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... was ich rezensiere, bewerte, das habe ich auch gelesen!

Bewertungen

Insgesamt 1261 Bewertungen
Bewertung vom 24.06.2019
Der gewaltsame Lehrer
Langewiesche, Dieter

Der gewaltsame Lehrer


ausgezeichnet

Teilweise etwas 'holprig' zu lesen, aber im Endeffekt sehr gut

Eines Vorweg, weil sich durch den Untertitel eine falsche Erwartungshaltung aufbauen könnte: es geht nur ganz am Rande und nur stellenweise um irgendwelche Kriegsvorkommnisse, Kriegsschlachten, Gefechte oder ähnliches.

Der Autor behandelt die Ursachen und daraus resultierenden Folgen der Kriege seit etwa 1800. Nicht nur in Europa, sondern die Verwicklung verschiedener Staaten und/oder Nationen in den grundsätzlich selben Krieg, der aber in verschiedenen Regionen der Welt ausgetragen wurde. Insofern also 'Weltkriege', die nicht unter die zusammenfassenden Bezeichnungen 'Erster Weltkrieg' und dessen Fortsetzung 'Zweiter Weltkrieg' zu subsumieren sind. Es scheint heutzutage auf den ersten Blick auch sehr abwegig, den Begriff 'Krieg' unter philosophischen Aspekten zu betrachten. Genau das unternimmt Dieter Langewiesche aber erfolgreich. Nicht nur durch viele Bezüge auf Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und andere. Nicht nur durch Bezüge auf Carl von Clausewitz oder Gebhard Leberecht von Blücher. Auf diverse Könige und Kaiser mit deren unterschiedlichen Motivationen, diesen oder jenen Krieg zu führen.

Der Autor weist auch auf, wie und warum es den heutigen Staaten Skandinaviens gelungen ist, ihre Separationen (Norwegen - Schweden - Finnland - Dänemark samt Island) ohne gewaltsame Auseinandersetzungen, also Kriege gegeneinander zu erreichen.

Ebenso werden die Kriege der europäischen Staaten, die in Afrika ausgetragen wurden, behandelt. Einschliesslich des von deutschen Kolonialtruppen begangenen Genozids an der Herero. Beim Zerfall des Osmanischen Reiches und dessen Folgen wird auch der Genozid der Türken an den Armeniern nicht übergangen.

Die Gründung Belgiens, Polens, Griechenlands, zahlreicher 'neuer' Staaten in Afrika, alles unter den Aspekten 'wieso, weshalb, warum' ist nicht minder interessant zu erfahren.

Inhaltlich hat das Buch hier fünf Sterne verdient. Weil es aber nicht in die Kategorie 'leicht zu lesen' fällt, wäre fast ein Sternchen Abzug angebracht. Wer sich mit derartiger Literatur und Thematik befasst, wird allerdings wissen, dass ihn etwas anderes erwartet als bei einem Groschenroman. Von daher, sprich Inhalt, sind die fünf Bewertungssterne auf jeden Fall berechtigt.

Bewertung vom 19.06.2019
Endlich ab ins Wochenende

Endlich ab ins Wochenende


ausgezeichnet

Für jedes Wochenende des Jahres ein lohnenswertes Ziel...

Aber leider nur dann, wenn es das Bankkonto hergibt. Blöd.

Die Ziele sind nicht nach Regionen, sondern nach den Jahreszeiten angeordnet. Was sollte man beispielsweise im November in Hamburg, Lübeck, der Eifel oder auf Rügen während eines Wochenendes beginnen. Was nicht bedeuten soll, dass die eben genannten Städte und Regionen nicht ihren Reiz hätten, nicht schön wären. Aber um sie erleben und geniessen zu können, ist der November mit den Wochenenden Nummer 44 bis 48 nicht gerade ideal.

Von Nummer 44 bis 48 schlagen die Autoren in dieser Reihenfolge das Erzgebirge, Freiburg im Breisgau, Köln, Mainz und Nürnberg vor. Wobei diese Reihenfolge nicht zwanghaft abzureisen ist. Hier gibt es dann schon Inkonsequenzen. Beispiel Freiburg, Wochenende Nummer 45, also so Anfang November: wie bei allen anderen Zielen werden zu Freiburg nicht nur die wichtigsten Ziele und Sehenswürdigkeiten genannt (leider ohne Angabe der Öffnungszeiten oder einer dazu gehörenden Internet-Adresse/Telefonnummer). Unter dem Stichwort 'Geniessen' wird die Hausbrauerei Feierling, deren 'Biergarten lauschig' ist und auch das Greiffenegg Schlössle genannt. Zitat: 'Mit einmaliger Aussicht auf die Altstadt diniert man auf der Außenterrasse des Schlössle'. Anfang November bei dem dafür typischen Wetter alleine im Biergarten oder auf der Außenterrasse sitzen? Da gibt es sicher angenehmere Plätze.

Abgesehen von solchen Ungereimtheiten bietet der Bild-/Textband aber gute Vorschläge, was es an einem Wochenende in allen Ecken Deutschlands zu entdecken gibt. Um einen falschen Eindruck zu vermeiden: ausser den grossen und den Grossstädten werden auch eher unbekannte Landschaften vorgestellt. Wie das blaue Land, das Ruppiner Land oder die Sächsische Schweiz. Wer sich nicht vorstellen kann, was dort für Landschaften zu erwarten sind: alle Ziele sind mit in jedem Sinne guten Farbfotos illustriert.

Schöner, erholsamer, Nerven schonender als ein Wochenende auf dem Ballermann sind alle 52 Ziele.

Bewertung vom 18.06.2019
Dein Smartphone mit Android 9 - Einfach alles können
Immler, Christian

Dein Smartphone mit Android 9 - Einfach alles können


ausgezeichnet

Weiter, immer weiter...

Damit ist nicht der Song von Nena gemeint. Sondern der scheinbar unaufhaltsame Erfolg von Android.

Was Android 9 alles beherrscht, teilweise recht gut versteckt, teilweise unnötig, teilweise erschreckend die eigene Person 'durchleuchtend', das beschreibt Christian Immler erneut in diesem 'Standardwerk'.

Der Autor beschäftigt sich ja seit einigen Android-Versionen mit dem Betriebssystem und zahlreichen der dafür verfügbaren Apps. Seine Erfahrungen, kombiniert mit zahlreichen Tipps und Tricks aus der und für die Praxis, illustriert mit zahlreichen wie üblich gut kommentierten Screenshots beschreibt er in einem gut verständlichen Deutsch und lockerem Schreibstil.

Diesmal hat Christian Immler sich die derzeit (Juni 2019) aktuellste Version 9 des Betriebssystems vorgenommen. Obwohl noch nicht einmal alle ladenfrische Smartphones mit der 9er-Version als Standard ausgeliefert werden.

Der Autor geht auf den inklusive ausführlichem Stichwortverzeichnis 383 Seiten nicht nur auf das grundständige ein. Er gibt auch Tipps für die Wahl eines passenden Tarifs bei einem Mobilfunkanbieter. Er geht auf zahlreiche nicht von Google stammende empfehlenswerte Apps ein. Wobei er logischerweise nicht alle der in die Hunderttausende gehenden verfügbaren Apps beschreiben kann. Es sind aber schon einige unbekannte 'Juwelen' dabei.

Die Social-Media-Anwendungen (Facebook, Twitter, Google+,) werden im Einzelnen erklärt. Allerdings ohne LinkedIn und Xing. Die Möglichkeit samt Hinweis auf das damit verbundene Risiko, das Smartphone zu rooten und es eventuell komplett abzuschiessen, um versteckte Funktionen von Android aktivieren zu können, werden erläutert.

Zusammengefasst:
Erneut wurde der Untertitel "Einfach alles können" zu Recht verwendet.

Bewertung vom 16.06.2019
Naturalia
Jimenez, Jonathan

Naturalia


ausgezeichnet

Teils bedrückend, teils beruhigend, teils faszinierend

Ruinen, die sich die Natur zurück erobert hat. Verlassene Gebäude, zurückgelassene Autos, Industrieanlagen, kunstvoll gestaltete Gewächshäuser aus der Jugendstil-Zeit, Militärtechnik wie aufgegebene Panzer oder ein Kampfflugzeug vom Typ MIG, technische Anlagen wie der Kühlturm eines Kraftwerkes, Wohnsilos, Sportanlagen, Theatersäle, Kirchen mit immer noch intakten Bleiglasfenstern, Schlösser und herrschaftliche Anwesen - von Menschen aufgegeben und der Natur überlassen.

Manche der sowohl vom Motiv her als auch drucktechnisch hervorragenden Farbaufnahmen wecken ein Gefühl der Bedrückung. Seien es die Aufnahmen, die Jonathan Jimenez , die in und um Tschernobyl gemacht hat. Oder Bilder von verlassenen Kliniken oder psychiatrischen Einrichtungen. Hier und da scheint Norman Bates aus Hitchcocks 'Psycho' mit seinem Messer hinter einer Ecke auf sein nächstes Opfer zu warten

Andere Fotos sind einfach nur schön. Wie ein 'Märchenschloss', scheinbar der Ort, an dem sich die Geschichte von Dornröschen abgespielt hat.

Die englischen Texte sind gut zu lesen. Aber auch ohne weitergehende Englischkenntnisse bringt das Buch die letzten Zeilen auf den Punkt: "AND IF WE DISAPPEARED TOMORROW?"

Genau das ist das Beruhigende: am Ende siegt immer die Natur!

________________________________________

Partly oppressive, partly calming, partly fascinating

Ruins that nature has reclaimed. Abandoned buildings, abandoned cars, industrial facilities, artfully designed greenhouses from the Art Nouveau period, military technology such as abandoned tanks or an MIG fighter plane, technical facilities such as the cooling tower of a power station, residential silos, sports facilities, theatres, churches with still intact lead glass windows, castles and stately homes - abandoned by people and left to nature.

Some of the outstanding colour photographs, both in terms of motif and printing technique, evoke a feeling of oppression. Be it the photographs taken by Jonathan Jimenez in and around Chernobyl. Or pictures of abandoned clinics or psychiatric institutions. Here and there Norman Bates from Hitchcock's 'Psycho' seems to wait with his knife around a corner for his next victim.

Other photos are just beautiful. Like a 'fairytale castle', apparently the place where the story of Sleeping Beauty took place.

The English texts are easy to read. But even without further knowledge of English, the book sums up the last lines: "AND IF WE DISAPPEARED TOMORROW?

That's exactly what's soothing: nature always wins in the end!

Bewertung vom 12.06.2019
Vollbremsung
Gietinger, Klaus

Vollbremsung


ausgezeichnet

ziemlich reisserisch geschrieben, aber auf jeden Fall korrekt!

Anhand der zahlreichen statistischen Daten über Tote, die der Strassenverkehr nicht nur direkt durch Unfälle, sondern auch indirekt durch Schadstoffe, die beim Fahren in die Luft geblasen werden, die bei der Produktion der Fahrzeuge anfallen, die bei der Gewinnung der für die Produktion notwendigen Rohstoffe anfallen etc. belegt Klaus Gietinger nachprüfbar, welche immensen Umweltschäden der Kfz-Verkehr kostet.

Der Schreibstil löst des Öfteren gelinde gesagt ein innerliches Lachen hervor. Gnadenlos und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, bezeichnet Klaus Gietinger die bundesdeutschen Verkehrsminister und weitere Angehörige der obersten Politiker-Kaste als das, was sie sind: "Knallchargen",".. die den Autokonzernen in den Auspuff kriechen".

Der Autor analysiert nicht nur die aktuelle Mobilität, die mit den Unmengen an Kfz verbunden ist, anhand der Umweltschädigung durch Abgase, Lärm, Reifen- und Bremsabrieb etc. Er zeigt wiederum überprüfbar auf, dass die immer höher gehaltene 'heilige Kuh' der Elektroautos nicht etwa die Lösung aller Probleme darstellen. Sondern dass E-Autos im Gegenteil nach aussen hin nur den nächsten Riesenschritt in Richtung Abgrund verhüllen. Schliesslich ist der ökologische Rucksack eines E-Autos schon bei der Produktion der Fahrzeuge samt Batterien um ein Vielfaches gewichtiger als bei einem herkömmlichen Kfz. Vom ökologischen Betriebsrucksack ganz zu schweigen. Man muss sich nur die Energie-Effizienz der Akkus im Vergleich zum herkömmlichen Kraftstoff anschauen.

Im letzten Kapitel, "Die Verkehrsrevolution - das ABC der wahren Mobilität" weist der Autor einige in zwei Phasen aufgeteilte Wege zur wahren Mobilität auf. Einige davon sehr einfach, kostengünstig und schnell umsetzbar. So 'man' an den entscheidenden Stellen gewillt ist, dem vorübergehenden Unmut der Auto-Junkies stand zu halten. Einige andere nicht minder konsequent, aber eher utopisch und sehr illusionistisch.

Auch wenn das Buch in einem recht reisserischen Stil verfasst ist, lesens- und überdenkenswert ist es auf jeden Fall. Vielleicht findet sich ein generöser Spender, der jedem Verkehrsplaner, ob aus der Privatwirtschaft oder in Behörden, jedem Verkehrsminister, ob auf Landes- oder Bundes- oder Europa-Ebene ein Exemplar des Buches schenkt. Mit der Auflage, es auch lesen zu müssen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.06.2019
Baedeker SMART Reiseführer Florenz
Romig Ciccarelli, Caterina;Jepson, Tim;Fisher, Teresa

Baedeker SMART Reiseführer Florenz


ausgezeichnet

Handlich, akkurat, dank der Spiralbindung auch sehr praktsich

"Das Who's who der Medici", "Die Kunst der Mode", "... So isst Florenz.", "Die Wiege der Renaissance" usw. In dieser Art wird dieser schöne, mit reichlich Farbfotos illustrierte Stadtführer begonnen. Was heissen soll, es handelt sich nicht um die so häufig zu findende Aneinanderreihung der 'absoluten Super-Geheimtipps für Super-Locations, an denen Super-Events' stattfinden. Sondern wie von den Baedekers gewohnt, um die Vermittlung wirklich wichtiger, wirklich schöner Informationen. Die dazu beitragen, Florenz kennen zu lernen. Und auch zu geniessen.

Vom Aufbau her ist der Stadtführer unterteilt in die Kapitel Osten, Norden, Westen sowie im Süden der Bezirk Oltrarno (jenseits des Arno). In jedem der vier zwischen 30 und 40 Seiten umfassenden Kapitel werden die Hauptsehenswürdigkeiten einschliesslich des Zeitaufwandes für eine sorgfältige Besichtigung, teilweise einschliesslich eines Grundriss-Überblicks etc. vorgestellt. Dazu gesellen sich dann auch die Informationen, die einfach zu einem Reise- oder Stadtführer gehören: Wohin zum Essen und Trinken? Wohin zum Einkaufen? Wohin zum Ausgehen? Samt jeweiliger Telefonnummer, Internetadresse, Öffnungszeiten etc. Der Stadtführer Florenz ist zwar erst vor drei Monaten überarbeitet worden und neu erschienen. Inwieweit sich die angegebenen Preise zwischenzeitlich geändert haben, lässt sich im Vorfeld dank der angegebenen Rufnummer und/oder URLs einfach überprüfen. Die italienischen Gastronomen legen diesbezüglich ja eine gewisse Flexibilität an den Tag...

Im letzten Teil sind wiederum wie gewohnt einige Ausflugsvorschläge ins Umland, praktische Informationen wie Anreise, Übernachten, ein Cityplan einschliesslich Strassenregister innerhalb der Spiralbindung zu finden. Wer sich bei seinen Spaziergängen durch Florenz lieber mit einem grösseren, zu faltenden Stadtplan beschäftigt, der findet diesen ein einen kleinen eingebundenen Plastiktasche ganz am Ende des Buches. In dem ebenfalls die Lage der beschriebenen Sehenswürdigkeiten eingezeichnet ist. Sondern in dem auch ein Ausschnitt eine Strassenkarte (1:450.000) der Umgebung von Florenz abgedruckt wurde. Bis hin zu Livorno, Arezzo und darüber hinaus.

Auf der Innenseite des ausklappbaren Buchrückens sind zur Abrundung die beschriebenen Vorschläge für die Spaziergänge durch die Stadt für einen besseren Überblick nochmals zu finden.

Dieser Baedeker trägt den Zusatz 'Smart' zu Recht.

Bewertung vom 09.06.2019
Deutschland verdummt
Winterhoff, Michael

Deutschland verdummt


ausgezeichnet

Der milliardenschwere 'Digitalpakt' --> Schnellstrasse zur unreflektierten aber digitalen PowerPoint-Verblödung?

Mit viel Bohai umjubelt und über den grünen Klee gelobt, dieser 'Digitale Bildungspakt', der mit den vom Bund bewilligten und den Ländern nach langer Diskussion akzeptierten fünf Milliarden Euro die Digitalisierung der Schulen vorantreiben soll.

Statt diese immense Summe den nicht gerade am Hungertuch knabbernden Hard- und Softwarefirmen, den 'Systemhäusern' und 'Beratungsfirmen' in den Rachen zu stopfen wäre es sehr viel vordringlicher, einen Grossteil des Betrages in die Ausbildung, in die Förderung von Pädagogen, also Lehrern/Lehrerinnen zu investieren. Die dann ihrer Ausbildung entsprechend die Kinder und Jugendlichen an Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien zu unterrichten wissen. Und zwar lehrerzentriert. Denn sie oder er ist im Unterricht die BezugsPERSON! Nicht umsonst wird ja auch nicht von einem BezugsTABLET, BezugsIPAD oder einem BezugsNOTEBOOK geredet.

Das, was die Kinder und Jugendlichen benötigen, beanspruchen, ist ein Mensch (Lehrer*In) als Ansprechpartner, als Orientierungshilfe für die sich entwickelnde soziale Kompetenz. Nicht etwa ein nach diversen PISA-Studien zusammengebastelter ‚Kompetenzkatalog‘ auf dem Papier.

Mir sind einige Paare bekannt, die ihren aktuell drei bis vier Jahre alten Nachwuchs nach dem laissez-faire-Prinzip gross werden lassen. Das Wort 'Erziehung' fehlt hier mit voller Absicht. Denn mit dieser 'Lass-sie-nur-machen'-Aufzucht (auch hier fehlt 'Erziehung' mit voller Absicht) ist für das spätere Verhalten der Kinder untereinander und im sozialen Gefüge der Gesellschaft mit dem für ein gutes Miteinanderauskommen notwendigem gegenseitigem Respekt, gegenseitiger Höflichkeit und auch Hilfsbereitschaft mehr als schädlich. Die gerade erwähnten Elternpaare haben mir gegenüber in der Tat voller Überzeugung geäussert: "Ich lasse ihn/sie einfach machen. Um die Erziehung soll sich dann der Kindergarten und später die Schule kümmern!"

Mein Vorschlag, sie sollen doch mal schlicht die Begriffe "Er-ziehung" und "Emanzipation" auseinander nehmen und schauen, wo diese Begriffe ihren Ursprung haben, schlug völlig fehl.
Schon die Erkenntnis, dass im Begriff Erziehung das Wort "ziehen", also etwas oder jemanden zu einem wünschenswerten Ziel hinzubewegen, also zu ziehen, hat den Erkenntnishorizont dieser Kinderproduzenten gesprengt.
Dass der Begriff "Emanzipation" seinen Ursprung im lateinischen "emancipare" (jemanden aus der väterlichen Gewalt entlassen) hat, dass darin im Grunde auch "manus" (Hand), "capere" (fangen, festhalten) und durch das "e" die Negation von "Festhalten", im Grunde also frei und sinngemäss übersetzt "aus der Hand geben" steckt, das war dann sowieso jenseits jeder Vorstellungskraft. Jede weitere Diskussionsgrundlage wäre spätestens dann hinfällig gewesen.
Denn die Einsicht, dass ich erst dann etwas oder jemanden aus der Hand geben kann, wenn ich es, sie oder ihn zuvor in der Hand hatte, im besten Sinne damit geführt, gestützt, geholfen, habe, damit es/sie/ihn ein wünschenswertes Ziel erreichen kann, eben durch dieses ‚ziehen‘, das ist dann absolut unverständlich für diese Kinderproduzenten.

Michael Winterhoff nimmt die Katastrophe der Neu-Deutschen Bildungspolitik sehr genau unter die Lupe.
Dieser ganze Schwachsinn von 'autonomen Lernen', 'Lerntheken', aus denen sich die Zöglinge (hat schon jemand gemerkt, da steckt im Ursprung wieder der Begriff 'ziehen' drin) nach Lust und Laune die Wissenhäppchen raus ziehen können, nach denen ihnen gerade der Sinn steht, Lehrer als 'Lernberater', von den Schülern nach Lust und Laune individuell zusammengesetzte 'Lerninseln' und was noch alles an Irrsinn, genau unter die Lupe. Der Autor verargumentiert seine Ansichten nachvollziehbar und stichhaltig.

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2019
Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann
Seitz, Volker

Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann


ausgezeichnet

Teilweise sinn- und planlos - nicht das Buch, sondern die Entwicklungshilfe

"Das internationale Entwicklungshilfebusiness ist ein lukratives Geschäft mit einem Jahresumsatz von 150 Milliarden Dollar. Und das ist nur die offizielle Summe. Es gibt Zehntausende von Berufsentwicklungshelfern, die die ewige Hilfe als Broterwerb brauch und nutzen. Nach wie vor haben die großen Organisationen Schwierigkeiten, genügend sinnvolle Projekte zu finden, um die Mittel loszuwerden." (S. 246)

Das im Zusammenhang, das ein guter, wenn nicht sogar der allergrösste Teil der in finanzieller Form geleisteten Entwicklungshilfe von der im jeweiligen afrikanischen Land herrschenden Clique der Eliteschicht und Regierungsangehörigen (auch im weiteren Umfeld) 'abgeschöpft' und auf Bankkonten im nordischen Ausland gebunkert, zeigt der Autor Volker Seitz stellenweise auf. Ohne hierzu jedoch konkrete Beträge und/oder Namen zu nennen.

Am Beispiel einiger afrikanischer Staaten, insbesondere Botswana erläutert der Autor, wie mit einem nicht diktatorischen, aber straffen Regierungsstil, in dessen Mittelpunkt tatsächlich einmal die effektive Verbesserung der Lebensverhältnisse auch der einfachen Bevölkerung steht, Afrika sich selbst helfen kann. Sicher nicht mit dem ewigen Totschlagargument "Alles eine Folge des Kolonialismus - wir (die afrikanischen Staaten) brauchen mehr Entwicklungshilfe (sprich Geld)." Sondern durch Verbesserung der Gesundheitsvorsorge, der Bildungsmöglichkeiten, Diskriminierung der Volksstämme untereinander, Diskriminierung der Frauen, Förderung der wirtschaftlichen Existenz durch Gewährung von Mikro-Krediten usw.

Was an dem Buch etwas stört: die logische Struktur ist ohne Zweifel gegeben. Jeder Aspekt wird in einem eigenen, meist kurzen Kapitel aber dennoch ausführlich behandelt. Diese Struktur mach das Lesen aber zugleich etwas mühsam.

Unterm Strich muss aber auf jeden Fall festgehalten werden, dass vor dem Zücken der lockerer sitzenden Geldbörse zur Spendenhochzeit Advent und Weihnachten mehr überlegt wird. Was unter Umständen für die afrikanische Bevölkerung hilfreicher, weil anspornender ist als die gespendeten Euronen auf den Bankkonten ohnehin schon mega-reicher Eliten verschwinden zu lassen. Wie das funktionieren kann, sollte, müsste, das steht in dem Buch.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.05.2019
Die Großen Opel
Storz, Alexander Franc

Die Großen Opel


ausgezeichnet

anno 1961 kratzte Opel an der Tür der damaligen Oberklasse...

1961; Conny Kohler, Sohn des Feinkosthändlers Kohler in Singen (das Geschäft existiert schon lange nicht mehr) war ein Klassenkamerad. Und Vater Kohler fuhr einen nagelneuen Opel Kapitän P II 2,6. Den mit den angedeuteten Heckflossen. Mein Vater fuhr einen 200er Diesel der Baureihe 110. Zwar auch mit angedeuteten Heckflossen, aber eben 'nur' ein Mercedes...

Was haben Conny, weitere Schulkameraden und ich uns die Nase an den Scheiben des Kapitäns platt gedrückt, um einen Blick ins Innere des Autos und auch auf den Tacho zu werfen... Der ging von der Skala her bis 180km/h, wenn ich mich recht entsinne, der vertikale Bandtacho des Mercedes nur bis 160... Das Armaturenbrett des Opel war sowieso viel schöner.

So ändern sich die Zeiten.

Dabei waren die grossen Opels damals trotz der Vorgaben aus den USA richtig schöne, gute Autos. Deren komplette Geschichte in dem für Alexander F. Storz typischen Schreibweise mit vielen Fakten unterlegt und dennoch humorvoll beschrieben wird. Angefangen beim Opel 6 und dem Opel Super 6 aus den Jahren 1934 bis 1938, den verschiedenen Kapitänen und Admirals aus der Zeit, Opel mit Scheinwerferschirmachen aus den 50er-Jahren, mit geteilter Heckscheibe, mit 'Panorama'-Frontscheibe, Sonnenschute, Weisswandreifen und so weiter. Lauter schöne Dinge, die es heute nicht mehr gibt.

Illustriert wird das Ganze mit zahlreichen Schwarz/Weiss- beziehungsweise Farbfotos aus der jeweiligen Zeit. Auf denen ausser gelegentlich der Dame des Hauses mit keckem Hütchen und Midi-Rock auch mal ein Badewannen-Ford (17m P3) oder ein 180er Mercedes zu erkennen sind.

Dazu kommen natürlich diverse Sonderaufbauten wie viersitzige Cabriolets aus Karosserieschmieden, Opels für die Strassenwart, verlängerte Admiralsmit sechs seitlichen Türen für Repräsenationszwecke, Leichenwagen etc.

Der Opel Senator und der Monza, aus den 1980er/90er-Jahren sind ebenso dabei wie die deutschen 'Ferraris' von Bitter.

Ein nettes Buch. Ganz bestimmt nicht nur für Opel-Freaks.