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Evoli

Bewertungen

Insgesamt 76 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2022
Der schwarzzüngige Dieb (Schwarzzunge, Bd. 1)
Buehlman, Christopher

Der schwarzzüngige Dieb (Schwarzzunge, Bd. 1)


sehr gut

Ein liebenswerter Tunichtgut erobert die Fantasy-Welt

Kinsch Na Shannack hat Schulden bei der Diebesgilde, wo er zuvor seine Ausbildung in den zwielichtigen Künsten absolviert hat. Der sympathische Tunichtgut kommt letztendlich nicht darum herum, sich zusammen mit der ehrenwerten Ritterin Galva und bald auch noch diversen anderen Gefährten auf eine gefahrvolle Mission zu begeben.

Die Welt des Ich-Erzählers präsentiert sich bisweilen düster, erinnert mit derben und teils brutalen Szenen, aber auch immer wieder aufblitzendem (Galgen)humor, etwas an die Abenteuer des „Witchers“ Geralt.
Durch Elemente wie Kobolde, Riesen und Hexen sind vermeintlich vertraute Elemente enthalten und auch Kinsch selbst ist als schwarzzüngiger Galter eine Art Elfen-Verschnitt, bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, wie viele eigene Ideen der Autor eingebracht hat. Sei es die biologische Kriegsführung der Kobolde, der Aufbau der Diebesgilde oder der Einsatz magischer Tätowierungen. Es macht großen Spaß, gemeinsam mit den Charakteren nach und nach verschiedene Teile dieser Welt zu bereisen.

Die Geschichte ist spannend und hält einige, oft unliebsame, Überraschungen bereit, scheut sich auch nicht, manche Figuren das Zeitliche segnen zu lassen. Manchmal verliert die Handlung den roten Faden etwas aus den Augen und es kann zwischendurch ein bisschen verwirrend werden, insgesamt findet man sich aber gut zurecht und bleibt gern am Ball.
Der Hauptdarsteller mit seiner oft zynischen Betrachtungsweise der Ereignisse und doch auch mancher Szene, in der er sich loyal und liebevoll zeigt, wächst dem Leser zunehmend ans Herz. Die Nebencharaktere weisen ebenfalls einige interessante Eigenarten auf, allerdings sind sie mir teilweise doch eher fremd geblieben, besonders Galva, mit ihrer Fixierung auf Ehre, Kampf und eine todesliebende Gottheit.

Der Schreibstil weiß zu gefallen, lediglich ein paar holprig wirkende Übersetzungen von Liedern (die sich im Original reimen, auf Deutsch aber nicht) haben mich ein wenig irritiert. Aber sowas ist natürlich auch sehr schwer zu übertragen.
Alles in allem hatte ich Freude an diesem Buch und möchte gern erfahren, wie es mit Kinsch und Co. weitergeht.

Bewertung vom 21.08.2022
Snowflake
Nealon, Louise

Snowflake


sehr gut

Gelungener Debütroman mit schwierigen Themen, aber auch Herz und Humor

Die junge Irin Debbie beginnt ein Anglistik-Studium in Dublin, was sie vor einige Herausforderungen stellt. Es fällt ihr als „Landei“ schwer, Anschluss unter den vermeintlich so weltgewandten Kommilitonen zu finden, anders als in der Schule sind ihre Noten plötzlich nur noch knapp durchschnittlich, und vor allem spitzt sich die Lage auf dem heimischen Milchbauernhof zu. Denn sowohl ihre alleinerziehende Mutter (wenn man sie denn überhaupt „erziehend“ nennen kann) als auch ihr Onkel haben erhebliche psychische Probleme. Auch Debbie selbst fürchtet sich davor, verrückt zu werden.

Trotz schwieriger Ausgangslage und teils deprimierender Themen legt die Ich-Erzählerin einen sympathischen Humor an den Tag. Ihre kluge, selbstironische bis zynische Betrachtungsweise der verschiedenen Ereignisse rund um die Uni und das Dorfleben lässt sie dem Leser ans Herz wachsen.
Zwar ist mir das teils selbstzerstörerische Verhalten der jungen Frau etwas fremd geblieben (Alkohol und exzessive Partys waren noch nie mein Ding), ich habe aber gern ihre Erlebnisse verfolgt und das Beste für sie und ihre teils verschrobenen Verwandten und Bekannten gehofft.
Onkel Billy würde ich z.B. gern weiter beim Erzählen antiker Legenden oder dem Erklären von Sternbildern zuhören und auch Debbies Mutter entpuppt sich als vielschichtige Persönlichkeit.

Aufgrund der enthaltenen Themen kann die Geschichte manchmal recht deprimierend sein, durch den erwähnten Humor und einen fast schon poetischen Schreibstil wird die Lesemotivation aber aufrechterhalten.

Bewertung vom 15.08.2022
Dachs und Rakete. Ein Haus voller Freunde
Isermeyer, Jörg;Schüttler, Kai

Dachs und Rakete. Ein Haus voller Freunde


ausgezeichnet

Solche Nachbarn wären toll

Ein Haus voller Freunde ist das zweite Abenteuer des hilfsbereiten Herrn Dachs und seiner treuen Schnecken-Freundin und Mitbewohnerin Rakete. Genauer gesagt ist das Buch eine kleine Sammlung verschiedener lustiger Episoden aus dem Leben des sympathischen Duos, in denen diesmal ganz besonders auch die diversen interessanten Nachbarn im Wohnhaus im Mittelpunkt stehen, passend zum Untertitel.
So liest man z.B. von gemeinsamen Unternehmungen wie Oma Käthes turbulentem Geburtstag zwischen Achterbahn und Autoscooter, erlebt die davon inspirierte Konstruktion einer Murmelbahn durch sämtliche Etagen, verfolgt die Eskapaden der rotzfrechen Meerschweinchen-Kinder und erfährt endlich, warum der abweisende Schildkröterich Senor Tortuga sich so hinter seiner Tür verschanzt.

Alle Kapitel bieten viele spaßige Szenen, nicht zuletzt wieder durch die etwas naive, aber ausgesprochen liebenswürdige Art des Dachses. Unterstützt wird das Gesamtpaket wie schon beim ersten Band durch zahlreiche farbenfrohe Illustrationen. Darauf sind allerlei liebevolle Details zu entdecken, darunter erneut tolle Gesichtsausdrücke, etwa völlig verdutzte oder erschrockene Gesichter auf dem Rummelplatz oder die niedlichen Schnuten der kleinen Meerschweinchen.

Dieser Band wäre theoretisch auch unabhängig vom Erstling lesbar, würde aber sicher deutlich weniger Freude machen, wenn man nicht weiß, wie alles begann und wie sich alle angefreundet haben.
Das Buch ist sehr vergnüglich zum Vorlesen oder auch Selberlesen ab fünf Jahren aufwärts, lediglich eine Szene im Theater gegen Ende ist meiner Meinung nach für kleinere Kinder wahrscheinlich nur schwer nachzuvollziehen.

Bewertung vom 02.08.2022
Alles über den Straßenverkehr / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.50
Erne, Andrea

Alles über den Straßenverkehr / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.50


ausgezeichnet

Wichtiges Thema, wie immer anschaulich präsentiert

Mit dem neusten Band widmet sich die beliebte Reihe für die „größeren“ Kindergartenkinder und Schulanfänger erneut einem interessanten Thema, zu dem eigentlich alle einen Bezug haben. Schließlich ist jeder mehr oder weniger im Straßenverkehr unterwegs und sollte wissen, wie man damit umgeht.

Die kleinen Leser und Betrachter können viel lernen, die Informationen sind kindgerecht formuliert und anschaulich illustriert. So geht es unter anderem um das richtige Verhalten an Ampeln und Zebrastreifen, die Regelungen für das Fahrradfahren auf dem Gehweg bzw. der Straße, den Umgang mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Informationen zu Spielstraßen und vieles mehr.
Dieses Buch ist dabei umfangreicher und geht mehr in die Tiefe als der schon seit längerer Zeit erhältliche Straßenverkehr-Band aus der Unterreihe für die Zwei- bis Vierjährigen.

Die dazugehörigen Bilder bieten viele nette Details, erinnern bei größeren Szenen teilweise schon fast an Wimmelbücher.
Wie immer laden außerdem viele kleine und größere Klappen zum Entdecken ein, dahinter verbergen sich z.B. kleine Missgeschicke unachtsamer Verkehrsteilnehmer oder verdeutlichende Detailansichten.
Auch auf Inklusion wurde geachtet – so finden sich auf den Straßen etwa Menschen verschiedener Hautfarben und Rollstuhlfahrer.

Der neue Band ist definitiv ein lohnender Neuzugang für die wachsende Sammlung der „Wieso, weshalb, warum“-Fans.

Bewertung vom 21.07.2022
Die versteckte Apotheke
Penner, Sarah

Die versteckte Apotheke


sehr gut

Nach schlimmen Schicksalsschlägen nutzt die Apothekerin Nella Ende des achtzehnten Jahrhunderts ihr Wissen aus Kräuterkunde und Medizin, um im Auftrag anderer Frauen Mittel zu brauen, die deren böse Ehemänner oder andere Quälgeister um die Ecke bringen. Als eines Tages das zwölfjährige Dienstmädchen Eliza in Nellas verborgenem Raum auftaucht, wird eine gefährliche Abfolge von Ereignissen in Gang gesetzt.

Im London der Gegenwart versucht die Amerikanerin Caroline eine große Enttäuschung zu verarbeiten. Anstatt mit ihrem Mann gemeinsame Zeit anlässlich ihres zehnten Hochzeitstags zu verbringen, hat sie nach dessen Ehebruch die Reise kurzerhand allein angetreten. Durch Zufall stößt sie auf ein geheimnisvolles Fläschchen und der Entdeckerdrang der studierten Historikerin wird geweckt. Der Fund soll ihrem Leben eine ganz neue Wendung geben...

Geschickt lässt die Autorin die Handlungsstränge in Vergangenheit und Jetztzeit sich entwickeln und die Leser erfahren, wie Caroline mit detektivischem Gespür allein anhand des unscheinbaren Glasgefäßes die damaligen Geschehnisse zu rekonstruieren beginnt. Abwechselnd folgen die Kapitel neben Caroline auch Nella und Eliza, alle Protagonistinnen überzeugen durch interessante Charakterzüge und ihre eigenen Sorgen bis hin zu inneren Dämonen.

Die Geschichte ist spannend, denn vor allem die historischen Hauptfiguren geraten in arge Bedrängnis und man fiebert mit, ob sie aus dieser Bredouille wieder herausfinden werden. Besonders das London zu Nellas Zeit gefällt durch seine düstere Atmosphäre, passend zur Geschichte sind am Ende interessante Zusatzinformationen zu verschiedenen Giftstoffen zu finden. Abgerundet wird das Extra-Material durch einen altertümlichen Stadtplan, der in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt.
Nebenbei bemerkt handelt es sich auch um ein ausgesprochen hübsches Buch.

Fazit: Ich habe dieses Buch gern gelesen und wurde bis zum durchdachten Schluss gut unterhalten, auch wenn es nicht ganz das Zeug zum absoluten Hit hat. Die Kapitel in der Vergangenheit konnten mich meist mehr fesseln als Carolines Part, auch wenn sie durchaus auch eine sympathische Protagonistin ist. Ein paar Abschnitte hätten vielleicht etwas gekürzt werden können. Insgesamt gilt aber: Nicht nur angehende Giftmischerinnen kommen hier auf ihre Kosten.

Bewertung vom 15.06.2022
1:0 für Paul! Eine Fußballgeschichte - Leserabe ab 2. Klasse - Erstlesebuch für Kinder ab 7 Jahren
Mai, Manfred

1:0 für Paul! Eine Fußballgeschichte - Leserabe ab 2. Klasse - Erstlesebuch für Kinder ab 7 Jahren


sehr gut

Fußball verbindet

In Pauls Nachbarschaft ist eine neue Familie eingezogen, auch ein gleichaltriger Junge gehört dazu. Zwar spricht Amir erst wenig Deutsch, doch durch ihr gemeinsames Hobby Fußball entwickelt sich schnell eine Freundschaft zwischen den beiden Nachwuchs-Kickern. Nach einer Weile beginnen sie zusammen im Verein zu spielen, es wird fleißig trainiert und schließlich steht das erste große Spiel an – doch wird Paul es in die Start-Elf schaffen?

In fünf Kapiteln erzählt dieser Leserabe-Band kindgerecht eine schöne Freundschaftsgeschichte, besonders (aber nicht nur) für Fußballfans. Die deutliche, große Druckschrift erleichtert das Lesen, die Sätze sind nicht zu kompliziert formuliert, so dass Zweitklässler (oder gute Leser gegen Ende des ersten Schuljahrs) problemlos damit zurechtkommen dürften.
Man erfährt, wie die Freundschaft mit Amir entsteht, wie Paul anfängliche Unsicherheiten ablegt und wie mit vereinten Kräften gelungene Spielzüge gelingen.

Die Geschichte ist ansprechend und wurde mit sympathischen Bildern bunt illustriert. Nach jedem Kapitel gibt es eine Verständnisfrage beziehungsweise nach dem letzten ein paar nette Rätsel wie versteckte Wörter.
Etwas verbesserungsfähig finde ich lediglich den Schluss – das Buch endet zwar mit einem schönen Moment, aber doch etwas abrupt. Meiner Meinung nach wird das manches Kind ein bisschen irritieren.

Bewertung vom 24.05.2022
Der kleine Raubdrache
Mueller, Dagmar H.

Der kleine Raubdrache


ausgezeichnet

Ein kleiner Raubdrache, der nicht rauben will

Habt ihr euch schon mal gefragt, warum Drachen eigentlich Prinzessinnen rauben, wenn sie die dann gar nicht fressen? Dagmar H. Mueller findet für diese Frage in ihrem Buch eine charmante Antwort – durch das ganze Abenteuer sollen Prinzen und Prinzessinnen erkennen, wie sehr sie doch aneinander hängen. Eine durchaus ehrenvolle und traditionsreiche Aufgabe also.
Der kleine Held unserer Geschichte, ein Raubdrachen-Schulkind, sieht aber nicht ganz ein, warum er sich im Zuge dessen zeitlebens von tapferen Recken mit spitzen Schwertern pieksen lassen soll, ohne andere, friedlichere Karrieremöglichkeiten zu haben. Die jüngst geraubte Prinzessin, die ebenfalls nicht so recht den gängigen Klischees entsprechen will, bringt zusätzlich Unruhe in das seit Generationen ausgeklügelte System. Nicht nur der große Raubdrachen-Lehrer stößt da an seine Grenzen...

Die Autorin hat nicht nur eine interessante Grundidee, sondern auch einige sympathische Charaktere erschaffen, vom liebenswerten Drachenkind, über Prinzessinnen mit komplizierten Namen und einen etwas mickrigen (aber nicht zu unterschätzenden) Prinzen bis zu witzigen kleinen Nebenfiguren (meine Lieblinge). Deren Geschichte erzählt sie mit Wortwitz und spürbarer Liebe zu ihrer etwas anderen Märchenwelt.
Details wie die schrägen Nahrungsvorlieben der Drachen machen das Szenario lebendig und zu einem Spaß für große und kleine Leser bzw. Zuhörer.

Abgerundet wird das inhaltlich wie optisch schöne Gesamtpaket durch viele lustige Illustrationen, auf denen es einiges zu entdecken gibt – kleine Tierchen mit einem Blatt als Badehandtuch, das erschrockene Gesicht eines prinzlichen Pferdes, Drachenkinder in allen Regenbogenfarben...
Darüber hinaus bringen farbig hervorgehobene und in unterschiedlichen Schriftarten gedruckte Textpassagen weitere Dynamik ins Geschehen.

Am Ende kommt dieser Band zu einem gelungenen Abschluss, eine Fortsetzung wird aber bereits angedeutet. Da habe ich nichts dagegen, denn es hat Spaß gemacht, den kleinen Raubdrachen und seine Freunde zu begleiten.

Bewertung vom 27.04.2022
Papyrus
Vallejo, Irene

Papyrus


ausgezeichnet

Wie die Bücher geboren wurden

Hinter einem schlichten und doch hübschen Einband verbirgt sich hier ein kluges und besonderes Buch. Die spanische Autorin Irene Vallejo entführt uns dabei auf eine vielschichtige und abenteuerliche Reise zurück zu den Anfängen schriftlicher Aufzeichnungen, schildert wie die Bücher zum dem wurden, was sie heute sind, und warum sie uns aller technischen Entwicklungen zum Trotz wohl noch lange erhalten bleiben werden.

Alles wird lebendig und flüssig erzählt, mit allerlei Abschnitten, die man in einer Dokumentation wahrscheinlich "Spielszenen" nennen würde - Momente aus dem Leben historischer Persönlichkeiten, aber auch ganz normaler Menschen, ob bei der Papyrus-Ernte, während einer Schlacht oder bei der Erfindung bahnbrechender Neuerungen rund um die Welt der Bücher.
Man merkt, wie gebildet und belesen die Autorin ist, ohne dass sie dabei überheblich wirkt. Sie zeigt durchaus auch Humor und Lockerheit in ihren Schilderungen, und das Buch ist trotz seines erheblichen Informationsgehalts und der vielen komplexen Themen nie trocken.

Von Urheberrecht, Zensur und antiken Bestseller-Listen

Immer wieder zeigen sich faszinierende Paralleln und sich wiederholende Motive über die Menschheitsgeschichte hinweg. Irene Vallejo streut viele Verknüpfungen zu späteren Werken der Weltliteratur und Filmen ein, von Shakespeares Dramen über Huckleberry Finn und 1984 bis zu modernen Bestsellern wie Der Vorleser.
Außerdem trifft man, etwa bezogen auf die Gefahren für Bücher und ihre Schöpfer oder Besitzer, auch auf sinnvolle Vergleiche zwischen damaligen Vorkommnissen und etwa Ereignissen aus dem Zweiten Weltkrieg, dem Jugoslawien-Krieg, dem Franco-Regime bis hin zum Internet-Zeitalter.
So wird, obwohl es schwerpunktmäßig um die antiken Ursprünge geht, immer wieder ein gelungener Bezug zur jüngeren Vergangenheit hergestellt.
Darüber hinaus lässt die Autorin auch eigene Erfahrungen einfließen - Mobbing als „Streberin“ in der Schule, Buchhandlungsbesuche mit ihrem Vater, das Aufeinandertreffen mit Gelehrten...

Angenehmer Stil

Begeisterte Leser und Buchliebhaber kommen voll auf ihre Kosten, besonders wenn sie außerdem ein gewisses Faible für die Antike haben.
Papyrus regt dazu an, sich Gedanken über vermeintlich alltägliche Dinge wie die Schrift, das stille Lesen und die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Literatur zu machen, die man heutzutage meist für selbstverständlich hält, bis zu deren Entstehung es aber ein teils Jahrhunderte währender und steiniger Weg war. Von diesem erzählt die Autorin sehr angenehm und ganz nebenbei konnte ich hier einiges lernen.
Zwar hatte ich schon von Alexander dem Großen, dem Rosetta-Stein, Herodot oder Homers Ilias gehört, viele Details und Erkenntnisse waren mir aber unbekannt. So etwa die Wortherkunft von "Pergament", die Tatsache, dass das griechische Alphabet wahrscheinlich auf einen einzigen kreativen Kopf zurückgeht oder die Entstehungsgeschichte der legendären Bibliothek von Alexandria, um nur ein paar zu nennen.

Daneben finden sich hier meiner Meinung nach zahlreiche zitierungswürdige Stellen – der Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut.
Ein umfangreiches Quellenverzeichnis, weiterführende Literatur und ein Personenregister runden das Buch ab.

Fazit: Wie wunderbar, dass die Menschen vergangener Epochen durch ihre Werke über die Jahrtausende hinweg zu uns sprechen können.

Bewertung vom 21.03.2022
Die Wächterinnen von New York
Jemisin, N. K.

Die Wächterinnen von New York


sehr gut

Die Grundidee von N.K. Jemisins neustem Werk ist so ungewöhnlich wie interessant: Wenn Städte lange genug bevölkert und ihren Bewohnern zur Heimat gemacht wurden, können sie quasi ein Eigenleben beziehungsweise eine Art Bewusstsein entwickeln. Als „Geburtshelfer“ oder Avatare dienen dabei besondere Menschen, welche die Stadt oder auch deren einzelne Teile verkörpern. Für New York steht nun dieser spannende Prozess an, während dessen die Stadt besonders angreifbar und verletzlich ist. Denn längst nicht jeder Metropole ist der entscheidende Schritt bisher gelungen – irgendjemand oder irgendetwas scheint es darauf abgesehen zu haben, die Geburt mit allen Mitteln zu verhindern...

Auftritt für die namensgebenden Wächterinnen von New York

Eine bunt gemischte kleine Truppe von Bewohnern, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, muss die jeweils anderen Avatare finden und sich vor allem ordentlich zusammenraufen. Denn so divers wie die Stadt und ihre Viertel sind, so verschieden präsentieren sich auch die Persönlichkeiten, Interessen und Hintergründe ihrer Verkörperungen. Zum Glück können die Protagonisten auch entsprechende Stärken in die Gruppe einbringen und sie finden außerdem ein paar geheimnisvolle Unterstützer.
Das ist auch bitter nötig, denn der Feind droht immer mehr, in New York Fuß zu fassen und seine Tentakel buchstäblich nach allem auszustrecken, was den Hauptfiguren lieb und teuer ist.

Die Perspektive wechselt kapitelweise zwischen den einzelnen Hauptfiguren sowie gelegentlich den Unterstützern. Die Autorin hat es sehr gut geschafft, deren unterschiedliche Ansichten und Persönlichkeiten in die Geschichte einfließen zu lassen. In den Dialogen kommen oft Umgangssprache sowie Slang zum Einsatz, was bestimmt nicht ganz einfach zu übersetzen war. Meiner Meinung nach ist das Unterfangen aber gelungen.
Zu gefallen wissen außerdem auch die ganz eigenen Ideen der Geschichte und die lebendigen Beschreibungen der Schauplätze sowie Ereignisse. Zwischendurch dürfen dabei auch ein paar actionreiche Szenen nicht fehlen, die ich mir gut in einer Verfilmung vorstellen könnte.

Urbaner kann Fantasy wohl kaum sein

Trotz aller Qualitäten konnte mich dieses Buch der Autorin nicht ganz so abholen wie ihre vorherigen Werke. Das liegt aber wahrscheinlich hauptsächlich auch daran, dass ich Fantasy aus fremden Welten Geschichten aus unser eigenen meist vorziehe. Außerdem liegt mir als Landei das städtische Szenario nicht so richtig am Herzen. Für Menschen, die sich in und mit New York auskennen, ist das Lesevergnügen sicherlich noch mal eine Ecke größer.
Nichtsdestotrotz habe ich das Buch gern gelesen und ich möchte gern wissen, wie die Story weitergeht. Es handelt sich nämlich um den ersten Band einer geplanten Trilogie und am Ende ist lediglich eine Art Etappenziel erreicht.