeren Schreibstil, die emotionale Vielschichtigkeit und den fein eingesetzten Humor, mit dem Daphne ihre Erlebnisse verarbeitet. Ich habe mir fast ein bisschen mehr Spice gewünscht, allerdings hätte der vielleicht auch vom eigentlichen Thema abgelenkt. Das Cover finde ich ein wenig „billig“ gehalten, was der Tiefe der Geschichte nicht gerecht wird. Abgesehen davon aber eine klare Leseempfehlung.

4,5 ⭐️

Bewertung vom 22.11.2024
Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes
Becker, Giulia

Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes


ausgezeichnet

Giulia Becker bestellt, Giulia Becker geliefert

Ich glaube, wer Giulia Beckers Humor kennt und mag, wird hier sehr glücklich sein - ich zumindest war es. ❤️

Das zweite Buch der Autorin ist kein Roman, sondern eine Sammlung verschiedenster Texte und auch Textformen. Ob diverse Selbsttest („Bin ich ein Vampir?“), ein Michael-Bublé-Haiku, endlich einmal ernstzunehmende Horoskope (Gesundheitlich sollten sich wirklich alle Sternzeichen in Acht nehmen!) oder die Erzählung der einen Nacht, in welcher die Autorin nachts bei Media Markt eingeschlossen wurde. Und wer wollte nicht schon immer einmal wissen, welchem Strandtyp die Städte Hamburg und Leipzig eigentlich entsprechen? Einen krönenden Abschluss bildet meiner Meinung nach die Folge „Das perfekte Dinner“, die so chaotisch wie nur irgend möglich abläuft.

Beckers ganz spezieller Humor ist schwer in Worte zu fassen. Hier trifft eine bis ins kleinste Detail zugespitzte Absurdität des Alltags auf Satire und Selbstironie. Die Stimme der Autorin im Ohr zu haben, fand ich beim Lesen sehr bereichernd. Ohne das, ist es vielleicht ein bisschen zu abgedreht. Auch ich habe mich wiederholt gefragt, was ich eigentlich gerade gelesen habe, aber genau darum geht es irgendwie.

Doch die Texte kommen auch nicht gänzlich ohne Gesellschaftskritik aus. Die muss mensch zwar manchmal suchen, doch auf diese Art thematisiert die Autorin z. B. hegemoniale Männlichkeit, Sexismus und Fettfeindlichkeit.

Ich hatte einfach eine richtig gute Zeit mit dem Buch. Es wird mich thematisch aufgrund der Überspitzung jetzt nicht mehr großartig beschäftigen, aber den Anspruch hatte ich auch nicht. Klare Empfehlung für Fans der Autorin!

4,5 ⭐️

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2024
Meet me in Autumn. Eine Pumpkin spiced Romance
Gilmore, Laurie

Meet me in Autumn. Eine Pumpkin spiced Romance


sehr gut

Cozy, leicht und ein wenig klischeebehaftet

Ich denke, bei dieser Romance macht die aktuelle Jahreszeit ca. 50 % der Empfindungen aus! Wenn es draußen kalt und nass ist, kann mensch einfach perfekt in die Geschichte eintauchen. Und ganz ehrlich: Das ist eines der schönsten und passendsten Cover, die ich bislang gesehen habe. 🧡

Grundlegend fand ich das Buch wirklich gut. Es lässt sich leicht lesen, kommt ohne allzu großes Drama aus und ist von so einigen cozy Herbstreferenzen geprägt. Letztere hätten für mich sogar noch ausgeprägter sein können, meine Erwartungen waren aber auch recht hoch.

Ich mochte, dass sowohl Jeanie als auch Logan ihre Unsicherheiten haben und damit auch beide sanfte Figuren sind. Der Handlungsaufbau ist logisch und sogar von ein wenig Spannung geprägt, weil Jeanie sich in der Führung des Cafés ihrer Tante von einer unbekannten Person schikaniert sieht. Das wird lange ungeklärt gelassen und findet in einem völlig angemessenen Maß an Spannung für eine Romance statt. Der Vibe zwischen den beiden Hauptfiguren ist auf jeden Fall da und wie die beiden in spicy Szenen immer wieder unterbrochen werden, ist schon ziemlich lustig.

Gestört hat mich ein wenig, dass auch wieder mit den so häufigen Geschlechter-Klischees gearbeitet wurde. Hier die sanfte, liebevolle, schöne Frau und dort der muskelbepackte, beschützende, pragmatische Mann. Ich wünsche mir einfach so sehr, dass Hetero-Paare in Büchern ein wenig vielfältiger geschrieben werden.

Abgesehen davon aber ein sehr schönes Herbstbuch, das emotional in jegliche Richtung nicht aufwühlt und eine gute Abschaltlektüre mit einigem Spice ist, insofern mensch über die Klischees hinwegsehen kann.

Bewertung vom 16.11.2024
Hot Mess
White, Sophie

Hot Mess


ausgezeichnet

So viel mehr als eine Geschichte über Freundinnen und ein absolutes Highlight

Ich bin so unglaublich begeistert von diesem irischen Roman, der mit völlig ungeahnter Tiefe eine authentische Geschichte über Freundinnenschaft liefert. Er hat mich von vorn bis hinten gefesselt und am Ende ordentlich zum Weinen gebracht.

Die Erzählperspektiven wechseln zwischen drei Frauen hin und her. Claire fühlt sich nach einem vorerst nicht näher benannten Zwischenfall von ihrer alten Freundinnenclique ausgeschlossen und steigert sich zunehmend in diese Abweisung hinein. Lexi steht gemeinsam mit ihrer besten Freundin Amanda dank des sehr erfolgreichen Podcasts „Your Hot Friend“ zunehmend in der Öffentlichkeit und muss feststellen, dass ihre Freundinnenschaft vielleicht gar nicht so echt ist wie sie schien. Joanne ist eine junge Mutter, die innerhalb ihres Freundeskreises und ihrer Beziehung mit den Herausforderungen rund um Mutterschaft, Vereinsamung und Care Arbeit struggelt.

Obwohl sich die drei Frauen nicht kennen, finden sie auf einem für mich innovativen Weg zueinander. Das Pacing ist bis zu diesem Punkt eher langsam und zieht in der zweiten Hälfte extrem stark an. Später wird dann auch klar, warum die Autorin dies mutmaßlich bewusst so gestaltet hat und ich finde es nicht weniger als genial! Eine weitere Stärke von Sophie White, neben einem flüssigen Schreibstil und dem feinen Humor, sehe ich in der detailreichen Ausgestaltung ihrer Hauptfiguren. Ich kann hiervor nur meinen Hut ziehen und daher nur auf extrem hohem Niveau kritisieren, dass die Nebenfiguren daneben etwas flach schienen.

„Hot Mess“ behandelt entgegen meinen Erwartungen nicht nur das Thema rund um Freundinnenschaft Ü30 (und das alleine hätte mich schon vollends überzeugt), sondern geht unglaublich tief in das Thema mentale Gesundheit hinein - ganz konkret bipolare Störung. Die Danksagung der Autorin lässt vermuten, dass sie zumindest im weiteren Sinne persönliche Erfahrung einfließen lässt und das wundert mich nicht. Ich kann nicht in Worte fassen, wie gut hier depressive und manische Episoden beschrieben wurden. Es hat mich selbst in einen Rausch verfallen und danach auf herzzerreißende Art mitleiden lassen.

Das Buch verdient volle 5 Sterne, weil es unterhaltsam und lebensnah, dabei aber auch unglaublich tief ist. Ernsthaftigkeit und menschliches Wachstum in eine so gut lesbare Form zu packen, der es nicht an Humor mangelt, ist schlicht ein Talent und ich kann es kaum erwarten, mehr von der Autorin zu lesen.


[TW: psychische Erkrankung, bipolare Störung, Es$störung, suīzidales Verhalten]

Bewertung vom 16.11.2024
Triff mich über den Wolken
Burke, Andie

Triff mich über den Wolken


sehr gut

Begann fantastisch, schwächelte dann aber leider

Ich liebe queere RomComs/Romance und war vom Cover des Romans bereits sehr angetan. Hier wurde sich für ein in meinen Augen wunderschönes und elegantes Design entschieden, dass die Queerness auf subtile Art vermittelt.

Und ich war zu Beginn unglaublich begeistert vom Schreibstil sowie dem gewählten Humor. Protagonistin Olive beginnt die Handlung mit einem Flug, obwohl sie große Flugangst hat. Die Schilderung ihrer Angst war so greifbar, dass ich sie selbst gespürt habe. Und auch alles, was auf dem Flug bzw. danach an Absurditäten passiert, fand ich einfach toll. Ich mochte die Hauptfigur sehr gern, weil sie mir mit all ihren Unsicherheiten direkt nahbar erschien.

Doch leider, und das ist mir glaube ich so noch nie passiert, flachte meine Begeisterung recht schnell ab. Der Schreibstil bleibt bis zum Ende wirklich flüssig und gut lesbar. Deshalb konnte ich auch gut dranbleiben. Doch handlungstechnisch fühlte sich ganz viel für mich nicht rund an. Ich habe viele Gedanken von Olive als extrem repetitiv empfunden und hatte gleichzeitig über lange Strecken hinweg das Gefühl, dass sich nichts wirklich bewegt. Besonders den Mittelteil fand ich eher zäh. Dabei will ich nicht einmal sagen, dass ich Figuren, die zum Overthinken neigen, irgendwie schlimm finde. Eher im Gegenteil und ich mag es auch, wenn Charaktere in Romanen mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.

Aber Olives Figur fand ich nicht rund und ihre so oft geschilderten Angstzustände nicht greifbar. Irgendwann wird zu mehreren Figuren auf einmal geschrieben, dass sie Depressionen haben, was für mich vorher überhaupt nicht ersichtlich war und deshalb nicht glaubhaft wirkt. Etliche Handlungsstränge wurden irgendwie aufgenommen und dann schlicht nicht weitergeführt. Das führte bei mir dazu, dass ich trotz des eigentlich großen emotionalen Potenzials kaum mitgefühlt habe. Und das ist einfach schade, wo doch auch die Themen Pflege, erkrankte Angehörige und lebenserhaltende Maßnahmen so wichtige sind. Außerdem störte mich die Darstellung der Antagonistin als eindimensional fies wirklich sehr.

Der Roman hat an einer ziemlich späten Stelle ein bisschen Spice, der mir persönlich einfach zu spät kam bzw. konnte ich vorher zu wenig einen Vibe spüren. Eigentlich fand ich beide Figuren toll und der Roman als Ganzes hätte für mich großes Potenzial gehabt. Er wirkte auf mich allerdings in der Konstruktion der Geschichte unausgereift. Ich runde ggf. auf dafür, dass es ein Debütroman ist, der sich auf jeden Fall super leicht lesen lässt, und weil ich das Potenzial wertschätzen möchte.

3,5 ⭐️

Bewertung vom 08.11.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


sehr gut

Ein Buch zwischen Einsamkeit, Verlust und Verbundenheit

Rasha Khayats Roman tut weh und ist in meinen Augen kein Werk, dass mensch schnell weglesen kann. Er spielt primär 2020 und damit im ersten Pandemiejahr, was dem Buch eine ganz besondere Atmosphäre verleiht, die uns in der Literatur wohl noch häufiger begegnen wird.

Protagonistin Hanna sieht sich mit mehreren Ebenen an Einsamkeit konfrontiert. Da ist die Isolation als alleinstehende Person innerhalb eines Lockdowns. Da ist aber auch der Tod der Großeltern, die ihr sehr früh ein Elternersatz waren. Und zusätzlich spielt der Verlust einer Freundinnenschaft eine zentrale Rolle.

Denn in Rückblenden lernen wir auch Cem und Zeyna kennen, mit denen Hanna in einem nicht näher benannten kleinen Ort eng befreundet war. Zeyna und ihr Vater Nabil flohen aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland und obwohl das Trauma gar nicht so explizit thematisiert wird, trägt es viel zur Schwere des Buches bei. Cem und Zeyna teilen zudem eine von Rassismus geprägte Realität, die nach dem 11. September 2001 an Intensität zunimmt. Hanna sieht den Schmerz, ist aber hilflos und kämpft gleichzeitig mit einer widersprüchlichen Eifersucht. Damit bekommt diese Figur eine ambivalente Tiefe, die ich großartig umgesetzt fand.

Und auch das Pacing des Buches ist einfach besonders. Während die Phasen der Gegenwart regelrecht entschleunigt sind und damit die Isolation der Pandemie so gut greifbar machen, zieht das Tempo in den Rückblenden stark an. In denen erfahren wir mehr über den Aufbau und Zerfall einer Freundinnenschaft.

Das Dreiergespann befindet sich in einem Feld voller verbindender und trennender Elemente. Ob der Alltagsrassismus, den Hanna nicht nachempfinden kann, oder der Tod der eigenen Mutter, der wiederum Zeyna und Hanna auf besondere Art miteinander verbindet. Trotz all dessen ist diese Gemeinschaft lange ein stabilisierendes Element, das erste Krisen überwindet, bis sie an einem Zwischenfall zerbricht. Was genau passiert ist und ob in der Gegenwart wieder eine Annäherung stattfinden kann, müssen die Lesenden selbst herausfinden.

Dieses Buch ist einzigartig und bei einer geringen Seitenzahl unglaublich dicht. Khayat schreibt atmosphärisch und schafft es damit, Schmerz und Einsamkeit auf eine subtile Art eindrücklich zu vermitteln. Der Text wirkte lange in mir nach und kann deshalb auch nicht einfach wegkonsumiert werden. Die wechselnden Erzähltempi fand ich rückblickend sehr schlüssig, beim Lesen hat es mich aber auch manchmal aus dem Konzept gebracht.

Insgesamt aber eine klare Leseempfehlung für dieses gefühlvolle Werk!

4,5 ⭐️

Bewertung vom 07.11.2024
Exklusiv nicht zusammen (MP3-Download)
Taus, Ina; Wolf, Katharina

Exklusiv nicht zusammen (MP3-Download)


gut

Eine Geschichte, mit der ich nicht wirklich warm wurde

Zum Hörbuch: Die beiden Sprecher waren nicht so ganz mein Fall. Vor allem bei dem, der Finn verkörpert hat, hat mich die Vertonung der Nebencharaktere ziemlich genervt. Ganz besonders meine ich damit weibliche Figuren, die ich als affektiert hoch gesprochen empfunden habe. Ich erkenne an, dass sich beide sehr viel Mühe gegeben haben, die einzelnen Charaktere voneinander abzugrenzen. In meinen Augen ist das aber nicht für alle sonderlich authentisch gelungen. Toll dagegen fand ich bestimmte Soundeffekte, z. B. eine doppelte Tonspur, wenn zwei Figuren gleichzeitig sprechen. Auch die Kapitelübergänge waren sehr klar und damit leicht einzuordnen.

Zum Buch selbst: Ich mag queere Romance sehr, irgendwie konnte mich "Exklusiv nicht zusammen" aber leider nicht wirklich überzeugen und ich weiß nicht so richtig, ob das mehr an der Umsetzung des Hörbuches lag oder an der Story selbst.

Grundlegend finde ich es total lieb, dass Finn und Anton schon so lange befreundet sind. Und auch, dass Finn seinem besten Freund schon körperlich nah gekommen ist und damit kein Problem hat, mochte ich gern. Toxische Männer, die sich nach so etwas unbedingt von Homo- oder Bisexualität abgrenzen müssen, gibt es schließlich auch in der Literaturwelt genug. 🥴

Aber irgendwie konnte ich nicht so richtig warm werden mit den beiden. Obwohl Emotionen ja auch angesprochen wurden, kamen sie bei mir nicht gut genug an. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es eine eher oberflächliche Beziehung ist, obwohl sie ja beste Freunde und auch Lover darstellen sollen. Die spicy Szenen fand ich gut geschrieben, aber Vieles außerhalb davon habe ich als eher hart empfunden und ich mag softe Geschichten lieber. Es gab ein paar Szenen, in denen geschrien wurde oder die sehr angespannt waren und die beiden Sprecher haben das gut umgesetzt, aber das machte das Hörerleben für mich eben auch wirklich anstrengend.

Der Epilog war auch nicht so richtig rund für mich, weil er so weit in der Zukunft liegt, dort aber Unsicherheiten zur Sprache kommen, die mir für diesen Zeitpunkt einer Beziehung eher unglaubwürdig erscheinen.

Insgesamt fand ich das Buch nur okay, weil mir charakterlich doch die Tiefe gefehlt hat bzw. ich die Figuren nicht gut genug greifen konnte.

2,5 ⭐️

Bewertung vom 05.11.2024
Empathie und Widerstand
Lunz, Kristina

Empathie und Widerstand


ausgezeichnet

Reflektiert, universalistisch und pragmatisch - ein menschliches Sachbuch

Disclaimer: Gerade gibt es Kritik an Lunz bzw. ihrer Organisation CFFP, in der ihr White Feminism vorgeworfen wird. Ich habe das nur am Rand mitbekommen und sie scheint sich auf ein Panel Ende Oktober zu beziehen. Obwohl das Buch vorher geschrieben wurde, geht Lunz auf diese grundlegende Kritik an ihrer Arbeit auch im Text ein, ohne sie zu negieren. Anhand allem, was sie im Buch schreibt, sehe ich zumindest hier keinen Grund, ihr White Feminism vorzuwerfen, wenngleich ich den Kritisierenden ihren Eindruck nicht absprechen werde.

……..

Ein Buch, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauche. Und ich bin skeptisch in die Lektüre gegangen, weil Kristina Lunz in meiner Blase auch immer mal für einen neoliberalen Feminismus kritisiert wird. Doch die Autorin konnte mich mit ihrer Reflektiertheit sehr schnell überzeugen.

Den Einstieg findet sie über ihre Vergangenheit bzw. ihren Karriereweg. Sie listet ihre aktivistischen Errungenschaften selbstbewusst auf und ich musste mich selbst fragen, warum ich da widerständige Gefühle hatte. Sie hat viel feministische Arbeit geleistet und tut es noch - warum sollte sie das nicht teilen dürfen? Hier wurde ich mit meiner internalisierten Misogynie konfrontiert, die Frauen als bescheiden und leise klassifizieren will.

Lunz widmet sich dann den beiden Komponenten, auf denen sie guten Aktivismus begründet sieht. Empathie sei dabei wichtig, muss aber regelmäßig geprüft werden. Empathie wird sich ungesteuert nämlich immer vor allem auf unsere In-Group richten und damit selektiv sein. Als Basis dessen sollten wir Menschen offen und vorurteilsfrei begegnen, auch oder gerade wenn sie eine andere Meinung vertreten und mit Methoden des Peacebuildings Brücken schlagen. Genau diese daraus entstehenden Allianzen sind es schließlich, die der linken Bewegung inhärent sein sollte - und es leider immer weniger sind.

Empathie sollte aber dort ihre Grenze haben, wo das Gegenüber grundlegende Werte missachtet. Wo diese Grenze liegt, muss jeder Mensch für sich herausfinden und stetig neu überprüfen. Wie schwierig es ist, diese Balance zu halten - sich weder vorzumachen, alles zu wissen, noch sich von unmenschlichen Ideen korrumpieren zu lassen - beschreibt Lunz sehr greifbar. Sie unterscheidet in ihrem Vorgehen auch hinsichtlich der Macht, die eine Person hält. Ein mächtiger Minister bekommt weniger Empathie, wenn er wichtige Gesetzesänderungen blockiert, als ein Privatmensch, der durch eine Veränderung Nachteile befürchtet. Diesen Ansatz finde ich so herausfordernd wie schön.

Beim Lesen habe ich mich mehrfach selbst ertappt. Ich neige zu schneller Meinungsbildung und befeuere somit selbst Lagerdenken. Statt immer nur zu dekonstruieren, so Lunz, sollte der anschließende Schritt immer die Konstruktion einer besseren Alternative sein. Einzelpersonen, z. B. erfolgreiche Autoren, für ihren Erfolg anzugreifen, trifft oft die falsche Stelle. Konstruktive Kritik ist angemessen, Schuldzuschreibung für die Wirkweisen eines jahrtausendealten Systems eher nicht.

Kristina Lunz schreibt auf eine extrem reflektierte Weise, thematisiert Kritik an ihrer Form des Aktivismus (von innen heraus verändern) und respektiert sie, ohne den anderen Ansatz zu diffamieren. Sie meidet hochkomplexe Themen nicht und schreibt so wiederholt über die Situation in Nahost seit dem 7. Oktober 2023, besonders über den Stellvertreterkrīeg hier bei uns. Ihre Forderungen sind dabei so klar, dass sich mir nicht erschließt, wie ihr vorgeworfen werden kann, sie würde sich nicht an die Seite der Palästinenser*innen stellen. Ich bewundere ihre Fähigkeit, Grenzen zu setzen, ohne in Dogmatismus und vereinfachte Dichotomien zu verfallen. Und das kann ich, obwohl ich ihren gewählten aktivistischen Weg nicht unbedingt teile.

Der letzte Abschnitt, welcher aktivistische Frauen porträtiert, kam mir an manchen Stellen etwas zu gewollt vor. Es sollte hier gezeigt werden, wie diese Empathie und Widerstand in ihrem Aktivismus praktizieren, doch dafür waren mir die Texte zu kurz. Daher ziehe ich einen halben Stern ab, bewerte das Buch aber noch immer sehr gut.

Ich habe mich von diesem Werk in meinem Universalismus bestärkt gefühlt und gleichzeitig gemerkt, wie herausfordernd es ist, nicht einem ideologischen Denken zu verfallen, das uns vorgaukelt, wir hätten die einzige Wahrheit für uns gepachtet. Damit hat „Empathie und Widerstand“ es geschafft, dass ich mich weiter im Aushalten verschiedener Perspektiven üben möchte (Stichwort: Ambiguitätstoleranz), ohne dabei meinen Widerstand gegen Unmenschlichkeit aufzugeben.

4,5 ⭐️

Bewertung vom 04.11.2024
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


ausgezeichnet

Toller Humor, gute Charakterentwicklung, bisschen Spice - alle Erwartungen erfüllt

Wer Emily Henry liest, bekommt Emily Henry. Das ist auch bei „Book Lovers“ der Fall und ich fand es einfach nur toll.

Die Autorin hat ein Händchen für flüssige Geschichten mit Spice und einem Humor, den ich sehr mag. Und auch während dieser Lektüre musste ich einige Male laut auflachen. 😅

Ganz besonders toll fand ich hier die Meta-Ebene der Story. Als Literaturagentin benennt Protagonistin Nora nämlich so einige RomCom-Tropes - um sie dann später aber trotzdem irgendwie selbst zu leben. Henry hat wirklich einen außerordentlich zugänglichen Weg gefunden, die Klischees der Romance-Welt liebevoll auf die Schippe zu nehmen. 🫶🏻

Richtig gut gefallen hat mir außerdem, dass die Beziehung von Nora zu ihrer Schwester Libby viel Raum einnimmt und sich entwickeln darf. Auch bei Romance finde ich es lobenswert, wenn es nicht nur um romantische Liebe geht und das Band zwischen den beiden Schwestern ist spürbar eng.

Spice kommt natürlich auch in „Book Lovers“ nicht zu kurz, auch wenn er etwas sanfter ausfällt als in anderen Büchern der Autorin. Bei der Beschreibung des Protagonisten Charlie wird auch wieder auf ein paar klassische Klischees zurückgegriffen und ich fand andere männliche Hauptfiguren noch besser ausgereift, aber er ist trotzdem ein gut gezeichneter, sympathischer Charakter.

Rundum genau das, was ich erwartet habe und ein absoluter Easy-Read mit Spaß und Coziness.

Bewertung vom 31.10.2024
Lieben
Roig, Emilia

Lieben


gut

Ein interessanter Ausgangspunkt, aber definitiv keine Nebenbei-Lektüre

[Disclaimer: Ich distanziere mich ausdrücklich von den antisemitischen Positionen, welche die Autorin seit dem 7. Oktober 2023 in der Öffentlichkeit recht präsent einnimmt. In diesem Essay bekommen sie keinen Raum, deshalb beeinflussen sie meine Rezension nicht. Ich glaube aber, dass zu "Lieben" auch dazugehört, Handlungen von Menschen (hier konkret Regierungen) zu kritisieren, ohne in eine einseitige Dämonisierung abzugleiten.]

Ich habe bereits Emilia Roigs Buch "Das Ende der Ehe" gelesen und gemocht, weshalb mir einige der Gedankengänge dieses Essays bereits bekannt waren. Gerade mit einer gewissen antikapitalistischen/antirassistischen/feministischen Vorprägung sind viele Ausführungen nichts Neues und bilden so vielmehr einen Ausgangspunkt für eine tiefergehende Beschäftigung mit einzelnen Themenbereichen.

Der Essay ist zwar an vielen Stellen anekdotisch, blieb für mich aber emotional doch eher an der Oberfläche und wurde vor allem zu Beginn von recht vielen Referenzen begleitet - da hätten es für mich ein paar weniger sein dürfen. Die Gedanken der Autorin rund um die Hierarchisierung verschiedener Beziehungsformen und damit verschiedener Arten zu lieben waren mir größtenteils bekannt, aber trotzdem interessant. Vor allem das recht umfängliche Kapitel zu Freund*innenschaften hat mir sehr gut gefallen, da es hier auch konkrete Beispiele freundschaftlicher Verbindung gab, die auf mich immer sehr heilsam wirken. Romantische Liebe bekommt weniger Raum, was für mich aber angesichts des Übermaßes an Literatur in diesem Feld völlig gerechtfertigt war.

Die zweite Buchhälfte widmet sich einem viel größeren Thema, nämlich der Positionierung des Menschen innerhalb der Natur und des Kosmos. Die Gedanken zu Speziesismus fand ich sehr gut und unbedingt notwendig in einem Buch über das Lieben. Denn ich glaube fest daran, dass wir einen großen liebenden Teil in uns wegsperren, wenn wir nicht-menschliche Tiere und die Natur beherrschen und ausbeuten wollen. Manche Schilderungen, wie etwa ihre Reiterfahrung, passen in eine antispeziesistische Betrachtung der Welt allerdings nur bedingt. Das letzte Kapitel ist ziemlich spirituell, womit ich persönlich nicht viel anfangen kann. Doch die Autorin hat hier einen Ton getroffen, der mich den Abschnitt hat wertfrei lesen lassen - es ist ein Teil ihrer Lebenserfahrung und auch nicht mehr als das. Ich muss es nicht nachvollziehen können, um es zu respektieren.

Die Verbindungen zum übergeordneten Thema "Lieben" fiel schon manchmal recht abstrakt aus. Ich habe es nicht so extrem mit einer Erwartung gelesen, kann eine gewisse Enttäuschung an der Stelle aber nachvollziehen. Für mich war nicht viel neu, einiges trotzdem heilsam und manches zu fern, als dass ich dazu großartige Empfindungen hätte haben können. Eventuell ist das Thema für ein 120 Seiten langes Essay schlicht ein wenig zu komplex und die Autorin schien einen hohen Anspruch an die Vielfalt der angesprochenen Bereiche gehabt zu haben, was das Buch auch nicht unbedingt zu einer leichten Lektüre macht.

Ich empfehle es eher als anspruchsvollen Anstoß für Menschen, die sich in den Bereichen Antikapitalismus, Antikolonialismus und Feminismus trotzdem schon etwas auskennen. Für mich nicht überragend, aber auch nicht schlecht.