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Benutzername: 
smartie11
Wohnort: 
In Niedersachsen
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 920 Bewertungen
Bewertung vom 26.01.2018
Woman in Cabin 10
Ware, Ruth

Woman in Cabin 10


sehr gut

Psychothriller mit klaustrophobischen und paranoiden Grundtönen

Meine Meinung:
Es hätte so schön sein können… Die Journalistin Laura „Lo“ Blacklock darf an der Jungfernfahrt der Luxusyacht Aurora Borealis teilnehmen. Doch schon vor dem Start der Kreuzfahrt bringt sie ein Einbruch bei ihr zu Hause vollkommen durcheinander. Und dann ist da auch noch die junge Frau in der Nachbarkabine, die auf einmal verschwunden ist und die niemand gesehen haben will…

Der Start in die Geschichte gelingt sehr leicht, da zu Beginn der Kreis der Charaktere noch sehr übersichtlich ist. Nach dem ersten Schock des Einbruches lernt man als Leser erst mal die Protagonistin Laura, ihre Sorgen, Nöte und Ängste kennen, die durch den Einbruch nochmal ordentlich befeuert worden sind.

Mit dem Start der Kreuzfahrt treten wir dann ein in einen sehr kleinen und elitären Mikrokosmos, denn neben der Crew gibt es nur ein gutes Dutzend Passagiere. In diesem latent klaustrophobischen Szenario entspinnt sich ein Fall, der mich insgesamt sehr an die Krimi-Klassiker von Agatha Christie (z.B. „Das Böse unter der Sonne“) oder auch den Stil von Edgar Wallace erinnert hat. Sehr geschickt verschafft Ruth Ware ihrer Protagonistin eine Außenseiterposition – denn alle anderen Personen auf dem Schiff halten ihre Sorge um die mysteriöse verschwundene Frau aus Kabine 10 mehr oder weniger für eingebildet. Besonders gut gefallen hat mir dabei, dass auch bei mir als Leser der Zweifel immer weiter aufgekeimt ist, ob Lauras Einbildung ihr tatsächlich nicht Streiche spielen könnte…

Sehr gut gefallen hat mir auch das schriftstellerische Stilmittel der Autorin gefallen, zwischendurch kurze Einschübe zu bringen, die die diffuse Bedrohung immer ernster werden lassen, ohne dass dem Leser hierdurch die Hintergründe oder der weitere Verlauf der Geschichte verraten werden würde. Weniger gefallen hat mir hingegen die manchmal schon etwas übertriebene unbeholfene Art Lauras.

FAZIT:
Eine spannende Story mit paranoider und klaustrophobischer Grundstimmung in einem faszinierenden Mikrokosmos auf See.

Bewertung vom 24.01.2018
Hangman. Das Spiel des Mörders / New-Scotland-Yard-Thriller Bd.2
Cole, Daniel

Hangman. Das Spiel des Mörders / New-Scotland-Yard-Thriller Bd.2


sehr gut

Ein komplexer, spannender Thriller mit leichten Abzügen in der B-Note

“Der Himmel stürzt ein” (S. 188)

Meine Meinung:
„Hangman“ ist der Nachfolgeband zum Daniel Coles Bestseller-Debut „Ragdoll“. Auch wenn immer wieder Anknüpfungspunkte an „Ragdoll“ vorkommen, ist „Hangman“ ein in sich abgeschlossener Fall, den man auch ohne die Vorkenntnisse des ersten Bandes lesen und genießen kann (so wie ich).

Der Prolog – als Einstieg in diesen Fall – ist eher ungewöhnlich, lässt uns als Leser einen kurzen Zeitraum in die Zukunft schauen und sät ganz gekonnt ein Samenkorn des Zweifels, das im Verlauf des Buches wunderbar aufgehen und gedeihen wird! Dies hat Daniel Cole schon mal sehr geschickt gemacht.

Der eigentliche Start in die Geschichte ist dann rasant und durchaus schon actionreich und gibt einen guten Einblick in das, was wir uns als Leser von dieser Geschichte erwarten dürfen: Spannung, Action, Gewalt und eine komplexe Story – ein harter Thriller, der wirklich nichts für schwache Nerven ist. Ganz gekonnt spielt der Autor mit den Instrumenten des Zweifels (s.o.), der Paranoia und der Überraschungseffekte. So gelingt es ihm, sowohl das Tempo als auch den Spannungslevel stets hoch zu halten, ereignen sich die Taten doch sogar parallel auf zwei Kontinenten! Immer wieder kommt es hierbei zu Situationen, die schon etwas albtraumhaftes, fast surreales an sich haben.

Sehr gut gefallen haben mir dabei die Hauptcharaktere des Autors und insbesondere ihre Entwicklung im Lauf der Story. Zu Beginn schickt er ein „Ermittler-Trio wider Willen“ ins Rennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: DCI Emily Baxter vom New Scotland Yard (impulsiv, introvertiert und mit Autounfall-Abo und Bindungsängsten), die aufstrebende FBI-Agentin Elliot Curtis, die im Schatten ihres übermächtigen Vaters steht, sowie den charmanten, aber undurchsichtigen CIA-Agenten Damien Rouche. So unwirsch und exzentrisch gerade Baxter und Rouche sind, so sehr sind sie mir im Verlauf der Story doch ans Herz gewachsen. Tolle und extrem kantige Charaktere scheinen eine Spezialität von Daniel Cole zu sein!

Über weite Strecken des Buches ergeben sich für die Ermittler wie auch die Leser immer mehr Fragen und ich hatte schon arge Befürchtungen, ob es dem Autor noch gelingen wird, dieses Gewirr von Handlungssträngen und unterschiedlichen Taten am Ende glaubhaft zusammenzuführen. Am Ende präsentiert Cole ein Finale, das an Spannung, Action und Dramatik kaum noch zu überbieten ist. Doch ein kleiner Wermutstropfen bleibt für mich: Zum Schluss wirken manche Teile doch ein bisschen zu konstruiert (detaillierter kann ich nicht werden, ohne zu spoilern) und die Motive in Teilen wenig nachvollziehbar. Aber auch in der Realität gibt es ja leider viel Grausames, das ich nicht nachvollziehen kann...

Last but not least möchte ich noch den Schreibstil erwähnen, der mir insgesamt sehr gut gefallen hat, insbesondere der Humor sowie die Formulierungen und Beschreibungen des Autors („Baxter sah fast glücklich aus oder zumindest ein bisschen weniger schlechtgelaunt als sonst.“ (S. 307). Allerdings gab es von Zeit zu Zeit auch Sätze, die vom Satzbau irgendwie so komisch waren, dass ich sie zweimal lesen musste, um sie zu verstehen. Das wurde zum Ende hin aber weniger.

FAZIT:
Ein harter Thriller mit viel Spannung, Action und Überraschungen - aber auch kleinen Schwächen. Auf jeden Fall gut Unterhaltung!

Bewertung vom 22.01.2018
Sie riechen dich / Pheromon Bd.1
Wekwerth, Rainer;Thariot

Sie riechen dich / Pheromon Bd.1


ausgezeichnet

Eine faszinierende, moderne Science-Fiction-Story mit Wow-Effekt

„all ihre Schönheit verblasste, als er die Hässlichkeit ihrer Seele roch“ (S. 73)

Meine Meinung:
„Pheromon- Sie riechen dich“ ist ein Gemeinschaftswerk der beiden deutschen Autoren Rainer Wekwerth (u.a. „Camp 21: Grenzenlos gefangen“ und die „Labyrinth“-Trilogie) und Thariot (u.a. „EchtzeiT“- und „Solarian“-Reihe). Mit Büchern, die von zwei oder mehreren Autoren gemeinschaftlich geschrieben wurden, bin ich normalerweise eher vorsichtig, aber „Pheromon“ liest sich wirklich wie ein Buch aus einem Guss.

Die Geschichte teil sich in zwei sich stetig abwechselnde Handlungsstränge auf, zum einen um den Teenager Jake Merdon im Jahr 2018 und zum anderen um Dr. Travis Jelen (68) im New York des Jahres 2118, einer pulsierenden 40 Millionen-Metropole. Während sich die Geschehnisse um Jake zunächst relativ unspektakulär und eher unterschwellig, aber dennoch sehr rätselhaft entwickeln, nimmt die Story um den abgehalfterten und von schweren Selbstvorwürfen geplagten Arzt Travis schneller an Fahrt auf. Beide Stränge verlaufen über die meiste Zeit des Buches sehr unterschiedlich, aber stets mysteriös und spannend. Jakes Geschichte hat dabei zunächst eher einen „coming of age“-Charakter mit Mystery-Touch und Travis´ Handlungsstrang scheint zu Beginn eher eine Crime-Story zu sein. Im Verlaufe des Buches wandelt sich die Story aber und bekommt immer mehr Science-Fiction-Charakter, so dass sich insgesamt ein sehr gelungener Mix diverser Genres ergibt, wobei man Science-Fiction schon grundsätzlich mögen sollte, um dieses Buch zu genießen.

Besonders faszinierend fand ich an diesem Buch die Grundidee, auf der die gesamte Story fußt und die ich hier natürlich nicht verraten möchte. Sie hat für mich schon etwas innovatives, faszinierend-schockierendes und ist auf jeden Fall absolut „hollywoodtauglich“. Über weite Strecken hatte ich Zweifel, ob es den beiden Autoren gelingen würde, ihre beiden Handlungsstränge am Ende überzeugend zusammenzuführen. Doch zum Schluss gelingt es, ein überzeugendes, extrem actionreiches und auch dramatisches Finale mit einem absoluten Überraschungsmoment zu präsentieren, so dass ich beim Lesen mehr als einmal „WOW“ gedacht habe. Obgleich „Pheromon“ als Trilogie angelegt ist (Band zwei soll im Herbst 2018 erscheinen), ist das Ende auch ein (erster) Abschluss der Handlungen dieses ersten Bandes, so dass man das Buch aus der Hand legen kann, ohne sich vollkommen „verloren“ zu fühlen. Dennoch freue ich mich schon jetzt auf Band zwei!

FAZIT:
Ein spannender Genre-Mix mit Science-Fiction-Schwerpunkt und einer faszinierenden wie gleichfalls schockierenden Grundidee. Absolut top!

Bewertung vom 15.01.2018
In eisiger Nacht / Detective Max Wolfe Bd.4
Parsons, Tony

In eisiger Nacht / Detective Max Wolfe Bd.4


sehr gut

Schattenmenschen - Ein solider Krimi mit viel Dramatik und einem top-aktuellen Grundthema

„Sterben ist leicht. Leben ist schwer.“ (S. 16)

Meine Meinung:
„In eisiger Nacht“ ist der vierte Band der Krimi-Reihe um den Ermittler DC Max Wolfe. Die Kenntnis der vorangegangenen drei Bände ist nicht zwingend notwendig, da der Fall in sich abgeschlossen ist, aber es gibt viele Rückblicke und Verquickungen zu den vorangegangenen Fällen und einige alte Bekannte sind auch wieder mit dabei. Daher würde ich jedem empfehlen, zunächst die Vorgängerbände zu lesen.

Der Einstieg in die Geschichte ist mir sehr leicht gelungen, da ich die Ermittler ja bereits kannte und der Fall an sich zunächst sehr eng umgrenzt ist: Mitten in Chinatown werden in einem Kühllaster die Leichen von mehreren Frauen gefunden, die von Schleusern illegal ins Land gebracht worden sind. Wie schon in den vorangegangenen Bänden greift Tony Parsons damit mal wieder ein top-aktuelles Thema für seinen Krimi auf: Schlepperei und Menschenhandel. Ungeschönt portraitiert er die unmenschlichen Zustände in Flüchtlingslagern und die Ängste, Nöte und (zumeist irrealen) Träume von Flüchtenden, die sich schutzlos den Machenschaften den Machenschaften dieser kriminellen und profitgierigen Industrie aussetzen. Es geht um Menschenschicksale und einen milliardenschweren Schwarzmarkt.

Auf dieser Basis entwickelt sich eine solide Krimistory, die die Ermittler in ihrem Verlauf über die Grenzen des Landes und auch über ihre ganz persönlichen Grenzen hinaus führen wird. Denn auch das ist eine große Stärke des Autors: Seinen Charakteren sehr viel Persönlichkeit und Nähe zu verschaffen und die Leser auch an den Privaten Sorgen und Schicksalsschlägen der Figuren teilhaben zu lassen. In Parsons Krimis findet man Ermittler, die absolut menschlich und alles andere als unfehlbar sind. Hier werden aus zeitlichem Druck und / oder (emotionaler) Überforderung durchaus auch zweifelhafte Entscheidungen getroffen, die man als Leser nicht immer gutheißen oder nachvollziehen kann. Aber ganz genau so ist das reale Leben doch: Es ist nicht gerecht, nicht perfekt, nicht rational und vor allem immer wieder überraschend – seinen es nun positive oder negative Überraschungen. Genau so ist auch diese Story.

FAZIT:
Ein moderner Krimi: Spannend, dramatisch, menschlich und top-aktuell.

Bewertung vom 29.12.2017
Noras Welten
Puljic, Madeleine

Noras Welten


sehr gut

Eine atmosphärische Fantasy-Story mit spannender Grundidee


„Der Nimbus ist wie das Meer. Alle Wege sind offen.“ (S. 190)

Meine Meinung:
Allein die Grundidee hat mich schon von Beginn an fasziniert: Nora hat das Problem, dass sie in jede Geschichte „hineinfällt“, die sie zu lesen beginnt. Doch als sie sich Hilfe vom Psychologen Ben holen will, stürzt dieser gleich mit ihr in das Buch „Eldinor“ und mitten hinein in eine fantastische Geschichte, dessen Ausgang beide noch nicht kennen. Um möglichst ungeschoren wieder zurück in unsere Welt zu gelangen, wollen sich Nora und Ben möglichst von allen Protagonisten des Buches fern halten und die eigentliche Geschichte nicht beeinflussen. Selbstredend geht das nicht lange gut. Der finstere Zauberer, der den Thron erobern will, entpuppt sich dabei als charmanter und zuvorkommender Zeitgenosse und der eigentliche Held der Geschichte ist in Wahrheit doch eher ein machohafter Rüpel…

Durch die tolle Grundidee dieses Buches präsentiert Madeleine Puljic gleich zwei Geschichten in einer. Während die Geschichte des Buches „Eldinor“ einem klassischen Märchen gleicht, mit allem was so dazu gehört (Drachen, Ritter, Zauberer, Machtkämpfe), ist die Geschichte um Nora und Ben deutlich moderner. Hieraus ergibt sich ein sehr interessanter Kontrast, bei dem es mir besonders gut gefallen hat, dass die Autorin auch die Schattenseiten einer mittelalterlichen Welt nicht romantisch verklärt (wie etwa die hygienischen Zustände oder die brutale Medizin). Letztendlich entspinnt sich eine fantastische, spannende und sehr atmosphärische Story, in dessen Verlauf ich mit Nora und Ben zusammen gezittert habe, ob sie einen Weg nach Hause finden werden.

Sehr gut gefallen hat es mir auch, dass gleich mehrere Charaktere im Verlauf der Geschichte eine deutliche Entwicklung durchmachen und die Leser durchaus überraschen. Dabei sind Nora und der kleine Drache Rashuk aber stets meine Lieblingscharaktere geblieben.

Wo Licht ist, ist auch Schatten – zumindest ein bisschen: Leider ist die Aufklärung Noras rätselhafter Fähigkeit für meinen Geschmack insgesamt ein wenig zu kurz gekommen und es werden auch nicht alle Fragen beantwortet. Dies werte ich mal als Versprechen auf einen Nachfolgeband! Darüber hinaus ist mir der Schluss des Buches – nach einer sehr spannenden und actionreichen Sequenz - leider viel zu „hopplahopp“ daher gekommen. Auch hier hätte es ein bisschen mehr sein dürfen, um die Geschichte zu einem runden Schluss zu bringen.

FAZIT:
Eine überzeugende Fantasy-Story mit faszinierender Grundidee, markigen und teilweise überraschenden Charakteren sowie einer tollen Atmosphäre.

Bewertung vom 28.12.2017
Der Fluch des Feuers
Jager, Mark de

Der Fluch des Feuers


sehr gut

Düstere, blutige Fantasy – ein vielversprechendes Debut

„Im Mittelpunkt aller Magie steht die Harmonie. Jedes Lebewesen besitzt einen wahren Namen, ein einzigartiges Lied, das einen Bestandteil des größeren Ganzen bildet, und diese Harmonie ähnelt ihm.“ (S. 42)

Meine Meinung:
„Der Fluch des Feuers“ (OT: „Infernal“) ist der Debutroman des britischen Schriftstellers Mark de Jager. Der Start in die Geschichte ist ein wenig „ziellos“, denn der Protagonist Stratus erwacht mitten in einer Einöde, mehr tot als lebendig, und hat keinerlei Erinnerungen mehr. Er stolpert von Situation zu Situation, wird gefangen genommen, kann entkommen und so weiter und so fort. Erst als er auf der Suche nach sich selbst in eine größere Stadt kommt, nimmt die Geschichte langsam Konturen an und wird spannend.

Im Folgenden entspinnt sich eine Story, die sehr ortsgebunden um den Charakter Stratus und die zentrale Frage kreist, wer oder was er ist. Mehrfach führt Mark de Jager seinen Protagonisten und die Leser in unterirdische Katakomben und Gruften, in denen es mehr als ein Rätsel zu lösen, zahlreiche Gefahren zu bestehen und nahezu zahllose Gegner zu besiegen gilt. Hierbei geht es nicht sehr zimperlich und durchaus ganz schön brutal und blutig zu. Das muss man schon mögen bzw. daran darf man sich nicht stören, sonst sollte man dieses Buch lieber nicht zur Hand nehmen! Mich hat diese Geschichte mit ihren vielen Kämpfen und düsteren Settings sehr an klassische Rollenspiele á la „Das schwarze Auge“ oder auch „Dungeons & Dragons erinnert“. So schreibt der Autor auch in seiner „Danksagung“, er hätte gewisser Weise mit dem Schreiben begonnen, als er „zum ersten Mal einen Würfel aufhob“. Auch diesen Rollenspielcharakter sollte man als Leser grundsätzlich schon mögen, um mit diesem Buch seinen Lesespaß zu haben.

Der rätselhafte Protagonist Stratus dürfte ziemlich polarisieren. Auf jeden Fall ist er kein klassischer „Held“, der dem Leser von Beginn an sympathisch ist. Viele seiner Handlungsweisen erklären sich erst gegen Ende des Buches, wenn es zu einer Auflösung des Rätsels um seine Person kommt. Dennoch hat Mark de Jager mit der zweiten Protagonistin, der taffen Kämpferin Tatyana Henkman einen tollen Charakter erschaffen, der mir von Anfang an absolut sympathisch war. Überhaupt ist die Interaktion zwischen diesen beiden Charakteren eine der zentralen Stärken dieses Debuts, denn die beiden geben ein zwar sehr ungleiches, aber wirklich extrem unterhaltsames Duo ab. Insbesondere die Dialoge zwischen Stratus und Tatyana, die häufig von gegenseitigen Un- oder Missverständnissen geprägt sind, sind immer wieder erfrischend unterhaltsam und oftmals humorvoll zu lesen („Du bist ja sowas von männlich. – Danke“ - S. 287). Überhaupt hat mir der trockene Humor, der zwischen all den blutigen und grausamen Szenen immer wieder aufblitzt, sehr gut gefallen („EIN Wachmann. Ich fühlte mich tatsächlich ein wenig beleidigt“ – S. 251).

Eine weitere Stärke ist für mich das faszinierende und überzeugende Magiesystem, das sich der Autor erdacht hat. So gibt es beispielsweise Zauberer und Hexer, die ihre magische Energie erst aus „Kraftlinien“ auftanken müssen, ehe sie Zauber wirken können. Es gibt mächtige Schutzbanne und Hexengeflechte, die sich je nach Wirkung formen lassen, die man aber auch nicht „überdosieren“ sollte. Und noch etwas hat mir diesbezüglich gut gefallen: Die Magie ist in dieser Welt zwar mächtig, doch niemals ein Garant dafür, sich damit aus allen Situationen befreien zu können. Ein in sich stimmiges Konzept!


FAZIT:
Düster, brutal und blutig – aber auch sehr fantasievoll und mit toller Charakterinteraktion. Mich hat die Story gefesselt!

Bewertung vom 28.12.2017
Isoliert
Avdic, Åsa

Isoliert


weniger gut

Eine spannende Grundidee mit viel verschenktem Potenzial und schwachen Charakteren

“Am Horizont verschmolz der Himmel in verschiedenen dunklen Grautönen mit dem Meer, als träfen die Wolken auf Wellenkämme und Verwirbelungen.” (S. 110)

Meine Meinung:
Nach der Kurzbeschreibung hatte ich mir von diesem Buch sehr viel erwartet, doch bereits der Start in die Geschichte hat sich für mein Gefühl sehr lang hingezogen und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mit dieser Geschichte warm geworden bin. Die ersten ca. 75 Seiten geht es im Wesentlichen um die Vergangenheit und die Persönlichkeit der Protagonistin Anna Francis. Hier kommt leider weder Spannung auf noch wurde mir Anna hierdurch „näher gebracht“, geschweige denn wirklich sympathisch. Viel Raum nimmt hierbei auch die Beschreibung des politischen und gesellschaftlichen Systems ein, denn dieser Roman spielt ja in einem fiktiven Regime im Jahr 2037.

Erst als Anna zusammen mit den anderen sechs „Probanden“ auf der einsamen und unwirtlichen Insel in den äußeren Schären ankommt, nehmen Spannung und Atmosphäre deutlich zu und die Geschichte entwickelte sich zu dem, was ich mir eigentlich erwartet hatte: Ein nervenaufreibender Thriller mit einer latent bedrohlichen und klaustrophobischen Atmosphäre. Tatsächlich fand ich den Part auf der sturmumtosten Insel extrem spannend. Doch leider ist dieser Teil der Geschichte für meinen Geschmack von der Autorin viel zu schnell „durchgehechelt“ worden. Die Ereignisse überschlagen sich regelrecht und ehe man sich versieht, verlässt die Geschichte die einsame Insel auch schon wieder, um die Ereignisse dort in einer „ex post“-Betrachtung zu analysieren und den Spannungsbogen leider vollkommen in sich zusammenbrechen zu lassen. So plätschert die Geschichte dann bis zum Schluss vor sich hin und wartet am Ende mit einer (klitze)kleinen Überraschung auf, die mich dann auch nicht mehr wirklich begeistern konnte. Letztendlich waren es nur rund 100 spannende Seiten…

Die zweite große Schwäche dieses Buches sind für mich die Charaktere: Allen voran die Protagonistin Anna Francis, zu der ich zu keiner Zeit einen wirklichen Zugang gefunden habe und die mir auch bis zum Ende nicht sympathisch geworden sind. Ihre familiären Umstände, die immer wieder breit und detailliert geschildert worden sind, haben mich eher gelangweilt. Leider sind sämtliche anderen Charaktere dabei blass und eindimensional geblieben und wirkten auf mich teilweise schon arg klischeehaft.

Letztendlich fällt es mir schwer, dieses Buch einordnen zu können. Es ist weder ein Thriller, noch eine Dystopie und auch keine wirkliche Charakterstudie. Es hat von allem ein bisschen, ist aber dennoch leider kein gelungener Mix geworden.

FAZIT:
Viel mehr über die Geschehnisse auf der Insel und wesentlich weniger „drum herum“ – und es hätte ein wirklich tolles Buch werden können… Schade!

Bewertung vom 18.12.2017
Über den wilden Fluss / His dark materials Bd.0
Pullman, Philip

Über den wilden Fluss / His dark materials Bd.0


ausgezeichnet

Nach einem etwas „ruhigen“ Start ein gelungenes Prequel

Meine Meinung:
„Der goldene Kompass“, der erste Teil der „His Dark Materials“-Trilogie von Philip Pullman, gehört inzwischen zweifellos zu den modernen Klassikern. Mehr als 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung dieses Weltbestsellers legt der Autor nun das Prequel zu dieser Trilogie vor. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an dieses Buch.

Der Beginn der Geschichte verläuft sehr atmosphärisch, erzählerisch leicht und als Fan der Trilogie macht es einfach nur Spaß, wieder in diese Welt einzutauchen. Allerdings kommt die Spannung ein bisschen zu kurz. Man könnte fast sagen, dass die Geschichte wie ein träger Fluss ein bisschen vor sich hinplätschert. Über die ersten ca. 100 Seiten hinweg lernt der Leser den elfjährigen Malcolm kennen, den Sohn eines Wirtshausbesitzers, der seinem Vater geflissentlich zur Hand geht und die Gespräche mit den Wirtshausbesuchern liebt, die ihm von der weiten Welt und den erstaunlichen Erkenntnissen der Wissenschaft berichten können. Erst langsam baut sich der eigentliche Plot auf und die Kenner der Trilogie werden auch erst etwas später hellhörig, als sie den Namen des geheimnisumwitterten Babys erfahren, dass im Kloster auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses klammheimlich untergebracht wurde: Lyra. Nun ist klar, dass dieser Band rund 10 Jahre vor „Der goldene Kompass“ beginnt.

Nach rund dem ersten Viertel des Buches steigert sich dann aber die Spannung und es entspinnt sich eine Geschichte rund um geheime Machenschaften, mysteriöse Organisationen und einem Zwist zwischen Kirche und Wissenschaft. Spätestens ab hier mochte ich das Buch eigentlich kaum noch aus der Hand legen. Typisch für Philip Pullman ist dabei, dass er nicht „nur“ einen spannenden Plot entwickelt hat, sondern gleichzeitig auch philosophische und religiöse Themen behandelt und sich mit der Welt der Wissenschaft auseinandersetzt (wunderbar: Malcolm liest „Eine kurze Geschichte der Zeit“!).

Wer diese phantastische und extrem atmosphärische Welt noch nicht kennt, mag sich zu Beginn vielleicht über Daemonen, Gypter & Co. wundern. Hier empfehle ich den Reihen-Neulingen den entsprechenden Wikipedia-Eintrag „His Dark Materials“ als kleines Kompendium zu diesem Fantasy-Universum.

FAZIT:
Ein gelungenes Prequel zu einer der bedeutendsten Reihen der modernen Fantasy-Literatur.

Bewertung vom 18.12.2017
Gustafssons Jul
Simon, Lars

Gustafssons Jul


ausgezeichnet

Ein modernes kleines Weihnachtsmärchen

„Die ganze Sippe passte zu Weihnachten wie der Teufel zum Weihwasser.“ (S. 87)
„Doch vielleicht besaß Weihnachten ja eine Macht, die alle unterschätzt hatten“ (S. 148)

Meine Meinung:
Autor Lars Simon, immer ein Garant für humorvolle Unterhaltung, entführt seine Leser einmal mehr nach Schweden (wo er selbst sechs Jahre mit seiner Familie gelebt hat) in die verschneite Einöde des herrschaftlichen Landsitzes der Familie Gustafsson, denn Familienoberhaupt Carl-Johann hat nach Jahren der Einsamkeit die ganze Sippe zum gemeinsamen Weihnachtsfest geladen.

Im Gegensatz zu den Büchern der „Torsten & Rainer“-Reihe oder den beiden „Lennart Malmkvist“-Krimis ist der Humor, ja die ganze Geschichte um Gustafssons Weihnachtsfest deutlich „leiser“ und dezenter. Natürlich gibt es auch hier feine Noten von Humor, aber insgesamt hat diese Geschichte wirklich etwas Besinnliches an sich, auch wenn sie von einer ganz und gar „unbesinnlichen“ Familie erzählt, in der fast jeder seine Geheimnisse, Sorgen und Nöte hat. Entsprechend unharmonisch verlaufen die zwei gemeinsamen Tage vor Weihnachten, nimmt die Gereiztheit immer weiter zu und entlädt sich passender Weise kurz vor dem Fest zu einem reinigenden Gewitter.

Hierbei könnte man den Namen Gustafsson auch durch Meier, Müller, Schmidt oder jeden beliebigen Familiennamen ersetzten. Denn wer hat es noch nicht erlebt, dass zu Weihnachten die Nerven blank liegen und die Stimmung alles andere als besinnlich ist. Doch diese Geschichte wäre keine Weihnachtsgeschichte, wenn nicht alle Beteiligten doch noch zur „Besinnung“ kommen würden und sich die Familie endlich bewusst wird, wie wichtig und schön es doch ist, überhaupt eine Familie zu haben.

Nach den rund 170 Seiten dieser „kleinen“, aber feinen Geschichte habe ich dieses liebevoll gestaltete Büchlein (am Ende findet sich übrigens ein Stammbaum der Gustafssons!) mit einem wohligen Gefühl im Bauch zur Seite gelegt und war ein deutlich spürbares bisschen weihnachtlicher eingestimmt als noch zuvor.

FAZIT:
Ein wunderbarer Beweis, dass auch Geschichten mit leisen Tönen und ohne Spannung, Action oder große Dramatik bestens unterhalten und zum Nachdenken anregen können.