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Insgesamt 1630 Bewertungen
Bewertung vom 12.04.2021
Vati
Helfer, Monika

Vati


gut

Erinnerungen

Monika Helfer erzählt hier aus ihrer Kindheit, ihrer Vergangenheit. Dreh- und Angelpunkt ist dabei ihr Vater, den sie Vati nennen soll (nicht mag?) und Mutti, wobei hier sowohl die (verstorbene) leibliche, als auch die Stiefmutter gemeint ist.

Ich empfand den Stil etwas ausholend und langatmig. Dadurch fiel es mir auch sehr schwer, der eigentlichen Geschichte auf den Grund zu kommen und interessiert dranzubleiben. Zu viel hat Monika Helfer drumrum erzählt und zu groß waren die Sprünge, sowohl zwischen den Personen, als auch den Zeiten. Das hat mich sehr angestrengt und eigentlich ist das genau das Gegenteil von dem, was ich von einer Geschichte erwarte. Die Autorin ist mir auch selbst zu distanziert gewesen. So wurde ich nicht in das Geschehen hineingezogen.

Der Vater ist Leiter eines Kriegserholungsheims und liebt Bücher. Von ihm erfährt man erstaunlicherweise trotz des Titels im Grunde nicht mehr, als von den anderen Familienmitgliedern. Dass viele männliche Mitglieder der Familie Josef hießen, wurde mir beispielsweise einfach zu langatmig erzählt.

Es fällt mir immer schwer, ein Buch gut zu finden, bei dem mir nicht eine einzige Person/Figur ans Herz wächst oder auch nur halbwegs sympathisch ist. Genau dieses Problem habe ich hier. Ich nehme am Schicksal aller nur ganz distanziert teil, fast fühle ich mich belästigt, fast möchte ich fragen: Warum erzählst Du mir das alles?

An die Stimme der Autorin musste ich mich leider erst gewöhnen. Für mich klingt sie nicht so wirklich angenehm, auch wenn das nicht sehr nett klingt.

Am Ende bleibe ich zurück und weiß nicht, was genau ich jetzt erfahren habe. Einzelne Szenen waren schön, interessant, bewegend – aber das Gesamtbild kann ich einfach nicht erkennen. So empfinde ich die Erinnerungen der Autorin – einzeln aufblitzende Szenen, für sie selbst wichtig, für Außenstehende nicht ganz so sehr, eine Erinnerung führt zur nächsten, die nicht unbedingt chronologisch dazugehört. Was erinnert sie richtig, wo trügt die Erinnerung? Nach so vielen Jahren ist das nicht so einfach zu beurteilen. Fakt ist, dass Monika Helfer es eben so und nicht anders erinnert. Wäre sie meine Mutter, wäre mir die Geschichte sicher näher, weil mir die Personen dann wenigstens geläufig gewesen wären. So aber ist es für mich unangenehm, ich fühle mich wie ein Beobachter, der nicht da sein sollte. Bleiben also drei Sterne.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.04.2021
Bernsteinsommer
Barns, Anne

Bernsteinsommer


ausgezeichnet

Was ein Gemälde so alles in Bewegung setzen kann!

Christinas Mann Arne hat ihr eröffnet, dass er sie nicht mehr liebt. Das trifft sie weniger hart, als sie gedacht hätte. Doch dass ihr Vater sich durch seine Alzheimererkrankung immer mehr verändert und sie ihn dadurch immer mehr verliert, schmerzt sie sehr. Früher war er Kriminalbeamter und malte in seiner Freizeit. Inzwischen lebt er im Heim und muss immer mal wieder eingesammelt werden, weil er sich auf Spaziergänge macht. Als sie durch Zufall auf ein Gemälde stößt, das unmöglich von ihrem Vater sein kann, beschließt sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei erfährt sie viel über ihre Vorfahren und lernt das Leben positiv zu sehen, egal, was da kommt …

In Anne Barns neuem Buch geht es um Gefühle. Ja, klar, mag man jetzt denken. Aber es geht eben nicht ausschließlich um Verliebtsein, Liebe, Beziehungen, sondern viel größere Gefühle, nämlich der Liebe zu einem Menschen, den man gerade an seine Krankheit verliert. Für die Angehörigen sind Alzheimer und Demenz eine schwere Belastungsprobe, aber wie es den Betroffenen selbst geht, weiß niemand so genau. Sie leben in einer anderen, für uns nicht erreichbaren Welt. Sind wir nicht verpflichtet, sie darin so glücklich wie möglich sein zu lassen, ganz gleich, was es uns selbst kostet? Auch wenn es scheinbar nur am Rande behandelt wird, durchzieht dieses Thema das ganze Buch. Es gefällt mir sehr, was das in mir bewirkt hat! Ich finde, das ist schon eine Kunst, ein „Randthema“ so geschickt dann doch zum Hauptthema zu machen.

Die Geschichte rund um Christinas Gefühlsleben ist in sich stimmig und sehr amüsant zu verfolgen. Ich muss sagen, ich hätte an Christinas Stelle dem Charme des jungen Kollegen des Vaters nicht widerstehen können. Die erneute Begegnung nach einigen Jahren und dem Scheitern der Ehe ist tatsächlich „ein Wink des Schicksals“, finde ich. Ein weiterer Strang ist die Geschichte rund um Christinas Arbeit, in der sie nicht nur aufgeht, sondern die ihr auch noch hilft, mit den Tiefschlägen des Lebens klarzukommen. Dass auch hier ein Umbruch stattfindet, bringt noch mehr „Leben“ in die Story.

Ganz ohne moralisch erhobenen Zeigefinger gibt Anne Barns dem Leser doch genug Denk-Stoff auf den Weg. Ihre Figuren schaffen es, die eigene Einstellung beim Lesen zu so einigen Dingen noch mal zu überdenken und mit anderen Augen zu betrachten. Das bereichert meiner Meinung nach enorm und deshalb kann auch „leichte Literatur“ viel bewegen und verändern.

Besonders schön finde ich, dass es kleine Berührungspunkte zu anderen Büchern der Autorin gibt. Wer ihre Bücher kennt, trifft – zumindest kurz und am Rande – auf „alte Bekannte“. Ich mag’s! Aber die Krönung für mich ist auch diesmal wieder die kleine Rezeptsammlung am Ende des Buches. Die Autorin kann nämlich nicht nur super schreiben, sondern mindestens ebenso gut backen! Wunderbar, dass sie ihre Rezepte mit den Lesern teilt.

Alle Fäden passen sehr schön zueinander und ergänzen sich gegenseitig. Man zweifelt nicht daran, dass alles genau so hätte passieren können. Gerade die beiden Szenen 1917 und 1942 sorgen dafür, dass der Kreis sich schließt und alles erklärt wird. Zwar war das Buch mal wieder viel zu schnell zu Ende, dennoch lässt es mich glücklich und bereichert zurück. Da fällt das Warten auf das nächst Buch der Autorin sehr schwer! Ich wurde bestens unterhalten und gebe glücklich fünf Sterne!

Bewertung vom 31.03.2021
Man sollte öfter mal ausmisten
Bittl, Monika

Man sollte öfter mal ausmisten


gut

Midlife-Crisis einer zweifachen Mutter

Franziska stellt fest, dass sie und ihr Mann Bastian sich längst auseinandergelebt haben. Jetzt, da die Kinder ausgezogen sind, ist für sie der Zeitpunkt gekommen, dass sie sich endgültig trennen. Getrennte Schlafzimmer haben sie ja schon länger und Bastians Idee, eins der Kinderzimmer für ein gemeinsames Schlafzimmer zu nutzen ist ja eh nur so eine Masche, um die Kinder komplett rauszudrängen! Sie ist sich sicher, Bastian hat weder Gefühle noch Interesse. Also steht ihr Plan fest. Die Trennung ist unabdingbar! Aber sie hat nicht mit ihren Kindern und ihrer Mutter gerechnet …

So sehr mir „Man muss auch mal loslassen können“ gefallen hat, hier wurde ich mit keiner Figur wirklich warm. Alle sind total klischeehaft gezeichnet, jeder ist in seiner eigenen Welt eingeschlossen und gefangen, keiner denkt auch mal an andere. Und das nicht nur bei Franziska und Bastian, sogar bei ihren Kindern und auch Freunden und Nachbarn und anderen mehr oder weniger Beteiligten. Das sollte wohl Grundlage für die eine oder andere lustige Szene sein, hat aber zumindest bei mir kein bisschen funktioniert. Mich haben diese Egotrips einfach nur genervt und geärgert und wütend gemacht. So viel geballte Eigenliebe und so viele Klischees auf einem Haufen – unrealistischer geht es nicht und lustig ist das auch nicht. Einzig Gottlieb und Mathilde haben ein wenig Sympathie wecken können.

Vincent und Emma, die Kinder von Franziska und Bastian, wollen die Scheidung verhindern und schalten die Oma Mathilde, Franziskas Mutter, ein, die ihnen helfen soll. Klingt prima, nur sind deren Beweggründe meiner Meinung nach weniger selbstlos, als man denken könnte.

Natürlich haben Autoren immer eine künstlerische Freiheit, aber wie hier die Pandemie benutzt wird, finde ich etwas seltsam. Die Toten von Bergamo waren im Buch vor dem Lockdown in Deutschland, überhaupt wird hier getan, als sei die Pandemie überall gewesen und in Deutschland erst am Ende angekommen. Hm. Für mich zu viel künstlerische Freiheit. Ebenso bei der Behauptung, dass Franziska am ersten Tag, an dem sie die Pille abgesetzt hatte, schwanger geworden war – wohlgemerkt mitten in der Packung. Mich ärgern solche Fehler sehr!

Die Story wird im Grunde von allen Figuren erzählt. So wechselt immer mal wieder der Blickwinkel. Dass der verstorbene Opa Gottlieb auch zu Wort kommt, finde ich süß. Insgesamt betont es dennoch extrem den Egoismus der Figuren, auch dauert es dadurch länger, bis die Story wirklich in Fahrt kommt. Franziska ist in meinen Augen einfach nur nervig, zimtzickig und unausstehlich. Wirft Bastian alles Mögliche vor, sieht ihre eigenen Fehler aber nicht. Und all das umhüllt von der Corona-Pandemie. Ein bisschen viel gewollt, aber leider nicht so recht gelungen.

Wer erwartet, dass das Thema „Ausmisten“ ein bisschen tiefer behandelt wird, liegt falsch. Oma mistet Lebensmittel aus und bei Umzügen wird ebenfalls das eine oder andere weggeworfen und natürlich ist es eine Anspielung auf Franziskas Vorhaben, die Ehe zu beenden. Aber ein wenig hätte ich es schon erwartet, dass mehr darauf eingegangen wird, zumal „Ausmisten“ auch ein aktuelles Thema ist. So ein paar eingestreute Tipps und Tricks einer „guten Hausfrau“, eines Fachmenschen für „clean living“ wäre schon passend und naheliegend gewesen.

Sandra Voss macht einen wirklich guten Job und liest das Buch mit angenehmer Stimme und perfekter Betonung ein. Das ändert leider nichts daran, dass die Idee gut, die Umsetzung aber nur ausreichend gelungen ist. So ist es ein netter Familienroman für nebenher, der aber nicht wirklich lange hängenbleibt und auch nicht sehr tief geht. Einzig die Gewissheit, dass mein Mann und ich niemals so leichtfertig mit den Gefühlen des anderen und unserer Ehe umgehen würden, obwohl wir ebenfalls getrennte Schlafzimmer haben (die sind keineswegs „Liebeskiller“!), bleibt wie festgebrannt in meinem Kopf. Für mich ist das (Hör-)Buch gerade noch drei Sterne wert.

Bewertung vom 28.03.2021
Weber's Gasgrillbibel
Weyer, Manuel

Weber's Gasgrillbibel


ausgezeichnet

Ein weiteres Highlight aus der Weber Grillbibel-Reihe!

Grillen ist für die einen einfach nur Wurst und Fleisch auf den Grill, für die anderen eine Philosophie und für wieder andere eine Leidenschaft. Wir gehören zu Letzteren – und grillen deshalb auch das ganze Jahr über, unabhängig von der Jahreszeit und dem Wetter. Außerdem hat mein Mann quasi eine Grillsammlung (und die passenden Bücher dazu) – es findet sich von jeder Grill-Art mindestens einer in seinem Besitz! Obwohl wir das Grillen mit Holzkohle doch bevorzugen, gibt es Situationen und Momente, in denen der Gasgrill einfach die bessere Variante ist. Ganz klar, dass dafür auch ein Buch eines echten Profis her muss – hier ist es!

Die große Stärke dieses Buches ist, dass hier wirklich alles erklärt wird. Von den Stärken und Vorteilen eines Gasgrills über das Gas, die Vorbereitungen, die Grilltechniken, das Zubehör – bis hin zu den Rezepten ist hier an alles gedacht und über alles gesprochen worden. Manuel Weyer gibt sein Wissen großzügig an alle Grillfreunde weiter.

Die Rezepte – ganz klar das wichtigste in diesem Buch – sind einfach toll! Da ist nichts langweilig und schnöde, sondern alles ein Hochgenuss. Sehr gut finde ich, dass zwar öfter ein wenig Aufwand betrieben werden muss, aber dennoch keins der Rezepte extrem abgehoben ist. Sie sind reich und schön bebildert. Das ist mir immer sehr wichtig. Klar, es gibt Foodstylisten, dennoch mag ich gern sehen, was ich später auf dem Teller haben werde (oder haben könnte) und bei vielen Arbeitsschritten sind die Bilder einfach super hilfreich.

Immer wieder finden sich neben der klassischen Zutatenliste und den Arbeitsschritten, sowie den Angaben zu Vorbereitungszeit, Grillzeit, Grillmethode und Ruhezeit auch noch Tipps und Informationen und Variationen des Rezepts. Auch an das Register am Ende ist gedacht worden, was für mich ebenfalls immer sehr wichtig ist.

Die Rezepte selbst sind unterteilt in die Kapitel:
Top Eleven
Rind & Kalb
Schwein, Lamm & Wild
Geflügel
Fisch & Meeresfrüchte
Gemüse, Obst & Sides
Special & Freaky
Süßes & Desserts
Kids‘ Choise

Alles lässt sich super schön kombinieren. Für jeden ist etwas dabei. Mit Ruhe und Liebe zubereitet, klappt jedes Gericht und lässt Gäste – wenn man wieder welche empfangen darf – staunen, was man mit einem Gasgrill so alles „anstellen“ kann! Mit ein wenig Experimentierfreude lassen sich natürlich alle Rezepte auch auf jedem anderen Grill oder im Backofen zubereiten! Zudem ist das Buch ideal für alle Slow-Food-Fans.

Fazit: Wieder ein Weber-Buch, das man einfach haben muss und das unter Garantie nicht einstaubt. Fünf Sterne!

Bewertung vom 22.03.2021
Später
King, Stephen

Später


ausgezeichnet

Ein weiterer überraschender und „anderer“ King, der mich sehr beeindruckt!

Jamie Conklin ist eigentlich ein ganz normaler kleiner Junge, sieht man mal davon ab, dass er schon sehr früh lesen konnte und sich schnell nicht mehr mit Kinderbüchern abgab – und tote Menschen sehen kann. Nein, nicht wie im Film mit Bruce Willis, eher ein bisschen in Richtung „Pushing Daisies“. Die Toten müssen ihm die Wahrheit sagen, wenn er sie etwas fragt. Obwohl seine alleinerziehende Mutter lieber nicht über diese „Sache“ reden möchte, muss sie Jamies Gabe bald nutzen, um weiter für ihn sorgen zu können. Die einzige Person, die darüber Bescheid weiß, bringt Jamie in Gefahr …

Jamie erzählt hier seine Geschichte selbst. Das mag ich sehr und es liest sich einfach immer so, als sei man persönlich derjenige, dem erzählt wird, niemand sonst. Das Spiel mit dem Wort „später“ ist typischer King-Humor, verleitet aber auch zum Nachdenken. King ist es gelungen, seinen Protagonisten im Laufe des Buches nicht nur älter und erwachsen werden zu lassen, sondern ihn selbst auch entsprechend erzählen – oder schreiben – zu lassen. Jamie wird erwachsener, reifer, „besser“. Als Leser ahnt man, dass dies wichtig sein wird. Und obwohl King wie so gerne auch hier immer wieder darauf hinweist, dass „dies eine Horrorstory“ ist, verliert sie nicht an Reiz und Thrill. Im Gegenteil – obwohl das eine oder andere auf der Hand liegt, hat mich der Autor mal wieder kalt erwischt. Wer subtilen Horror liebt, wird dieses Buch ebenso genial finden, wie ich. Für alle, die „Holzhammerthrill“ wollen, wird das Buch eher zahm daherkommen.

Ja, für mich ist dies eins seiner besten Bücher. Das Mystische ist vorhanden, aber so gekonnt, dass man daran glauben mag, dass all dies wirklich geschehen könnte. Alles ist so realistisch und lebensnah, dass es umso heftiger trifft. Ich liebe es, wie King aus recht normalen Leben und Situationen etwas herausholen kann, das den Leser nicht ruhig schlafen lässt. Er öffnet Türen, die man nicht mehr ganz schließen kann. Und als wäre das nicht schon genial genug, findet man auch eine Menge schwarzen Humor.

Seit ich Stephen King für mich entdeckt habe, mache ich alle seine Höhen und Tiefen mit ihm durch. Jedes seiner Bücher ist auf seine eigene Weise speziell. Nicht alle liegen auf meiner Wellenlänge, doch die der letzten Jahre – bis auf einzelne Ausnahmen – begeistern mich besonders. King schafft es immer wieder, mit neuen Ideen um die Ecke zu kommen. Da fragt man sich, ob er genial oder völlig irre ist! Oder um mit Kings Phantasie zu arbeiten: ob er Zugang zu einer höheren Macht hat!

Auch wenn ein Cover sich gern mal mit anderen Auflagen ändert und nicht das Wichtigste an einem Buch ist, möchte ich es hier ausnahmsweise erwähnen. Es ist absolut gelungen und erzählt tatsächlich ein Stück der Story. Es gefällt mir sehr!

Die Figuren sind wunderbar gezeichnet, es werden viele mehr oder weniger aktuelle Themen tief genug angeschnitten, dass man sie nicht übersehen kann. Wie immer verzichtet King auf „wundersame alles-ist-wieder-gut“-Zaubereien. Manche Dinge werden eben schlechter und nicht besser und man muss damit leben lernen. Die Ursachen und Wendungen sind so entsetzlich logisch und in sich stimmig, dass man leicht alles für möglich hält. Mich packt das total!

Dass dieses Buch kein Nachwort vom Autor hat, fand ich erst schade, aber ich muss zugeben, genau das macht einen Teil der Wirkung des Buches aus. So bleibt Jamie der Erzähler und damit Autor der Geschichte. Und man fragt sich noch Tage nach der Lektüre, wie es Jamie weiter ergehen wird. Wer weiß, vielleicht werden wir hier in einigen Jahren eine Fortsetzung bekommen? Ganz im Stile von „The Shining“ vielleicht?

Nun geht das Warten wieder los, auf das nächste Werk des Autors, der mich schon so viele Jahre begeistert, schockiert, überrascht und ängstigt. Fünf Sterne!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.03.2021
Die Telefonzelle am Ende der Welt
Imai Messina, Laura

Die Telefonzelle am Ende der Welt


sehr gut

Trauer und Bewältigung

In einem Garten am Meer steht eine Telefonzelle, zu der viele Leute reisen, da man angeblich die Stimmen der Toten hört, wenn man den Hörer abnimmt. Viele wollen mit ihren Angehörigen reden, sie hören, Antworten bekommen. So auch Yui, die beim Tsunami 2011 ihre Mutter und ihre Tochter verloren hat. Bei der Telefonzelle begegnet ihr ein Arzt, der ebenfalls ein Trauma verarbeiten muss. Die beiden nähern sich an und beginnen, gemeinsam an ihren Seelenwunden zu arbeiten …

Manchmal muss man aus seiner Komfortzone herausgehen, um Neues kennenzulernen und ihm eine echte Chance zu geben. Bücher von amerikanischen Autoren kann ich ganz locker weglesen, bei den britischen wird es meist ein wenig „steifer“, die nordischen Autoren sind gern düster, französische Bücher lesen sich wieder anders und bei Büchern, die in mir doch extrem fremden Gegenden/Ländern spielen, komme ich beim Lesen sehr langsam voran. So auch bei diesem Buch. Das bedeutet nicht, dass es schlecht wäre. Namen und Orte sind fremd und „bremsen“ ein wenig den Fluss, aber die Story selbst – zumal sie auf wahren Begebenheiten beruht – ist doch bereichernd und auch ergreifend.

Der Stil ist sanft und ein bisschen „kirschblütig“. Das muss man mögen, ganz klar. Er passt aber zur Trauer, zu den Dramen, die den Figuren widerfahren sind, den Traumata, die sie überwinden müssen. Er passt zu den Gefühlen, die diese haben und die mich beim Lesen überwältigt haben.

Das Buch hat bei mir noch längst nicht verheilte Wunden wieder aufgerissen, aber auch ein bisschen mehr heilen lassen. Deshalb habe ich es nur in kleinen Schritten lesen können, denn es hat mich sehr oft zum Weinen gebracht. Auch das ist nicht schlecht – gerade, wenn man immer seine Gefühle für sich behält, reinigt es die Seele, wenn man einmal seinen Tränen freien Lauf lässt. Dabei hat das Buch geholfen und das reicht schon, um es sehr zu mögen. Nicht jeder Autor kann Leser so erreichen.

Dennoch ist die typische japanische Zurückhaltung auf jeder Seite präsent. Man bleibt als Leser mit mehr Abstand zu den Figuren und dem Geschehen, als wir westlichen Leser das gewohnt sind. Das weckt zwiespältige Gefühle – man trauert, aber man bleibt quasi hinter einer Glaswand.

Es ist ein Buch, das den Leser fordert, ihn aber auch belohnt. Von mir bekommt es vier Sterne.

Bewertung vom 15.03.2021
Hensslers schnelle Nummer Bd.1
Henssler, Steffen

Hensslers schnelle Nummer Bd.1


ausgezeichnet

Schnell und lecker leicht gemacht

Mein Mann und ich essen gern, wir kochen gern und beide mögen wir gern Kochsendungen. Da gibt es immer den einen oder anderen neuen Kniff zu lernen, den man übernehmen kann. Da auch immer mal wieder die Zeit knapp ist, sind „schnelle Nummern“ eine tolle Sache, erst recht, wenn sie umwerfend schmecken!

Ich gebe zu, Steffen Hessler gehört nicht zu meinen liebsten TV-Köchen, aber er steht noch weit vor Tim Mälzer oder Achim Müller. Tut mir leid, Leute, aber Ihr stresst mich echt! Aber die Blitzrezepte, die Henssler auch bei YouTube und Facebook vorstellt, ich aber aus der Sendung „Topfgeldjäger“ kenne, sind wirklich der Hit. Klar, dass mich da das Buch für meine Sammlung brennend interessierte, zumal Henssler verspricht, dass keins der Rezepte „alt“ ist und sie (bisher) auch nicht online zu finden sind!

Der Aufbau des Buches ist passend – die Rezepte sind nach Kategorien geordnet, sodass man super fix die passende schnelle Nummer finden kann. Zudem gibt es genau drei Zeichen für die schnelle Information: Anzahl der Zutaten, Zubereitungszeit in Minuten und ein Zeichen für vegetarische Rezepte. Als Fan der asiatischen Küche und weil ich diese Soße quasi zu allem gern mag, freue ich mich natürlich besonders über die Henssler-Variante des Grundrezeptes für eine Teriyakisauce.

Die einzelnen Kategorien sind: Kartoffeln, Fisch & Meeresfrüchte, Fleisch, Gemüse, Pasta, Salate, für Zwischendurch und Desserts. Da ist definitiv für jeden etwas dabei! Die Rezepte sind übersichtlich gestaltet und ich liebe die großen Fotos mit den fertigen Gerichten/Speisen! Die Zutatenlisten sind hübsch kurz gehalten und in einer großen Schriftart gewählt, sodass man das Buch in „sicherem Abstand“ haben und dennoch alles lesen kann. Bei der Zubereitung ist die Schrift etwas kleiner, aber noch immer gut und auch ohne Brille lesbar! Die Schritte sind kurz und knackig beschrieben. Das reicht völlig, da keine wirklich komplizierten Aktionen nötig sind, um die Rezepte nachzukochen. Bei vielen der Rezepte findet sich noch ein besonderer Tipp, mit dem man dem Gericht eine neue Note geben kann oder der hilft, es richtig hinzubekommen. Die Zutaten finden sich häufig schon bereits im Vorrat oder können schnell und einfach in jedem Lebensmittelgeschäft gekauft werden.

Anders als bei den meisten TV-Köchen sind im Buch nicht massig Fotos des Kochs eingestreut. Davon gibt es welche, aber sie halten sich in Grenzen. Sie läuten quasi nur jeweils die nächste Kategorie ein.

Natürlich sind nicht alle Rezepte für jeden ein Volltreffer. Ich mag beispielsweise Hensslers Variation von Spaghetti Carbonara nicht. Sahne hat in Carbonara nichts verloren und ein rohes Eigelb auf den Nudeln (komplett, einfach draufgesetzt) löst bei mir alles aus, aber keinen Appetit. Dafür hat mich das Rumpsteak mit Champignonrahm sofort für sich gewonnen, auch wenn ausgerechnet hier eine doch eher außergewöhnliche Zutat (rosa Champignons) benötigt wird. Da nahm ich mir aber eben einfach die Freiheit, sie durch meine braunen Champignons zu ersetzen!

Über das Register am Ende des Buches findet man ganz schnell direkt zu Rezepten, die zum Stichwort passen. Das ist mir bei Kochbüchern auch immer sehr wichtig. Vielleicht findet man in diesem Buch wenig überraschend Neues, dafür aber tolle Ideen und Anregungen. Klar, wer auf Showküche steht, der wird hier enttäuscht sein, aber die „schnelle Nummer“ ist eben schnell, einfach, unkompliziert und dennoch überraschend lecker. Ich blättere sehr gern in diesem Buch und finde es toll, dass der Trend nun immer mehr zur bodenständigen und sinnvollen Küche geht. Hier fängt kluge und gesunde Ernährung an, die auch mit der Umweltfreundlichkeit einhergeht. Find ich mehr als gut, find ich klasse.

Von daher – tolles Buch, tolle Rezepte, offline und für jeden machbar. Das gibt fünf Sterne.

Bewertung vom 15.03.2021
Echo Mountain
Wolk, Lauren

Echo Mountain


ausgezeichnet

Wir sind alle mehr als nur eine Person

Der Börsenkrach nimmt Ellies Familie alles. Ihr Vater, ein Schneider, setzt alles auf eine Karte und zieht mit der Familie auf den Echo Mountain, um dort in der Wildnis neu zu beginnen. Ellie kommt am besten damit klar, für ihre Mutter, ihre Schwester und ihren Bruder ist es härter. Als beim Baumfällen Ellies Vater schwer verletzt wird, geben alle Ellie die Schuld, doch sie kennt die Wahrheit, kann und will sie aber nicht sagen. Deshalb beschließt sie, einen Weg zu finden, ihren Vater zu heilen. Dabei begegnet sie außergewöhnlichen Menschen und lernt viel über das Leben und sich selbst …

Es ist unbeschreiblich, mit welcher wunderschönen, poetischen und doch deutlichen Sprache Lauren Wolk ihre Bücher schreibt! Hier sei auch ganz besonders die Kunst Birgitt Kollmanns hervorgehoben, die wunderbaren Metaphern, die die Autorin ihre Protagonistin benutzen lässt, aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen! Nicht jedes Bild ist in der direkten Übersetzung ebenso aussagekräftig, wie im Original. Das muss man erst mal hinbekommen!

Das Leben während der Wirtschaftskrise ist mit allen Facetten so wunderbar geschildert, dass man vergessen könnte, dass die Geschichte vor fast einhundert Jahren spielt. Auch dass die Rolle der Frau damals eine andere war, dass sie ohne einen Mann an ihrer Seite wenig bis nichts galte, schockiert immer wieder, vergisst man aber, weil in dieser Geschichte so viele so starke, wunderbare Frauen zeigen, was in ihnen steckt. Aber auch, was es bedeutet, Verantwortung zu haben – ob man will oder nicht – und Wahrheit, die nicht immer das ist, was man auf den ersten Blick sieht, spielen in diesem Buch eine wichtige Rolle. Zudem lässt uns Lauren Wolk sehen, dass Selbstlosigkeit immer besser ist, als Egoismus und vorschnelles Urteilen nicht die besten Erkenntnisse hervorbringt. Eine ordentliche Portion Mystik steckt auch in der Geschichte, dennoch wirkt sie nicht „abgehoben“ und unwirklich.

Das Ganze ist so gekonnt und liebevoll miteinander verbunden worden, dass eine spannende, bewegende und unbeschreiblich wundervolle Geschichte entstanden ist, die nicht nur der Zielgruppe der Leser ab 11 Jahren gefallen wird. Aus diesem Alter bin ich längst raus, dennoch habe ich das Buch nicht aus den Händen legen können und habe jede Zeile nahezu inhaliert und genossen. Der Mut und die Kraft der zwölfjährigen Ellie rücken so manches im eigenen Leben in ein neues Licht. Ellie kommt zu Erkenntnissen, die damals wie heute so manchen Menschen fehlen, die aber für Mensch und Tier, für Erfolg und Misserfolg, für Recht und Gerechtigkeit sehr wichtig sind. Echte Dankbarkeit – auch für Dinge, die die Natur hervorbringt – haben wir verlernt, aber Ellie bringt sie uns wieder näher.

Mich hat das Buch wieder mal extrem bewegt, zum Nachdenken gebracht, bereichert und glücklich gemacht. Solche Bücher müsste es viel mehr geben! Und Eltern, die mit ihren Kindern diese Bücher lesen, oder sie ihnen einfach zum Lesen geben. Ellie und all die anderen Figuren dieses Buches, inklusiver ihrer oft überheblichen Schwester, ihres impulsiven – und für die damalige Zeit typisch im Verhalten eines Mannes gefangenen – Bruders, sowie der nur auf ihren Vorteil bedachten Nachbarin, so seltsam das klingen mag, haben sich direkt in mein Herz katapultiert und das Buch auf meiner „ewigen Liste“ in die Top Ten geschossen. Fünf Sterne, ganz klar!

Bewertung vom 09.03.2021
Die Nachbarin
Corcoran, Caroline

Die Nachbarin


gut

Tolle Grundidee, absolut schlechte Umsetzung

Ein Wohnhaus in London. Die Nachbarn schotten sich alle ab, doch die Wände sind dünn. Lexie hört Harriett, Harriett hört Lexie. Beide machen sich ein Bild von der anderen und reden sich ein, das Gras ist auf der anderen Seite grüner. Eine von beiden lebt glücklicher. Doch welche?

Der Plot klang echt super, doch schnell erkannte ich, dass meine Erwartungen nicht erfüllt werden. Das ist schade, denn man hätte echt was aus der Grundidee machen können. Stattdessen aber liest man im Wechsel die Sicht der beiden Nachbarinnen, deren Gemeinsamkeit nur der Fakt ist, dass sie die andere um ihr Leben beneiden, ohne es wirklich zu kennen. Beide bilden sich ein, die andere auch ohne Kontakt einschätzen zu können – und liegen falsch.

Die eine hat die Trennung vom Ex nicht verkraftet, obwohl der psychische Gewalt ausübte, die andere hat eine Fehlgeburt hinter sich und leidet darunter und unter der Tatsache, dass sie einfach nicht mehr schwanger wird. Harriett stellt sich schnell als Psychopathin heraus und ihr Geheimnis, was sie denn Schlimmes getan hat, wird erst spät aufgedeckt. Lexie driftet in ihrem Wunsch, endlich mit Tom ein Kind zu bekommen, ebenfalls immer mehr in eine psychische Krankheit hinein. Nach vielen, vielen Seiten kommt dann so etwas, wie ein Showdown. Und hier hatte ich das ungute Gefühl, dass die Autorin selbst einfach nur genug von der Story hatte …

Doch, mir ist schon klar, welche Aussage das Buch haben soll. Dennoch hat es Längen, ist einem kaum jemand darin sympathisch und lässt es typische Merkmale eines Thrillers vermissen. Die beiden Stories der Frauen passen einfach nicht so recht zusammen. Die Figuren handeln alle ziemlich irrational und unlogisch.

Kinderwunsch ist eine Sache, die viel Raum im Leben einnehmen kann. Das verstehen vielleicht nur Frauen, die das schon selbst mitmachen mussten. Insofern kann ich Lexie schon verstehen, doch ist hier vieles nur halbgar erzählt und die Gedankengänge nicht gut dargestellt. Auch Toms Part ist nur unzulänglich geschildert. Seine Gedanken und Gefühle werden wie alles andere im Buch nur nebulös angedeutet. Das macht das Lesen schwierig. Obwohl das Buch mit fast 450 Seiten einen enormen Umfang hat, sagt es wenig und an den relevanten Stellen viel zu wenig bis gar nichts. So schade!

Die Grundidee ist super, die Umsetzung schlecht. Die eine oder andere gute Stelle gibt es und dass man sich von der ersten bis zur letzten Seite unwohl fühlt, weil Harrietts Verhalten absolut ängstigt, rettet noch den dritten Stern.