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Miro76
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 168 Bewertungen
Bewertung vom 04.02.2024
Glänzende Aussicht
Fang, Fang

Glänzende Aussicht


ausgezeichnet

Fang Fang nimmt uns mit nach Wuhan in der nachkaiserlichen Zeit. Wir lesen uns in eine vielköpfige Familie, die auf engstem Raum in einer Baracke haust. Als allwissender Ich-Erzähler fungiert Bruder Acht, der mit 2 Wochen im Kindbett verstarb und nun vor der Baracke begraben liegt.

Bruder Acht erzählt uns, er hätte es am Besten getroffen, denn er liegt sicher und warm, während beispielsweise Bruder Sieben nur noch unter dem Bett der Eltern Platz findet und der älteste Bruder nur noch Nachtschichten schiebt, damit er tagsüber im Bett schlafen kann.

Der Vater ist ein Trinker und neigt zu extremer Brutalität. Er prügelt sich regelmäßig an seinem Arbeitsplatz, lässt seine Wut aber auch unkontrolliert an den Kindern aus. Vor allem Bruder Sieben hat unter den Schlägen zu leiden, denn er hat niemanden, der für ihn eintritt. Schon früh muss auch er zum Familieneinkommen beitragen; erst als Müllsammler, später als Gemüsesammler. Doch so erstaunlich es klingt, auch er geht seinen Weg und schafft es sogar am weitesten raus aus der Armut.

Fang Fang's schonungslose Sprache kannte ich schon aus einem anderen Roman, aber auch hier musste ich mich erst wieder daran gewöhnen. Die ersten Kapitel sind etwas verwirrend. Man weiß nicht, wer hier erzählt und warum sich Sieben so verhält. Doch dann wird die Geschichte von hinten aufgerollt und wir bekommen einen genauen Einblick in die prekären Verhältnisse dieser Großfamilie, die nur eine von vielen ist. Vor der Ein-Kind-Politik war man überzeugt, sich nur mit vielen Kindern ein Auskommen im Alter sichern zu können. Ob und wie man die alle Durchbringen soll, darüber hat sich wohl niemand Gedanken gemacht. Hauptsache es gibt Söhne.

Die Landflucht hat sich als problematisch erwiesen und mit Landverschickung wir ihr entgegengesteuert. Das ist Bruder Sieben Chance und die weiß er geschickt zu nützen. Er arbeitet sich hoch, wird Funktionär und dadurch Teil des Staates. Die Anerkennung ist ihm nun sicher.

Mit dem Blick in diese Familie vermittelt uns die Autorin ein kritisches Bild vom Staat China in der Nachkaiserzeit. Sie hat bereits eine Vielzahl an Romanen verfasst, in denen die Armen und Entrechteten eine Stimme bekommen und ich hoffe, dieser Roman findet viele Leser*innen, die sich für das uns so fremde China interessieren.

Bewertung vom 01.02.2024
Klarkommen
Hartmann, Ilona

Klarkommen


ausgezeichnet

In Gedankensplittern lässt und die Ich-Erzählerin an ihrem Leben teilhaben. Gemeinsam mit ihrer Freunden Mounia und Leon hadert die Erzählerin mit ihrem Schicksal, denn wenn man im Dorf aufwächst, zieht das Leben an einem vorbei, weil immer nur woanders was los ist.

Die Drei träumen vom Ende der Langeweile; von großen Konzerten, schrillen Partys und aufregenden Bekanntschaften. Und doch scheint auch in der großen Stadt das Leben an ihnen vorbeizuziehen und die coolen Leute sind immer Freunde der anderen, denn die eigene Haut können sie nicht wechseln. Sich selbst neu erfinden ist nicht so einfach und passiert nicht von selbst.

Ilona Hartmanns Buch klarkommen hat mir sehr gut gefallen. Ich mag die kurzen Kapitel, die meist mit einem Wort übertitelt sind und hauptsächlich Erinnerungen oder Erlebnisse der Erzählerin preisgeben. Es liest sich wie eine spezielle Form eines Tagebuchs, bei dem ein Wort der Aufhänger zu einer kleinen Abhandlung ist. Mal ist sind es nur ein paar Zeilen, mal mehrere Seiten. Mal sind es Träume und Wünsche, mal Erinnerungen und Erlebnisse.

Als Leser*innen lernen wir die Erzählerin stückchenweise kennen. Sie ist ein ganz normales Mädchen, das ihre Erfahrungen sammeln möchte. Sie sucht ihren Weg genauso, wie ihre Persönlichkeit. Sie will sich ausprobieren, um sich irgendwann selbst zu finden. Es hat mir Spaß gemacht, die Erzählerin auf ihrem Weg zu begleiten, den ich selbst vor mittlerweile ganz schön vielen Jahren gegangen bin.

Bewertung vom 13.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


sehr gut

Als Junge musste Lev mehrere Wochen, gar Monate das Bett hüten. Sein bester Freund hat sich schnell nicht mehr blicken lassen, aber eine andere Mitschülerin hat ihn regelmäßig besucht, damit er nicht den ganzen Stoff versäumt. So kam es, dass aus dem kranken Jungen Lev und der Außenseiterin Kato beste Freunde wurden.

Doch so beginnt das Buch nicht. Erst lesen wir, dass Lev zurück nach Rumänien muss und Kato ihn begleiten wird. Sie ist viele Jahre durch Europa gereist, hat in den verschiedensten Städten gemalt und endlich hat Lev sie in Zürich besucht. Am Anfang schließt sich der Kreis für Kato. Sie fährt wieder nach Hause und wir folgen ihren Spuren rückwärts und erfahren so, wie Lev's Reise in die Schweiz verlief. Wie ihm sein Zwischenstopp in Wien bei Onkel Ferry gefallen hat, der irgendwie mit dem mysteriösen Unfall zusammenhängt.

Schritt für Schritt bzw. Kapitel für Kapitel führt uns die Autorin in der Zeit zurück und setzt somit einen Spannungsbogen in einen Roman, der eigentlich keinen braucht. Es ist eine Geschichte über Freundschaft und eine Geschichte über Aufbruch, die mir auch wirklich gut gefallen hat. Die Autorin beherrscht ihr Handwerk und beschreibt in schönen Sätzen das Leben in dem kleinen Dorf in Rumänien in der Zeit des Sozialismus und in der Zeit des Aufbruchs.

Nur des Stilmittel des Rückwärts-erzählens passt irgendwie nicht so ganz zu der Geschichte. Das baut bei den Leser*innen eine Erwartungshaltung auf, die dann nicht wirklich erfüllt wird. Außerdem machen die Kapitel zu große Sprünge und somit hat die Geschichte immer wieder große Lücken. Deshalb vergebe ich hier nur 4 Sterne.

Bewertung vom 03.01.2024
Zero Days
Ware, Ruth

Zero Days


sehr gut

Jack und Gabe sind das perfekte Paar. Sie lieben sich und ergänzen sich optimal in ihrem spannenden Job, denn sie dringen in gesicherte Zonen ein. Während Gabe sich durch das Internet ackert, bricht seine Frau tatsächlich in Firmengebäude ein und testet so Alarmanlagen, den Sicherheitsdienst oder ob alle Vorschriften diesbezüglich eingehalten werden.

Als Jack nach einem etwas schief gelaufenen Job spät nachts nach Hause kommt, entdeckt sie das Schlimmste, was sie sich vorstellen könnte. Ihr Mann wurde zuhause auf seinem Computersessel ermordet. Im Schock reagiert sie vielleicht nicht ideal, aber sie konnte einfach nicht anders. Dadurch hat sie sich leider verdächtig gemacht und so bleibt ihr nur die Flucht nach vorne. Sie war schon immer eher vom Handeln getrieben.

Mit ihrer Notfallausrüstung taucht sie unter und sucht Hilfe bei ihrer Schwestern und Gabe's besten Freund Cole. Doch wem kann sie wirklich trauen und welche Möglichkeiten bleiben ihr, um wirklich zu klären, wer ihren Mann ermordet hat?

Ich habe diesen Thriller gerne gelesen. Es ist eine rasante Verfolgungsjagd mit unkonventionellen Mitteln. Gut gefallen haben mir auch die technischen Details der Geschichte. Cybersecurity ist ein Thema, das uns alle interessieren sollte. Leider hat sich bei mir relativ früh ein Verdacht breit gemacht, der sich dann auch bestätigt hat. So war die Geschichte doch irgendwie vorhersehbar.

Mit dem Vorgängerroman "Das College" konnte mich die Autorin mehr begeistern. Dennoch hat mich das Buch gut unterhalten und mir zwei schlaflose Nächte beschert. Also Vorsicht, man legt es ungern wieder aus der Hand!

Bewertung vom 29.12.2023
Sinkende Sterne
Hettche, Thomas

Sinkende Sterne


gut

Thomas Hettche begibt sich mit diesem "Roman" in die Schweiz seiner Kindheit und versetzt sie gleichzeitig in eine dystopisch anmutende Zeit ohne rechten Rahmen. Manches ist einfach eigenartig, wirkt wirr und unpassend, wird aber nicht näher erläutert.

Ich würde dieses Buch nicht als Roman bezeichnen. Dafür ist die Rahmenhandlung einfach zu wenig. Der Autor lässt sein Alter Ego manchmal in Erinnerungen schwelgen und manchmal lässt er seinen Gedanken einfach freien Lauf. Dabei schreibt er über Literatur und das Schreiben im Allgemeinen und zwischendurch erläutert er uns die Odyssee und lässt uns eine Abhandlung über Rilke lesen.

Für mich war das alles nicht ganz stimmig. Es wirkt sehr belehrend und gleichzeitig ziemlich zusammenhanglos und obwohl der Autor sein Handwerk beherrscht, konnten mich diese Zeilen nicht erreichen. Immer wenn sich etwas Lesefluss eingestellt hat, schweift die Geschichte in eine andere Ecke und ich quälte mich von Neuem.

Zweifelsohne kann Herr Hettche meisterhaft schreiben und das blitzt auch aus diesem Buch immer wieder heraus, weswegen ich mich doch für 3 Sterne entschieden habe. Aus der Geschichte mit dem abgeschnitten Wallis hätte auch was entstehen können, aber indem der Autor seine autofiktionale Figur am Ende im Fieberwahn schwafeln lässt, bleibt sowieso offen, wie viel davon Bedeutung hat.

Bewertung vom 17.12.2023
Das späte Leben
Schlink, Bernhard

Das späte Leben


ausgezeichnet

Martin ist 71 als er von seinem Arzt erfährt, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat. Einige davon werden auch noch gut sein, bevor er immer schwächer wird und die Schmerzen kommen.

Gemeinsam mit seiner deutlich jüngeren Frau überlegt er, was er seinem kleinen Sohn noch mitgeben möchte, denn er wird nicht erleben, wie dieser erwachsen wird. Er leidet sehr darunter und versucht ihm noch ein paar schöne Erinnerungen zu bescheren. Gleichzeit weiß er, dass er vielleicht keine bleibenden Eindrücke hinterlassen wird, denn sein Sohn ist noch nicht mal sechs. Also schreibt er einen Brief.

Auch für seine Frau möchte er noch etwas tun und kommt so auf die Idee, ihren verschwundenen Vater für sie zu suchen. Diese letzte Abenteuer führt ihn zu einer letzten Erkenntnis und so verbringt er die letzten guten Wochen mit seiner Familie am Meer, ruht viel, genießt die Zeit die ihm bleibt und beginnt sich zu verabschieden.

Ein schwieriges Thema, dem sich Bernhard Schlink hier widmet. Einerseits ist es ein Geschenk, wenn man den Tod kommen sieht und seine Angelegenheiten noch regeln kann, andererseits ist es eine Aufgabe, der sich kaum einer gewachsen fühlt. Zum Glück gibt es hier diesen großen Altersunterschied, denn auch Martin hat sein Leben geführt und wird nicht all zu früh daraus entrissen. Das hat der Autor sehr geschickt eingefädelt. Er ist nicht mehr jung, hat aber trotzdem viel zu verlieren, weil sein Sohn noch so klein ist. So ist das Buch sehr traurig, aber es ist nicht so brutal. Der Fokus liegt dadurch mehr darauf, was man noch alles tun kann und welche Erkenntnisse man weitergeben kann und nicht auf dem Schmerz des frühen Verlustes.

Für mich als Leserin macht das einen großen Unterschied. So konnte ich die Zeilen, die Martin für seinen Sohn hinterlässt wesentlich mehr genießen. Die philosophischen Gedanken, die er an den Jungen weitergeben möchte, sind wirklich schön zu lesen. Menschen haben etwas zu sagen, am Ende ihrer Tage!

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.12.2023
A Breath of Winter / Rabenwinter Saga Bd.1
Schnell, Carina

A Breath of Winter / Rabenwinter Saga Bd.1


ausgezeichnet

Middangard im hohen Norden ist ein Land, das die Menschen mit Magischen und Kreaturen teilen. Tolle treiben in den Wäldern ihr Unwesen und Walküren beherrschen die Lüfte. Doch obwohl so gefährliche Kreaturen umgehen, sitzt die Angst vor Hexen tief in den Köpfen der Menschen. Hexen leben meist abgeschieden in den Wäldern oder der wilden Natur und üben ihre Knochenmagie zu ihrem Schutz aus oder um anderen zu helfen.

Nun geht ein weiteres Monster um, bekannt als der Hexenschlächter, denn er kennt keine Gnade und es scheint, als wolle er sie alle ausrotten. Smillas Hexenzirkel wurde ebenfalls grausam von ihm hingerichtet und so hat sie sich nur einem Ziel verschrieben: Rache. Eine Seherin hat ihr prophezeit, dass die Wilde Jagd sie zum Schlächter führen wird.

So kommt es, dass sich Smilla der gefürchtetsten Söldnertruppe Middangards anschließt, um unter der Führung von Gent, dem Fürst der Unterwelt, zu kämpfen und zu töten. Kein leichtes Unterfangen für Smilla, denn so einfach nimmt die Wilde Jagd nicht neue Mitglieder auf. Sie wird sich beweisen müssen.

Smilla und Gent verbergen beide ihre dunklen Geheimnisse und ihre Wunden doch die Anziehungskraft zwischen ihnen lässt sich ebenfalls nicht leugnen. Werden sie sich ihren Dämonen stellen können und ihre Herzen wieder öffnen können? Und welche Wahrheit wird dann ans Licht kommen?

Carina Schnell hat mit Middangard ein spannende Welt voller Mythen und Legenden, Götter und Magie entworfen. Das Worldbuiling geht ganz nebenbei und wir bekommen im Laufe der Lektüre einen guten Einblick in die Strukturen dieser Wirklichkeit. Die Autorin hält sich nicht lange auf mit Erläuterungen und steigt sofort in die Handlung ein. Somit ist das Buch von der ersten Seite weg fesselnd. Die Kapitel werden wechselweise aus Smillas und Gents Sicht erzählt, was die Spannung enorm erhöht und uns Einsichten erlaubt, die die Protagonisten nicht immer kennen.

Die Figuren entwickeln sich, müssen Mut und Kreativität beweisen und sich ihren schwärzesten Seiten stellen.

Zum Schluss überrascht uns die Autorin nochmal ordentlich und ich bin sehr gespannt, wie sie diese Dilogie zum Abschluss bringen wird. Jetzt heißt es geduldig warten bis September - dann erscheint der 2. Teil.

Bewertung vom 03.11.2023
ZAP. Für die einen ist es Vergnügen. Für ihn ein Albtraum. (eBook, ePUB)
Eschbach, Andreas

ZAP. Für die einen ist es Vergnügen. Für ihn ein Albtraum. (eBook, ePUB)


sehr gut

Finn musste mit seinen Eltern übersiedeln, weil der Vater einen neuen Job antreten durfte. Er ist noch nicht richtig heimisch, fühlt sich in der Schule nicht wohl und seinen besten Freund Navid vermisst er sehr. In seiner Freizeit flüchtet er sich in Bücher, was den Eltern gar nicht behagt, denn ihre Leben spielen sich in den sozialen Netzwerken und am Fernseher ab. Finn scheint hier etwas aus der Zeit gefallen zu sein.

Als er an einem Freitag aus der Schule kommt, erwartet ihn eine böse Überraschung. Er sperrt die Wohnung auf, die er am Morgen verlassen hatte und findet darin nichts wieder. Die Wände sind anders gestrichen, völlig andere Möbel und es leben andere Leute darin. Auch die Nachbarin scheint ihn nicht wiederzukennen.

Finn ist völlig verwirrt und lässt sich tatsächlich einreden, sich verlaufen zu haben, denn in dieser tristen Vorstadt sehen alle Straßen irgendwie gleich aus.

Ein perfides Spiel beginnt, das Finn komplett um den Verstand bringen soll, während sich die Zuschauer im Fernsehstudio und vor den Glotzen zuhause köstlich amüsieren sollten.

Doch der Sender hat die Rechnung ohne Lea gemacht, die versehentlich von diesem Projekt erfahren hat und Finn unter erheblichem Aufwand zu Hilfe eilt. Gemeinsam versuchen sie den Spieß umzudrehen und die Verantwortlichen in eine Falle zu locken, denn dieses Spiel will Finn auf keinen Fall mitspielen.

Andreas Eschbach hat mir ZAP ein Gedankenexperiment erschaffen, dass diesen ganzen Irrsinn Reality-TV persifliert und treibt es auf die Spitze. Wir bekommen anfangs einen guten Einblick in die Gesellschaft, die den Nährboden für diesen Wahnsinn bietet. Mit der Absurdität, die der Fernsehsender hier veranstaltet, will uns der Autor vielleicht zeigen, wie weit die digitale Welt uns alle treiben kann.

Stilistisch ist es einfach gehalten. Rückblenden werden und mit "Rewind" angezeigt und genauso gibt es ein "Fast Vorward" . So lässt sich das Buch schnell weglesen, ist nicht all zu anspruchsvoll und unterhält hervorragend. Es ist rasant und spannend und ganz im Sinne von Jugendliteratur passiert nicht wirklich was Schreckliches und der Held findet seinen Weg.

Außerdem ist es irgendwie auch eine Ode an die analoge Welt!

Mir hat's gefallen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.10.2023
Bis wir Wald werden
Mattausch, Birgit

Bis wir Wald werden


sehr gut

In Russland waren sie Deutsche, in Deutschland sind sie die Russen. So sitzen Babulya und Nanush und die ganze Hausgemeinschaft immer zwischen den Welten fest.

Birgit Mattausch lässt uns teilhaben am Leben im Hochhaus am Waldrand. Auch hier beginnen die Welten zu verschwimmen. Menschen werden zu Vögeln und erheben sich in die Lüfte, das Haus wird zur Araukarie und hebt seine Äste in den Himmel. Irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit spielt sich das Leben ab und in diesen Metaphern erfahren wir von der Zerrissenheit, der Wurzellosigkeit und der Verhaftung in einer verherrlichten Vergangenheit mit der die Menschen im Hochhaus ihren Alltag bewältigen.

In sehr poetischer Sprache, durchsetzt mit lyrischen Einschüben beschwört die Autorin eine Welt herauf, deren Zentrum Babulyas Küche ist und die ihre Geschichten an die nächste Generation weitergibt, bei Tee mit Marmelade.

Nun ist Babulya zu alt, um sich noch viel aus dem Bett zu bewegen und ihre Urenkelin Nanush hadert damit, dieses Erbe zu übernehmen. Sie kümmert sich hingebungsvoll um ihre Urgroßmutter, versucht aber gleichzeitig einen anderen Blick in die Zukunft. Kann dies gelingen, oder ist sie genauso verhaftet in Sibirien, wie der Rest ihrer Sippe?

Dieses kleine Buch steckt voller Bilder, die in Menschen zwischen den Welten wachsen und gedeihen. Wer mit lyrischer und metaphernreicher Sprache nichts anfangen kann, sollte davon lieber die Finger lassen. Wer sich darauf einlassen kann, findet eine bereichernde Geschichte, die den Geist beflügelt. Einziger Wermutstropfen ist, das es sehr fragmentarisch anmutet. Manchmal hätten ein paar Worte mehr der Geschichte gut getan.

Bewertung vom 08.10.2023
Wilde Jagd
Freund, René

Wilde Jagd


ausgezeichnet

Professer Quintus Erlach verbringt den Sommer in seinem Elternhaus in Stein am Gebirge. Nachdem seine Affäre offenbar wurde, hatte ihn seine Frau aus der gemeinsam Wohnung komplementiert, um bei einer Auszeit etwas Selbstfindung zu betreiben. Diese ertränkt der gute Professor leider in Wein und Bier, bis ihm die Pflegerin Evalina über den Weg läuft und ihn in eine haarsträubende Geschichte verwickelt.

Mit vermeintlich übersinnlichen Fähigkeiten überzeugt sie den Professor zur Mithilfe bei der Suche ihrer Vorgängerin, die vor einigen Monaten spurlos verschwand und zufällig die Schwester der Pflegerin war.

Und so stolpert der Professor in einen wilden Versuch ein Verbrechen aufzuklären und wird dabei selbst zum Gejagten. Gekonnt spielt der Autor mit versteckten Wahrheiten, vermeintlichen Zufällen und dubiosen Verdächtigen, so dass man als Leser*in schnell so verwirrt ist wie Erlach selbst.

Da sich die Ereignisse derart überschlagen, wird Quintus fast nebenbei seine Alkoholsucht los und beginnt sogar seinen Alltag zu strukturieren. Aus dem zerstreuten Lebemann wird ein verlässlicher Freund und nicht nur die Sympathien der Leser*innen fliegen ihm zu.

Mich konnte der Autor wieder einmal großartig unterhalten mit diesem Roman, der sich irgendwo zwischen Krimi und Unterhaltungsliteratur ansiedelt. Die Geschichte ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite und macht dabei so manche Wendung durch, um in einer wirklich interessanten Auflösung mit Mehrwert zu reüssieren. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, vor allem auch für die düsteren Herbstabende die demnächst auf uns zukommen werden.