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yellowdog

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Insgesamt 2175 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2025
Botanik des Wahnsinns
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


sehr gut

Familienchronik der anderen Art

Leon Engler, bekannt durch seinen Auftritt beim Bachmannpreis, wo er den 3Sat-Preis gewonnen hatte, lässt den Icherzählers des Romans einen Blick auf die Familiengeschichte werfen. Die ist durchzogen von psychische Erkrankungen verschiedenster Art. Kein Wunder, dass der Protagonist sich fürchtet, ob es auch ihn selbst treffen wird. Ironischerweise wird er dann selbst als Psychologen in einer Psychiatrie anfangen zu arbeiten.
Es wird rückerinnernd erzählt. Er zeigt auch einen Teil seines Lebens, z.B. die Beziehung zu Ellen, die er liebt.
Leon Engler geht ziemlich weit bei der Familienchronik. Es ist wirklich eine tragische Botanik des Wahnsinns, von Bipolar bis Schizophrenie.
Die Emotionen des Protagonisten werden nachvollziehbar. Er agiert eher ruhig und verhalten, manchmal mit Selbstmitleid. Daraus entwickelt sich der Erzählton, bei dem ich nur zum Teil mitgehen. Insgesamt ist es ein sorgfältig gemachter Roman.

Bewertung vom 12.08.2025
Bernadette ändert ihr Leben
Handke, Barbara

Bernadette ändert ihr Leben


sehr gut

Bernadette ist geschieden, aber ein mütterlicher Typ. Als dann ihre 14jährige Tochter zu ihren Exmann zieht, gerät sie in eine Krise. Wohin jetzt mit ihrer Fürsorglichkeit? Da ist sie froh, dass es ihr unerwartet beruflich möglich wird, für 4 Wochen nach Madrid zu reisen.
Hier trifft sie auf den Fotografen Tom, der aktuell auch familiäre Probleme und eine Trennung hat. Die Autorin gewährt Tom auch Passagen für sich selbst, während sonst überwiegend Bernadette im Mittelpunkt steht.

Barbara Handke schafft es, dem Leser Zugang zu Gedanken und Emotionen ihrer Figuren, besonders Bernadette, zu ermöglichen.
Bernadette kann in den Wochen in Madrid nachdenken und über ihre Entscheidungen für den Lebensweg reflektieren.
Ich halte den Roman besonders auch auf der Sprachebene für sehr gelungen.
Es ist ein sympathischer Roman, der elementare alltägliche Probleme ernst nimmt.

Bewertung vom 11.08.2025
Mein Vater, der Gulag, die Krähe und ich
Bryla, Kaska

Mein Vater, der Gulag, die Krähe und ich


ausgezeichnet

Vielzahl von Themen

Die österreichisch-polnische Schriftstellerin Kaśka Bryla bringt in ihrem Buch verschiedene Aspekte zusammen. Zum einen ist es offenbar ein autofiktinaler Text. Es ist ein Corona-Text, ein Vater-Buch, ein Trauerbuch. Es wird über die polnische Geschichte erzählt. Und es ist ein Buch darüber, wie die Erzählerin sich zärtlich um eine am Flügel verletzte Babykrähe kümmert.
Immer wieder geht es fast fließend ineinander.
Durch die Vielzahl dieser Themen wird es in der Summe zu einem einzigartigen und dichten Text.

Bewertung vom 11.08.2025
Einer reist mit
Serre, Anne

Einer reist mit


weniger gut

Reisen mit Vila Matas

Von der französischen Schriftstellerin Anne Serre kommt ein ungewöhnlicher, fantasievoller Roman, den sie spielerisch gestaltet.
Die Protagonistin, die mit der Autorin viel gemeinsam hat, macht eine Reise zu einem Literaturfestival, bei sie eingeladen ist. Auf der Zugreise liest sie ein Buch von Enrique Vila-Matas, ein Autor, den sie bewundert. Aber auch Kafka, Modiano, Thomas Bernhard erwähnt sie. Literatur ist ein wichtiges Thema im Buch.
Das Buch har drei Teile. Nach dem erwähnten Anfang mit der Zugfahrt gibt es eine kurze Story, in der Vila Matas mitwirkt. Der dritte Teil reflektiert dann noch mal über die ersten beiden.
Die Leichtigkeit bestimmt den Roman, aber gleichzeitig ist er eigentlich sehr raffiniert gemacht.

Bewertung vom 10.08.2025
Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


ausgezeichnet

Familienchronik
Dieser Roman mit dem ungewöhnlichen Titel, der sich im Text aber erklärt, ist eine Familienchronik über vier Generationen. Der Blick liegt schwerpunktmäßig auf den Frauen.
Erzählt wird die Geschichte von Alma, der jüngsten in dieser Familie. Der Text beginnt bei den Urgroßeltern und dann über die kommenden Kinder und deren Leben hinweg. So wird auch mal ein ein ganzes Leben von Geburt bis zum Tod gezeigt. Und die Autorin zeigt, wie sich vieles wiederholt.
Wie die Wiener Autorin Anna Maschik sagt, wollte sie nicht episch schreiben. Daher wirkt einiges fragmentarisch, was aber nicht stört. Die verbliebenen Lücken lassen Spielraum für den Leser. Und der Text wirkt trotz der Form nie sperrig. Der Text wird außerdem durch eine Spur Magie belebt. Diese Magie ist mit der ansprechenden Sprache verknüpft. Ein Stück magischer Realismus der Art eines Gabriel Garcia Marquez, den man in der deutschen Literatur nur selten antrifft. Ein wenig erinnerte mich das Buch an die leider jung verstorbene Helene Adler mit ihren viel bewunderten Büchern.
Es ist zu hoffen, das Anna Maschiks Buch eine ähnlich hohe Anerkennung erhält.

Bewertung vom 10.08.2025
Der Krabbenfischer
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


ausgezeichnet

Niedrigwasser

Der Krabbenfischer ist ein stimmungsvoller Roman, der in den sechziger Jahren in England verortet ist und mit Thomas einen jungen Mann zeigt, der einerseits von seiner Arbeit als Krabbenfischer lebt, aber weiß, dass das eventuell nicht von Dauer ist. Er ist ein Mann, der im Einklang mit dem Meer und dem Strand lebt, aber auch geheime, versteckte Hoffnungen auf ein anderes Leben hat.
Thomas lebt mit seiner Mutter, die ein starker Charakter ist.
Dann kommt ein Mann, der im Filmgeschäft ist und bietet Thomas eine Chance als Experte für die Gegend.
Es geht auch um Hoffnungen und Träume, aber auch um Realität.
Benjamin Wood ist gut in den Beschreibungen und stark bei den Dialogen.

Der Roman ist auf der Longlist des Booker Awards, was bei der Kürze des Buches eigentlich eine Überraschung ist. Aber vielleicht nutzt das Buch seine Außenseiterchance und kommt in die Shortlist.

Bewertung vom 04.08.2025
Mein Name ist Emilia del Valle
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


ausgezeichnet

Neuer Roman des Literaturstars!

Wie für Isabel Allende typisch prägt eine ausdrucksstarke und selbstbewusset Erzählerin den Roman. Dank dieser Erzählstimme ist man sofort in dem Roman drin und Allende überzeugt als souveräne Autorin, auch wenn es manchmal zu dick aufgetragen wirkt. Zu recht wird der Roman als Pageturner bezeichnet und es gibt sogar lose Zusammenhänge zu Das Geisterhaus.
Es ist die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.
Zu Beginn erzählt sie von ihrer Mutter in den USA, die ungewollt schwanger wurde. Der Vater ist Chilenischer Herkunft. Somit sind wieder Allendes wichtigste Länder in Kontakt.
Das Buch hat Tempo und schon nach wenigen Seiten ist Emilia Anfang Zwanzig und wird Journalistin. Das führt sie schließlich in den chilenischen Bürgerkrieg 1891.

Nach den letzten, starken Romanen Violeta und „Der Wind kennt meinen Namen“ hat der Literaturstar Isabel Allende mit Mein Name ist Emilia del Valle ein weiteres bemerkenswertes und lesenswertes Werk hinzugefügt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2025
Die Gabe der Malerin
Joshi, Alka

Die Gabe der Malerin


sehr gut

Alka Joshi, die großartige indisch-amerikanische Autorin von Die Hennakünstlerin versteht es gut lesbar wie auch ansprechend zu schreiben. Und sie vermag Schaumplätze lebendig werden zu lassen.
In Die Gabe der Malerin wird eine bekannte Künstlerin in ein Krankenhaus in Bombay eingeliefert. Hier kümmert sich die junge Krankenschwester Sona um sie, die die Hauptperson des Romans ist.
Man ist schnell nah an Sona dran und erlebt ihre Lebensumstände.
Es folgen noch Handlungsabschnitte in Prag, Paris und Florenz, die ich nicht als ganz so stark empfinde wie die in Bombay, wo der Roman dann auch endet.
Das Buch hat viel Atmosphäre, einen guten Plot und bietet unterhaltsame Lesestunden.

Bewertung vom 28.07.2025
Schattengrünes Tal
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


sehr gut

Ein Hotel im Schwarzwald


Schattengrünes Tal ist der dritte Roman, den ich von Kristina Hauff gelesen habe und sie hält ihr Niveau. Und das ist ein sehr anständiges.
Die Figurenkonstellation ist interessant. Lisa, die im Hotel für Ihren alten egoistischen Vater Carl arbeitet, dessen neue Lebensgefährtin Margret, zu der sie ein angespanntes Verhältnis hat. Und von ihrem Mann Simon ist sie auch ein Stück weit entfremdet.

Da ist Daniela, der neue, geheimnisvolle Gast, eine Abwechslung. Sie freunden sich an, aber als Leser spürt man schnell, dass Daniela etwas verbirgt.

An der Erzählform ist auffällig und gelungen, dass mehrere Figuren (neben Lisa auch Simon, Margret und Carl) ihren Part bekommen. So sieht man z.B. durch Simons Blick die Protagonistin Lisa auch von Außen.

Nach 2/3 des Buches wird Danielas Geheimnis klar. Das ist kein Problem, da ich den Roman nicht als Thriller sehe. Es ist vielmehr ein geschickt gemachtes, modernes Gesellschaftsporträt.

Bewertung vom 22.07.2025
Tage auf dem Land
Gardam, Jane

Tage auf dem Land


sehr gut

Marigolds Coming-of-age

Tage auf dem Land ist der erste Roman, der in Deutschland nach ihrem Tod erschienen ist, aber Jane Gardam schreibt ja immer zeitlos.
Hier wird ganz aus der Perspektive der jungen Marigold Bilge erzählt, deren Mutter bei ihrer Geburt starb und deren Vater einem Jungeninternat vorsteht und sich nicht viel um Bilge kümmert.

Bilge ist eine einsame und eigenwillige Protagonistin, in deren Gedanken sich die Emotionen trotz ihres ruhigen Leben oft überschlagen.
Eine Abwechslung gibt es als die selbstbewusste Grace in ihre Schule kommt.

Bilge ist eine wunderbare Romanfigur. Manchmal unsicher, oft störrisch und immer auf der Suche nach ihren Weg. Unmöglich, sie nicht zu mögen.

Es ist ein dichter, unterhaltender Text, der den Leser sofort gefangen nimmt.