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kleinfriedelchen
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Berlin

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 11.01.2010
Denk an mich in der Nacht
Harris, Joanne

Denk an mich in der Nacht


sehr gut

Alice ist überrascht, als ihr Exfreund Joe sich nach drei Jahren plötzlich wieder bei ihr meldet. Doch nicht, um über gute alte Zeiten zu reden, sondern um seine neue Freundin Ginny bei Alice einzuquartieren. Widerwillig lässt sie sich dazu breitschlagen und bereut ihre Entscheidung fast sofort. Denn Ginny ist mit ihren wallenden roten Haaren nicht nur atemberaubend schön, sondern auch von einer unheimlichen Aura umgeben. Als sie das scheinbar so schüchterne Mädchen später mit düsteren Kerlen um die Häuser ziehen sieht, Injektionsspritzen und ein seltsames altes Tagebuch in ihrem Schrank findet, ahnt Alice, dass Joe keinen Schimmer davon hat, wer seine Freundin wirklich ist. Und dass Ginny gefährlich ist.

In einer früheren Zeit:

Daniel Holmes glaubt seinen Augen kaum, als er die junge Frau aus dem Fluss zieht und ihr so das Leben rettet. Das blasse Wesen erscheint ihm wie ein wunderschöner Engel. Das findet allerdings auch sein bester Freund Robert, der sich Hals über Kopf in Rosemary, wie sie sich nennt, verliebt. Doch bald schon vergisst Daniel den Betrug seines Freundes, als er Rosemary in der Gesellschaft düsterer Männer wiederfindet und auch er selbst immer mehr in ihre Geheimnisse eintaucht…

Aufgrund der Bitten von Fans und nicht zuletzt wohl auch aufgrund des immer noch andauernden Vampir-Hypes wurde Joanne Harris‘ Erstwerk erneut aufgelegt. Harris selbst sagt über dieses Buch, dass es „keine Literatur im eigentlichen Sinn“ sei. „Es ist das vergleichsweise unreife Werk einer Autorin, die ihren Stil noch finden muss“. Und ganz ehrlich, genau dieses Gefühl hatte ich beim Lesen auch.

Den ständigen Wechsel der Erzählperspektive zwischen Alice und Daniel fand ich nach einer gewissen Zeit eher nervig, da dadurch immer entweder die Handlung in der Gegenwart oder in der Vergangenheit abrupt unterbrochen wurde und ich das Gefühl hatte, nicht voranzukommen. Auch erzählt Daniel, ganz im Geiste seiner Zeit, sehr detailliert, blumig, schwülstig. Realität und Traum vermischen sich in seinen Erinnerungen und machen das Lesen eher zäh.

Abgesehen vom für mich nicht leicht zu lesenden Schreibstil fand ich die Geschichte aber recht gut. Die Vampire in diesem Buch sind keine weichgespülten Romantiker, die seit Jahrhunderten nach der einzig wahren Liebe suchen, sondern blutrünstige Monster hinter schöner Fassade, die kein Problem damit haben, einen Menschen regelrecht zu zerfleischen, um sein Blut zu trinken. Das fand ich erfrischend, wenn auch blutig. Ein bisschen mehr Spannung hätte dem Buch trotzdem gut getan. Da man viel über Rosemary in Daniels Erzählungen erfährt, fehlt mir das Mysteriöse in der Gegenwart, da man eh schon weiß, was mit Ginny los ist.

Mein Fazit: Joanne Harris hat ein gutes, aber nicht herausragendes Erstlingswerk erschaffen, das sich von den vielen auf dem Büchermarkt zu findenden Vampirromanen abhebt.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2009
Herr Blunagalli hat kein Humor
Colagrossi, Angelo

Herr Blunagalli hat kein Humor


gut

Herr Colagrossi und seine abenteuerliche Reise mit der DB

Herr Colagrossi ist sehr nervös. Ein bedeutender Produzent hat sich bereit erklärt, eines seiner Drehbücher zu verfilmen. Dazu solle er bitte einfach nach Hamburg zum Gespräch kommen. Sollte im Zeitalter der modernen Fortbewegungsmittel doch eigentlich kein Problem sein, oder? Doch schon beim Ticketkauf am Schalter der Deutschen Bahn kommt es fast zum Eklat. Trotzdem erwischt er gerade noch rechtzeitig seinen Zug. Der bleibt aber natürlich aufgrund eines Schneechaos auf halber Strecke stecken. Jetzt nur keine Panik!

Ich hatte das Gefühl, dass sich das Buch vermutlich eher an Fans des Autors/Regisseurs richtet als an ein breiteres Publikum. Während der gesamten Zugfahrt schwelgt Colagrossi nämlich in Erinnerungen an frühere Drehbücher und Filmerfolge zusammen mit Hape Kerkeling. Das mag zwar sehr amüsant sein für diejenigen, die die Filme kennen; den unerfahrenen Leser mag es jedoch eher nur mäßig unterhalten. So schwankte meine Stimmung beim Lesen von amüsiert über nur noch mäßig interessiert. Trotzdem habe ich mich rückblickend recht gut unterhalten gefühlt.

Und wenn sich bei der Gestaltung eines Buches besondere Mühe gegeben wurde, sollte man das auch mal würdigen. Das Cover ist ansprechend und auch das Daumenkino mit dem fahrenden Zug am Seitenende fand ich sehr schön. Und die leckeren italienischen Rezepte vom Autor höchstpersönlich werde ich demnächst auch mal ausprobieren.

Fazit: ein lockerer leichter Lesespaß, den man in einem Rutsch durch hat, von dem aber leider nicht allzu viel hängen bleibt.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Eisiges Blut
Masello, Robert

Eisiges Blut


sehr gut

Seit seine Freundin nach einem Unfall beim Bergsteigen im Koma liegt, geht es Michael Wilde nicht allzu gut. Als er von seinem Arbeitskollegen gebeten wird, einen Artikel über den Südpol zu schreiben, inklusive einmonatigem Aufenthalt, überlegt er daher nicht lange. Wo kann man schließlich besser Abstand gewinnen zum deprimierenden Alltag als am menschenleeren, unbarmherzigen Südpol?

Was jedoch eigentlich als Bericht über das normale Leben unter diesen unwirtlichen Bedingungen geplant ist, droht schon nach kurzer Zeit ein Horrorbericht zu werden. Denn bei einer Tauchtour findet Michael ein eingefrorenes Liebespaar im Eis. Als wäre das nicht schon Sensation genug, geschehen bald darauf schreckliche Dinge. Das aufgetaute Paar scheint spurlos verschwunden zu sein und ein Mann wird von einem Schlittenhund angegriffen und stirbt. Während die Wissenschaftler noch ratlos sind über den Verbleib des Paares, wird ein weiterer Wissenschaftler ermordet… von dem Mann, der eigentlich tot sein sollte.

Robert Masello verknüpft in seinem Buch „Eisiges Blut“ zwei parallel verlaufene Erzählstränge miteinander. So erfährt man neben den Geschehnissen am Südpol auch die Geschichte von Eleanor und Sinclair. Einem Liebespaar, das Mitte des 19. Jahrhunderts in England lebte und das letztendlich aneinandergefesselt im ewigen Eis gelandet ist.

Durch seinen angenehm flüssigen Schreibstil hat Masello einen netten Unterhaltungsroman geschaffen, der mich allerdings mit seinen manchmal überraschend brutalen Ereignissen schockiert hat. Aber gerade diese Szenen haben der zeitweise schwächelnden Geschichte wieder Spannung eingehaucht. Besonders die Ereignisse in der Vergangenheit haben sich manchmal etwas fad dahingezogen und das Lesen erschwert. Obwohl ich die Handlung sehr interessant fand, wurde das Ganze jedoch gegen Ende ziemlich vorhersehbar und zu kurz gefasst, als wären dem Autor die Ideen ausgegangen. Trotzdem habe ich mich gut unterhalten gefühlt.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Man tut, was man kann
Rath, Hans

Man tut, was man kann


sehr gut

Das Buch kam mir wie die männliche Version von "Mondscheintarif" vor. Amüsant und kurzweilig wird das Alltagsleben von Paul geschildert. Mitte 40 und geschieden hat Paul ein abwechslungsreiches Liebesleben und fürchtet dabei immer, von der Frau für eine längere Beziehung verpflichtet zu werden. Bis er die Tierärztin Iris trifft, die jedoch leider schon vergeben ist. Soll man(n) sich da tatsächlich wie im Film verhalten und die Hochzeit sprengen?

Auch seine Freunde lassen Paul keine Ruhe: da ist Guido, der aufgrund einer Affäre von seiner Frau rausgeschmissen wurde und nun bei Paul unterkommt und nachts philosophische Grundsatzdiskussionen in seiner Küche abhält. Oder Günther, den Informatik-Nerd, der sich bei der Eroberung seiner Traumfrau selten dämlich anstellt und ständiger Überwachung bedarf.

Ob der Alltag eines Single-Mannes wirklich so chaotisch abläuft, bleibt fraglich. Einige der Szenen wirken schon ziemlich konstruiert und erscheinen eher unrealistisch. Nichts desto trotz beinhalten diese Szenen meist eine tolle Situationskomik. Am besten haben mir aber immer noch die Gedankengänge von Paul gefallen, die mir in den meisten Fällen aus der Seele sprechen.

Fazit: wer lockere, witzige Unterhaltung für Zwischendurch braucht, liegt mit diesem Buch auf jeden Fall richtig.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Das Geld war schmutzig / Parker-Romane Bd.3
Stark, Richard

Das Geld war schmutzig / Parker-Romane Bd.3


gut

Einfach nur Parker nennt sich der Hauptcharakter in diesem Buch. Nachdem er und seine Kollegen im Vorgängerband „Keiner rennt für immer“ den großen Coup gelandet haben und einen Geldtransporter mit mehreren Millionen gestohlen haben, ist er zurück, um die versteckte Beute zu holen, die sie in einer alten Kirche zurücklassen mussten.

Um die Lage unauffällig zu sichten, mietet er sich mit seiner Freundin Claire in einer Pension ein. Doch die Wiederbeschaffung der Beute ist gar nicht so leicht: einer seiner Kumpanen wurde von der Polizei gefasst und hat bei seiner Flucht einen Polizisten erschossen, wodurch die Suche nach den Dieben nur noch verschärft wurde. Straßensperren und Fahndungsposter machen Parker das Leben schwer. Zusammen mit seinem anderen Kumpel McWhitney und einer Kopfgeldjägerin gelingt es ihnen schließlich, das Geld aus der Kirche zu holen. Aber auch einige andere zwielichte Gestalten wollen das Geld für sich haben.

Die Schlinge um Parker beginnt sich weiter zuzuziehen, als auch noch ein übereifriger Journalist meint, ihn gesehen zu haben und auch die Vermieterin ihn auf den Fahndungspostern wiedererkennt.

Gegen Ende hin kam es mir so vor, als wäre die Geschichte mit diesem Band noch nicht abgeschlossen. Gut, sie haben das Geld, aber was passiert nun?

Was von der Handlung her eigentlich recht spannend ist, kam irgendwie nicht ganz in die Gänge. Der Schreibstil ist recht einfach gehalten, weshalb man sich oft einiges dazu denken muss. Auch waren manche Gedankenzüge der Charaktere für mich nicht nachvollziehbar.

Es ist zwar nicht zwingend notwendig, die Vorgänger der Trilogie gelesen zu haben, aber hilfreich wäre es schon. Ich hatte oft das Gefühl, nicht genau zu verstehen, worüber die Buchcharaktere gerade reden. Man erfährt aber trotzdem in groben Zügen von dem Raub.

Schön an dieser Ausgabe war die Einleitung am Anfang, die einen Überblick über die Parker-Romane gibt.

0 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Das Leben der Wünsche
Glavinic, Thomas

Das Leben der Wünsche


schlecht

Da mir der Autor bis dato unbekannt war, habe ich durch den Klappentext einen Thriller erwartet, bei dem der mysteriöse Mann auf fiese Weise seine Wünsche erfüllt, z.B. seine Frau ermordet, damit er endlich mit seiner Geliebten zusammen sein kann. Stattdessen gab es hier philosophische Abhandlungen über das Leben und den Tod. Aber hier eine etwas genauere Wertung:

Ein Buch, das ohne jegliche Anführungszeichen auskommt, war mal etwas neues. Man gewöhnt sich jedoch sehr schnell an diesen Stil und dadurch liest sich das Buch flüssig weg. Soviel zum Positiven.

Abgesehen davon, dass mir der Hauptcharakter Jonas einfach unsympathisch war, gab es aber auch noch viele andere Kritikpunkte, die zu dieser schlechten Bewertung geführt haben:
In den normalen Handlungsverlauf wurden immer wieder vollkommen abstruse Szenene eingefügt, die nicht nur keinen Sinn ergaben, sondern mich auch an der geistigen Gesundheit des Protagonisten zweifeln ließen. Er steht auf einem Parkplatz und sieht sich plötzlich selbst als eine zweite Person, die letztendlich mit ihm verschmilzt. Er fährt einem fremden Mann hinterher, der gar kein Gesicht hat. Bei einer Bergwanderung sieht er zwei Männer, die auf eine Frau einprügeln, natürlich sind das nur Geister aus einer vergangenen Zeit. Er sitzt im Auto und plötzlich schwebt er über der Erde und sieht neben sich den Mond. Spätestens hier möchte man Jonas rezeptpflichtige Medikamente verschreiben und die Männer mit den weißen Jäckchen anrufen. Vermutlich soll diesen Szenen eine tiefere Bedeutung zukommen, die mir leider vollkommen entgangen ist.

Desweiteren waren die Gefühle der Charaktere irgendwie nicht nachvollziehbar. Plötzlich schreit Jonas rum, was aber nur durch dieses Wort vermittelt wird und sich nicht aus dem Kontext ergibt. Im Allgemeinen ist mir das ewige Rumgejammere von Jonas und Marie auf die Nerven gegangen, wie gern sie doch zusammen wären aber nicht können. In einer anderen Geschichte wäre dies sicherlich Stoff für eine herzzerreißende Liebesgeschichte gewesen, hier hat mich das einfach genervt.

Der mysteriöse Mann vom Anfang taucht übrigens nicht ein einziges Mal wieder auf. Als sich die Todesfälle und Unfälle um Jonas herum häuften, wurde mir schon klar, welche der am Anfang geäußerten Wünsche der Mann ihm erfüllt. (Einfach mal in die Leseprobe gucken)
Am Ende musste ich mich zum Weiterlesen zwingen, weil mich auch gar nicht mehr interessiert hat, was nun noch passieren soll.

Hinter der Grundidee des Buches steckte viel Potenzial, das meiner Meinung nach vollkommen verschenkt wurde. Schade!

1 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Frau Ella
Beckerhoff, Florian

Frau Ella


sehr gut

Über eine generationenübergreifende Freundschaft

Mit welchen älteren Personen hat ein junger Mensch heute noch groß zu tun? Die Großeltern vielleicht, andere Bekannte oder Kollegen. Aber eine wirkliche Freundschaft zu einer bis dato unbekannten Person älteren Kalibers werden die meisten nicht haben.

Ob nun selbst gewählt oder aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten, läuft das Leben von Jung und Alt meist getrennt voneinander ab. Was passiert, wenn diese scheinbar so unterschiedlichen Generationen doch mal aufeinandertreffen, wird im Roman „Frau Ella“ von Florian Beckerhoff geschildert.

Sascha, Dreißig, muss wegen einer Augenoperation ins Krankenhaus und ist sichtlich genervt, als in seinem Zimmer aufgrund eines Wasserschadens eine alte Frau bei ihm mit einquartiert wird. Abgesehen von ihrem Schnarchen stört ihn noch am meisten, dass er sich in ihrer Gegenwart schlampig vorkommt und sich gezwungen sieht, seinen Platz genauso ordentlich zu halten wie sie ihren. Die anfängliche Abneigung schlägt jedoch bald in Sympathie um, als er sieht, dass Frau Ella, wie er die alte Frau nennt, Angst vor der Operation hat, die lebensgefährlich für jemandem in ihrem Alter werden könnte.

Kurzerhand entführt er sie aus dem Krankenhaus und nimmt sie mit zu sich nach Hause. Nur für eine Nacht, denkt er sich, und weiß noch nicht, dass sie ihm ans Herz wachsen wird. Denn Frau Ella fasziniert ihn mit ihrer unbekümmerten, lockeren Sicht auf das Leben und zeitweise mit ihrer Weltfremde. Latte Macchiato? Nie gehört. Der gute alte Filterkaffee reicht doch auch. Heiraten nur wegen der Steuervergünstigungen? So lernen Jung und Alt voneinander und Frau Ella muss sich eingestehen, dass es scheinbar doch nicht nur genau eine beste Methode für alles gibt, wie Sascha ihr anhand des Eierkochens beweist.

Zusammen mit seinem Freund Klaus und dessen Frau Ute zeigt Sascha ihr die Welt, der sie sich seit dem Tod ihres Mannes größtenteils verschlossen hat. Frau Ella kann sich gar nicht erinnern, wann sie das letzte Mal soviel Spaß gehabt hat. Und während Sascha noch mit Klaus darüber debattiert, ob es tatsächlich möglich ist, sich in eine fast neunzigjährige Frau zu verlieben, plant das Schicksal auch schon, die Idylle zu stören. Denn plötzlich steht Saschas Exfreundin vor der Tür und bringt den funktionierenden Alltag mit Frau Ella durcheinander…

Florian Beckerhoff schreibt sehr humorvoll und mit dem richtigen Grad an Detailliertheit über das Thema Generationenkonflikt bzw. generationenübergreifende Freundschaft. Das alles wird auf leichte und doch tiefgründige Weise betrachtet und lädt den Leser auf amüsante Weise zum Nachdenken über das Zusammenleben von Jung und Alt ein.

5 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Caravaggios Geheimnis
Röhrig, Tilman

Caravaggios Geheimnis


sehr gut

Das Leben des Caravaggio

Im Jahr 1969 wurde aus einer Kapelle in Palermo ein Gemälde gestohlen, welches bis heute nicht wieder aufgetaucht ist. Ob im Besitz der Mafia oder einer reichen Einzelperson, der Verbleib des Bildes ist unbekannt. Die Rede ist vom Gemälde „Nativita“ von Michelangelo Merisi da Caravaggio. Dieser Diebstahl ist der Auftakt zu Tilman Röhrigs Buch über das Leben des italienischen Malers.

Im Jahr 1571 geboren, wächst Michele, wie er nur genannt wird, wohlbehütet im Städtchen Caravaggio auf. Schon früh erkennt sein Großvater die Liebe des Jungen zur Malerei und schickt ihn in die Lehre bei einem Maler. Doch die Lehrjahre sind hart. Michele muss sich nicht nur gegen die Bedrängungen des älteren Gesellen des Malers wehren, sondern auch, nach Ende seiner Lehre, gegen den Spott anderer, die seinen Malstil für zu schlicht halten. Denn Michele malt revolutionär: statt den Hintergrund auszuschmücken, hält er ihn dunkel, statt antike Statuen verwendet er einfache Leute aus dem Volk, um die Heiligen in seinen Bildern darzustellen.

Trotz der Kritik lässt sich der junge Mann nicht unterkriegen. Überzeugt von seinem Talent, ist er fest entschlossen, einen reichen Gönner zu finden, der seine Karriere fördert. Und das gelingt ihm auch. Bald schon wird er mit Aufträgen überhäuft. Doch auch seine Neider bleiben nicht untätig. Man lässt ihn ausspionieren und mehrmals werden Anschläge auf seine Leben verübt, um ihn vom Malen abzuhalten. Als Michele bei solch einem Anschlag jemanden tötet, muss er aus Rom fliehen…

Röhrig zeichnet ein komplexes Charakterbild des Malers: einerseits verabscheut er Ungerechtigkeit und will unbedingt durch seine eigenen Anstrengungen berühmt werden, statt nur durch die Hilfe anderer. Andererseits ist er doch auch jähzornig, sehr selbstbezogen und leicht reizbar. Eine Mischung, die ihn mir nicht sonderlich sympathisch gemacht hat. Meine Sympathie gehört eindeutig seiner Jugendliebe Paola, die durch Micheles diverse Liebschaften tief verletzt wurde und doch nicht von ihm loskommt. Trotzdem hat mich das plötzlich endende Schicksal des Malers am Ende mitgenommen. Die Handlung endet abrupt und man erfährt leider nichts mehr vom Schicksal der anderen Charaktere.

Desweiteren versteht es Röhrig gut, die Schauplätze und Nebencharaktere durch klangvolle Beschreibungen zum Leben zu erwecken. Zeitweise haben mich die Beschreibungen der verkommenen Obrigkeit oder brutaler Szenen sogar schockiert, doch das zeigt nur, wie gut es Röhrig gelingt, das Bild der damaligen Gesellschaft zu vermitteln.

Mein Fazit: ein schöner historischer Roman aus dem Italien des 16. Jahrhunderts, über einen charaktervollen Maler, der sich gegen jede Widerstände durchsetzt, um Ruhm zu erlangen. Mir hat’s gefallen!

1 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Die Lebküchnerin
Schrödter, Sybille

Die Lebküchnerin


sehr gut

Das Geheimnis der Benedicten-Lebkuchen

Kloster Engelthal im 14. Jahrhundert, in der Nähe von Nürnberg. Die zwölfjährige Benedicta wird nach dem Tod ihres Vaters von ihrer Stiefmutter ins Kloster gebracht, wo ihr Alltag von nun an darin besteht, zu beten und auf ein göttliches Wunder zu hoffen, welches das Kloster Engelthal wieder zu altem Ruhm bringen würde. Je älter Benedicta wird, desto mehr sehnt sie sich nach einem Leben außerhalb der Klostermauern. Nur ihrer Freundin Agnes, der Köchin, kann sie diese geheime Sehnsucht anvertrauen.

Ablenkung vom tristen Alltag erhofft sich Benedicta, als das Kloster den Auftrag erhält, für ein anderes Kloster Lebkuchen zu backen; hat sie doch schon einmal alle mit ihrem leckeren Rezept verzückt. Schon bald sind alle ganz begeistert von ihren Backkünsten. Doch als man ihr vorwirft, Unzucht mit dem Neffen der Priorin betrieben zu haben, muss sie mit ihm zusammen fliehen. Auf der Flucht, zusammen mit ihrer Freundin Agnes, verlieren sich die beiden jedoch aus den Augen. Benedicta bleibt keine andere Möglichkeit, als mit Agnes zu deren Verlobten Anselm, einem Bäcker, nach Nürnberg zu gehen. Selbstverständlich sind auch dort die „Benedicten-Lebkuchen“ bald in aller Munde…

Spätestens nach der Ankunft in Nürnberg wurde die Geschichte doch um einiges brutaler, als ich es von dem „süßen“ Thema erwartet habe. Frauen werden an allen Ecken sexuell angegangen, Intrigen werden gesponnen und Menschen ermordet. Das hat natürlich für Spannung gesorgt, weshalb sich das Buch sehr schnell lesen lässt.

Trotz der an sich guten Geschichte sind mir doch einige Kritikpunkte aufgefallen:

Die Charaktere waren mir teilweise einfach zu oberflächlich und simpel gehalten. Wirklich Tiefgang hatte keiner. So wurden hier einige Stereotype bedient: die böse Stiefmutter, die Benedicta nach dem Leben trachtet, um das Erbe ihres Vaters für sich zu haben oder auch das verschmähte Mädchen, das heimtückisch Giftanschläge auf Anselms Familie verübt. Etwas unglaubwürdig erschien mir auch die Liebesgeschichte zwischen Benedicta und dem Bruder des Fechtmeisters, Konstantin. Romantische Gefühle kamen bei mir während des Lesens nicht auf. Auch war mir die Geschichte am Ende zu schnell abgewickelt.

Alles an sich handelt es sich aber um einen unterhaltsamen, historischen Roman mit kleinen Schwächen, der sich zügig lesen lässt und Hunger auf Lebkuchen macht.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2009
Entlieben für Fortgeschrittene
Lubek, Conni

Entlieben für Fortgeschrittene


ausgezeichnet

"Traurige Geschichten traurig erzählen kann ja jeder."

Getreu diesem Motto schreibt Conni Lubek ihre Bücher. Über Lchen, auch Lpunkt, eine Enddreißigerin in der Werbebranche, und ihrem Stofftierfreund Curd Rock. Den hat sie von 119 geschenkt bekommen, dem Mann, der ihre Liebe nicht erwidert hat und vom dem sie sich in "Anleitung zum Entlieben" lossagen wollte. Die Geschichte endete mit dem Auftritt des Holländers Dick. Quasi ein Übergangsmann, findet Lchen.

In "Entlieben für Fortgeschrittene" scheint es diesmal doch aber recht einfach. Dick liebt Lchen, sie ihn aber eben nicht. Zu tief sitzt noch der Schmerz, den 119 ihr zugefügt hat. Daher bemüht sich Dick. Er überschüttet sie mit liebevoller Aufmerksamkeit, so lange, bis er tatsächlich ihr Herz erobert hat. Lchen plant bereits ihren Ausstieg aus der Werbebranche und ein gemütlichen Leben im kleinen holländischen Häuschen am Kanal, als Dick ihr ein Geständnis macht. Er ist verheiratet, das Häuschen gehört gar nicht ihm. Höm, wie Lchen es audrücken würde. Doch sie gibt nicht auf. Wenn die Liebe diesmal erwiedert wird, kann die Geschichte doch gar nicht so hoffnungslos sein, oder?

Aus scheinbar normalen Liebesgeschichten macht Conni Lubek mit ihrer Schreibweise etwas besonderes. Statt herzergreifend und rührselig schildert sie die Höhen und Tiefen von Lchens Beziehungen mit viel Humor. Jede Trennung, jeder Schmerz, jede Niederlage wird auf so schwungvolle, leichte, witzige Art beschrieben, dass man mit einem weinenden und einem lachenden Auge weiterblättert. Bei manchen mag dadurch der Eindruck entstehen, dies sei ein seichtes Buch; mich aber hat die Geschichte durch diesen Stil, etwas in Humor zu kleiden, und dahinter doch todunglücklich zu sein, wirklich mitgerissen und mich die Gefühle von Lchen hautnah miterleben lassen.

Und nicht zu vergessen: Curd Rock, ihr teewurstfarbener Begleiter durch alle Lebenslagen, der mit zahlreichen Fotos im Buch vertreten ist und der in Sachen Männer auch immer ein Wörtchen mitreden möchte. Schon etwas verrückt, wer da auf ein lebloses Stofftier hört, hm?

Mich haben Conni Lubeks Bücher auf jeden Fall süchtig gemacht und ich hoffe sehnlichst, dass die Geschichte von der etwas neurotisch wirkenden Lchen und Curd Rock noch nicht zuende ist.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.