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Insgesamt 1631 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2021
Die Nachbarin
Corcoran, Caroline

Die Nachbarin


gut

Tolle Grundidee, absolut schlechte Umsetzung

Ein Wohnhaus in London. Die Nachbarn schotten sich alle ab, doch die Wände sind dünn. Lexie hört Harriett, Harriett hört Lexie. Beide machen sich ein Bild von der anderen und reden sich ein, das Gras ist auf der anderen Seite grüner. Eine von beiden lebt glücklicher. Doch welche?

Der Plot klang echt super, doch schnell erkannte ich, dass meine Erwartungen nicht erfüllt werden. Das ist schade, denn man hätte echt was aus der Grundidee machen können. Stattdessen aber liest man im Wechsel die Sicht der beiden Nachbarinnen, deren Gemeinsamkeit nur der Fakt ist, dass sie die andere um ihr Leben beneiden, ohne es wirklich zu kennen. Beide bilden sich ein, die andere auch ohne Kontakt einschätzen zu können – und liegen falsch.

Die eine hat die Trennung vom Ex nicht verkraftet, obwohl der psychische Gewalt ausübte, die andere hat eine Fehlgeburt hinter sich und leidet darunter und unter der Tatsache, dass sie einfach nicht mehr schwanger wird. Harriett stellt sich schnell als Psychopathin heraus und ihr Geheimnis, was sie denn Schlimmes getan hat, wird erst spät aufgedeckt. Lexie driftet in ihrem Wunsch, endlich mit Tom ein Kind zu bekommen, ebenfalls immer mehr in eine psychische Krankheit hinein. Nach vielen, vielen Seiten kommt dann so etwas, wie ein Showdown. Und hier hatte ich das ungute Gefühl, dass die Autorin selbst einfach nur genug von der Story hatte …

Doch, mir ist schon klar, welche Aussage das Buch haben soll. Dennoch hat es Längen, ist einem kaum jemand darin sympathisch und lässt es typische Merkmale eines Thrillers vermissen. Die beiden Stories der Frauen passen einfach nicht so recht zusammen. Die Figuren handeln alle ziemlich irrational und unlogisch.

Kinderwunsch ist eine Sache, die viel Raum im Leben einnehmen kann. Das verstehen vielleicht nur Frauen, die das schon selbst mitmachen mussten. Insofern kann ich Lexie schon verstehen, doch ist hier vieles nur halbgar erzählt und die Gedankengänge nicht gut dargestellt. Auch Toms Part ist nur unzulänglich geschildert. Seine Gedanken und Gefühle werden wie alles andere im Buch nur nebulös angedeutet. Das macht das Lesen schwierig. Obwohl das Buch mit fast 450 Seiten einen enormen Umfang hat, sagt es wenig und an den relevanten Stellen viel zu wenig bis gar nichts. So schade!

Die Grundidee ist super, die Umsetzung schlecht. Die eine oder andere gute Stelle gibt es und dass man sich von der ersten bis zur letzten Seite unwohl fühlt, weil Harrietts Verhalten absolut ängstigt, rettet noch den dritten Stern.

Bewertung vom 06.03.2021
Comedy Queen
Jägerfeld, Jenny

Comedy Queen


ausgezeichnet

Vom Umgang mit Trauer und dem Suizid eines geliebten Menschen

Sasha möchte nicht weinen und nicht trauern, auch wenn das keiner verstehen kann. Ihre Mutter litt unter Depressionen und hat sich das Leben genommen. Deshalb will Sasha alles anders machen als sie, denn, davon ist sie überzeugt, nur so kann sie überleben. Doch Sasha spricht mit niemandem über ihren Plan und ihre Liste und so trifft sie auf Unverständnis und muss gegen die Bemühungen ihrer Mitmenschen ankämpfen, ihr zu helfen …

Es ist immer schlimm, die Mutter zu verlieren. Ob als Kind oder als Erwachsener – man kommt mit dieser Situation ganz schlecht klar. Für alle Hinterbliebenen ist es noch dazu besonders schwer, den Freitod eines geliebten Menschen zu verstehen und akzeptieren. Sasha ist an der Schwelle zum Teenager, sie steht kurz vor der Pubertät. Das ist noch mal eine besondere Zeit für Kinder, besonders für Mädchen. Insgesamt ist also von Anfang an klar, dass Sasha alles sein kann, aber nicht glücklich. Ich weiß nicht, wie die Zielgruppe darauf reagiert, mich hat Sasha sofort für sich gewonnen und ihre Situation hat mich sehr bewegt. Auf Anhieb sprang bei mir der Beschützerinstinkt an.

Dass Sasha niemandem sagt, was in ihr vorgeht, macht mich sehr betroffen. Dennoch kann ich ihre Beweggründe nachvollziehen. Mit Traurigkeit fing bei ihrer Mutter alles an und Sasha weiß nicht, wo Traurigkeit aufhört und Depression beginnt. Sasha will leben, Sasha will glücklich werden und Sasha möchte niemanden so traurig machen, wie ihre Mutter das getan hat. Für sie ist die logische Konsequenz, so zu handeln, wie sie es tut. Die Idee, Comedy Queen zu werden, um dieses Ziel zu erreichen, ist naheliegend.

Jenny Jägerfeld erzählt eine sehr traurige Geschichte auf sehr humorvolle Weise. Das mag zunächst seltsam klingen, doch zeigt es gerade der Zielgruppe, wie nah beide Gefühle beieinander liegen. Auch lernen die Kids, wie wichtig es ist, sich auszutauschen. Ob nun mit einem Elternteil, Freunden oder Vertrauenspersonen – andere Personen können einem die Denkfehler zeigen oder auch ganz einfach helfen.

Mich hat das Buch sehr bewegt und am Ende habe ich tatsächlich heftig weinen müssen. Vielleicht liegt es daran, dass meine Mutter mir nach fast 8 Jahren noch immer übel fehlt (sie starb allerdings an einer Krankheit, hat sich nicht das Leben genommen). Aber ganz viel liegt es auch daran, dass Jenny Jägerfeld exakt die richtigen Worte gefunden hat, die sie Sasha hat sagen lassen. Man merkt einfach, dass sie Fachwissen besitzt!

Schade finde ich, dass auf der Buchrückseite/im Klappentext meiner Meinung nach viel zu viel vom Buchinhalt vorweggenommen wird! Dafür kann die Autorin allerdings nichts, nur der Verlag. Deshalb gebe ich der Story, der Autorin und der Übersetzerin die vollen fünf Sterne.

Bewertung vom 01.03.2021
Engelsgrund / Born-Trilogie Bd.3
Geschke, Linus

Engelsgrund / Born-Trilogie Bd.3


sehr gut

Morde im Stil der Manson-Family

Carla Diaz, Borns ehemalige Kollegin, braucht dessen Hilfe. Ihre Tochter ist in einer sektenähnlichen Gemeinschaft gelandet, was für sich genommen schon schlimm genug ist. Aber dort gibt es zwei tote Frauen, bestialisch ermordet. Und Carla ahnt, dass Malin die nächste sein wird. Da auch Born nicht Malins Vernunft wecken kann, wendet er sich an Andrej Wolkow, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Dies setzt eine Kette an Ereignissen in Gang, die niemand ahnen konnte …

Linus Geschke wartet mit diesem Thriller mit ein paar Überraschungen und interessanten Wendungen auf. Für Leser seiner anderen Bücher gibt es auch noch ein besonderes Bonbon, über das ich mich sehr gefreut habe. Das Buch steckt voller Intrigen und Gewalt, Hass und negativer Gefühle, dass ich es nicht am Stück lesen konnte. Vermutlich bin ich einfach zu weich geworden mit den Jahren! Doch das ist nicht Geschkes Schuld und auch Born kann nix dafür. Genau das, was mir zu schaffen machte, ist ja das, von dem andere in Thrillern nicht genug bekommen.

Wichtig ist, dass alles in sich stimmig ist. Auch wenn es oft ist, als fielen die Wendungen vom Himmel, sind sie logisch und erklärbar. Das ist für mich besonders wichtig. So ein bisschen nachvollziehbar muss auch der blutrünstigste Thriller sein.

Für mich gab es aufgrund meiner „Empfindlichkeit“ hin und wieder ein paar kleine Längen – doch das dürfte tatsächlich mein persönliches Problem sein und nicht für alle Leser gelten. Es werden Situationen und Konstellationen von Organisationen geschildert, die dann interessant sind, wenn man ein gewisses Mindest-Interesse daran hat. Die eine oder andere Stichelei, hier ein Seitenhieb, da eine Anspielung gefallen mir sehr gut.

Dieser dritte Band schafft es tatsächlich, die Trilogie rund zu machen. Der Kreis schließt sich und das Ende kann sich jeder so „ausspinnen“, wie er mag. Es gibt einen ordentlichen Show-Down, doch Geschke setzt noch einen Knaller obendrauf. So ist ein es zwar offen, aber der Leser kommt dennoch damit klar, dass es keinen vierten Band geben wird.

Auch das Nachwort hat einen ganz besonderen Reiz. Es verbindet meiner Meinung nach den Leser mit dem Autor auf spezielle Weise.

Auch wenn das klischeehaft klingt und politisch völlig unkorrekt, so empfinde ich dieses Buch – und auch die ganze Trilogie – als Thriller der härteren Art, der eher Männer anspricht. Frauen mögen es gern subtiler und weniger kantig, direkt, hart, blutig. Klar, es gibt immer „Ausnahmen“. Mir fehlt hier ein bisschen der Kitzel anderer Bücher und Autoren. Ich wurde gut unterhalten und die Story ist rund und in sich stimmig, ganz klar. Dennoch fehlt für mich etwas für die vollen fünf Sterne. Deshalb gebe ich vier und warte auf den nächsten „Wurf“ von Linus Geschke, der hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Bewertung vom 27.02.2021
Katzenweisheit
Garnier, Stéphane

Katzenweisheit


ausgezeichnet

Auf leisen Pfoten

Dieses nette kleine Büchlein mag den Leser durch den Vergleich mit dem Tagesablauf der Katzen und ihrer „Lebensart“ zum Entschleunigen bewegen und achtsamer machen. Meiner Meinung nach sind die Ideen – nicht alle sind bierernst gemeint – gar nicht so übel und regen zum Nachdenken an. Auch wenn ich total verrückt nach Katzen bin, ist mir der Unterschied zwischen ihnen und uns Menschen bewusst und dennoch sehe ich tatsächlich, wo wir von ihnen lernen können.

Stéphane Garnier hat ein sehr gutes Auge für Menschen und Tiere. Er spricht Punkte an, die definitiv eine nähere Betrachtung verdienen. Da bleibt es nicht aus, dass man beim Lesen automatisch über die Parallelen und Unterschiede nachdenkt. Klingt vielleicht seltsam, aber ich habe beim Lesen definitiv auf Katzenart entspannt!

Dazu kommen die vielen kleinen Details, die dieses Büchlein so liebenswert machen. Das fängt bei Zitaten berühmter Persönlichkeiten an, geht über die kleinen Katzenzeichnungen und die zusammenfassenden Sätze, die Kästen mit dem „Zeitplan“ des Tagesablauf einer Katze (beginnend mit 7:30 Uhr, endend mit 23:00 Uhr), den Seiten mit „Zum Nachdenken …“ bis zum kleinen Test mit Auflösung am Ende des Buches. All dies ist mit Herz und Hirn gemacht! Die Kapitel sind recht kurz, sodass man den Tag mit einem beginne oder auslaufen lassen kann.

Wer Katzen hat, wird immer wieder schmunzeln und nicken. Wer keine hat, wird dennoch Spaß an diesem Buch haben, zumindest, wenn man ein Fünkchen Humor hat. Wie der Titel schon sagt: Das Büchlein will - und kann – inspirieren, ein bisschen entspannter zu leben. Gerade in der aktuellen Zeit ist das eine wichtige Sache, finde ich!

Mir gefällt es! Deshalb bekommt es von mir auch die vollen fünf Sterne.

Bewertung vom 21.02.2021
Mein geniales Leben
Jägerfeld, Jenny

Mein geniales Leben


ausgezeichnet

Ein wunderbares und unterhaltsames Buch für Kids ab 10!

Sigge hat es nicht leicht – er schielt, er liebt Eiskunstlauf und er ist eine Niete in Ballsportarten. Das macht ihn zur idealen Zielscheibe seiner Altersgenossen und als sogar sein Freund Valter beginnt, ihn zu mobben, kommt ihm der Umzug von Stockholm weg zu seiner Oma nach Skärblacka mehr als gelegen. Er hofft, dort beliebt werden zu können und setzt alles daran, sein neues Image aufzubauen. Doch das ist gar nicht so einfach, wie es zunächst klingt …

Jenny Jägerfeld hat es geschafft, all die Facetten des Lebens in der Pubertät einzufangen und mit gekonnten Pinselstrichen ein Bild davon zu zeichnen. Der Übergang von Kindheit zu Jugendlichkeit ist nie einfach, schon gar nicht dann, wenn ein Kind sich „unperfekt“ fühlt, einen „Fehler“ hat und Hänseleien ausgesetzt ist. Dazu noch kennt Sigge seinen leiblichen Vater nicht und die Beziehung seiner Mutter zum Vater von Sigges Schwestern Majken und Boel (genannt Bobo) geht in die Brüche, sodass er auch diese männliche Bezugsperson verliert. Der Umzug zur extravaganten, aber herrlich ausgeflippten Oma, die nur Charlotte genannt werden möchte, ist einerseits ein grober Einschnitt in Sigges Leben, andererseits will er ihn auch als Chance für einen kompletten Neuanfang nutzen. Doch wie man beliebt wird, muss Sigge erst noch herausfinden. So sind seine Sommerferien erst einmal angefüllt von Überlegungen und „Übungen“ und dass ein Mädchen mit türkisfarbenen Haaren Fotos davon macht, wie er beim Inlinern über ihre Hecke fliegt, macht alles nur noch schwieriger …!

Genau dieser Unfall setzt Ereignisse in Gang, die Sigge zunächst gar nicht als das einordnen kann, was sie sind. Er macht Fehler, wie jedes Kind, und lernt dabei, dass dies nicht immer aus Boshaftigkeit geschieht, aber die Wiedergutmachung oft schwer ist. Allein schon das Zugeben, etwas getan zu haben, kann zum Problem werden.

Wunderbar hat die Autorin hier eine kleine Welt mit lauter Originalen geschaffen. Sigge liebt seine Schwestern und übersieht dabei deren „Fehler“. Er registriert sie sehr wohl, aber er empfindet sie nicht als so störend, wie seine eigenen „Fehler“. Auch bei Charlotte und Krister nimmt er alle Macken liebevoll zur Kenntnis und hat immer einen netten Weg, damit umzugehen. Ab und an macht er ein Witzchen, aber verletzend ist er nie. Es machte mir sehr viel Freude, Sigge in seinen Sommerferien zu begleiten und ihn entdecken zu lassen, was im Leben wichtig ist und was nicht, wie man mit den Aufgaben, die einem das Leben so stellt, fertig wird und wie man dabei nett und liebenswert bleibt.

Ich denke, dieses Buch kann für Kids im Zielgruppenalter eine sehr große Hilfe sein, denn sie können sich an vielen Stellen selbst entdecken, Sigge teils einen Schritt voraus sein und erkennen, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten nicht die einzigen auf dieser Welt sind. Hier wird nicht der große moralische Zeigefinger geschwungen, sondern liebevoll und sanft, aber auch mit sehr viel köstlichem Humor, gezeigt, dass das Leben – für Jung und Alt gleichermaßen – nie einfach, aber immer schön ist. Ich bin wunderbar unterhalten worden und würde Kids ab 10 Jahren dieses Buch bedenkenlos zum Lesen geben. Fünf Sterne!

Bewertung vom 07.02.2021
Noch ein mörderischer Krimi-Spaß / Tod unter Gurken Bd.2
Sting, Kai Magnus

Noch ein mörderischer Krimi-Spaß / Tod unter Gurken Bd.2


ausgezeichnet

Noch mehr wunderbare Krimi-Grotesken!

Wieder schafft es Kai Magnus Sting, ein paar kuriose und witzige Kriminatgrotesken zu erschaffen, in denen der schwergewichtige Rentner und Hobbykriminologe Alfons Friedrichsberg die Hauptrolle spielt und seine Freunde und den Hörer fast an den Rand der Verzweiflung bringt. Wer zum Lachen in den Keller geht, sollte dieses Hörbuch tunlichst meiden, denn skurriler geht es kaum. Fängt es doch gleich mal damit an, dass Friedrichsberg, Dahl und Straaten gefesselt auf einer Bank auf dem Friedhof sitzen und ihrem künftigen Mörder dabei zusehen, wie er ein Grab für sie aushebt – und Friedrichsberg erzählt Geschichten, mörderische Geschichten, anstatt in Panik zu verfallen oder irgendwie zu versuchen, aus der misslichen Lage zu entkommen. Oder hegt er etwa schon wieder einen Plan? Und was hat es mit dem Sittich der Diva auf sich?

So ungewöhnlich die Geschichten sind, sie sind humorvoll, ohne platt zu sein. Ein bisschen Hörspiel der „guten alten Zeit“, ein bisschen „königlich bayerisches Amtsgericht“, ein bisschen Edgar Wallace – die Mischung ist wunderbar, gelungen und macht süchtig! Dazu bekommt man wunderbare Wortspiele geliefert und aus einem Wellensittich wird eine analoge Drohne. Klar, man muss diese Art Humor mögen, aber die schon bewährte Sprechertruppe Annette Frier, Jochen Malmsheimer, Bastian Pastewka und Kai Magnus Sting bezaubert alle, die gerne lachen und sich selbst nicht so bierernst nehmen. So wunderbar einsprechen kann man diese Texte nur dann, wenn man menschlich total harmoniert. Besser könnte man ein Team nicht zusammenstellen!

Zudem schafft es Kai Magnus Sting, immer wieder neue Figuren zu erschaffen, die komplett überzogen und dennoch absolut glaubwürdig sind. Köstlich, wie Emilia Sannocare, die italienische Diva, sich als Gila Kanope und damit ehemalige Schulkameradin von Friedrichsberg entpuppt, nur um nach einem kleinen Wortgefecht direkt und vor den Augen und Ohren aller Anwesenden wieder in Emilia zu verwandeln! Auch sind die Wortspiele absolut gelungen – und damit kann man mir echt eine riesen Freude machen. Versteckte Sticheleien zum einen oder anderen Thema findet der geneigte und aufmerksame Zuhörer ebenfalls. Ich liebe es! Und ich warte ungeduldig auf weitere Hörspiele dieses Autors und dieses Teams. Dazu bekommt man ein Booklet, das zusätzlich für gute Unterhaltung sorgt. Für mich waren das 131 unbeschwerte, humorvolle und spannende Minuten und dafür gebe ich die vollen fünf Sterne!

Bewertung vom 07.02.2021
Die Erfindung des Dosenöffners
Bagci, Tarkan

Die Erfindung des Dosenöffners


sehr gut

Die Geschichte hinter der Geschichte

Timur ist mit sich, seinem Leben und der ganzen Welt unzufrieden. Er will ein ernstzunehmender Journalist werden und braucht dazu unbedingt ein Volontariat. Das fällt ihm nur leider nicht einfach so in den Schoß. Nein, er muss sich selbst bemühen – und dazu benötigt er DIE Story! Nur wo findet man die? Doch niemals in einem Kegelclub, deren Mitglieder zwischen uralt und scheintot sind, oder? Oder doch? Kann es stimmen, dass Annette ein großes Geheimnis hat? Ist sie wirklich die Erfinderin des Dosenöffners? Timur kann sich das nicht vorstellen, aber mit jedem weiteren Gespräch, das er mit Annette führt, verändert sich etwas …

Ich hatte Schwierigkeiten, mir Timur als 20jährigen vorzustellen. Viele seiner Gedanken, Taten und Verhaltensweisen haben ihn mir vor meinem geistigen Augen zu einem gut zehn Jahre älteren Typen gemacht, der mit einer LMAA-Stimmung durchs Leben geht, noch nichts erreicht hat und alle, außer sich selbst dafür verantwortlich macht. Kurz: sympathisch war er mir nur bedingt.

Dafür ist Annette eine Figur, die sofort mein Herz gewonnen hat! Anders als Timur sah ich nicht eine verwirrte alte Frau, sondern eine kranke Frau, deren Leben nicht immer sehr gut zu ihr war. Ihre Wünsche sind so bescheiden und so herzergreifend, dass mein Herz ganz weit aufging und sie direkt hineinschoss.

Der kleine Twist im letzten Drittel ist stimmig und logisch. Er passt perfekt und macht die Story rund. Der Kreis schließt sich und die Geschichte erhält einen tieferen Sinn. Überhaupt gefallen mir die kleinen eingestreuten Spitzen auf so manche Menschen, Situationen und Trends. Ich konnte immer mal wieder herzhaft lachen und heftig zustimmend nicken. Zu sagen, das wäre Sozialkritik, ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber es kommt dem doch nahe.

Im Verlauf des Buches wird Timur quasi erwachsen, hat eine Menge Lichtblicke und findet einen Weg für seine Zukunft. Er verändert sich nicht komplett – was auch sehr unglaubwürdig wäre – aber er geht sehr glaubwürdig eine Verwandlung durch, reift, entwickelt sich, kommt voran.

Auch die meisten der anderen Figuren sind liebenswert und einzigartig. Besonders Timurs Vater gefällt mir sehr. Für mich steht er für all die Männer, die Gefühle sehr schlecht ausdrücken können und genau dadurch immer wieder über die eigenen Füße stolpern.

Insgesamt ein schlaues Büchlein, ein liebenswertes Büchlein und eine Story, die durchaus zum Nachdenken anregen kann. Ich gebe „Die Erfindung des Dosenöffners“ vier Sterne.

Bewertung vom 05.02.2021
Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1 (1 MP3-CD)
Bennett, S J

Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1 (1 MP3-CD)


gut

Mittelstarker Reihen-Auftakt

Auf Schloss Windsor wird gefeiert und die Queen genießt es. Sie tanzt und freut sich, dass alles prächtig läuft. Doch am nächsten Morgen dann der Schock – einer der Tanzpartner der Queen, ein junger russischer Pianist, wird in einer prekären und eindeutigen Position tot aufgefunden. Doch die Queen glaubt nicht an einen Unfall bei einem Sexspielchen und ermittelt mit Hilfe ihrer Assistentin Rozie under cover selbst …

Die Geschichte hat durchaus ihren Reiz, zumal das Hofleben sehr schön mit britischem Humor gewürzt geschildert wird und immer wieder Anspielungen eingestreut sind, die einen zum Grinsen bringen. Die Beziehung zwischen der Queen und ihrem Prinzen wird gelungen und sehr humorvoll geschildert. Natürlich haben auch die Corgies ihren Platz in der Story, es gibt die Queen nicht ohne diese Hunde. Man muss sie einfach mögen!

Schade fand ich aber schnell, dass die Queen im Grunde nur Anstöße gibt und gekonnt Fäden zieht, die eigentliche Ermittlungsarbeit aber Rozie überlässt. Klar, die Queen kann nicht so fröhlich durch die Gegend wandeln und Fragen stellen, das würde schon auffallen. Dennoch hätte ich mir ein paar mehr Aktionen von ihr gewünscht. In diesem Band finde ich leider noch nicht die „königliche Unterhaltung“, die ich mir erwartet hatte.

Man muss die wichtigsten Figuren des Buches einfach mögen. Sogar der bissige Philip ist auf seine Weise super charmant und liebenswert. Zeitlich spielt die Story im Jahr 2016, also kurz vor dem 90. Geburtstag der Monarchin. Die Idee ist sehr gut, die Umsetzung ein bisschen danebengegangen. Mir war die Geschichte insgesamt irgendwann zu sehr ausgedehnt, in die Länge gezogen. Da dies jedoch der erste Band einer Serie ist, hoffe ich darauf, dass es künftig ein bisschen lockerer zugeht und ich in diesem Band zunächst mal alle bleibenden Figuren kennenlernen musste. Der größte Fan bin ich noch nicht und ich werde abwarten, ob ich das noch werde.

SJ Bennett versteht es durchaus, einem Cosy-Crime mit Humor das Krönchen aufzusetzen und ausgefallene Ideen auszuarbeiten. Aber sie verliert dabei auch ein bisschen den Blick für Längen. Das kann leider auch die geniale Lesung von Sandra Voss nicht ausbügeln. Deshalb gebe ich für mittelguten Genuss auch mittelgute drei Sterne.

Bewertung vom 03.02.2021
Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg.
Clark, Julie

Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg.


ausgezeichnet

Zwei starke Frauen und ihr Kampf ums Überleben

Claire hat alles vorbereitet, um aus ihrer gewalttätigen Ehe zu fliehen und unterzutauchen. Doch ihr Plan wird vereitelt und sie weiß, sie wird es nicht überleben, wenn sie den Flug nimmt, der nun auf sie wartet. Da taucht Eva auf, erzählt ihr Unfassbares und gibt ihr gleichzeitig die Möglichkeit, mit einem einfachen Tausch der Bordkarten das Schicksal doch noch zu beeinflussen. Sie wagt es und ahnt nicht, dass Eva über ihr Leben nicht die Wahrheit gesagt hatte. Claire landet in einem Leben, das ihr zum Verhängnis werden kann …

Was für ein toller Thriller! Der beste Beweis, dass es für Hochspannung von der ersten bis zur letzten Seite kein Blut braucht und das Subtile viel effektiver ist, als exzessive Gewaltbeschreibungen! Hier hat Julie Clark zwei starke Frauen geschaffen, die beide auch Schwächen und Fehler haben und damit greifbarer werden. Man kann sich kaum vom Buch lösen und entwickelt in beiden Strängen für die Protagonistin enorm viel Sympathie.

Anfangs weiß man nicht, wer nun „die Böse“ ist und wird geradezu gefühlsmäßig hin- und hergerissen. Während man Claire quasi im Jetzt begleitet und ihre Geschichte auch in der ersten Person und im Präsens erfährt, wird Evas Geschichte von hinten aufgerollt und das durch einen Erzähler. Damit weiß man immer, in welchem Strang man sich gerade befindet, und zudem steigert es die Spannung. Die Wechsel von einem Strang zum anderen sind sehr gut gemacht. Sie reißen nicht aus dem Lesefluss, sondern sind perfekt platziert. Ab einem gewissen Punkt hat man um beide Frauen Angst, will helfen, schützen und für sie kämpfen. Beide Leben waren und sind nicht einfach. Der Leser steht oft fassungslos vor dem Geschehen. Die „Kerngeschichte“ findet in einer einzigen Woche statt und lässt somit weder Claire noch den Leser zwischendurch zur Ruhe kommen, aufatmen, Kraft sammeln. In rasender Geschwindigkeit führt ein Ereignis zum nächsten, immer wieder durchwebt von Rückblenden in Evas Leben.

Die Autorin begeistert mich mit dem Plot, aber auch mit ihrer Art, Sätze zu konstruieren. Sie passen zu den Figuren und zur Thematik. Die Frage, ob man spurlos verschwinden kann, ist sehr gut behandelt worden. Die Ideen für diverse Wendungen wurden stimmig erarbeitet und nicht aus der Luft gegriffen. Dass dies ein Erstlingswerk ist, mag man kaum glauben. Die Autorin versteht ihr Handwerk so gut, dass sich etablierte Schriftsteller etwas abgucken können. So muss ein Buch sein, um den Leser zu begeistern: frisch, neu, nicht ausgelutscht, geradlinig, ohne pseudowissenschaftliche Ausführungen, lebensnah und interessant. Selbst Beschreibungen der Orte und Umgebungen bringt Julie Clark mit so wenig Worten wie möglich hin, um das Kopfkino des Lesers selbst arbeiten zu lassen und ihn nicht zu langweilen.

Sobald man sich als Leser in eine Situation eingelebt hat, zusammen mit der Protagonistin, kommt eine mehr oder weniger große Wendung und verändert alles. Zur Ruhe kommen weder Claire noch Eva und schon gar nicht der Leser. So fesselt man Leser, so muss ein Thriller sein! Ich bin begeistert! Das Ganze wird dann noch mit einem Ende getoppt, das im Grunde logisch war, den Leser dann aber doch emotional packt. Es ist rund und stimmig. Alle Fragen werden beantwortet und Offenes geklärt. Es fällt mir schwer, Claire und Eva nun nicht mehr zu treffen und das Buch wegzustellen. Dieser Thriller ist schon jetzt mein Jahreshighlight und andere Bücher werden es schwer haben, sich an diesem Standard zu messen. Ganz klare fünf Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.