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Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2014
Die verlassene Stadt / Survivor Dogs Bd.1
Hunter, Erin

Die verlassene Stadt / Survivor Dogs Bd.1


sehr gut

Lucky, ein Sheltie-Retriever Mischling, ist ein aufgewecktes Kerlchen, denn als Straßenhund hat er sich für lange Zeit alleine durch die Gegend geschlagen – immer auf der Hut vor bösartigen Menschen, die der Protagonisten-Hund „Langpfoten“ nennt. Der Hunger war sein ständiger Begleiter, auch wenn er von einem alten Freund erfolgreich im Jagen unterrichtet wurde und ihm das Betteln mit schief gelegtem Köpfchen manchmal eine Leckerei eingebracht hat. Irgendwann hat es der Hundegott dann aber doch schlecht mit dem kleinen Streuner gemeint, denn er wurde von Hundefängern eingesperrt und musste im Tierheim mit unzähligen Artgenossen vor sich hin vegetieren. Am Tag des „Großen Knurrers“, der die Erde erbeben ließ, stürzt das Gebäude der gefangenen Fellnasen ein und lediglich Lucky und seine Käfignachbarin Sweet können sich retten. Die ganze Stadt ist ein Trümmerhaufen und alle Menschen sind vor dem Chaos geflohen – ohne ihre Haustiere und Habseligkeiten. Nun heißt es wieder zu überleben auf eigenen Pfoten, bis Lucky auf ein Rudel stößt, welches alle seine Vorsätze als Einzelgänger auf eine harte Probe stellt.

Nachdem ist von Erin Hunter nur die „Warrior Cats“ Reihe kannte, war ich sehr gespannt auf die Abenteuer der besten Freunde des Menschen, die vom Charakter durchaus anders agieren, als die stolzen Samtpfoten.

In den Schreibstil konnte ich mich sofort wunderbar fallen lassen, da hier den „Survivor Dogs“ eine sehr einfache und tiergerechte Wortwahl in die Schnauze gelegt wurde, die sich in Verbindung mit den eher groß gedruckten Zeilen (der Zielgruppe entsprechend) flott weglesen lässt. Als besonders herausragend aus der Masse der Tierromanen habe ich die Kreativität der Wortschöpfungen empfunden, die sich mir zwar nicht immer auf den ersten Wuff ersichtlich zeigen, aber sich dann doch ziemlich schnell aufklären – Kinder werden da bestimmt ohne Probleme hinter die Anspielungen schauen. Beispielsweise sind unsere röhrenden Autos aus Luckys Sicht zu Recht „Lärmkasten“ und die Nachtstunden eine „Ohnesonne“, sodass wir Leser immer wieder überrascht werden und über die Logik der klaren Worte staunen können.

Der Sheltie trifft auf seinem Weg als Einzelgänger interessante Vierbeiner, die schrecklich böse oder zahm und liebreizend personifiziert werden – einen Weg dazwischen gibt es nicht. Teilweise etwas nervig habe ich die kleinen Alpha-Raufereien rund um den heimlichen Rudelführer Lucky und seine Wurfschwester Bella empfunden, der er unterwegs begegnet und ihr plus ihren Freunden in der harten Realität außerhalb der sicheren vier Wände hilft. Obwohl sie selbst über keinerlei Erfahrungen verfügt, drängt sie sich gerne vor ihren Bruder und führt damit im Mittelteil beinahe alle in den Tod. Insgesamt ist der bunte Haufen mit der scharfen Beutenase, den Schwimmhäuten zwischen den Pfoten und der Schnelligkeit einer Antilope aber ein Rudel mit Kuschelfaktor, deren Abenteuer ich auch gerne noch über mehrere Staffeln verfolgen möchte. Die „Survivor Dogs“ haben die „Warriors Cats“ also würdevoll beerbt. :-)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2014
Süß ist der Tod
Conrad, Emma

Süß ist der Tod


ausgezeichnet

„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man bekommt.“

Dietmar Molitor liebt Belgische Pralinen über alles und kann sich nach seinem 65. Geburtstag über zahlreiche Präsente in schokoladiger Form freuen. Während eines Interviews mit der freiberuflichen Journalistin Constanze Freitag bezüglich eines Zeitungs-Portraits der Familie verspeist er diese genüsslich und vergisst dabei seine guten Manieren, denn anbieten tut er seinem Gast von der „Kaiserslauterer Morgenpost“ keine. Als der Geschäftsführer nur wenige Minuten später mausetot in seinem Chefsessel hängt, wird schnell klar, dass hier ein hinterhältiger Pralinen-Mord ausgeheckt wurde. Als Journalistin ist es für Constanze eigentlich ein Glücksfall, doch von der Polizei bekommt sie einen Maulkorb verpasst und soll dafür lieber im Auftrag der Molitors, sowie ohne deren Wissen auch für die Staatsgewalt heimlich ermitteln. Dabei ist sie überhaupt keine geborene Detektivin und nach der zweiten Leiche, einer Hauptverdächtigen, sogar kurz davor alles hinzuschmeißen.

Heike Abidi hat mir unter ihrem Pseudonym Emma Conrad ganz außergewöhnliche Lesestunden beschert, die mich gebannt von einem Kapitel zum nächsten blättern ließen. Das besondere an ihrem Schreibstil ist der Mut zum Brechen von starren Erzählweisen, denn bei der Autorin zeigt jede Person einmal einen Einblick in ihre Gefühlswelt, wodurch wir mit vielen Perspektivenwechseln, aber somit auch niemals Langeweile konfrontiert werden. Außerdem zeigt sich hier deutlich das Handwerk einer Werbetexterin, denn immer wieder werden lustige Kolumnen der Protagonistin eingestreut, die sich mit kleinen Problemchen bis hin zu den essentiellen Fragen des Lebens befassen. Als krönendes Sahnehäubchen endet bzw. beginnt jedes Kapitel mit einer Email der Ehefrau bzw. des Gatten aus der Freitägischen Familie, da sich die beiden momentan wegen eines Forschungsprojekts mit einer elektronischen Fernbeziehung begnügen müssen. All diese stilistischen Mittel fügen sich zu einem lockeren Mix zusammen, die nur durch das irre Verwirrspiel rund um den oder die Täter getoppt werden. Bis zum Schluss war ich auf einer falschen Fährte und davon sät die gebürtige Birkenfelderin reichlich, sodass ich selbst der Witwe, dem Sohn, der Putzfrau, etc. die vergiftete Kalorienbombe zugetraut hätte.

Über die Handelnden persönlich will ich gar nicht mehr viel sagen, da man sich von ihren netten Marotten besser überraschen lassen sollte. Der Spruch auf dem Buchrückseite „Miss Marple trifft Bridget Jones“ hat aber einen wahren Kern, denn in Tante Doro schlummert eine Schnüfflerin mit faszinierenden Hausfrauenfähigkeiten und Kommissar Kaiser ist mit seinem Faible für alles Zuckerhaltige eindeutig ein männliches Pendant der Britin.

Zusammengefasst kann ich „Süß ist der Tod“ nur ein humorvolles Frauen-Krimi-Wunderwerk nennen, was die Bedürfnisse nach spannendem Rätselraten und harmonischer Wohlfühlatmosphäre gleichzeitig vollkommen erfüllt! Es war definitiv mein Highlight im März und ich würde mir eine Fortsetzung in der schönen Pfalz mit lieb gewonnenen Charakteren so schnell wie möglich wünschen. :-)

Bewertung vom 07.03.2014
Giftmorde

Giftmorde


sehr gut

„Die Einsamkeit ist wie der Duft einer Giftpflanze, süß, aber betäubend und mit der Zeit geradezu verderblich.“ (Friedrich Spielhagen)

Nicht alle Menschen in der neuen Anthologie aus dem fhl-Verlag sind einsam, manche tragen auch einfach nur einen hohen Grad an Verbitterung in sich oder wollen nach dem Tod des unliebsamen Ehegatten ein besseres Leben führen – mit der Kraft der unerbittlichen Pflanzenwelt. Sie alle wollen morden, aber nicht plump und blutig, sondern still, heimlich und überaus fies!

Das erste, was beim Durchblättern der Sammlung auffällt, sind die schwarzen-weißen Bilder der jeweiligen Todesbringer, sodass jeder Leser sich den botanischen Vertreter vorstellen kann. Positiv kommt hinzu, dass es keine Doppelungen gibt, da jedes Gewächs nur einmal zum als giftige Zutat verwendet wird. Somit ist für reichlich Abwechslung gesorgt, weil viele Symptome unterschiedlich in Erscheinung treten oder die Dosierung den Betreffenden vor ein Problem stellt und manches Verderben im letzten Moment die Seiten wechselt.

Als Herausgeber steuert Andreas M. Sturm selbst zwei gelungene Kurzkrimis bei, sodass wir insgesamt 14 Autoren bei ihren Fähigkeiten als Giftmischer bestaunen dürfen. Die Auswahl ist bei solch einer Sammlung natürlich entsprechend bunt gemischt und wartet mit einigen Überraschungen auf. Speziell im Gedächtnis ist mir das märchenhafte Stück „Eibe: So rot die Lippen“ von Petra Tessendorf geblieben, da es mich in Teilen an ein böses Schneewittchen Pendant erinnerte und wirklich herausstach. Ebenfalls für meinen Geschmack außergewöhnlich war Ingrid Schmitz' „Rizinus: Lass uns sterben“ bei der die Liebe von Senioren ein überraschendes Ende nahm. Um meine persönliche Top 3 abzurunden, würde ich Jan Flieger mit „Digitalis: Die Löwin“ nennen wollen, da die Botschaft für Tierfreunde trotz der Brutalität ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Nichtsdestotrotz war keine Geschichte wirklich schlecht, sondern viel mehr im guten bis hervorragenden Mittelmaß, wodurch ich die Anleitung in Buchform gerne weiterempfehlen möchte und 4,5 Sterne vergebe. Die Autoren haben es auf jeden Fall geschafft den Blick für die grüne Wunderwelt zu schärfen, denn es ist nicht alles bekömmlich, was in bunten Farben strahlt – diese Anthologie ist es aber definitiv und auch für den mehrmaligen Genuss geeignet. :-)

Bewertung vom 05.03.2014
Die unterirdische Sonne
Ani, Friedrich

Die unterirdische Sonne


gut

Fünf Jugendliche, fast noch Kinder, wurden entführt, verschleppt und nun in einem tristen Kellergewölbe gefangen gehalten. Sie dienen als hilfloses Spielzeug für ihre drei Peiniger, deren pädophile Neigungen in purer Gewalt gipfeln. In ihrer persönlichen Hölle dürfen die unmündigen Opfer weder über ihre Erlebnisse dort „oben“ sprechen, noch sich über ihre Vergangenheit austauschen. Die erlebten Qualen laugen die zarten Pflanzen bis zur Quelle ihrer kindlichen Freude aus und nur die Solidarität untereinander brennt wie eine zittrige Flamme weiter für eine bessere Zukunft.

Der erste Akt ist durch diverse Personenwechsel leider sehr sprunghaft und dadurch in seinem Wesen eher holprig. Es hat schon erhöhte Konzentration gefordert, um die Personen auseinanderzuhalten, was der Spannung leider nicht zuträglich war. Im zweiten Akt flacht die Handlung dann ab, weil die Kinder in ihrer Verzweiflung und Wut zu keiner Auflehnung mehr fähig sind und nur krampfhaft versuchen ihre Würde zu behalten, während sie die Wände anstarren oder sich auf den Matratzen zusammenkauern – Träume und Hoffnungen sind zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben. Der Roman punktet hier lediglich mit den schweren Selbstmordgedanken der Jugendlichen, die sich wie bleierne Gewichte über die Zeilen legen. Obwohl in diesem Mittelteil der Höhepunkt der Geschichte zu finden, indem ein Mitglied grob aus ihrer Gemeinschaft gerissen wird, war es für meinen Geschmack der schwächste Abschnitt. Lediglich im dritten Akt scheint es so, als würde der Autor seinen Stil ordnen und die Kinder wie Phönixe aus der Asche aufsteigen lassen. Schade, dass nicht der gesamte Roman so reizen konnte, wie die letzten circa 60 Seiten.

Meine größte Schwierigkeit war es wohl nach einiger Zeit ohne weitere Andeutungen zu den schlimmen Misshandlungen am Ball zu bleiben. Wir Leser wurden teilweise zu den stillen Beobachtern hinter der Kamera, die über der Kellertür hängt, degradiert und haben die gequälten Seelen nur aus der Ferne beobachtet. Da diese sich auf ihren wenigen Quadratmetern nicht entfalten können, wirkte es auf mich wie ein ständiger Blick in den Käfig der Löwen im Zoo. Die Tiere laufen dort auch apathisch im Käfig herum, aber nach einer Weile stumpft das Interesse daran ab. Friedrich Ani hat für mich hier eindeutig zu wenig Input gegeben. Er lässt die Gefangenen sogar Märchen erzählen, die ihr eigenes Schicksal in Metaphern verpacken, da es ihnen verboten ist darüber zu sprechen. Eigentlich ist diese Idee ganz nett, ja sogar philosophisch, aber dadurch nimmt das Buch noch mehr an Fahrt ab und ich konnte mich nach dem langwierigen Trott nicht mehr darauf einlassen, sodass die Wirkung nicht ankam.

Ich könnte mir vorstellen, dass LeserInnen, die selbst schon Kinder oder noch jüngere Geschwister haben für die Thematik sensibilisierter sind und das Kopfkino mit der Angst stärker ankurbelt. Mir persönlich fehlte schlichtweg die entscheidende Benennung des Schreckens. Da es sich aber um ein Jugendbuch handelt, war diese Wahl möglicherweise aber folgerichtig, denn die Wirkung der beklemmenden Situation kann auf junge Leser durchaus erschreckender und fesselnder sein. Die hintergründige Botschaft des Romans, dass man Fremden nicht trauen darf oder gar mit ihnen mitgehen sollte, ist allerdings eindringlich überliefert! In Zukunft werde ich dem Wahl-Münchner jedoch nur in seinen Krimis treu bleiben.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.02.2014
Der Sandmann / Kommissar Linna Bd.4
Kepler, Lars

Der Sandmann / Kommissar Linna Bd.4


sehr gut

Ein junger Mann stolpert auf einer Eisenbahnbrücke im Schneegestöber durch die Nacht. Er ist abgemagert, verwahrlost und mit der Legionärskrankheit infiziert. Trotzdem ist er in dem Moment der glücklichste Mensch auf der Welt, denn er entkam seinem Peiniger - dem Sandmann mit den Porzellanfingern! Die Polizei kann es gar nicht glauben, als sie die Personalien des Gefundenen aufnehmen, denn dieser wurde vor 13 Jahren, als er gemeinsam mit seiner Schwester Felicia in die Fänge des Serienkillers Jurek Walter geriet, für tot erklärt. Joona Linna ist es zu verdanken, dass Schwedens schlimmster Killer unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen bis zum Lebensende wegsperrt wird, denn er hat ihn damals auf frischer Tat ertappt. Seit jener bedeutenden Nacht ist Joona der Meinung, dass Jurek einen Komplizen haben musste, doch die Spur wurde nicht greifbar. Hat der Killer mit Mikael Kohler-Frosts Flucht einen Fehler begangen oder war es ein perfider Plan, um ein viel größeres Ziel zu erreichen?

Das Autorenduo Lars Kepler hat mit ihrem neuesten Krimi ganz tief in Spannungs-Trickkiste gegriffen, denn dieses Buch strotzt nur so vor Tempo und unterschwelliger Angst, die in Jureks psychiatrischen Abteilung natürlich eine hervorragende Nahrungsquelle geliefert bekommt. Nachdem Mikaels Auftauchen die Hoffnung schürte, dass Felicia auch noch lebend gefunden wird, schleußt die Polizei mit Saga eine verdeckte Ermittlerin in die Nähe von Jurek ein, um das geheime Versteck zu erfahren. Dieses Unterfangen entwickelt sich zu einem echten Nervenspiel, weil der Patient eine ungeheure Macht mit seinen Worten auf die Umgebung ausübt, wodurch es den Ärzten verboten ist mit ihm zu kommunizieren. Die zwischenmenschlich Zwangsgesellschaft ist durch die Unerfahrenheit der medizinischen Mitarbeiter wie ein perfekt konstruierter Psychothriller geladen und geprägt von gefährlichen Situationen, die selbst eine ausgebildete Gesetzeshüterin in die Bredouille bringen. Beide Gegenspieler werden sehr stark charakterisiert, da sie von ihrer Raffinesse auf einer Ebene stehen und sich ihr kleiner unterschwelliger Machtkampf immer weiter hochschaukelt, sodass wir Leser völlig gefangen von den beiden Parteien sind – ähnlich wie bei „Die Schöne und das Biest“.

Dem gegenüber steht die Hetzjagd in der Weite Schwedens nach dem Versteck, was wie die berühmte Nadel im Heuhaufen anmutet. Joona Linna zeigt hier, wie brilliant sein Gedächtnis arbeitet, wobei aber auch seine Menschlichkeit nicht zu kurz kommt, schließlich war Jurek der Grund für den inszenierten Tod an seiner Familie. Diese Details, die helfen den Protagonisten in seinem Handeln zu verstehen, werden immer wieder gelungen eingeflochten, sodass man auch Kenntnisse der Vorgänger prima mitfiebern kann.

An den Schreibstil im Präsens musste ich mich nur kurz gewöhnen, weil die Kapitel angenehm kurz waren, flog ich ohnehin durch die Seiten. Zum Finale im letzten Viertel des Krimis erleben wir dann eine wahres Feuerwerk an Szenen, die sich durchaus in einem Actionfilm finden würden. Der Effekt wird leider durch viele Ungereimtheiten getrübt, die sich zum Ende hin häufig aneinanderreihen und in der Masse unangenehm auffallen, dafür ziehe ich einen halben Stern ab, weil Unlogik ein ziemlicher Spannungskiller sein kann.

Der obligatorische Cliffhanger verfehlt die Wirkung nicht, wenngleich sich zeigen wird, wie gelungen sich die Andeutung aufklärt. Ich mag kurz nach dem Erscheinen von „Der Sandmann“ gar nicht mehr auf die Fortsetzung erwarten, denn der Sog hält auch jetzt noch an!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.02.2014
Öffne die Augen / Lucie Henebelle Bd.3
Thilliez, Franck

Öffne die Augen / Lucie Henebelle Bd.3


gut

„Man kann keinen Ort aufsuchen oder von ihm fortgehen, keinen Raum betreten oder verlassen, ohne etwas von sich dorthin mitzunehmen und dort zurückzulassen und ohne etwas von dort mitzunehmen.“ (S.228)

An diese Locard'sche Regel klammern sich die französischen Ermittler in einem besonders schwierigen Fall, bei dem der Täter nahezu vom Erdboden verschluckt ist und der Beginn seiner Mordserie rund ein halbes Jahrhundert in der Vergangenheit liegt. Die Rede ist von einem perfiden Mörder, der die Gehirne und die Augen seiner Opfer mit chirurgischer Perfektion entfernt und ihnen danach die Hände abhackt, um eine Identifizierung möglichst zu verhindern. Die aktuellen fünf toten Männer, welche in einer Baustelle verschart wurden, sind aber nicht das einzige Problem, denn derzeit ist ein Fim im Umlauf, der von ungeheurem Interesse für zwei Unbekannte ist, die dafür sogar über Leichen gehen. Dieses Video wurde lange Zeit in einer privaten Sammlung gehütet, doch nach dem Tod des Besitzers günstig veräußert. Der Käufer erblindete nach der Sichtung und warnt vor den verstörenden Bildern. Kann eine unbeschriftete Filmrolle wirklich diesen Effekt auslösen und in welcher Verbindung stehen die gehirnlosen Leichen?

Nach dem Klappentext habe ich auf ein Revival der „The Ring“ Filme gehofft, bei denen wie hier auch die Aufnahmen eines kleinen Mädchens zu dramatischen Folgen führen. Im Endeffekt ist der Film zwar im Fokus des Thriller, aber auf eine ganz andere Art, die viel eher mit Verschwörungstheorien in Bezug auf den Inhalt in Zusammenhang stehen, statt mit gesundheitlichen Folgen für die Betrachter. Filmfans werden aber von „Öffne die Augen“ begeistert sein, da der alte Stummfilm von allen Seiten untersucht wird und für die 50er Jahre über ganz erstaunliche Effekte verfügt, die selbst mich als Laien mit der Kraft der beschriebenen Bilder fesseln konnten. Der Buchtrailer auf der Verlagsseite hat diese Szenen sehr eindrucksvoll zum Leben erweckt.

Interessant ist zu erwähnen, dass der Autor schon vorher mit beiden Protagonisten Krimis bzw. Thriller veröffentlich hat und dieses schon 2012 erschienene Werk der erste gemeinsame Fall der beiden ist. Lucie Hennebell ist Zwillingsmutter und auf den ersten Blick der gute Cop mit viel Sympathiepotenzial, die aber auch ihre dunklen Geister der Vergangenheit trägt. Dagegen ist Sharko, Profiler mit shizophrenen Zügen, ruppiger und verschlossener, sodass seine Selbstgespräche mit der eingebildeten Eugenie merkwürdig und zum Teil störend wirken.

Der Schriftsteller wollte sich mit der komplexen Geschichte, die sogar erschreckenderweise auf wahren Begebenheiten beruht, selbst übertreffen, was ihm auch in dieser Form gelungen ist. Für meinen Geschmack ist er damit über das Ziel hinausgeschossen, obwohl der Schreibstil und die Idee mitreißen könnten! „Öffne die Augen“ ist eine Mischung aus Dan Brown und Jean-Christophe Grangé, aber leider ohne die Horrorfilm-Zutaten, die auf dem Klappentext versprochen werden.
In Sternen ausgedrückt würde ich gute 3,5 Sterne vergeben, weil Franck Thilliez eine geschickt konstruierten Plot erschaffen hat, der aber leider zu viel verschiedenen Input gab und durch die Jagd um den Globus und den politischen Wirbel im Mittelteil die Spannung nicht durchhalten konnte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.02.2014
Der Ruf des Kookaburra
Leuze, Julie

Der Ruf des Kookaburra


ausgezeichnet

Emma Scherer fühlt sich im australischen Busch wie Zuhause und kann ihr Glück kaum fassen. Dem Antrag auf Forschungsarbeit wurde stattgegeben und die Ehe mit Carl ist von Leidenschaft und unbändiger Liebe erfüllt. Zur perfekten Seeligkeit fehlt lediglich ein eigenes Baby, doch durch ihre Fehlgeburt in Deutschland glaubt die junge Frau nicht mehr an die Mutterschaft. Es scheint wie ein Wink des Schicksals, als ihre schwarze Freundin Purlimil mit Zwillingen schwanger wird und ihr traurig offenbart, dass das Gesetz des Clans vorschreibt, den Zweitgeborenen zu töten. Emma will sich diesen barbarischen Riten nicht unterwerfen und nimmt das Kind wild entschlossen unter ihre Fittiche. Zu ihrem Kummer leidet die Beziehung zu Carl sehr unter den schlaflosen Nächten des Schreihals und im Streit verschwindet der gelernte Arzt über Monate spurlos. Die Ureinwohner sehen darin eine Strafe der Götter und geben Emma die Schuld als totbringende Gattin, doch die Weiße gibt nichts auf den Aberglauben – zumindestens nicht viel.

„Der Ruf des Kookaburra“ setzt genau dort on, wo der Vorgänger so harmonisch endete und entführt uns Leser wieder prächtig in die weiten Welten der grünen Oase.
Durch einen gefühlt noch lebendigeren Schreibstil habe ich zeitweise sogar vergessen, dass es sich um einen historischen Roman handelt, weil Dialoge und bildliche Landschaftsbeschreibungen von fantastischer Leichtigkeit geprägt sind. Eben jene Unbeschwertheit lässt die Protagonistin aber im Mittelteil in einigen Kapiteln vermissen, da sie von Schuldgefühlen und Selbstzweifeln zerfressen wird. Diese Schwäche steht der kämpferischen Würtembergerin für mein Empfinden nicht gut und so habe ich dankbar aufgeatmet, als sie wieder zu ihrer alten Form zurückfand. Solche Bedrücktheit, was man ohnehin als weitere Facette erklären kann, ist aber auch die einzige Kritik.

Die Fortsetzung von Julie Leuze ist rappelvoll mit Emotionen aus der ganzen Palette über Herzklopfen gefolgt von einem herben Stich wegen der Ungerechtigkeit gegenüber den Aborigines. Wundervolle Natur wechselt sich ab mit Dramatik und ungeahnter Boshaftigkeit von irdischen und übernatürlichen Mächten.

„Es ist die Macht der D'anba, die nach uns greift“, unkte Birwain.“Sie sät Unfrieden und Zorn.“ (S.341)

Mir passiert es nicht oft, aber die Autorin lässt mich wehmütig von den Personen Abschied nehmen, dabei wäre durchaus noch Potenzial für weitere Romane gegeben, die aber zu meinem Bedauern nicht vorgesehen sind.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.01.2014
Der Duft von Hibiskus
Leuze, Julie

Der Duft von Hibiskus


ausgezeichnet

Etwas Schreckliches ist in den drei dunklen Tagen passiert, vor deren Ablauf mit den schmerzlichen Erinnerungen sich Emmas Seele verschließt. Die junge Deutsche weiß lediglich, dass sie einen Toten zu verantworten hat und ihre Eltern sie seit dem Ereignis verstoßen haben. Wild entschlossen, ihrer Vergangenheit den Rücken zu kehren, nimmt sie das verlockende Angebot von Oskar Crusius, an seiner Seite durch den australischen Busch zu wandern und dabei Bilder von den unbekannten Pflanzen anzufertigen, an. Nach einer schier endlosen Schifffahrt erreicht sie den Hafen von Brisbane und trifft auch sogleich auf die drei Männer, welche neben Oskar an der Expedition teilnehmen. Der Leiter der Truppe, Carl Scheerer, weigert sich jedoch ein schwaches Weib den Gefahren der Reise auszusetzen, und gibt nur widerwillig nach, als Emma und ihr Begleiter eine Verlobung vortäuschen. Kann Emmas Leben auf dieser Lüge aufgebaut wirklich eine neue Richtung einschlagen? Immerhin fühlt sie sich zu dem dunkelhaarigen Carl viel näher hingezogen, als ihrer einzigen Liebe zuvor, die schmachvoll endete.

Die Autorin hat es geschafft dem verstaubten Immage des 19.Jahrhunderts mit einer selbstbewussten und modernen Protagonistin zu neuem Glanz zu verhelfen und dabei gleichzeitig alte Geflogenheiten nicht außer Acht zu lassen. Es macht Freude, Emma dabei zu begleiten, wie sie sich zähneknirschend von ihrem Korsett trennt, durch das schwierige Gelände im Spreizsitz auf dem Pferd fortbewegt und dabei stückweise zu einer emanzipierten Regenwald-Amazone mausert, der auch gerne mal ein Fluch über die Lippen huscht. Glücklicherweise sehen ihre Gefährten die Verwandlung nicht so streng, obwohl die Abgeschiedenheit im Dschungel den ein oder anderen zu unzüchtigen Gedanken verleitet, die im Alkoholrausch umgesetzt werden wollen. So schlängelt sich die Einwanderin durch brenzlige Zwischenfälle, die ihr aber niemals den Forschergeist und den Spaß an den detailltreuen Pflanzenzeichnungen vermiesen. Belohnung für ihre Mühen ist das Treffen mit Ureinwohnern des Landes, die voller Gastfreundschaft ihr Wissen teilen und Emma das Tor in eine neue Welt öffnen. Diese Szenen sind bildlich beschrieben und voller Respekt vor den (vermeintlich rückständigen) Naturvölkern, sodass wir Leser uns am liebsten an das Lagerfeuer setzen würden.

Julie Leuze hat rund 400 Seiten mit Spannung, zarten Gefühlen und den interessanten Eckdaten der Botanik von Übersee gefüllt. Der einzige Kritikpunkt, der mir einfällt, wäre der zwar melodische, aber unpassende Titel, denn ein Hibiskus wird bei der vielfältigen Fauna nicht erwähnt. Nichtsdestottrotz habe ich den historischen Roman an einem Tag verschlungen, was auch an dem genussvoll-leichten Schreibstil lag und schiele schon mit großen Erwartungen auf den Nachfolger „Der Ruf des Kookaburra“, denn Emmas Leben in Australien geht bestimmt turbulent weiter.