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CK
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Raum Stuttgart

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Insgesamt 239 Bewertungen
Bewertung vom 07.05.2025
Die Kollegin - Wer hat sie so sehr gehasst, dass sie sterben musste?
McFadden, Freida

Die Kollegin - Wer hat sie so sehr gehasst, dass sie sterben musste?


weniger gut

Enttäuschender Krimi mit unrealistischer Auflösung

Ich lese nicht mehr so oft und gerne Krimis wie früher, auf diesen hier war ich aber aufgrund des Klappentextes doch ziemlich neugierig. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an „Die Kollegin“ von Freida McFadden.
Die Geschichte spielt in einem Büro. Auf der einen Seite ist da die hübsche, beliebte Natalie Farrell. Und dann ist da noch Dawn Schiff, eine sehr zuverlässige Kollegin, die immer pünktlich ist und mehr als sorgfältig, eigentlich fast schon penibel. Und sie ist seltsam. Sie hat keine Freunde, hat komische Angewohnheiten und niemand im Büro mag sie.
Doch als sie einmal nicht pünktlich zur Arbeit erscheint, macht Natalie sich Sorgen. Dann erhält sie einen anonymen Anruf mit einem Hilferuf, woraufhin sie zu Dawns Wohnung fährt. Dawn ist nicht da, doch Natalie sieht etwas Schockierendes und es wird bald klar, dass Dawn ermordet worden sein muss ….
Ich möchte hier nicht mehr verraten, um nicht zu spoilern, denn hier kommt nun der für die Autorin wohl so „berühmte“ Plot-Twist.
Das Setting im Büro fand ich interessant. Die Charaktere dagegen fand ich alle ziemlich stark überzeichnet und nicht wirklich authentisch. Es war sicher so gewollt, um die Geschichte glaubwürdig erscheinen zu lassen.
Doch auch die Geschichte war für mich insgesamt zu klischeehaft und überzeichnet. Der Plot-Twist war schon so halbwegs überraschend (jedenfalls für jemanden, der vorher noch kein Buch dieser Autorin gelesen hat), dennoch konnte mich das Buch insgesamt leider nicht wirklich überzeugen.
Vor allem das Ende fand ich ziemlich an den Haaren herbeigezogen; zu unrealistisch und für mich nicht befriedigend.
Als schnelle Leserin hatte ich das Buch rasch durch, da es sich insgesamt recht flüssig las. Ich wurde jedoch schon besser unterhalten und werde von dieser Autorin eher nichts mehr lesen.

Bewertung vom 02.05.2025
Geht so
Serrano, Beatriz

Geht so


ausgezeichnet

"Büro spielen ist easy, wenn man weiß, wie“: Scharfzüngige, humorvolle Kapitalismuskritik - 4,5⭐

„Geht so“ von Beatriz Serrano ist ein Debütroman, der schon durch das tolle Cover sofort ins Auge sticht, aber auch inhaltlich durchaus beachtenswert ist.
Die Protagonistin Marisa ist ein Nervenbündel. Sie hasst ihren Job in einer Madrider Werbeagentur, wo sie eher zufällig gelandet und dann längerfristig hängengeblieben ist. Sie hasst ihren Chef und ihre Kolleg*innen.

"Büro spielen ist easy, wenn man weiß, wie. Arbeit ist einfach nur eine Rolle, die man spielen muss. Ich beherrsche diese Rolle perfekt: Ich kenne witzige Geschichten, die immer funktionieren, um das Eis zu brechen. Ich weiß, was ich fragen muss, um aufmerksam und interessiert zu wirken. Und ich weiß, was ich sagen muss, da damit die Zeit schneller vergeht, ohne dass irgendjemand bis sechs Uhr abends tatsächlich irgendwas Sinnvolles tut."

Die Langeweile und Sinnlosigkeit der Arbeitsalltage erträgt sie nur gerade so, weil sie sich mit Binge-Watching von YouTube-Videos und Beruhigungsmitteln betäubt. Dass sie nebenbei so wenig wie möglich arbeitet, ist (für sie) eh klar:

"In den Jahren, die ich hier arbeite, habe ich die Kunst perfektioniert, so wenig wie möglich selbst zu erledigen. Im Büro herrschen dieselben Regeln wie auf der Jagd: Je schneller du dich bewegst, desto weniger wahrscheinlich wirst du abgeknallt."

Als das geplante Teambuilding-Wochenende der Firma nähter rückt, bekommt Marisa Panik:
"Die Vorstellung, ein ganzes Wochenende mit den Leuten aus meinem Büro zu verbringen, erscheint mir etwas so erstrebenswert, wie mir die Fußnägel mit einer Zange rauszureißen."

"Es ist mir völlig schleierhaft, warum meine Kollegen sich derart freuen - sofern diese Flut an Emojis und Ausrufezeichen denn tatsächlich Freude bedeutet und nicht, dass gerade jemand an der Tastatur einen Hirnschlag erleidet."

Ihr Plan, das Wochenende mit den Kollegen und den geplanten Aktivitäten mithilfe von Drogen zu übestehen, geht nicht so ganz auf ...

Die Geschichte kommt sehr bissig, witzig und oft bitterböse daher. Für mich war das durchaus passend, ja, die Scharfzüngigkeit des Textes gefiel mir richtig gut. Besonders im ersten Teil des Buchs fand ich das echt stark.

Meiner Meinung nach ist es unerheblich, ob man einer anderen Altersklasse angehört oder in einer anderen Branche arbeitet (wobei die Werbebrache clever gewählt war für den Roman) - man erkennt sich unweigerlich in vielem selbst wieder.

"Ich hasse die Dynamik der Meetings. Es gibt womöglich Leute, die sie genießen, weil sie im Grunde wissen, dass Meetings auch nur eine Methode sind, sich nicht vor den Rechner setzen und arbeiten zu müssen. Meiner Meinung nach nutzen andere die Meetings als Booster für ihren Selbstwert und um sich wichtig zu fühlen."

"Früher habe ich immer im Büro gegessen, bis ich kapierte, dass diese eine Stunde mit Menschen, mit denen mich nichts verbindet außer das Bewerbungsverfahren der Agentur, meinen inneren Akku bis auf fünf Prozent auslutscht."

"Urlaub ist wie so ein Pflaster auf eine Fleischwunde. Du gehst irgendwohin, wo du niemals leben wirst, erlaubst dir einen Lebensstil, den du dir eigentlich nicht leisten kannst, und danach musst du zurück und im Fernsehen reden sie vom 'Post-Urlaubssyndrom', dabei müssten sie eigentlich sagen: 'Dein Leben ist so schrecklich, dass du Depressionen kriegst, wenn du nach zwei Wochen Märchenland wieder zurück musst.'"

Man könnte sich fragen, warum Marisa sich bei all dem Frust und der Langeweile nicht einfach einen anderen Job sucht - aber wer vielleicht selbst schonmal in so einem Hamsterrad gefangen war, weiß sicher selbst, „wie das ist“. Dass alles etwas übertrieben wird im Roman, ist stilistisch passend und sinnig.

Neben all dem bissigen Humor kommt jedoch auch die Kritik nicht zu kurz, die (leider) oft sehr realistisch ist:

"Meine Gesundheit war allen egal, es hat sie nur interessiert, wann ich wieder einsatzbereit sein und was in der Zwischenzeit alles liegen bleiben würde. Den Leuten auf der Arbeit ist es egal, ob du stirbst oder lebst. Würde ich morgen abkratzen, wäre in der Agentur die Hauptsache, wer sich dann um die Weihnachtskampagne kümmert. Wenn du erstmal kapiert hast, dass die meisten Menschen auf der Arbeit dich komplett entmenschlichen, wird es viel einfacher, sie auch zu entmenschlichen."

Im letzten Teil flacht das Buch leider ein klein wenig ab; besonders aus dem groß angekündigten Teambuilding-Wochenende hätte man evtl. noch etwas mehr rausholen können.
Wobei das Ende dann schon wieder grandios und urkomisch war mit dem Mailverkehr und dem folgenden Finale - und ich weiß nicht, wie man das Buch besser hätte enden lassen können.

Insgesamt hat mich das Buch wirklich positiv überrascht. Von daher: 4,5⭐ von mir mit einer Leseempfehlung und der Hoffnung, dass Beatriz Serrano noch weitere Romane schreiben wird.

Bewertung vom 28.04.2025
Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen
Fallwickl, Mareike

Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen


ausgezeichnet

„Der erste Schritt zur Veränderung ist Bewusstwerdung“: Für mehr Empathie und Menschlichkeit für ALLE


Mareike Fallwickl hat ihr erstes Sachbuch veröffentlicht, und es ist einfach großartig!
In der im Kjona-Verlag erschienenen Reihe “Briefe an die kommenden Generationen“ wendet sich Mareike Fallwickl mit „Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen“ in Briefform an ihre Freundin Jorinde Droese - gleichzeitig ist ihr Text aber auch an die jüngere Generation adressiert.

„Ich halte es für falsch, der nächsten Generation die Zukunft umzuhängen mit einem gut gemeinten 'Sorry, wir haben es nicht hingekriegt, ihr müsst es besser machen, viel Glück' und uns aus der Verantwortung zu stehlen."

Mareike Fallwickl kann nicht nur großartige feministische Romane schreiben, sondern findet auch hier genau die richtigen Worte.
Das Buch hat zwar gerade mal 72 Seiten, aber die haben es wirklich in sich. Das Thema wird sehr vielschichtig und tiefgreifend behandelt. Mareike Fallwickl stellt sehr gute Fragen, die viel Stoff zum Nachdenken bieten.

"Vom Feminismus wird so viel Einheitlichkeit und Klarheit verlangt wie von keine anderen Strömung. Dass es keine Veränderung geben könne, solange sich die Feministinnen nicht einig sein, hören wir, aber ich bin anderer Meinung: Lasst uns streiten, lasst uns grübeln, lasst uns unsicher sein. Wir Frauen dürfen erst seit so kurzer Zeit öffentlich darüber sprechen, wer wir sein wollen, wie wir leben wollen, wir dürfen erst seit so kurzer Zeit überhaupt laut über unsere Position in dieser Welt nachdenken, wir müssen nicht sofort für alles eine Lösung haben. Das Miteinander, für das ich plädiere, muss nicht in allen Punkten mit Einigkeit einhergehen - auch Menschen, die gegen Faschismus sind, gegen Rassismus, gegen Klassismus, müssen nicht in allen Belangen einer Meinung sein -, aber es muss die Basis, die Grundvoraussetzung für unser Handeln sein: dass wir gemeinsam versuchen, dass Patriarchat zu überwinden, weil es uns allen kollektiv schadet."

Sie zeigt auf, dass es im Feminismus nicht um „Frauen gegen Männer“ geht, sondern dass wir ALLE davon profitieren können, wenn wir das Patriarchat besiegen; ja, dass sich etwas ändern MUSS.

"Der erste Schritt zur Veränderung ist Bewusstwerdung: Wir müssen in der Lage sein, ein Problem zu erkennen, es zu definieren und klarzmachen, warum es gelöst werden muss."

Die eine Seite ist es, die Mädchen zu motivieren, stark und unabhängig zu machen. Aber wir (sowohl als Einzelne, als Familie und auch als Gesellschaft) dürfen dabei die Jungs und Männer nicht vergessen. Wir müssen Einfluss nehmen auf die gängigen „Role Models“, die „typisch“ männlichen (und weiblichen) Rollenklischees. Wir müssen die Jungs und Männer ermutigen, Gefühle zuzulassen.

"Ja, Männer haben eine Vormachtstellung in unserer aktuellen Gesellschaftsform. Aber sie haben sich nicht aktiv dafür entschieden. Sie sind ins Patriarchat hineingeboren worden, sie sind zu diesen Männern gemacht worden. Und zwar von uns. Sich diese Verstrickung bewusst zu machen, ist für einen Feminismus des Miteinanders essenziell."

"Ich glaube nicht an das Vakuum, das Jungs angeblich handlungsunfähig macht. Ich glaube vielmehr daran, dass das Aufbrechen patriarchaler Muster uns allen - Männern, Frauen, nicht binären und trans Menschen - Luft zum Atmen gibt und die weltbewegende Chance, das Miteinander der Zukunft mit einer neuen Ausrichtung auf Fürsorge, Empathie und Menschlichkeit zu gestalten."

Das Buch hat in mir zahlreiche Gefühle geweckt; es hat mich aufgeregt, mich herausgefordert, mich bestätigt, mich motiviert.

Ich möchte meine Rezension mit einer ausdrücklichen Leseempfehlung für ALLE Menschen und Mareike Fallwickls Worten "Ich fordere Hoffnung ein." abschließen.

Bitte lest dieses Buch unbedingt!

5 Sterne ⭐️

Bewertung vom 28.04.2025
Swift River
Chambers, Essie

Swift River


ausgezeichnet

Berührender Roman über den Wunsch nach Zugehörigkeit


"So ist das in einer rassistischen Stadt. Sie entscheidet selbst, wann sie freundlich sein will."

„Swift River“ von Essie Chambers ist ein Debütroman, der mich sehr begeistert hat.
Erzählt wird die Geschichte der 16jährigen Diamond, die einzige Schwarze in Swift River, die alltäglich mit Rassismus zu kämpfen hat und zudem noch wegen ihres Gewichts gehänselt wird.

"Ich weiß, dass er was Gemeines gesagt hat. Es trifft meinen Körper und hinterlässt ein Loch."

Seitdem ihr Vater damals spurlos verschwand, gab es noch mehr Tratsch und Klatsch im Ort. Das Verhältnis zu ihrer weißen Mutter ist nicht einfach, diese liebt ihre Tochter zwar, hat aber selbst zu viele Probleme mit ihrere Gesundheit und anderem, so dass sie sich nicht wirklich um ihre Tochter kümmern kann.

"Als der Herbst beginnt, komme ich in die vierte Klasse - das Leben springt abrupt in die gewohnten Bahnen zurück, als hätte ich keinen Vater, der vermisst wird, und keine Mutter, die Angst hat, mich aus dem Haus zu lassen, aber auch vergisst, mir etwas zu essen zu machen."

Diamond ist of auf sich allein gestellt. Als sie Post von ihrer bisher unbekannten Tante Lena bekommt, erfährt sie endlich mehr über ihren Vater und ihre Wurzeln.

"Etwas ist im Gange. Die Vergangenheit sammelt sich, nimmt irgendwo, wo ich es nicht sehen kann, feste Gestalt an, wie Hände, die von hinten auf meine Schultern gelegt werden."

Essie Chamers hat einen wirklich tollen Schreibstil, ich konnte mich gut in Diamond hineinversetzen und fand alle Charaktere sehr authentisch getroffen. Das Ende fand ich sehr versöhnlich und genau passend für diesen Roman.
Für mich ein sehr schönes Leseerlebnis. Ich kann das Buch unbedingt weiterempfehlen und hoffe sehr, dass wir von dieser Autorin noch mehr zu lesen bekommen!

5 ⭐️

Bewertung vom 27.04.2025
Trost
Hofmann, Madeleine

Trost


ausgezeichnet

Trost braucht jeder mal: Kluges und hoffnungsspendendes Buch

„Trost: Was wir alle brauchen“ von Madeleine Hofmann ist ein sehr gelungener Mix aus persönlicher Geschichte und Sachbuch zum Thema Trost.
Anhand ihrer eigenen Geschichte, ihrer Brustkrebsdiagnose mit gerade mal Anfang 30, hat die Autorin ein sehr mutiges, offenes und hoffnungsvolles Buch zum Thema Trost geschrieben.
Neben ihrer persönlichen Geschichte hat sie auch viele sehr treffende Zitate und Anekdoten aus dem Leben verschiedener Menschen (Anastacia, Frida Kahlo, Nick Cave, Audre Lorde, Luisa Neubauer, Annie Ernaux, Chimamanda Ngozi Adichie, Susan Sontag) eingebaut.
Das Buch ist meiner Meinung nach passend für die verschiedensten Lebenssituationen, in denen Menschen Trost und Hoffnung brauchen: Sei es nach einem Todesfall oder anderen plötzlichen Verlust, einer schlimmen Diagnose, einer Trennung oder einer anderen Krise; ob man nun selbst betroffen ist oder als Angehöriger bzw. des Berufs wegen.
Das Buch hat mich oft sehr berührt. Ich danke der Autorin für ihre Offenheit und ihre Kraft, ihre persönliche Geschichte in dieser Form zu verarbeiten. Ich bin mir sicher, dass dieses Buch vielen Menschen in den verschiedensten schweren Lebenssituationen Trost zu finden.

„Heute weiß ich, dass Trost eine zutiefst individuelle Angelegenheit ist. Trost ist etwas, was jeder Mensch sucht, was zu finden von unschätzbarem Wert ist, und was in angebrachter Weise zu spenden eine hohe Kunst zu sein scheint. Manch ein Wort, manch eine Geste mag in der einen Situation furchtbar unangebracht, in der anderen besonders wohltuend zu sein."

"Wir denken, dass Effizienz immer etwas Gutes, dass diese Klarheit, diese Rationalität, diese Objektivität, die wir als aufgeklärte Wesen von uns erwarten, der Standard ist." Indem wir diesen Zustand zu unserem Maßstab machen, meint Sarah, ignorieren wir, dass wir viel komplexer sind, verzeihen uns nicht, wenn wir mal nicht effizient sind, und können dementsprechend mit dem langwierigen Prozess des Trauerns und Tröstens nicht gut umgehen. Geduld war gefragt, und genau die war mir zwischenzeitlich abhanden gekommen."

"Mitschwingen. Das bedeutet erst einmal: alles zulassen und anerkennen. Das ist genau, was sich meine Erfahrung nach alle auf welche Weise auch immer trauernden Menschen von ihrem Gegenüber wünschen. Also weder die Situation noch dramatischer machen, als sie die betroffene Person ohnehin schon erlebt, noch die Gefühle kleinreden, relativieren oder gar absprechen."

"Wichtig zum Erlernen von Empathie ist - Achtung, hier kommt das nächste Trendwort: Selbstfürsorge. Die eigenen Gefühle verstehen und anerkennen, also innehalten und in sich hineinspüren können, sich fragen: Was geht gerade in mir vor? Was brauche ich gerade? Warum bin ich so schlecht gelaunt? Wenn ich das nicht weiß, kann ich mich auch nicht trösten."

Bewertung vom 26.04.2025
Diskriminierung geht uns alle an
Apraku, Josephine;Antmann, Debora;Bordo Benavides, Olenka

Diskriminierung geht uns alle an


ausgezeichnet

Für mehr Gleichberechtigung und Teilhabe für ALLE

"Diskriminierung geht uns alle an“, herausgegeben von Josephine Apraku, ist ein wirklich wichtiges und großartiges Sachbuch für Kinder bzw. alle Menschen ab 12 Jahren (meiner Meinung nach evtl. auch schon ab 10 Jahren geeignet).
Schon das farbenfroh gestaltete Cover ist sichtbare Diversität, genauso toll ist das Buch auch insgesamt. Es ist übersichtlich und ansprechend aufgebaut, die farbigen Illustrationen sind sehr passend zu den Themen gestaltet. Fachbegriffe werden gut verständlich und kindgerecht erklärt.
Die Themen sind Ableismus, Adulstismus, Antisemitismus, Cissexismus, Heterosexismus, Klassismus, Lookismus, Rassimus, Sexismus. Alles wird auf Augenhöhe und perfekt für die jüngere Leserschaft erklärt.
Wirklich sehr schön finde ich, dass zu den verschiedenen Themen der Diskriminierung jeweils eine Person zu Wort kommt, die selbst davon betroffen ist und sich daher auch am besten auskennt. Das ist ein ganz großes Plus dieses Buchs.
Auch die farblich hervorgehobenen "Fragen-Kästchen" zum jeweiligen Thema sind eine gute Hilfestellung zum Nachdenken und zur Selbstreflexion. Dabei ist das ganze sehr kindgerecht geschrieben, sodass ich auch schon Jüngere hervorragend mit diesen Themen beschäftigen können. Ich halte es für sehr wichtig, sich schon frühzeitig damit zu beschäftigen. Aber auch Erwachsene können hier sicher noch etwas lernen und über ihr eigenes Verhalten nachdenken.

Von mir eine ganz klare Leseempfehlung für Kinder - aber auch Erwachsene, sei es als Lehrkräfte oder Eltern – ein Buch für ALLE, für eine gerechtere Welt!

"Menschen haben die verschiedenen Formen von Diskriminierung erfunden. Also können Menschen sie auch beseitigen.

Es gibt immer Wege, sich gegen Diskriminierung einzusetzen und diese können sehr unterschiedlich sein - wir müssen nur ein bisschen kreativ sein."

Bewertung vom 25.04.2025
Kaste
Wilkerson, Isabel

Kaste


sehr gut

"Kaste: Die Ursprünge unseres Unbehagens" von Isabel Wilkerson ist ein wirklich kluges und wichtiges Sachbuch, dessen Thema mich sehr interessiert: Rassismus, Sexismus, Klassismus.
Ihnen zugrunde liegt gemäß Ansicht der Autorin das System der Kaste. In ihrem über 500 Seiten umfassenden Buch betrachtet sie neben den USA auch die Kastensysteme in Indien und im Dritten Reich. Auch zahlreiche Anekdoten und Beispiele aus ihrem Leben sind enthalten, die mich oft sprachlos zurückgelassen haben. Das Buch ist gesellschaftsanalytisch und kulturkritisch, enthält viele sehr kluge Gedanken und historische Hintergründe.

Hier ein paar Aussagen, die ich besonders prägnant finde:

"Kaste ist mehr als ein bloßer Rang, sie ist ein Geisteszustand, der jeden gefangen hält, die Herrschenden, die in der Illusion ihres eigenen Anspruchs feststecken, und die Untergebenen, die im Fegefeuer der Definition anderer gefangen sind, die entscheidend, wer die Untergebenen sind."

"Mit der Entstehung der Neuen Welt wurden die Europäer weiß, die Afrikanerinnen Schwarz und alle anderen gelb, rot oder braun. Mit der Entstehung der Neuen Welt wurden die Menschen auf der Grundlage ihres Aussehens voneinander getrennt, ausschließlich im Gegensatz zueinander identifiziert und in eine Rangfolge gestellt, um ein Kastensystem aufzubauen, das auf einem damals neuen Konzept namens Race basierte. Mit diesem Prozess der Einordnung wurden wir alle in uns zugewiesene Rollen gesteckt, um unseren Teil zur Inszenierung des endlosen Theaterstücks beizutragen.
Keiner von uns ist er selbst."

"Jeder und jede von uns ist in eine bestimmte Form gepresst worden, die man für uns geschaffen hat. Diese Form signalisiert der Welt, wen man dahinter vermutet und was man mit diesem Menschen anfangen soll."

"In unserer Gesellschaft wird uns immer wieder gesagt, dass wir ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen sollen, dass wir uns keine Mutmaßungen über seinen Inhalt erlauben sollen, bevor wir es gelesen haben. Aber dennoch urteilen Menschen täglich über andere Menschen und stellen Vermutungen über sie auf der Grundlage ihres Aussehens an. Wir urteilen über komplexe, atmende Wesen auf eine Art und Weise, von der uns gesagt wird, dass wir so nicht einmal unbelebte Gegenstände beurteilen sollten."

"Die Herausforderung unserer Zeit liegt nicht allein in der Überwindung der Kategorien von "Schwarz" und "Weiß", sondern darin, die vielen Schichten eines Kastensystems zu durchschauen, das mehr Macht hat, als wir Menschen im zugestehen sollten. Selbst die privilegiertesten Menschen in der westlichen Welt werden irgendwann einer tragisch benachteiligten Kaste angehören, wenn sie nur lange genug am Leben sind. Sie werden der letzte Kaste des menschlichen Zyklus angehören, der Kaste der Alten, der Menschen, die zu den am meisten erniedrigten Bürgerinnen und Bürgern der westlichen Welt gehören, wo die Jugend verehrt wird, um den Gedanken an den Tod aufzuschieben. Ein Kastensystem verschont niemanden."

"Jedes Mal, wenn sich eine Person über eine Kastengrenze hinwegsetzt und eine Verbindung herstellt, trägt sie dazu bei, der Kaste als Ganzes das Genick zu brechen."

Dennoch hatte das Buch leider auch etliche Längen, weshalb ich es immer mal wieder beiseite legte und Pause davon brauchte. Für meinen persönlichen Geschmack sind viele Passagen etwas zu ausschweifend geschrieben und das Buch las sich daher teilweise etwas zäh. Das hätte man vielleicht auch etwas kürzer fassen können.

Mein Fazit: Insgesamt ein wirklich gutes, kluges und aufrüttelndes Sachbuch, für welches man jedoch einen langen Atem braucht.

Bewertung vom 24.04.2025
Schwestern
Korbik, Julia

Schwestern


ausgezeichnet

Weibliches Miteinander: "Schwesterlichkeit kann vieles sein. Muss vieles sein."

Julia Korbik hat mit „Schwestern: Die Macht des weiblichen Kollektivs“ ein kluges und interessantes Buch geschrieben, in dem sie einen umfassenden Überblick auf feministisches Denken, feministische Sichtweisen und auf die „Schwesternschaft“ unter Frauen gibt.
Anhand persönlicher Erlebnisse sowie mit Beispielen aus der Gesellschaft und Geschichte, Literatur und des Feminismus erforscht sie das Thema der weiblichen Solidarität und des weiblichen Miteinander. Sie zeigt aber auch auf, weshalb genau das oft fehlt, wieso wir im Patriarchat als Frauen nicht miteinander, sondern gegeneinander arbeiten.
„Schwestern“ ist ein wichtiges und positives Buch, das ich allen Menschen ans Herz legen möchte. Es ist allerdings kein Buch, das einfach Antworten gibt – aber das hatte ich auch nicht erwartet. Vielmehr ist es ein Buch, das vieles aufzeigt und uns auffordert, Fragen zu stellen, an sich selbst, an die Gesellschaft. Und viel Stoff zum Nachdenken bietet. Veränderung ist nur möglich, wenn wir im Kleinen beginnen, also bei uns selbst.

"Es mag sein, dass Schwesterlichkeit als Begriff und Konzept auf den ersten, flüchtigen Blick nicht über umfangreiche Mythen und Bilder verfügt - allerdings nur, wenn man Brüderlichkeit als Referenz benutzt und Schwesterlichkeit allein danach bewertet, wie ähnlich sie dieser ist. Frauen sind von der Geschichte systematisch "vergessen" und aus ihr herausgeschrieben worden, ihre Rolle darin wurde kleingeredet: Warum also messen wir etwas mit männlichen Maßstäben, wenn die Ausgangsbedingungen vornherein so unterschiedlich sind?"

"Schwesterlichkeit, das ist nicht einfach Brüderlichkeit in weiblich. Und sie besitzt sehr wohl eigene Bilder, Geschichten, Mythen. Eine eigene Vorstellungswelt. Aber man muss genauer hinschauen, intensiver suchen, um diese zu finden und offenzulegen."

"Und, es muss noch einmal gesagt werden: Schwesterlichkeit ist nicht einfach Brüderlichkeit in weiblich, denn ihr Ziel ist nicht Einheitlichkeit: Sie ist kein enthusiastisches "Wir Frauen" oder "Eine für alle, alle für eine", sondern ein politischer Kampfbegriff. Schwesterliche Solidarität basiert nicht auf einer gemeinsamen "weiblichen Erfahrung" oder auf dem Geschlecht - sie basiert auf einem gemeinsamen politischen Engagement für die feministische Bewegung, für eine gerechtere, gleichberechtigtere Gesellschaft."

"Wenn ich an Schwesterlichkeit denke, denke ich an Hände: Hände, die als Fäuste in die Luft gereckt werden, als Geste des Protests. Hände, die klatschen, die anderen Beifall spenden und Unterstützung bieten. Vor allem aber denke ich an Hände, die ausgestreckt, die anderen gereicht werden. Eine ausgestreckte Hand ist ein Angebot, eine Einladung. Sie steht für Offenheit, dafür, sich trotz aller Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten anzunähern. Aufeinander zuzugehen. Eine ausgestreckte Hand ist ein Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts. Sie ist eine schwesterliche Geste."

Bewertung vom 21.04.2025
Chrysalis
Metcalfe, Anna

Chrysalis


ausgezeichnet

Ungewöhnlich, fesselnd und stark: Die Verwandlung einer Frau


"Es war, als versuchte sie im wörtlichen Sinn über sich hinauszuwachsen.“

Eine junge Frau will sich verwandeln, ihr Ziel sind innere und äußere Stärke sowie absolute Unabhängigkeit. Grund hierfür ist eine traumatische Erfahrung mit ihrem Exfreund.

"Sie wiederholte mehrfach, er sei nie gewalttätig geworden, womit sie meinte, dass er sie nicht geschlagen, geschubst oder getreten hatte. Weder hatte er ihr Haare ausgerissen, noch hatte er Dinge zerstört. Er nahm er kein Geld weg und drängte sich ihr sexuell nie auf. Sie hatte viel über häusliche Gewalt gelesen und nicht den Eindruck, dass sie ein besonders schlimmes Beispiel dafür sei. Sie wusste nicht genau, was er tun würde, sollte sie Widerstand leisten, aber sie leistete keinen Widerstand und erfuhr es folglich nie."

Der Aufbau des Buchs ist ungewöhnlich. Man erlebt die Verwandlung der namenlosen Protagonistin aus drei Perspektiven: der eines Fremden (Elliot), der ihrer Mutter Bella und der einer ehemaligen Arbeitskollegin/Freundin (Susie).
Man mag skeptisch sein angesichts der Tatsache, dass man nie weiß, was in der Protagonistin selbst vorgeht, sondern immer nur aus der Perspektive von drei Außenstehenden auf sie blickt - doch unerwarteterweise funktioniert diese Art des Erzählens ganz hervorragend. Es macht das Buch sogar sehr vielschichtig und noch interessanter. Außerdem greift diese Art des Erzählens das inhaltliche Thema, also dieses von außen bewertet und beobachtet werden, bereits stilistisch auf.

Den ersten Teil der Erzählung übernimmt Elliot, ein schüchterner Einizelgänger, der sie zufällig im Fitnessstudio kennenlernt und sofort von ihr fasziniert ist:

"Aber sie war ohnehin nicht gekommen, um in einer fremden Aufführung mitzuwirken, denn sie hatte ihr eigenes Ziel vor Augen. Sie hat mich etwas über Fokus gelehrt: Wenn man seinem Lebensweg folgt und eine Mission hat, rückt alles andere in den Hintergrund. Für mich war das eine wertvolle Lektion, und seit ich sie verinnerlicht habe, fühle ich mich unbeschwerter."

Als nächstes kommt ihre Mutter zu Wort, hier erfährt man viel über die Kindheit der Protagonistin. Zuletzt kommt ihre Arbeitskollegin und Freundin Susie zu Wort.

Die drei Abschnitte greifen teilweise ineinander und zeigen so die Geschichte der Verwandlung aus mehreren Perspektiven. Das fand ich wirklich sehr gelungen, ein großes Lob an die Autorin.
Die Hauptperson mag mit ihrem rigorosen Handeln polarisieren und nicht bei allen Lesser*innen Sympathien hervorrufen. Auch das Vermarkten ihrer Transformation in den sozialen Medien kann (und sollte) man kritisch sehen.

"Einige Leute fühlten sich von ihren Ideen provoziert - sie wollten nicht allein leben. Sie nannten sie ein Symbol für alles, was in der Gesellschaft schieflief - das Konkurrenzdenken, die Priorisierung der eigenen Interessen, das Ausblenden fremder Bedürfnisse. Aber diejenigen, die ihre Videos mochten, schienen fürs Alleinsein einen guten Grund zu haben. Indem sie sich auf ein neues Leben in der Isolation vorbereiteten, bildeten sich selbst eine Art Gemeinschaft. Zusammen überlegten sie, auf wie viel Zivilisation man verzichten konnte und wie viel man behalten musste."

Ich fand ihre Zielstrebigkeit und Stärke jedoch auch faszinierend.

Auch den Titel „Chrysalis“ hat Anna Meltcalfe perfekt gewählt, denn damit ist ein Insekt in der Metamorphose gemeint.

Das Buch lässt viele Fragen offen, bietet so viel Raum zum Nachdenken und für eigene Interpretationen.

Für mich war dieser beeindruckende Debütroman (eine Zufallsentdeckung, über die ich sehr glücklich bin) ein unheimlich starkes Leseerlebnis und in gewisser Weise ein wahres Kunstwerk – unbedingt lesenswert!

"Vielleicht ist sie ein Vorbild, weil sie gelernt hat, sich von der Welt nicht mehr beeinflussen zu lassen."

Bewertung vom 19.04.2025
Artemis - Abenteuer auf dem Meer der Wünsche
Turan, Fabiola

Artemis - Abenteuer auf dem Meer der Wünsche


sehr gut

Magisches Kinder-Fantasy-Abenteuer in den Wolken


Es gibt aktuell eine schier unendliche Anzahl von Fantasy-Reihen für Kinder, daher finde ich es sehr schön, dass mit "Artemis - Abenteuer auf dem Meer der Wünsche" auch mal ein Einzelband erscheint, der nicht Auftakt zu einer neuen Reihe ist.

Zum Inhalt:
Weil Artemis in der Schule schlechtere Leistungen gebracht hat, soll sie nun auf den ersehnten Ostsee-Urlaub mit ihrer besten Freundin verzichten und stattdessen während der Ferien auf eine Art "Eliteschule" gehen um dort im Sommer den Lernstoff wieder aufzuholen. Davon ist sie natürlich wenig begeistert. Ihr gefällt es in dieser Schule so überhaupt nicht, die Charaktere und die Konkurrenz der anderen Kinder passen überhaupt nicht zu ihr. Doch dann kommt plötzlich alles ganz anders:
Als sie eigentlich nur ein wenig frische Luft schnappen möchte, landet sie völlig unerwartet und plötzlich an Bord eines fliegenden Schiffes, der "Dreamcatcher". Deren Besatzung besteht aus magisch begabten Kindern, die das Meer der Wünsche vor dem machtgierigen Baron Horazio beschützen. Artemis findet sich in einer völlig neuen Welt wieder, in der es vor Gefahren und magischen Abenteuern nur so wimmelt. Wird sie es gemeinsam mit ihren neuen Freund*innen schaffen, gegen das Böse zu bestehen und das Meer der Wünsche zu retten?

Das Buch ist wirklich sehr spannend und unterhaltsam geschrieben, manchmal (besonders am Anfang) geht es vielleicht sogar etwas zu schnell voran mit den Ereignissen, so dass man kaum mitkommt. Doch dann ist man doch recht schnell in der Geschichte drin und fiebert mit, man muss einfach immer weiterlesen, bis hin zum fulminanten Finale.

Das schön gestaltete Cover passt sehr gut zum Inhalt des Buches.

Mein Lieblingszitat:
"Zu erkennen, wer wir wirklich sind, das ist der größte Schatz vom allen."

Das Buch ist meiner Meinung nachempfehlenswert für Kinder, die Freude an actionreichen Geschichten mit jeder Menge Magie und Fantasie haben.