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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 636 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

Die fünfzehnjährige Linda kümmert sich in ihrer Freizeit um Hubert, ihren sechsundachtzigjährigen Nachbarn, der an fortschreitender Demenz leidet. Hubert war früher Bademeister und während Linda die polnische Pflegerin Ewa entlastet, lässt sie sich allerhand Dinge einfallen, um es ihm so angenehm wie möglich zu machen, und dazu gehören Geschichten aus seinem Berufsleben, die den kranken Mann beruhigen. Lindas einziger Freund Kevin sowie Hubert sind der Grund, warum die Jugendliche ihren Plan, aus dem Leben zu scheiden, noch nicht umgesetzt hat, denn sie möchte beiden keinen Schmerz zufügen. Derweil schreitet die Krankheit voran, denn das Schicksal lässt sich nicht aufhalten.

»Manchmal lache ich, weil seine Antworten derart komisch sind. Immer öfter jedoch bleibt mir das Lachen im Hals stecken. Hubert weiß nie, was als Nächstes zu tun ist, und er weiß weder, wer zu ihm gehört, noch, ob er zu jemandem gehört. Genau genommen hängt er in der Luft, und in der Luft zu hängen - darin bin ich Expertin - macht wirklich keinen Spaß.« (Seite 32)

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge klappe ich das Buch zu, trockne meine Tränen und lasse meine Gedanken noch etwas schweifen. Eigentlich weiß ich gar nicht, wie ich in Worte fassen soll, was ich gelesen habe, so sehr hat mich die Geschichte von Linda, Kevin und Hubert berührt. Der Autorin ist hier der schwierige Spagat zwischen Kitsch, Rührseligkeit und echten Gefühlen besonders gut gelungen, ich fühlte mich auf jeder Seite des Buches sehr gut aufgehoben, konnte Situationen nachvollziehen und Gedanken nachverfolgen. Der Umgang von Linda mit dem demenzkranken Hubert war so beeindruckend, ein solches Gefühl für Menschen ist eine Gabe, die meinen vollsten Respekt verdient.

Ein Buch über die Freundschaft, das Erwachsenwerden, das Leben, den Tod und den Umgang mit letzterem. Ich habe gelacht und geweint, geschmunzelt und gestaunt, vor allem aber habe ich viel zum nachdenken mitgenommen, das ich für mich nutzen will. Dankeschön dafür und für die wunderbare Zeit.

14 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2024
Letzte Lügen / Georgia Bd.12
Slaughter, Karin

Letzte Lügen / Georgia Bd.12


ausgezeichnet

Sara Linton und Will Trent haben geheiratet, die Flitterwochen möchten beide in der McAlpine Lodge, einem Urlaubsresort in den Bergen Georgias, verbringen. Bereits am ersten Abend wird ihr Idyll unterbrochen, als sie die Tochter der Gastgeberfamilie auffinden, die brutal ermordet wurde. Wenige Stunden zuvor hatte diese Sara gegenüber geäußert, dass sie die Nacht nicht überleben würde. An Verdächtigen mangelt es fern der Zivilisation nicht, denn die Besitzer der Lodge und auch die Gäste nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zwölften Teil der großartigen Georgia-Reihe mit Will Trent und Sara Linton, für mich mittlerweile eine würdige Fortsetzung der sogenannten Grant-County-Reihe, in der Polizeichef Jeffrey Tolliver nebst Sara Linton die Hauptrolle spielten. Anfangs hatte ich mich schwergetan damit, diese Reihe zu mögen, aus Gründen, die ihren Ursprung im sechsten und letzten Teil der zuletzt genannten Buchserie haben, mittlerweile bin ich aber im Will Trent-Universum angekommen und ein riesiger Fan. Für mich persönlich sind beide Buchreihen im Thriller-Genre das Beste, was seit Jahren auf dem Markt angeboten wird. Die Fälle sind dabei in sich abgeschlossen, allerdings spielt das Privatleben der Protagonisten eine so große Rolle, dass es von Vorteil ist, die Reihenfolge einzuhalten. Übrigens hat der Verlag beide Serien sowie insgesamt sechs der Einzelbände der Autorin in einer wunderschönen neuen Ausstattung herausgegeben. Hier lohnt es sich, einen Blick zu riskieren. Oder auch zwei, vielleicht sogar drei.

Bereits der Prolog hatte es in sich, fast sofort war ich mitten im Geschehen drin, erlebte hautnah mit, was passierte. Dabei hatte ich kurz das Gefühl, etwas verpasst zu haben, was aber kurz danach aufgelöst wurde, als es losging und die Autorin zwölf Stunden vor der dramatischen Situation mit der Erzählung begann. Anmerken möchte ich, dass es eine tolle Idee war, dem Buch eine gezeichnete Karte der Gegend voranzustellen, von der ich das ganze Buch über Gebrauch gemacht habe, um mich zu orientieren. So hatte ich ein besseres Verständnis für die Entfernungen und konnte mir gut vorstellen, wo etwas geschah.

Die Ereignisse vor dem Mord waren sehr spannend, je weiter die Story voranschritt, desto mehr Verdächtige gab es und es machte mir viel Spaß, raten zu dürfen, was passiert war. Hierbei gab es allerdings viele Emotionen meinerseits, denn was da enthüllt wurde, war perfide und wirklich schlimm, ich konnte kaum glauben, welche Abgründe aufgedeckt wurden und was über manche Menschen zutage kommt, wenn man ein bisschen tiefer gräbt. Dramen, Tragödien, unsägliches Verhalten, kriminelle Handlungen und sehr viel Leid, um nur einiges zu nennen, all dies hat mich sehr bewegt und auch wütend gemacht. Seltsame Gefühle überkamen mich und ich fieberte dem Moment entgegen, wo jede Person ihre Quittung bekommt, hoffte auf Vergeltung, war aus Wut oft den Tränen nah. Ein Kaleidoskop der Gefühle begleitete mich das ganze Buch über.

Faszinierende Charaktere, raffinierte Wendungen und ein Fall, der brutal und dessen Hintergründe unfassbar traurig waren, machten den Thriller zu einem unvergleichlichen Leseerlebnis. Für mich ein weiteres Highlight dieses Jahr, das es nachfolgenden Büchern in diesem Genre sehr schwer machen wird. Phänomenal!

17 von 17 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.10.2024
Der Poet des Meeres
Jando

Der Poet des Meeres


ausgezeichnet

Tommy ist der einsamste Wal der Welt, da er auf einer anderen Frequenz spricht als alle anderen Wale, weswegen er von ihnen ignoriert wird. Jim-Bob trägt ein Hörgerät und nutzt die gleiche Frequenz, sodass er mit Tommy kommunizieren kann. Zwischen dem ungleichen Duo entsteht eine Freundschaft, die ihr Leben verändern wird.

»Ich bin einsam, weil ich der Einzige meiner Art bin. Ich spreche auf einer anderen Frequenz als alle anderen Wale. Deswegen meiden sie mich. Ich spreche nicht ihre Sprache. Keiner versteht mich. Ich reise alleine durch die Weiten des Meeres. Bis zum gestrigen Tag. Dann traf ich dich, Jim-Bob. Du verstehst mich. Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich mich unterhalten.« (Seite 26)

Jens Koch, der sich Jando nennt, hat eine außergewöhnliche Geschichte über das Anderssein, die Einsamkeit, die Trauer sowie die Kraft der Freundschaft geschrieben, die mich innerlich gewärmt zurücklässt. Viele tolle Weisheiten sind zwischen den Zeilen versteckt, die mich haben schmunzeln, lächeln und auch manchmal traurig werden lassen. Das schöne Büchlein ist von Robby Krüger wirklich wunderschön illustriert, die Bilder passen zur Geschichte und runden diese ab. Gerne empfehle ich das tolle Buch weiter.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.10.2024
Mühlensommer
Bogdahn, Martina

Mühlensommer


ausgezeichnet

Maria ist mit ihren zwei Töchtern auf dem Weg in ein schönes Wochenende, als ihre Mutter anruft. Der Vater ist verunglückt, der Bruder mit Frau und Kindern im Urlaub, und die Mutter alleine mit Hof und Tieren. Dazu kommt die Pflege der dementen Großmutter, sodass Maria sofort kommen und helfen soll. Als kurze Zeit später Marias Bruder Thomas nebst Anhang zurückkommt, kommen Themen auf den Tisch, die lange totgeschwiegen wurden. Die Familie muss sich zusammenraufen, um die Zukunft der Mühle zu sichern.

Der schöne Schreibstil machte es mir leicht, sofort in die Geschichte einzutauchen, die erzählt wird, wie es in letzter Zeit Mode ist; die gegenwärtigen Ereignisse werden durch Rückblenden in die Vergangenheit unterbrochen, wobei eine Kennzeichnung fehlt, um welche Zeit es sich handelt. Natürlich wurde dies nach wenigen Sätzen klar, führte aber zu einigen Irritationen bei mir, wenn ich feststellen musste, dass ich gedanklich in der falschen Zeit feststeckte. Da die vergangenen und die aktuellen Entwicklungen aber unmittelbar miteinander verknüpft sind, fand ich es nicht schlimm, wenn ich etwas durcheinander gekommen bin.

Ein großartiger Roman über das Leben auf dem Land, die Familie und die Suche nach dem großen Glück, das manchmal gar nicht so weit weg ist, wie man das geglaubt hat. Die Charaktere hatten Ecken und Kanten, was mir besonders gefallen hat, denn so kamen diese authentisch rüber. Der passende Abschluss war nicht das Ende und ich könnte mir ein Wiedersehen gut vorstellen. Aber auch wenn nicht, so bleibt zumindest ein schönes Gefühl nach dem Lesen zurück. Lesenswert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.10.2024
Junge aus West-Berlin / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.18
Leo, Maxim;Menschik, Kat

Junge aus West-Berlin / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.18


ausgezeichnet

Marc wohnt in Westberlin und fährt regelmäßig über die Grenze in den Osten, wo er sein kann, was er nicht ist. Als er eines Abends der rothaarigen Nele begegnet, ist es um ihn geschehen, und auch Nele ist hin und weg. Es folgt eine verliebte Zeit, bis die Mauer fällt und das ganze Lügengebilde droht einzustürzen.

„Später wurde ich oft gefragt, wie ich die letzten Monate vor dem Mauerfall erlebt habe. Die Wahrheit ist, ich hatte erstens keine Ahnung, dass es die letzten Monate vor dem Mauerfall waren. Es hätte mich zweitens vermutlich nicht besonders interessiert, weil es drittens die ersten Monate einer großen Liebe waren. Vielleicht der Liebe meines Lebens.“ (Seite 42)

Die Reihe der Lieblingsbücher von Kat Menschik umfasst mittlerweile siebzehn Bändchen, mit Junge aus West-Berlin ist Anfang September 2024 der achtzehnte Teil der wunderschön illustrierten Reihe erschienen. Alle Bücher haben dasselbe Format sowie einen dreifarbigen Farbschnitt, sie unterscheiden sich allerdings in der Ausstattung und Bildsprache. Mir war diese Reihe bisher nicht bekannt, umso glücklicher bin ich darüber, diese nun für mich entdeckt zu haben.

Die Geschichte von Marc und Nele wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonisten erzählt, es ist spannend, zu lesen, wie unterschiedlich diese gewesen ist, was beispielsweise das Kennenlernen, aber auch viele andere Situationen betrifft. Die passenden Illustrationen ergänzen die Story und machen das Lesen zu einem unvergleichlichen Vergnügen. Mich hat besonders der Ausgang bewegt, wobei ich bis zuletzt die Hoffnung nicht verlor. Der Abschluss findet meine Zustimmung und ich träume davon, wie es vielleicht weitergeht. Lesenswert!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2024
Bevor es geschah
Spierer, Céline

Bevor es geschah


ausgezeichnet

Beim sommerlichen Barbecue im Garten von Elisabeth Haynes ist alles wie immer, die vier Geschwister, ihre Ehepartner sowie die Kinder genießen den Nachmittag, als das Unglück seinen Lauf nimmt. Wie es dazu kommen könnte, erzählt Céline Spierer im vorliegenden Buch und legt dabei Schicht um Schicht das Innere einer Familie frei, die nur nach außen hin wunschlos glücklich erscheint.

»Diese Familie hat Gefahr noch nie erkennen können und erst recht nicht bannen.« (Seite 207)

Harmlos fing die Geschichte an, ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch. Unausweichlich führte dieser besondere Augenblick in eine Richtung, die sich subtil ankündigte, bis die Spannung sich in einer Tragödie entlud. Auf der Suche nach Antworten gab es einen Sprung sieben Stunden zurück. Hierbei bemühte die Autorin verschiedene Perspektiven, ließ mich hinter Fassaden blicken, erschuf kleine Blasen voller Bilder aus der Vergangenheit. Nach und nach wurde so das Leben einer Familie enthüllt, an dem ich eine Zeit lang teilnehmen durfte, belustigt, angewidert, fasziniert und abgestoßen zugleich.

Es war mir eine Freude, in die Welt der Familie Haynes einzutauchen, die fast nichts ausgelassen hat. Die kleinen und großen Geheimnisse wurden dabei erst allmählich enthüllt, manche Lösung so spät erst präsentiert, dass ich befürchtete, mit meinen Fragen zurückbleiben zu müssen. Erfreulicherweise wurde jede Unklarheit beseitigt, offene Punkte abgehakt. Was für eine großartige Leseerfahrung ich machen durfte, ich möchte meine Begeisterung am liebsten laut herausschreien. Lest dieses Buch!

13 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2024
Backstein
Vindevogel, Femke

Backstein


sehr gut

Iggy findet vor ihrer Haustür zwei Säcke voller Backsteine und auf diesen ein Bild, das ihr verstorbener Vater einst auf die Wand der Suchtstation malte, in der er viele Jahre seines Lebens verbracht hat. Einige Steine fehlen und um herauszufinden, welche Motive genau verschwunden sind, macht Iggy sich auf den Weg nach Berlin, das dem Verstorbenen wichtig war. Ihre Hündin Kuro und schmerzhafte Erinnerungen begleiten sie auf ihrer Reise, die einen Wendepunkt bedeuten könnte.

»Ich bin Iggy, eine dreißigjährige Frau, die als Aufsicht im Städtischen Museum für Gegenwartskunst arbeitet. Ich bin keine Heldin.« (Seite 11)

Man darf sich von dem schönen Cover mit einem Mops darauf nicht täuschen lassen, denn so lustig die Geschichte anhand des Klappentextes klingt, so traurig und tragisch ist diese. Iggy ist ein sperriger Charakter, sie ist launisch und unzuverlässig, eine Einzelgängerin mit einem Hang zu Drama und Depression. Geschuldet ist dies ihrer Kindheit, die dominiert wurde durch die Herrschaft des alkoholsüchtigen Vaters, der die Familie terrorisiert, seine Frau und die zwei Töchter regelmäßig gezüchtigt hat. Der Schatten des übermächtigen Tyrannen hängt nach dessen Tod immer noch über Iggy und bestimmt ihr Leben.

»Was sich bei uns zu Hause abspielte und wie ich mich dabei fühlte, durfte niemand erfahren. Damals war über Gefühle zu sprechen so etwas wie das Einräumen eines Geschirrspülers: So sehr du auch kramst und puzzelst, so sehr du auch nach einem logischen System suchst, es gibt immer wen, der es besser kann als du.« (Seite 17)

Ich habe ängstlich und neugierig die Backsteine mit Iggy aufgebaut, habe die Bilder betrachtet, bin wütend geworden, habe Entsetzen verspürt und bin Hand in Hand mit ihr weggerannt. Habe sie auf ihrer Suche begleitet, bin in ihre Spuren getreten, habe ihre Verzweiflung gespürt und ihren Kampf gefühlt. Ihre seelischen Narben brachten mich zum Weinen, ihre Erinnerungen aus dem Gleichgewicht. Auf ihrer Suche nach sich selbst habe ich Iggy zugesehen und ihr gewünscht, Erfolg zu haben. Bewegt lege ich das Buch zur Seite und atme tief durch. Ein lesenswerter Roman.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2024
Das Verschwinden
Newman, Sandra

Das Verschwinden


gut

Jane ist mit ihrem Mann Leo und dem gemeinsamen Sohn Benjamin in den Bergen, als sie einnickt und nach dem Aufwachen bemerkt, dass ihre Familie verschwunden ist. Der Notruf reagiert seltsam, sodass sie tagelang durch die Berge irrt auf der Suche nach Mann und Kind, ohne eine Spur von beiden zu finden. Nach ihrer Rückkehr in die Zivilisation muss Jane feststellen, dass auch dort alle Menschen mit einem Y-Chromosom verschwunden sind. Verstört sucht sie nach der einzigen Person aus ihrer Vergangenheit, der sie vertraut: Evangelyne, die Anführerin einer politischen Bewegung, mit der sie früher eine Freundschaft verband. Da tauchen verstörende Videos auf, die Jane einen Weg zeigen, ihre Familie zurückzuholen.

„Etwa gegen zwanzig Uhr schlief ich ein. Unten im Tal, in der Welt der Menschen, riefen die ersten Frauen die Polizei. Sie rannten durch ihre Häuser und brüllten Namen. Sie klopften hilfesuchend an die Haustüren der Nachbarn, nur um festzustellen, dass auch die Nachbarinnen Namen rufend durchs Haus rannten. Sie fuhren zu den Polizeiwachen und fanden sie hell erleuchtet und leer vor, die Türen offen stehend. Kleinflugzeuge fielen vom Himmel.“ (Seite 8)

Das Buch beginnt aus der Sicht von Jane, die als einzige als Ich-Erzählerin fungiert, obwohl ihre Perspektive bald nicht mehr allein im Vordergrund steht, allerdings nimmt sie überwiegend den meisten Raum im Buch ein. Nach und nach führen alle Wege zu Evangelyne, einer verurteilten Kriminellen, deren Straftaten aber man tatsächlich umgekehrt sehen kann, denn dem gesunden Menschenverstand nach war sie das Opfer, dem Unrecht geschehen ist. Plötzlich dreht sich alles um sie, die Frauen umkreisen Evangelyne, wie die Bienen den Honig, sie ist die unangefochtene Königin.

Ab da wird es etwas verwirrend für mich, ich bin zwar immer noch fasziniert von der Ausgangssituation, will unbedingt erfahren, was den Frauen zugestoßen ist, bevor die Männerwelt so plötzlich verschwand, was ebenfalls einer Aufklärung bedarf, merke aber langsam, dass ich nicht mehr mitkomme. Die folgenden Ereignisse kühlen mein Interesse deutlich runter, es wird erklärt und seziert, aber so richtig verstanden habe ich die Auflösung nicht. Aus einer Dystopie ist eine Fallstudie entstanden, die das Thema verfehlt und mich ratlos zurücklässt. Schade, aber so gänzlich überzeugt mich das Buch insgesamt leider nicht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2024
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


ausgezeichnet

Herr Hirasaka betreibt ein Fotostudio, aber eines, dass besonders ist. Im Studio finden sich Menschen ein, die gestorben sind, dort verweilen sie eine Weile, bevor es weitergeht ins Jenseits. Während ihres Aufenthalts dürfen sie sich für jedes Lebensjahr ein Foto aussuchen, ein einzelnes dürfen sie mit einer Kamera selbst schießen, während sie das Geschehene hautnah erleben. Herr Hirasaka nimmt jeden Besucher herzlich auf und erinnert ihn oder sie daran, was im Leben wichtig ist.

»Ich bin nur ein Wegbegleiter. Wenn die Leute plötzlich erfahren, dass sie bereits gestorben sind, brechen sie sogleich in Tränen aus oder sind ganz niedergeschmettert. Einige veranstalten dann ein ziemliches Trara. Meine Aufgabe ist es, den Schock zu mildern. Deshalb ist dieses Fotostudio so gestaltet, dass es der Welt der Lebenden weitgehend ähnelt.« (Seite 13)

Die in Tokio lebende Autorin Sanaka Hiiragi liebt unter anderem alte Fotoapparate und auch das Fotografieren selbst, da lag es wohl nahe, eine Geschichte niederzuschreiben, die sich darum dreht. Eine Prise Märchen, eine Dosis Lebensratgeber, unterschiedliche Schicksale sowie ein Fotograf, der geheimnisvoll tut und anscheinend selbst eine unbekannte Vergangenheit vorzuweisen hat; kann das funktionieren? Das kann und das tut es! Die Idee dahinter finde ich zauberhaft, wie schön wäre es doch, bevor man ganz geht, die Zeit zu haben, von jedem Tag des Lebens ein Bild aufbewahrt zu haben, das man sich ansehen kann. Im digitalen Zeitalter leider nicht mehr zeitgemäß, dennoch liegt ein gewisser Reiz darin, sich das vorzustellen.

Die einzelnen Erzählungen waren nicht sonderlich aufregend, aber interessant und unterhaltsam auf jeden Fall. Das eher leise Buch hat mich bestens unterhalten, mir eine schöne Lesezeit beschert und lässt mich mit einem Lächeln im Gesicht zurück. Nur besondere Bücher schaffen das. Lesenswert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.10.2024
Ein Ort für immer
Norton, Graham

Ein Ort für immer


ausgezeichnet

Als Carol den viel älteren Declan kennengelernt, gibts in der irischen Kleinstadt viel zu tuscheln: der Altersunterschied, der Umstand, dass Carol geschieden und die Lehrerin seiner Kinder ist, sowie natürlich die Tatsache, dass Declans Frau die Familie verlassen hat. Dennoch zieht Carol nach kurzer Zeit zu ihm und scheint glücklich zu sein. Als Declan erkrankt, verfrachten ihn seine Kinder in ein Pflegeheim und setzen Carol vor die Tür, um das Haus zu verkaufen. Moira kann nicht mitansehen, wie ihre Tochter leidet, und kauft das Haus, in dem Carol so viele Jahre mit Declan gewohnt hat. Weder sie noch Carol ahnen, welch düsteres Geheimnis das Haus verbirgt.

„Jetzt hätte Carol ihn gern nach seiner Beziehung zu seinen Kindern gefragt, aber es war wohl zu spät dafür. Declan war zu sehr damit beschäftigt, sich verloren zu gehen. Dass seine eigenen Kinder ihn ebenfalls aufgegeben zu haben schienen, war da sicher nicht hilfreich.“ (Seite 39)

Dieser Roman hat mich wunderbar unterhalten, der Mix aus Familienroman und Krimi mit einer Prise Drama sowie einem Hauch schwarzer Humor bescherte mir spannende Lesestunden und lässt mich zufrieden zurück. Carol und ihre Familie stehen zwar im Vordergrund, aber Graham Norton lässt mich auch tief ins Leben und die Gefühlswelt der anderen Beteiligten blicken. So erklärt sich rückblickend manch eine Situation und auch die Beweggründe für bestimmte Handlungen werden beleuchtet, ergeben aus einer anderen Sicht einen gänzlich anderen Sinn.

Die Geschichte war wendungsreich und konnte mich wiederholt überraschen. Ich war gespannt darauf, welche Lösung mir präsentiert wird und war mit dem Ende zufrieden. Gerne empfehle ich den Kleinstadtkrimi weiter.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.