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Urte Köhler

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Insgesamt 75 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2019
Die Zeit des Lichts
Scharer, Whitney

Die Zeit des Lichts


gut

Mit Lee Miller lernt der Leser eine für ihre Zeit überaus schöne Frau kennen, die ihr Leben lang von einer inneren Zerrissenheit beherrscht wird.
Ein traumatischer Vorfall in ihrer Kindheit und ein sehr schlechtes Verhältnis zur Mutter werfen lange Schatten auf ihr Leben nach dem siebten Lebensjahr. Ihr Vater ist ihr Anker, er liebt sie und sorgt so für eine Kindheit, an die Lee sich gerne erinnert. Zumal die ersten sieben Lebensjahre von einer heiteren Unbeschwertheit einer Kindheit auf dem Lande sind.
Ihren ersten Job als Model gibt sie bald auf, um "Bilder zu machen und keine zu sein".
Diese Absicht führt sie nach Paris und dort in die Arme des Künstlers Man Ray. Der Leser begleitet die beiden während der wilden 20er Jahre dort. Lernt die Abgründe der Künstler-Bohemiens kennen und erlebt Lees Kampf, als eigenständige Foto-Künstlerin anerkannt zu werden. Was ihrer Zerrissenheit immer wieder Nahrung gibt, sie jedoch weiter antreibt.
Als Geliebte von Man Ray wird sie mit der Bedeutung von Sex in diesen Kreisen konfrontiert. Hier tun sich Abgründe auf, gerade auch was die fotografische Darstellung des Themas angeht.
Ein Besuch ihres Vaters in Paris bildet den Widerspruch in ihrem Leben scharf ab. Auf der einen Seite das kleine Mädchen und sein Daddy, auf der anderen Seite die erwachsene Frau, die es nicht schafft, sich zu behaupten und ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben.
Allerdings lässt man sie auch nicht, denn ihre fotografischen Arbeiten werden nicht unter ihrem Namen veröffentlicht und gewinnen Preise, sondern unter dem von Man Ray. Das kränkt sie bis ins Mark und führt neben Rays besitzergreifendem Verhalten zum Bruch.

Zwischen der Schilderung ihres Lebens in Paris werden immer wieder Kapitel eingestreut, die sich auf Erlebnisse von Miller als Kriegsfotografien im Zweiten Weltkrieg beziehen. Dokumentarisch hervorragend, führen ihre Bilder und das, was sie erlebt, sie emotional an den Rand des Abgrunds, der Alkohol ist ein treuer Freund.

Mir fällt es schwer, Zugang zu der unsteten, zerrissenen Persönlichkeit von Lee Miller zu finden. Tief in ihrem Inneren geschädigt vom Traum ihrer Kindheit, den Nacktfotos, die ihr Vater von ihr als kleines und junges Mädchen anfertigt und dem schlechten Verhältnis zur Mutter, findet sie keinen Halt im Erwachsenenleben und ist nicht in der Lage, eine feste Beziehung aufzubauen. Sie flieht, traut sich nicht, ist unsicher, was Liebe ist.
Ihre Zeit als Kriegsfotografin, die sie weit tiefer blicken lässt, als es menschliche Abgründe gibt, zieht sie weiter in ihre persönliche Misere hinein. Seelisch geschädigt, zieht sie sich in ihre eigene Welt zurück und scheint die Tage irgendwie zu verdämmern. Die Vergangenheit lauert ständig im Hintergrund, wie das Damoklesschwert bereit, hinabzufahren.

Eine Biografie über eine Persönlichkeit, die das Leben anpackt, aber doch nicht in der Lage ist, es erfolgreich und glücklich zu meistern.

Bewertung vom 07.10.2019
Die Furchtlosen Fünf
McPartlin, Anna

Die Furchtlosen Fünf


sehr gut

Die Furchtlosen Fünf beeindrucken durch ihren bedingungslosen Zusammenhalt, um eine in ihren Augen gute und richtige Sache durchzuziehen. Bedenken und Zweifel werden im Keim erstickt - das große Ganze ist ihr Ziel vor Augen und das kann nur gemeinsam erreicht werden.
So kommen vier irischen Jungs und ein Mädchen auf den Gedanken, die krebskranke Mutter ihres Freundes Johnny J. zu retten, in dem sie Geld besorgen, um sie in das medizinisch hochentwickelte Land Amerika zu bringen. Dort würde man sie heilen können und Johnny J. seine Mutter nicht verlieren.
Soweit wunderbar erdacht und auch die Ausführung des Plans wird umsichtig geplant. Mit mehr Glück als Verstand ziehen die Kinder ihr Vorhaben durch, doch kleinere Schwächen führen die Polizei auf ihre Spur.
Wunderbar geschrieben in einer flüssig zu lesenden Sprache, die sich an Gedankengängen 12-14 Jähriger orientiert, werden wie nebenbei die Sorgen und Nöte der Kinder deutlich gemacht. Ihre Furcht vor dem Arm des Gesetzes (mehr noch als vor den Eltern) und die Auswirkungen ihres Tuns für ihre Zukunft schweben wie ein Damoklesschwert über ihnen, lassen aber nie die Zweifel an ihren guten Absichten überwiegen. Bis zum Schluss stehen sie ihre Mann und ertragen tapfer das, was die Realität dann parat hält.

Der Autorin ist es wunderbar gelungen, den Balanceakt zwischen guten Absichten und falschem Tun zu halten. Die Kinder wissen immer, dass das, was sie tun falsch ist, aber die Hoffnung, dass am Ende das Gute siegen wird, ist übermächtig.
Letztlich siegt die Vernunft, auch wenn sie als Verrat daherkommt. Doch am Ende haben alle ihre Lektion gelernt und blicken dem vor ihnen liegenden Sommer fröhlich, aber reifer entgegen.

Bewertung vom 01.10.2019
The Wonderful Wild
Neitzel, Gesa

The Wonderful Wild


ausgezeichnet

Menschen, deren Leben fast ausschließlich auf der Gefühlsebene funktioniert, finden in diesem Buch eine wundervolle Unterstützung, die Kraft der Gefühle und der inneren Stimme zu fühlen und zu hören.
Dafür brauchen wir Stille um uns herum, um tief in unserem Inneren die eigene Stille zu finden. Aus dieser Stille wachsen Kraft und ein positives Lebensgefühl, das es möglich macht, diese Welt ein kleines Stück besser zu machen und zu erreichen, dass unser blauer Planet ein wenig länger blau bleibt.
Innere Zufriedenheit finden, die nicht durch kurzfristige Freude und oberflächliches Hurra unmöglich wird zu fühlen. Um wirklich glücklich zu sein braucht es wenig materielle Dinge. Das Lauschen auf die Geräusche der Natur, das Beobachten von Tieren und das sich Einlassen auf den Reichtum der Natur um uns herum, erdet uns und bringt uns zu unserem Ursprung zurück. Dafür braucht es kein Instagram und hunderte von Likes von Leuten, die ich nicht einmal kenne. Dafür braucht es einen Blick auf die uns umgebende Welt und die Bereitschaft, die Schönheit darin zu entdecken und Freude zu empfinden. Das lässt der inneren Stille Raum für Entfaltung und lässt die innere Stimme, die leise aber beharrlich immer im Hintergrund lauert, zu Wort kommen. Es lohnt sich, auf diese Stimme zu hören und sie nicht dauerhaft zum Schweigen zu verurteilen, nur weil wir uns dem eigenen Sein nicht stellen wollen und uns fragen wollen, ob unser Leben wirklich gut läuft für uns oder ob es nicht vielleicht höchste Zeit ist, Dinge zu ändern und den eingefahrenen Schlendrian zu verlassen, weil uns dessen Oberflächlichkeit den Blick verstellt.

Gesa Neitzel geht all diesen Fragen nach und findet ihre Antworten darauf im afrikanischen Busch. Es ist ihr Weg, den sie beschreibt, ihre Erkenntnisse und ihre Lösungsansätze, die sie selbst sich besser fühlen lassen. Denn nur, wenn es einem selbst gut geht, ist der Mensch in der Lage, Gutes zu bewirken und zu tun.
Das Buch liest sich leicht, aber nicht schnell. Die von der Autorin vorgesehenen Lesepausen bei den Abschnitten, die mit einem Elefanten gekennzeichnet sind, sind sinnvoll und richtig. Der Text lädt zum Nachdenken über die eigene Person und das eigene Handeln ein. Mal eine Nacht drüber zu schlafen ist hier hilfreich. Dabei wird der Leser feststellen, dass nicht alles für die eigene Person funktioniert, aber dass es doch eine ganze Menge an Einsichten und Wahrheiten gibt, über die es sich lohnt nachzudenken und vielleicht in das eigene Leben zu integrieren. Das eigene Betriebssystem mit einem Update - oder besser noch einem Upgrade - zu versehen (frei nach Neitzel) könnte uns zu mehr Zufriedenheit verhelfen. So gut, dass wir unsere innere Festplatte formatieren und ein anderes Betriebssystem darauf installieren - sind nur die Wenigsten von uns (wieder frei nach Neitzel), aber es lohnt sich, neue Features einzuspielen.

Gesa Neitzel versteht es auf einfühlsame Art den Leser für sich und seine Umwelt zu sensibilisieren. Sie deckt Zusammenhänge auf, die dem Einzelnen vielleicht nicht sofort ersichtlich sind, die aber durchaus vorhanden sind. Ein Denkanstoß für alle Gefühlsmenschen.
Dem Leser wird klar, dass Veränderungen Zeit brauchen und aus alten Mustern auszubrechen eine Herkulesaufgabe ist. Jeder einzelne von uns hat es verdient, glücklich zu sein. Fange bei dir selber an, dann hast du unendlich viele Möglichkeiten. Die wichtigste sollte sein, die Welt mit Respekt zu behandeln. Sie wird es dir danken.

Bewertung vom 22.09.2019
Jack, der Monsterschreck, und die Zombie-Apokalypse / Jack, der Monsterschreck Bd.1
Brallier, Max

Jack, der Monsterschreck, und die Zombie-Apokalypse / Jack, der Monsterschreck Bd.1


sehr gut

Das erste Wort, das zu dem Jugendroman passt und ihn in einer Silbe zusammenfasst, ist "cool". Alles und jedes Tun des Helden Jack in diesem Roman ist darauf ausgelegt, auf jeden Fall cool und abgebrüht rüberzukommen. Gefühlsregungen welcher Art auch immer werden entweder am Rande - sotto voce - erwähnt oder in eine riesige Showeinlage mit gewaltigem Drama verpackt.
Ziel ist es die "Ultimative apokalyptische Glanztat" zu vollbringen, die seinen Status als Held festigen soll. Immerhin muss das ganze Getue vorher ja einen Zweck erfüllen. Und für großmäuliges Getue ist viel Gelegenheit auf den 230 Seiten des Romans. Immerhin muss Jack über seinen Status als Waisenjunge, der von einer Familie zur nächsten gereicht wird hinwegtäuschen und darf seine angeknackste Gefühlswelt nicht offenlegen.
Da kommt ihm die Zombieapokalypse gerade recht und dass es dazu noch ein gigantisches Monster gibt, dass es speziell auf ihn angesehen hat, ist hilfreich. So können diverse Aktionfilm- und Heldenklischees bedient werden.
Auch die Liebe kommt nicht zu kurz, immerhin gilt es ein Fräulein in Not zu retten; wo Jack so richtig aus dem Vollen schöpft und dabei auch schon mal den Gentleman heraushängen lässt. Ohne allerdings auf den Gedanken zu kommen, die Lady könnte allein zurecht kommen.
Die Story mündet in einen ultimativen Kampf Gut gegen Böse - Bildung verschafft der guten Seite dabei einen entscheidenden Vorteil - und Jack läuft lässig wie nebenbei zur absoluten Höchstform auf. Der Leser glaubt für einen kurzen Moment, dass Jack so etwas täglich aus dem Ärmel schüttelt.

Was der Story großen Auftrieb gibt, ist die umgangssprachlich angelegte Ausdrucksweise der Figuren, sei es dass sie sprechen, sei es dass sie die Handlung reflektieren. Ein lockerer "Sprech" wie man neudeutsch sagt, kommt "cool" rüber und liest sich flott. Das hält junge Leser sicher bei der Stange, die sich mit korrektem Schriftdeutsch vielleicht etwas schwer tun.
Die Zeichnungen, die einige Elemente der Erzählung treffend veranschaulichen, sind wunderbar gelungen. Sie geben dem Text einen einprägsames "Bild", was den teilweise komischen Charakter einiger Ideen unterstreicht. Wirklich lustig ist der "Endzeit-Schlitten".

Insgesamt ein lesenswertes, witziges Jugendbuch, das sich an die heutige Sprachwelt der Jugendlichen anlehnt und mit dem Thema Zombies ein Endzeitszenario darstellt, in dem es irre Spaß macht, zu überleben.

Bewertung vom 12.09.2019
Die Dame hinter dem Vorhang
Peters, Veronika

Die Dame hinter dem Vorhang


weniger gut

Der Titel dieses vor sich hin plätschernden Buches ist so passend gewählt, wie es selten trifft. Der Leser wird in die Welt der Edith Sitwell entführt und nimmt durch die Augen ihres Hausmädchens an dem Leben der Dichterin teil. Wir erleben eine Alltagsschilderung einer Bohème Dame der 1930er Jahre bis zu ihrem Tod 1964. Ihre Macken, ihre Vorlieben, ihre Exzentrik, ihre Freunde, ihre Feinde, ihren ewigen Kampf ums Geld und die Beziehung zu ihren Eltern und Geschwistern.
Das mit den Jahren unentbehrlich gewordene Hausmädchen Jane entpuppt sich dabei als genaue Beobachterin. Sie kommentiert und analysiert das Geschehen und das Verhalten ihrer Dame Edith. Dabei stets auf deren körperlichen und geistigen Wohl bedacht, hält sie die lästigen Pflichten des Alltags von ihr fern. Auf eine herzliche, aber auch treffsichere Art weiß sie sich zwischen den exotischen Gestalten um Dame Edith herum zu behaupten.

Was mir bei der Lektüre dieses Romans aufgefallen ist, ist, dass der Blick wirklich fast ausschließlich hinter den Vorhang gerichtet ist. Was dort geschieht soll also in Abgrenzung zu dem Leben vor dem Vorhang stehen. Um diesen Kontrast stärker zu betonen, wäre es unerlässlich gewesen, auch das Leben vor dem Vorhang, dasjenige im Rampenlicht, zu beschreiben. So wäre es dem Leser deutlicher gemacht worden, in welchem Zwiespalt so eine Person sich bewegt. Tatsächlich finden sich immer nur schemenhafte Streiflichter zu dem Leben in und um Publikum herum. Das ist meiner Meinung nach zu dünn, um die Bedeutung des banalen Alltags zu begreifen. Die Dissonanz hätte stärker herausgearbeitet werden sollen. So bleibt das Buch auf der Ebene eines unterhaltenden, oberflächlichen Romans. Die Darstellung der zweifellos vorhandenen Spannungen zwischen Rampenlicht und Wohnstube hätten der Geschichte Dynamik verliehen, die ihr so fehlt. Schade.

Bewertung vom 30.08.2019
Ein neues Blau
Saller, Tom

Ein neues Blau


ausgezeichnet

Die Lektüre dieses Romans ist ein Erlebnis, wie es einem nur selten zu teil wird. Von mitreißender Spannung, einzigartiger Sprache und einer Einfühlsamkeit in die Figuren, die seines gleichen sucht. Es ist eins von diesen Büchern bei denen der Leser dem Ende entgegen fiebert, um dann traurig den letzten Satz zu lesen, weil es zu Ende ist.
Eine alte Dame und eine stark pubertierende Schülerin verbringen einige Nachmittage miteinander, weil der Sohn der Dame der Meinung ist, seine Mutter brauche Gesellschaft.
Was zunächst wie eine Gefälligkeit des Schülerin anmutet, entpuppt sich sehr schnell als erster Schritt zu einem Wandlungsprozess, der die Figuren am Ende mit sich und ihrem Leben aussöhnen wird. Sie lernen, sich selbst und anderen zu verzeihen und mit sich ins Reine zu kommen. Die Junge, um ihren Platz im Leben zu finden und die Alte, um ihre Vergangenheit uneingeschränkt zu akzeptieren.
Dieser Plott wird mit Erzählungen und Reflexionen aus dem Alltag der beiden unterfüttert, die dem Leser das ganz persönliche Schicksal jedes Einzelnen vor Augen führen und beschreibt was für Folgen das haben kann. Mit eben diesen Folgen weiter zu leben stellt die besondere Herausforderung dar, der sich beide am Ende des Buches stellen. Wie? Das wird nicht verraten.
Beeindruckend an diesem Roman ist der psychologische Tiefgang, der Figuren und deren hohes Maß an Selbstreflexion und Erkenntnisfähigkeit. Etwas, was sicher der Ausbildung und beruflichen Tätigkeit des Autors geschuldet ist.
Ebenso der gewaltige Umfang an Themen, die in diesem Roman meist ausführlicher angesprochen werden. Eine breite Vielfalt von Porzellan und Teekultur, über Judentum und Kanji bis zu Bauhaus und Psychoanalyse wird angesprochen. Jedes dieser Themen ist für den Roman von besonderer Bedeutung, weil sie im Leben der Protagonisten eine wichtige Rolle spielen und darauf hinweisen, dass das Leben Platz bietet für vielfältige Beschäftigungen.
Die literarische Umsetzung dieses Stoffes ist das Herausragende an diesem Roman, der den Leser wie nebenbei auffordert, selbst ein Blick auf sich und sein Leben zu werfen. Sich zu fragen, warum tue ich das und warum tut der andere das.
Ein wunderbarer Leitfaden für den Umgang mit sich selbst und mit dem, was das Leben jeden Tag so zu bieten hat. Und das das Leben immer vielfältige Möglichkeiten für jeden parat hat. Man muss sie nur erkennen und annehmen können.

Bewertung vom 22.08.2019
Die Wege der Liebe / Die Ärztin Bd.3
Sommerfeld, Helene

Die Wege der Liebe / Die Ärztin Bd.3


sehr gut

Dieser dritte Teil der Trilogie über die Ärztin Ricarda Thomasius hat auf 572 Seiten alles zu bieten, was in eine dramatische Saga hineingehört. Fortschrittsdenken und der Kampf gegen bornierte Männer, die das Wissen über - in diesem Falle Medizin - gepachtet zu haben scheinen, kennzeichnet hauptsächlich Ricardas Lebensweg und Karriere als Ärztin. Unbeirrt geht sie ihren Weg, mutig und stolz, zu ihren Prinzipien stehend, auch wenn sie damit aneckt und Menschen gegen sich aufbringt. Gegenüber ihrer Familie legt sie das gleiche Verhalten an den Tag, was ihr ebenfalls nicht nur Freunde einbringt. Sie steht abseits der allmächtigen Familie Kögler - die Familie ihres ersten Mannes.
Mit drei Kindern von drei verschiedenen Männern ist sie stets darauf bedacht, Familie und ihre Beziehung zu ihren Kindern als oberstes Ziel vor Augen zu haben. Ihr Beruf als Ärztin kommt aber gleich danach, was sie aber nicht daran hindert, ihn für ihre Familie aufs Spiel zu setzen. Am Ende ist es dann die Familie, die an erster Stelle in ihrem Leben steht.
Darum herum rangt sich die weitere Handlung gespickt mit Klischees wie Ehebruch, Homosexualität, Abtreibung, Vergewaltigung, Erpressung, Scheidung, Krankheit und Tod.
Ziemlich viel für ein Leben, das durch den Willen zu helfen und Leben zu bewahren geprägt ist. Ricarda ist stets auf der Suche nach dem Guten im Menschen, sieht sich aber konfrontiert mit den Abgründen der menschlichen Gesellschaft, die auch vor ihrer Familie nicht Halt machen.
Als unglaublich starke Frau schultert sie diese Abgründe erstaunlich kräftig und bewahrt in schwierigen Situationen einen kühlen, klaren Kopf.
Dennoch bin ich der Meinung, dass oben aufgezählte Klischees nicht in der Häufung während eines Menschenlebens auf ihn einstürzen.
Mal ganz ehrlich: Schon die Auseinandersetzung mit zwei der genannten Dinge, kann ein Leben gehörig aus den Fugen bringen und es so verändern, dass kein Stein mehr auf dem anderen steht. Und alle zusammen inklusive die Überwindung einer tödlichen Krankheit lassen die Heldin am Ende entspannt im Schoß der Familie glücklich sein?
Insgesamt aber eine wundervoll ausgedachte Geschichte, voller Dramatik, lebendiger Figuren und stringenter Handlungsweisen. Der Leser kann wunderbar mit fiebern und immer wieder verwundert erfahren, wie sich doch alles zum Guten wendet und die Dinge sich fügen.
Das stimmt den Leser sicher am Ende heiter und entlockt ihm ein Gefühl der Dankbarkeit, dass derart viel Dramatik nicht sein eigenes Leben ausmacht.

Bewertung vom 01.08.2019
Silberdrache Bd.1
Sage, Angie

Silberdrache Bd.1


gut

In diesem stellenweise grausamen Jugendroman stehen drei Erzählstränge nebeneinander, die nacheinander verbunden werden, wobei der Leser sich fragt, was es mit dem zuletzt verwobenen eigentlich auf sich hat. Er ist der kürzeste von allen und setzt der Geschichte ein etwas dürres, unverständliches Ende.
Insgesamt lässt sich der Leser auf eine spannende Geschichte ein, in der relativ wenig Handlung in eine umfangreiche Erzählwelt eingebettet ist. Die Handlungsweisen der Figuren sind folgerichtig und bringen den Ablauf gut voran, der auf ein aktiongeladenes Creszendo zusteuert: gut gegen böse. Und das Böse ist wirklich böse, sadistisch und unmenschlich. Manchmal wundert der Leser sich über solche Abgründe.
Die Drachen in der Geschichte sind wundervoll geschildert. Sie weisen menschliche Denkweisen und unterschiedliche Charaktere auf. Haben aber auch "drachentypisches" Verhalten und "exzentrische" Bedürfnisse. Ihre Hierarchie erinnert an militärische Ränge, ihre Kammern an royale Gemächer.
Die Bedeutung des Silberdrachen bezieht sich auf eine besondere Fähigkeit, ohne die das Ende der Geschichte nicht möglich wäre. Solange ist sie nur ein Streiflicht am Horizont.
Insgesamt ist die Story spannend ausgedacht und erschafft eine Fantasywelt voller Drachen, die menschlicher Grausamkeit ausgesetzt sind, die aber auch dem Guten Raum lässt, damit es sich behaupten kann.

Bewertung vom 17.07.2019
Die Malerin des Nordlichts / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.10
Johannson, Lena

Die Malerin des Nordlichts / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.10


gut

Der Leser lernt die nicht mehr ganz junge Malerin Signe Munch kennen, die sich aus den Zwängen ihrer Ehe mit einem ignoranten, in überkommenen gesellschaftlichen Vorstellungen verfangenen Mann befreit hat. Nun kann sie ihre Malerei leben, alles, was sie je wollte.
In den Osloer Künstlerkreisen bringt sie es zu bescheidenem Erfolg, was sicher auch ihrem Onkel dem großen Edvard Munch zu verdanken ist. Sie hat vieles von ihm gelernt - nicht handwerklich sondern eine eigene Sicht auf Malerei.
Gleichzeitig findet sich der Leser aber auch einer Frau gegenüber, die zu tiefst unsicher und unendlich weich und freundlich ist. Das Sprichwort Sie kann keiner Fliege was zu Leide tun" trifft voll zu.
In ihrer Unsicherheit ist sie mit sich und ihren Bildern nicht zufrieden, ringt mit sich selbst um ihre Kunst.
Das ändert sich, als sie die Liebe ihres Lebens trifft und sie Fuß fassen lässt. In ihrer Welt fällt alles an seinen Platz und sie ist in der Lage, andersartige Kunstwerke zu erschaffen. Sie reift.
Doch das Schicksal hat für sie einiges in Petto. Der Zweite Weltkrieg nimmt Einfluss auf ihr Leben und bestimmt die weiteren Jahre erheblich.
Insgesamt ist es der Autorin wunderbar gelungen, das Lebensbild einer eher weniger bekannten Malerin zu zeichnen.
Ein Gesellschaftsroman mit biografischen Anteilen und einem Blick auf den Reifungsprozess einer Künstlerin, die ihr Leben in den Dienst der Kunst stellen kann und als eine gefestigte Persönlichkeit aus allem hervorgeht.