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darkola77

Bewertungen

Insgesamt 95 Bewertungen
Bewertung vom 07.04.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


sehr gut

Gleißender Sonnenschein, der Geruch von Pommes und Chlor, das träge Plätschern von Wasser am Beckenrand – all das verbinde ich mit den Besuchen im Freibad meiner Kinder- und Jugendzeit. Und das ist auch das Bild, das Arno Frank kunstvoll als Collage unterschiedlicher Figuren in „Seemann vom Siebener“ entstehen lässt.
Doch erhalten wir als Leser*innen erst nach und nach einen Gesamtblick auf die Szenerie, denn gleichen die einzelnen Charaktere, ihre Perspektiven und vor allem Vorgeschichten einer Vielzahl an Puzzlesteinen, die erst langsam das zusammensetzen, was der Autor uns glauben lassen will zu sehen.
Ist da auf den ersten Blick der flirrend heiße Spätsommertag in einer pfälzischen Kleinstadt mit ihren Bewohner*innen, die sich ein wenig Abkühlung, Ruhe und Zerstreuung beim Besuch des Traditionsbades versprechen, so zeigt sich zunehmend, dass dies nur der oberflächliche Schein ist. Der wie so oft trügt. Denn was sich mit fortschreitender Geschichte enthüllt, sind das Leid, der Tod und das Grauen sowie die persönlichen Schicksale der einzelnen Figuren, deren Auswirkungen das gesamte Gefüge des Mikrokosmoses zu prägen scheinen – und Schock, Traumata und eine Leere bis hin zu Wut und Unverständnis hinterlassen haben.
Was genau sich zugetragen hat, bleibt lange Zeit ein Rätsel, wir als Leser*innen werden auf Spurensuche geschickt. Und abseits der Abgründe stoßen wir dabei auch auf Momente des Lichts und der Zuversicht, wie etwa auf einer lange vergangenen Jugendliebe, die in den warmen Sonnenstrahlen wiederbelebt und möglicherweise zu neuem Wachstum angeregt wird.
Auf Dunkel folgt Hell, auf Leid folgt vielleicht nicht Freude, so doch aber Hoffnung.
Und dann hält die Geschichte ganz zum Schluss noch etwas völlig Unerwartetes für uns bereit! Ich konnte es kaum glauben, habe mit klopfendem Herzen noch einmal durch die vorherigen Seiten geblättert. Tatsächlich, so kann es gewesen sein! So kann es sich wirklich zugetragen haben! Ich will nicht zu viel verraten, außer, dass das Buch meine heiße Leseempfehlung ist – nicht nur für träge Sommertage am Pool, am Meer oder im städtischen Freibad!

Bewertung vom 27.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Ein neuer Suter! Meine Erwartungen waren hoch, und ungeduldig war ich dazu. Beides zu Recht. Denn der Roman ist all das, was ich mir so erhofft habe: ein Pageturner – intelligent, amüsant und wunderbar raffiniert konstruiert. Eine Überraschungsbox an Wendungen, Wirrungen und Enthüllungen. Ein Buch zum Gernhaben und immer wieder Lesen.
Der Kern der Geschichte: ein Geheimnis. Ein ungelöstes Rätsel. Eine große Liebe. Und all das will der ehemalige Unternehmer und Nationalrat Peter Stotz nicht mit ins Grab nehmen, aus welchem Grunde er den jungen Juristen Tom Elmer engagiert hat – als seinen Nachlassverwalter, Zuhörer, Hüter all des Ungesagten. Und als denjenigen, der die Fäden ordnet und den einen oder anderen Strang des Lebens für die Nachwelt auch aussortiert.
Ebenso wie die schöne Melody über Jahrzehnte von Dr. Stotz gedanklich Besitz ergriffen hat, ist auch Tom schon bald von der Geschichte über die Verschwundene, die schöne Verlobte fasziniert und in ihren Bann gezogen. All das Erfahrene, all das in der Vergangenheit Geschehene will sich nicht zu einem Ganzen zusammensetzen, das Bild bleibt mehr als unscharf und rätselhaft. Ebenso wie die zahlreichen Portraits der jungen Frau, die bei seinem Auftraggeber reliquiengleich die Wände zieren.
Nicht nur Tom lassen die Fragen keine Ruhe, was mit Melody geschehen, ob sie möglicherweise noch am Leben ist – mir als Leserin geht es genauso. In meinem Kopf sind ebensoviele Varianten des Möglichen wie es Hinweise zu geben scheint. Oder eben auch keine. Und auch ich möchte mich an ihre Spur heften, möchte endlich Klarheit haben und muss aus diesem Grunde immer weiterlesen. Möglichst ohne Pausen. Ungestört. In einem Guss. Dass ich so belohnt werden würde – aber ich will ja nichts verraten! Mich nur freuen über diese wunderbaren Lesestunden. Diesen fesselnden Roman. Den neuen Suter.

Bewertung vom 19.03.2023
Mary & Claire
Orths, Markus

Mary & Claire


ausgezeichnet

Frankenstein – das berühmte Monster, die Kreatur, die sich gegen ihren Schöpfer wendet! Doch was steckt eigentlich hinter dem Text? Wer ist die Schöpferin dieser Geschichte, genreprägend und unvergessen über die Jahrhunderte?
Markus Orths hat sich der bekannten Schriftstellerin angenommen, hat Mary Shelley in seinem Roman von frühester Jugend an begleitet, das Leben vor und während ihres Schaffens betrachtet. Doch nicht nur das, denn Mary ist es nicht allein, die im Mittelpunkt seines Romans steht! Ihre Halbschwester Claire Clairmont, nicht weniger talentiert und ebenso schillernd in ihrer Persönlichkeit, ist eine ihrer wichtigsten Bezugspersonen ihr Leben lang, so wie ihr späterer Ehemann Percy Shelley, Aristokrat, Schriftsteller, der Liebhaber beider Frauen.
Und da sind sie auch schon, die gesellschaftlichen Konventionen, die der Roman immer wieder in Frage stellt, die Grenzen und Fesseln, welche das Trio, die Ménage-à-trois, nicht zu akzeptieren bereit ist, der Freiheitsdrang und der Wunsch nach Selbstverwirklichung, die Mary, Claire und Percy leiten und in ihrem Leben und Schaffen antreiben. Dieser Bruch mit dem Bekannten, der Aufbau ihrer eigenen Welt machen aus, was letztlich ihre künstlerischen Entwicklungen vorantreibt, was Werke so ungewöhnlich wie revolutionär – gerade für Frauen ihrer Zeit – in ihrer Entstehung erst ermöglicht.
Ihr Umfeld aus Freigeistern und Egozentrikern weist ihnen hierbei oftmals Wege, spornt an, öffnet geistige Türen und wirft diese auch wieder zu. Ganz vorne und für sich, das Dreiergespann und die damalige Literaturszene von besonderer Bedeutung ist hierbei Lord Byron – ein großer Dichter, ein Mensch aus Abgründen und Scheußlichkeiten. Und mit schaffendem und zugleich zerstörerischem Charakter auf Mary, Percy und insbesondere Claire. Ohne ihn wäre wohl nie der Funke entzündet worden, der Frankenstein ins Leben bringt, doch bringt er auch Verderben und Tod.
Fiktion und Fakten, Dichtung und Wahrheit – Orths hat ein raffiniertes Geflecht aus Recherche und Ideenreichtum geschaffen, einen wunderbaren Roman, ein Stück Zeitgeschichte in poetischer Sprache. Und er hat Frauen eine Bühne gegeben, die ihnen zu ihrer Zeit verwehrt blieb, hat sie aus dem Schatten der Gesellschaft geholt – sie in die Herzen der Leser*innen geschrieben. „Der Körper, der dort liegt, ist nicht tot.“ Markus Orths hat ihn wieder mit Leben gefüllt.

Bewertung vom 05.03.2023
Liebewesen
Schmitt, Caroline

Liebewesen


ausgezeichnet

Das Leben ein Kampf, der eigene Körper ein Schlachtfeld – diese Erfahrung musste Lio bereits von frühester Kindheit an machen. Psychisch und körperlich gequält und misshandelt, haben sich die Scherben und Trümmer des verlorenen Vertrauens, der fehlenden Liebe und Zuneigung, der Zurückweisung wie auch gewaltsamen Aneignung als Narben in ihre Haut gegraben – und tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen.
Max scheint die Fähigkeit und notwendige Leichtigkeit zu besitzen, Lios Verunsicherung zu umgehen und ihre harte Schale aus Abschottung und innerem Rückzug zu durchbrechen. Mit ihm wird für Lio zum ersten Mal eine Beziehung überhaupt denkbar, wenn auch nicht wünschenswert. Doch Max bleibt hartnäckig und an Lio dran. Und damit in ihrem Leben.
Das Ergebnis ist eine Beziehung, die Lio emotional fordert, aber auch überfordert, ihr trotz der eigenen Verletzungen, Hemmnisse und Selbstzweifel immer wieder Momente und Zeiten der Freude – wenn auch nicht der Leichtigkeit – beschert. Doch auch Max hat sein Päckchen zu tragen, seine Vergangenheit, die in seinem Hier und Jetzt mit all seinen Wünschen, Träumen und Begierden sichtbar wird. Und die bei zunehmender Dauer der Partnerschaft immer mehr Raum in dieser einnehmen.
Und dann, gerade dann als es am Dunkelsten ist und die Beziehung sich im freien Fall befindet, muss Lio erfahren, dass sie schwanger ist.
Caroline Schmitt erzählt mit Witz und Leichtigkeit, zugleich aber auch mit Schärfe und Brutalität in ihren Beschreibungen vom Leben zweier Verwundeter, von ihrem Versuch des Heilens miteinander, von dem Blutvergießen als alte Narben aufplatzen und Wunden sich nicht schließen wollen.
Frech, unkonventionell und im lakonischen Ton gehalten, ist der Roman so wunderbar unterhaltsam wie zutiefst erschütternd, eine Liebes- wie eine Leidensgeschichte, ein Zeugnis unserer Zeit. Und für mich ist er ein Herzensroman. Eine Entdeckung. Ein großes Glück und tiefe Traurigkeit.

Bewertung vom 26.02.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


ausgezeichnet

Was ist der Kern der Geschichte? Was ist ihr Ursprung, das Samenkorn, aus dem sie entsteht und gedeiht?
Judith Hermann geht diesen Fragen für sich nach, richtet den Blick nach innen, spürt analytisch dem roten Faden nach, der die Geschichten miteinander und mit ihr selbst verbindet. Der Weg führt sie dabei weit zurück: in ihre Kindheit, zu ihrer Familie – sowohl im biologischen Sinne zu verstehen als auch bezüglich ihrer sozialen Wahlfamilie –, zu den Jahren der Auseinandersetzung mit sich und ihrem Denken. Unter professioneller Anleitung.
Das Ergebnis ist erstaunlich offen. Schonungslos. Privat mag es mir sogar erscheinen, als ein Eindringen in ihren Kopf und ein Blick auf bisher gut Behütetes – auch, so betont Hermann, wenn das Eigentliche, Wesentliche von ihr weiterhin verborgen würde. Und doch erlaubt sie vieles den Leser zu sehen: die psychische Erkrankung ihres Vaters, welche die Ehe ihrer Eltern ebenso bestimmte wie ihre eigene Kindheit, die Nazivergangenheit ihres Großvaters, den Tod eines Freundes, den Verlust von weiteren.
All dies fließt für Hermann in ihr eigenes Schreiben ein, das sich an ihrem eigenen Leben entlanghangele. Ein anderes Schreiben kenne sie für sich nicht, betont Hermann, könne sie sich selbst nicht vorstellen. Damit sind ihre Texte immer auch Erzählungen über sie selbst, „verfremdet und entstellt, bis nichts mehr richtig ist und dennoch alles wahr“.
Das Ergebnis der Spurensuche ist eine offenbarende, fesselnde und hoch interessante Collage und eine Geschichte über Geschichten, welche die deutsche Gegenwartsliteratur geprägt haben – und die mir nun teils im neuen Licht und mit verändertem Zugang erscheinen, jetzt, wo ich all dies wissen und erfahren durfte. Das lädt zum erneuten Lesen und vor allem zur Hochachtung vor einer Autorin ein, die sich selbst nicht nur mit detektivischem Scharfsinn zu Leibe rückt sondern uns bei der Öffnung und Sektion einen Platz in der ersten Reihe einräumt.

Bewertung vom 20.02.2023
Die Chroniken von Lunis - Wächterin des Lichts (Die Chroniken von Lunis 1)
McCurdy, Janelle

Die Chroniken von Lunis - Wächterin des Lichts (Die Chroniken von Lunis 1)


gut

Wünschst Du Dir auch manchmal ein magisches Wesen, das Dich beschützt? Dann folge Mia in die Welt von Lunis und finde Deinen ganz persönlichen Umbra. Denn diese Schattenwesen sind stark und mächtig, und nur wenige Jungen und Mädchen sind dazu in der Lage, sie zu zähmen. Doch sollte dies Dir erst einmal gelungen sein, so ist Dein Umbra ein Leben lang an Dich gebunden, und gemeinsam werdet Ihr zahlreiche Abenteuer erleben.
So geht es auch Mia – abgesehen von einer Sache: Mia hat gleich zwei Umbra, wie Yin und Yang, wie Licht und Dunkelheit unterschiedlich und doch erst zusammen so richtig furchteinflößend und voller Kraft. Und dieser beiden Beschützer bedarf sie auch ganz dringend, denn ihre Welt wird bedroht und ihre Familie gefangengehalten.
Gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder und ihren Freunden macht Mia sich aus diesem Grunde auf den Weg zu ihren Großeltern nach Stella, in die einzige Stadt des Königsreichs, die bisher nicht der Finsternis zum Opfer gefallen ist. Doch der Weg nach Stella ist lang und voller Gefahren, führt er doch über die Albtraumebene mit ihren unzähligen Hindernissen, Monstern und den Feinden direkt im Nacken. Und dann sind da noch die unbekannten Kräfte tief in Mia selbst, die sich nach und nach ihren Weg suchen…
„Die Chroniken von Lunis“ ist ein Roman so kreativ und fantasievoll wie die Umbras selbst es sind. Auf der einen Seite kommt er harmlos und flauschig daher, auf der nächsten wachsen ihm große, gefährliche Hörner, und das Blut stockt Dir in den Adern. Das ist wunderbar unterhaltsam, allerdings geht auch das eine oder andere Mal etwas durcheinander: Nicht jeder Erzählstrang wird weitergeführt, und hier und da leiden auch schon mal Logik und Verstehen. Und dabei ist die Sprache teils recht einfach und kindlich gehalten, womit sich der Roman von vielen Jugendbüchern noch mal unterscheidet.
Doch hast Du Lunis erst einmal betreten, wirst Du hierüber schnell hinwegsehen und nur noch Augen für Dein Umbra haben. Und für die Abenteuer, die Dich erwarten.

Bewertung vom 12.02.2023
Das Sanatorium / Ein Fall für Elin Warner Bd.1
Pearse, Sarah

Das Sanatorium / Ein Fall für Elin Warner Bd.1


sehr gut

Gänsehaut – als würden Schneeflocken auf meine bloße Haut fallen! Bei diesem Thriller habe ich mich so herrlich gefürchtet und gegruselt, dass mir der Atem stockte. Und das Blut in meinen Adern gefror.
Warum all die Vergleiche zu Kälte, Eis und Winter? Das liegt in der Geschichte an sich. Denn diese spielt in den eingeschneiten Schweizer Bergen, und ein plötzlicher Wettereinbruch schafft die ideale Kulisse für einen Thriller, der mysteriös, voller Rätsel und Irrweg und unvorhersehbar bis zur letzten Seite bleibt.
Und dank Lawinen und Schneemassen, die das Hotel ganz hoch auf dem Berg und nahe dem Gipfel geradezu zu verschlingen drohen, gestaltet sich die Suche nach dem Mörder zu einem wunderbaren Kammerspiel! Abgeschlossen von der Außenwelt ist Elin Warner, Kommissarin im Sonderurlaub und mit einigen schweren Päckchen zu tragen, ganz auf sich allein und ihren doch recht eingerosteten Spürsinn gestellt, um weitere Blutbäder zu verhindern und ihre Familie und die Hotelgäste zu beschützen.
Die Verbrechen selbst sind dabei nicht nur blutig und grausam, auch deren Inzenierung erscheint schauderhaft und voller Rätsel und Fragezeichen. Aufgrund deren Inzenierung liegt eine Verbindung zu der ehemaligen Nutzung des Gebäudes als Sanatorium nah, nur mögen die einzelnen Puzzlesteine einfach nicht zusammenpassen und kein Bild ergeben.
Obwohl die Spannung die gesamte Geschichte über sehr hoch ist, nimmt sie an Tempo, Dichte und Dramatik zum Finale noch mal ordentlich zu. Ich konnte kaum so schnell über die Zeilen fliegen, wie meine Neugierde mich getrieben hat, und aus der Hand legen, konnte ich das Buch erst recht nicht!
Nur die Ermittlerin hätte ich mir ein wenig tougher gewünscht, ihre Entwicklung verlief mir ein wenig zu zögerlich. Doch das tat der Geschichte mit ihrem großen Suchtfaktor keinerlei Abbruch, so dass das Buch zu einem wunderbaren Pageturner für mich geworden ist! Doch Vorsicht: Kuschelt Euch beim Lesen gut ein, und habt eine heiße Tasse Tee in Griffweite – denn auch Ihr werdet von Gänsehaut nicht verschont bleiben!

Bewertung vom 05.02.2023
1000 Stürme

1000 Stürme


ausgezeichnet

Zieht Dich die Dunkelheit magisch an? Gehörst Du auch zu den Freunden von Dark Fantasy? Und bereiten Dir Geister und Monster eher Freude und Vergnügen als Dich nachts von süßen Träumen abzuhalten?
Wenn Du all diese Fragen mit Ja beantworten kannst, kann ich Dir verraten: Tony Sandoval wird Dein dunkles Herz in 1000 Stürmen erobern und Dir blutig-schöne Lesestunden zaubern! Denn das, was Lisa in ihren jungen Jahren erlebt, ist alles andere als gewöhnlich. Als Hexe in ihren Dorf verschrien und von den anderen Kindern gejagt, wird sie selbst zu einer Grenzgängerin zwischen dem Hier und Jetzt, zu der Entdeckerin der anderen Seite und zu einer tapferen Kriegerin im Kampf gegen die Monster.
So gewaltsam und unerbittlich die Wesen in ihrem Blutrausch zuschlagen, so unerschrocken bietet auch Lisa ihnen die Stirn, wächst hierbei im wahrsten Sinne über sich hinaus und lässt die menschlichen Formen und Begrenzungen dabei hinter sich.
Doch nicht nur die Liebhaber von intelligent gemachten Fantasygeschichten kommen hier auf ihre Kosten, auch die Ästheten unter uns können sich freuen: auf großartige, unvergleichliche Zeichnungen, welche die Dunkelheit und ihre Geschöpfe geradezu feiern! Die Bilder sind prägnant, häufig düster, dann auch wieder melancholisch in Aquarell. Und gerade die ganzseitigen Darstellungen Lisas haben mir den Atem geraubt.
Und da ich mich an den Zeichnungen einfach nicht sattsehen konnte, kommt es mir sehr gelegen, dass ich als Leserin nicht einfach so entlassen werde, zwar aus der Geschichte aber nicht aus dem Comic selbst. Denn zum Ende des Buches werden wir noch mit Bonuszeichnungen verwöhnt. Und diese sind überraschend farbenfroh, und auch Lisa wirkt verändert: mit rosa Haaren, bunt aquarelliert und weiterhin wunderschön.
Tony Sandoval ist mit 1000 Stürme ein Meisterwerk gelungen: mit Zeichnungen so eigen, melancholisch, geheimnisumwoben und gedankenumrankt! Das kleine Gothic Mädchen, das ich wohl immer bleiben werde, jubelt und ist glücklich. Und so könnte es Dir auch gehen.

Bewertung vom 21.01.2023
Ohne mich
Schüttpelz, Esther

Ohne mich


ausgezeichnet

Nähe und Distanz, Humor und Traurigkeit – „Ohne mich“ bewegt sich zwischen Polen, überbrückt scheinbar Unvereinbares und ist vor allem ein wunderbares Lesevergnügen mit Tiefe und Nachdenklichkeit.
Doch vor allem hat die Geschichte Rhythmus! Klingt erst einmal komisch? Dann hör der Geschichte doch einfach zu! Nimm das Buch in die Hand, such Dir ein Gegenüber – optional und ausschließlich für die Stimmung – und lies sie laut vor! So habe ich es zumindest nach wenigen Seiten getan und von da ab den großartigen Witz in Wort und Handlung, die Treffsicherheit und Prägnanz des Geschriebenen und ganz besonders den Klang entdeckt. Den Klang der kurzen, pointierten Sätze, welche die Leser mit rasantem Tempo durch das Geschehen transportieren, mit hoher Taktzahl und rhythmisch – gar wie ein Songtext?
Und dann habe ich gelesen, ohne Unterbrechung, eingesogen, verschlungen vom Leben der jungen Ich-Erzählerin und schließlich mit rauer Stimme bis zu den letzten Zeilen und Worten. Und alles, was dazwischenlag, war eine Berg- und Talfahrt, eine Achterbahn zwischen Lachen, ungläubigem Kopfschütteln und schließlich auch Begreifen und dem rückblickenden Verstehen.
Was die Geschichte noch zu vollbringen vermochte: Ich konnte zurückschauen, zurück auf meine Studierendenzeit, die Zeit der Sinnsuche – ist diese denn jemals abgeschlossen? – und eine Phase der Orientierungslosigkeit, des Übergangs, Neubeginns. Die Ich-Erzählerin durchlebt dabei eine innere Zerrissenheit, die möglicherweise dem Eintritt in das Erwachsenenleben vorausgeht, vielleicht aber auch exemplarisch für das Lebensgefühl einer ganzen Generation steht und der letztendlich doch eine ganz eigene schicksalhafte Wendung zugrunde liegt.
Noch Winter bei eisigen Temperaturen und Schnee vor meiner Tür, habe ich mit „Ohne mich“ doch bereits eines meiner Highlights für dieses Bücherjahr entdeckt! So sehr habe ich beim Lesen gelacht, mitgelitten und an den Zeilen geklebt – und mein Mann übrigens auch, denn der war „mein Gegenüber“. So kurz die Sätze, so knapp der Text selbst, so unendlich groß war unser Lesevergnügen. 2023, Du musst Dich anstrengen, dies zu toppen!

Bewertung vom 15.01.2023
Die sieben Männer der Evelyn Hugo
Reid, Taylor Jenkins

Die sieben Männer der Evelyn Hugo


ausgezeichnet

Intrigen, Glamour, dunkle Geheimnisse! „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ verzaubert, zieht in ihren Bann, macht süchtig – so wie es Evelyn selbst über Jahrzehnte getan hat. Denn als Schauspielerin, Sexsymbol und Stilikone liegen ihr die Männer reihenweise zu Füßen, begehren sie, beten sie an. Evelyn ist gleichsam Objekt der Begierde wie auch der Gier.
Doch ist es mit dem Glück so eine Sache, und vieles ist auch ganz anders als es scheint. Und da sind sie wieder: die Abgründe, in die wir Evelyn begleiten, den doppelten Boden, unter der wir einen Blick werfen dürfen.
Denn für Evelyn ist es die Stunde der Wahrheit. Sie lüftet den Schleier und die Büchse der Pandora gleich mit, und was hieraus entweicht, macht atemlos – nicht nur uns als Leser sondern auch die junge Journalistin Monique. Unverhofft und für sie zunächst unerklärlich kommt ihr die zweifelhafte Ehre zu, Biographin einer der größten Hollywood-Legenden aller Zeiten zu werden. Dass sie selbst Teil der Geschichte wird, kann sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Was auch ich nicht erwartet hatte, war, wie sehr mir die Geschichte gefällt, mich über viele wunderbare Lesestunden nicht mehr aus ihren Fängen gelassen hat. Ja, auch ich habe den einen oder anderen Hollywoodfilm gesehen und teils genossen, doch der Gossip drang häufig nicht zu mir durch. Mit Evelyn hinter diese Kulissen aus Schein und Sein zu schauen, hat allerdings seinen ganz eigenen Reiz gehabt. Und die Enthüllungen, die am Ende der Geschichte auf uns lauerten, waren einfach zu schön und schrecklich zugleich, um nicht einen Stern auf dem Walk of Fame für dieses außergewöhnliche Buch zu fordern!