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anette1809 - katzemitbuch.de
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Sulzheim
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Mein Blog: https://katzemitbuch.de/

Bewertungen

Insgesamt 1038 Bewertungen
Bewertung vom 05.02.2012
Allein unter Schildkröten
Kaldhol, Marit

Allein unter Schildkröten


ausgezeichnet

"Allein unter Schildkröten" ist die Geschichte von Mikke. Die Studie eines Jungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, zwischen Schule und Studium, Familie und der weiten Welt, Glücksgefühlen und unerklärlicher Traurigkeit.
Der Leser begleitet Mikke nur einen kurzen Abschnitt in seinem Leben. Von Anfang Februar bis Mitte Mai ist man hautnah an Mikkes Seite, indem man seine nahezu täglichen Tagebucheinträge liest, und dann ist Mikke nicht mehr. Er hat seine Wahl getroffen. Es ist wie bei den kleinen Meeresschildkröten, die zufällig im Meer herumschwimmen.. Manche schaffen es, manche nicht. Mikke hat es nicht geschafft...
"Allein unter Schildkröten" ist kein Buch, das unterhalten will, sondern ein Buch über das Leben und den Tod, über den Sinn und auch den Unsinn des Lebens. Marit Kaldhol spuckt weder große Töne, noch bietet das Buch eine ausschweifende Rahmenhandlung oder große Aktionen der Protagonisten, vielmehr berührt sie durch den direkten Einblick in das Leben eines jungen Mannes und die Sinnlosigkeit seines frühen Todes. Der größte Schmerz für den Leser, den Tod Mikkes zu realisieren, liegt nicht in der Ungeheuerlichkeit seines Ablebens oder bildhaften Beschreibungen seines zu Tode kommens, sondern darin, dass Mikke einen so plötzlich zurücklässt, ohne, dass es dafür vorher eindeutig erkennbare Anzeichen gab und vor allem ohne Antwort nach dem Warum??? Mikke hat einen großen Freundeskreis, erlebt seine erste Liebe und sieht sich positiven beruflichen Zukunftsaussichten gegenüber, trotzdem ist er häufig von tiefer Traurigkeit und einer großen Einsamkeit erfüllt und zieht sich immer mehr in seinen Schildkrötenpanzer zurück.

Den ersten Abschnitt des Romans kann man als Leser noch mit einiger Fassung ertragen. Mikke erzählt in sein Tagebuch weder, das er sich umbringen will, noch das er depressiv ist oder das er sich einsam fühlt. Man ist nur Wegbegleiter während eines kurzen Stückchens seines Lebens, geht mit ihm in die Schule, recherchiert im Internet für den Biologieunterricht, erlebt mit ihm gemeinsam seine erste Liebe und irgendwann bleiben die Tagebuchseiten leer. Erst im Mittelteil des Buches muss man anfangen stark zu sein, wenn Mikkes Mutter von der Zeit nach seinem Tod und ihrer inneren Leere erzählt, aber auch von der Zeit als Mikke noch ein kleiner Junge war. Im dritten Akt kommen abschließend weitere Weggefährten Mikkes zu Wort: seine Freunde, seine erste große Liebe, der behinderte Sverre - der von Mikke betreut wurde, sein Ziehvater und sein leiblicher Vater. Alle versuchen mit dem tragischen Unglück fertig zu werden und von Mikke Abschied zu nehmen, in dem sie ihre Gefühle und ihre Abschiedworte schriftlich festhalten. In der Trauer können sie sich nur gegenseitig Halt geben, für den Tod Mikkes gibt es weder eine Erklärung, noch wird ihnen jemand ihre Briefe beantworten. Der einzige, der eine Antwort liefern könnte ist tot, Mikke ist tot.

"Allein unter Schildkröten" bringt dem Leser die Themen Depression und Selbstmord näher. Authentisch und in der Ich-Perspektive des Betroffenen und seines Umfeldes erzählt, berührt Marit Kaldhol ihre Leser sehr stark und erklärt außerdem, dass sich diese Krankheit und ihr schlimmstes Ende nicht mit einem großen Paukenschlag ankündigen muss. Real von diesen Themen Betroffene können aus Marit Kaldhols Roman Anzeichen herauslesen, mit denen sich eine Depression ankündigen kann und generell werden hoffentlich viele Leser für diese Krankheit sensibilisiert! Nur sollte man sich vor der Lektüre im Klaren darüber sein, dass man mit dieser emotionalen Erschütterung fertig werden muss, ohne dass einen Antworten in ein warmes Nest aus Geborgenheit und Zuversicht zurückholen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.01.2012
Let's bake!
Hänggli, Tamara

Let's bake!


sehr gut

In "Let's bake!" hat Tamara Hänggli rund 40 Rezepte für süße und pikante Spezialitäten aus England, Schottland, Wales, Irland und den ehemaligen Kolonien des Empire zusammengetragen.
Die Rezepte sind in die Rubriken "From good old England", "Sweets and savouries from the United Kingdom", "Cosmopolitan treats from the Empire", "Country life through the seasons" und "Fancy foods in London" unterteilt. Zur besseren Orientierung und einem schnellen Überblick schließt sich den Rezeptteilen noch eine Unterteilung in "Kombinationsbeispiele" (Zu jeder Gelegenheit das passende Gebäck) und ein Register sowohl nach englischen als auch deutschen Bezeichungen an. Eine hilfreiche Ergänzung bieten zudem die beiden Anhänge "Wissenswertes rund ums Backen" (Antworten auf häufig gestellte Fragen) und "Typisch britische Backzutaten" (Ein paar Begriffserklärungen).
Neben typischen Gerichten wie Scones, Apple Pie, Shortbread oder Crumple, finden sich gerade in der Rubrik "Cosmopolitan treats from the Empire" einige Rezepte, die nicht so häufig in anderen Backbüchern zu finden sind. Insgesamt hat Tamara Hänggli eine interessante und bunte Mischung aus Rezepten, die in aller Munde sind, und weniger bekannten Spezialitäten erstellt.
Allen Rezepten ist mindestens eine Doppelseite gewidmet. Unter der englischen und deutschen Bezeichnung befindet sich eine kurze Information über die Herkunft des Rezeptes. Jede Spezialität wir ausführlich mit einem Zutatenregister - inkl. Angabe zur benötigten Backform bzw. der entstehenden Stückzahl - und einer Schritt-für-Schritt-Zubereitung vorgestellt. Tipps zur Abwandlung und den zum Essen passenden Getränken runden die einzelnen Rezepte ab.
Am unteren Seitenrand ist neben der Seitenzahl zusätzlich der Titel der Rezeptrubik abgedruckt ("From good old England" usw.).
Neben den geschmackvoll und mundwässernd in Szene gesetzten Gebäckspezialitäten hat der Fotograf Erwin Auf der Maur wundervolle Fotos von atemberaubenden Landschaften und geschäftigen Stadtszenen beigesteuert. Hier wäre nur - gerade bei den abgebildeten Landschafen - eine Angabe über den Ort der Aufnahme wünschenswert gewesen.
Insgesamt ist "Let's bake!" eine gelungene Kombination aus einem Spezialitätenbackbuch und einem Fotoband, bei dem - Nomen est Omen - kleine Wermutstropfen den Gesamteindruck trüben: die Fotografien wären in einem größeren Format wesentlich besser zur Geltung gekommen und das Preis-Leistungs-Verhältnis lässt einen schlucken, denn auch für ein Backbuch hat Tamara Hängglis Werk ein relativ kleines Format und für den stolzen Preis eine überschaubare Rezeptauswahl.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.01.2012
Dark Angels` Summer - Das Versprechen / Dark Angels Bd.1
Spencer, Kristy;Spencer, Tabita L.

Dark Angels` Summer - Das Versprechen / Dark Angels Bd.1


sehr gut

Man merkt dem Opener sehr deutlich an, dass es sich um den Auftakt einer Reihe handelt, so werden viele Handlungsfäden begonnen und nur langsam zu einem zusammenhängenden Plot verstrickt, ohne dass am Ende die Geheimnisse und Entwicklungen aufgelöst werden. Der Band endet gerade dann, als etwas Licht in das dramaturgische Dunkel der Handlung kommt.
Auch wenn in den ersten drei Vierteln des Buches nicht wirklich viel passiert, hat mich das Werk der Autorinnen trotzdem sehr begeistert.
Die Geschichte ist atmosphärisch dicht und lebt von dem Gegensatz zu der heißen und trockenen Umgebung in der die Geschichte spielt und deren Beschreibung, die einem beim Lesen beinahe die Schweißtropfen auf die Stirn treiben, und dem düsteren, undurchschaubaren Plot der Geschichte, der einem an manchen Stellen eine Gänsehaut beschert.
Obwohl der Titel einen Hinweis auf die paranormalen Protagonisten enthält, vergisst man dies angesichts der unvorhersehbaren Handlung sehr schnell und lässt sich damit überraschen, welche übernatürlichen Figuren in dieser Geschichte eine Rolle spielen.
Die Figuren sind sehr lebensnah und authentisch gezeichnet. Die Geschichte wird im Wechsel aus der Sicht von Dawna und Indie erzählt. Beide Sichtweisen sind in der Ich-Perspektive im Präsens verfasst, und so ist es in der Aufmachung des Buches nicht nur wunderschön anzuschauen, sondern darüber hinaus sehr hilfreich, dass die Perspektivwechsel in zwei unterschiedlichen Farben gestaltet sind, die dazu noch dem Charakter der jeweiligen Ich-Erzählerin angepasst sind. Dawna hat die Farbe Schwarz, die Sachlichkeit und eine gewisse Distanz ausstrahlt, Indie wird mit Rot charakterisiert, das sehr gut zur ihrem übersprudelten Temperament und ihrer direkten Art passt. Deswegen ist auch die Jugend- und Umgangssprache in diesem Buch sehr passend und wirkt nicht deplatziert oder übertrieben. In der Zeit, in der Dawnas und Indies Persönlichkeiten die starke Verbindung zueinander aufbauen, verschwimmen ihre Charaktereigenschaften zum Teil, und manchmal wird dann Dawna überschwänglich und reizbar, während Indie vernünftiger und sachlicher wirkt, gerade in dieser Entwicklungsphase der Handlung ist die unterschiedliche Farbgebung der Kapitel sehr wichtig, da man sonst im Sog der Geschichte schon einmal den Faden verlieren kann, aus welcher Perspektive denn gerade erzählt wird.
Natürlich fehlt auch in "Dark Angels' Summer: Das Versprechen" eine Liebesgeschichte nicht, man bekommt hier sogar gleich zwei zu lesen. Sehr positiv zu erwähnen ist, dass keine Buhlerei der Schwestern um die Liebsten vorkommt, allerdings ist die Entwicklung und die Beschreibung ihrer Partner stellenweise etwas schwach. Im Falle Indies und des großen, gutaussehenden Unbekannten sprühen zwar die Funken, WENN der Unbekannte auftaucht, aber er könnte durchaus öfter in Aktion treten, im Falle von Dawna und ihrem Liebsten könnte die Entstehung der Liebe zueinander lebendiger und greifbarer entwickelt sein.
Die Nebenfiguren in diesem Buch passen zum undurchsichtigen und düsteren Stil des gesamten Buches. Ein Highlight sind Dawnas und Indies durchgedrehte, beinahe schon überlebensunfähige Mutter, die ihre beiden Töchter braucht, um auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und eher von ihnen umsorgt wird als umgekehrt. Das verkehrte Mutter-Tochter-Verhältnis ist sehr schräg und durch Indies direkte und ungehobelte Art häufig für einen herzhaften Lacher gut. Weitere Figuren wie der Engelsguru Shantani, die Meditationsgruppe der Mutter, Dawnas und Indies Jugendfreunde und weitere Einwohner aus Whistling Wing bereichern und prägen die düster wirkende Geschichte, bis auf ein oder zwei blass bleibende oder überflüssig wirkende Charaktere, bei denen man allerdings gespannt sein darf, ob nach den unvorhersehbaren Wendungen im ersten Teil, bei denen sich einige Charaktere ganz anders und in einem anderen Umfang entwickeln wie zunächst gedacht, deren Stündlein dann noch in den Folgebänden schlägt.

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.01.2012
Die Entführung / Dustlands Bd.1
Young, Moira

Die Entführung / Dustlands Bd.1


ausgezeichnet

Die Freude über das stimmige und wunderschöne Design des Buches, dessen Schutzumschlag reliefartige Risse aufweist wie ausgetrocknete Erde, wurde sehr schnell von einem Schrecken über die Sprache abgelöst: die gesamte Geschichte ist in der umgangssprachlichen Ausdrucksweise des Mädchens Saba verfasst, das augenscheinlich wenig Bildung und Kontakt zur Außenwelt genossen hat, und weist über die komplette Länge keine direkt ausgezeichnete wörtliche Rede auf. Diesen Schock musste ich erst mal verdauen. Ich dachte zunächst, dass es eine lange und umständliche Quälerei wird mir dieses Buch einzuverleiben, aber schon bald habe ich meine Meinung revidiert und verstehe und schätze die Beweggründe, die die Autorin Moira Young dazu bewegte dieses außergewöhnliche Stilmittel zu wählen. Ihre Intension war Saba eine Stimme zu geben, die ihre Geschichte direkt und einfach erzählt und zu ihren Erlebnissen und den Figuren passt. Diese Rechnung geht auf. Durch die ungeschnörkelte und charakterisierende Sprechweise, wirkt die Ich-Erzählerin Saba beinahe zum Greifen authentisch. Sie schildert ihre Reise in der Gegenwart und die direkte und dennoch bildhafte Sprache lassen das Endzeitszenario vor dem inneren Auge des Lesers entstehen. Dazu kommt noch, dass die gerade mal neun Kapitel des Buches mit den Wegabschnitten der Protagonistin übertitelt sind, so dass man ihre Abenteuer und Erlebnisse wirklich Schritt für Schritt aus erster Hand miterlebt und beinahe am eigenen Leib spürt. Im Buch kamen einige Stellen vor, bei denen es mich wirklich geschüttelt hat vor Wut und Zorn.
Noch eindringlicher als die blutigen und brutalen Stellen der Geschichte, in denen von Unterdrückung, Kampf und Krieg die Rede ist, waren für mich jedoch die Episoden, in denen Liebe, Freundschaft und Familienzusammengehörigkeit im Vordergrund stehen.
Gerade weil die Charaktere teils kantig sind und auch unsympathische Charakterzüge besitzen, wachsen sie einem umso schneller ans Herz. Man kann es nicht gutheißen, wie Saba zu Beginn der Geschichte ihre kleine Schwester ablehnt, aber irgendwo hat man auch Verständnis für ihre Situation. Genauso, wie Emmi einem wirklich auf die Nerven geht, weil sie nicht auf die Ratschläge anderer hört und die Suche nach Lugh verzögert, dennoch bewundert man den Mut des kleinen Mädchens, die wie ihre große Schwester auch von der Liebe zu ihrem Bruder getrieben wird.
Obwohl Moira Young in ihre Dustlands-Reihe eine Liebesgeschichte eingearbeitet hat, kommt diese wunderbar erfrischend und völlig kitschfrei daher. Saba und Jake sind zwei starke Persönlichkeiten mit ihrem eigenen Kopf und ihre Kappeleien bringen eine Prise Humor in die ansonsten recht harte Story und einen Hauch Romantik durch die wunderschöne Sage des Herzsteins, der die beiden zusammenführt. Die geradlinigen und ehrlichen Rebellinnen der Free Hawks zeigen Saba wie wichtig Vertrauen und Freundschaft ist, und dass Zusammenarbeit und Teamwork meistens mehr Erfolg bringt als der Kampf als Einzelkämpferin. Gerade diesen Aspekt der Geschichte fand ich sehr berührend, weil Saba außer ihrem Bruder und ihrem Raben Nero nie wirklich Vertrauen geschenkt hat, und deshalb sehr lange braucht, um sich für Freundschaften zu öffnen und mehr als einmal hinterfragt, ob sie wirklich Hilfe bekommt ohne das eine Gegenleistung verlangt wird. Ich denke, diese Selbstablehnung, unter der Saba manchmal leidet, und die schon zu Beginn der Geschichte durchblickt, wenn sie Lugh als Licht und sich selbst als Schatten sieht, ist der Hauptgrund, warum einem dieser zunächst so spröde und hart wirkende Charakter so schnell ans Herz wächst: man merkt einfach von Beginn an, dass es nur Fassade ist.

Fazit:
Der spannende Auftakt einer neuen Endzeitsaga, die mit interessanten und recht skurrilen Charakteren aufwartet und eine Welt vor Augen zeichnet, die einer Verfilmung würdig ist. Moira Young hat es geschafft eine karge vertrocknete Landschaft mit lebendigen Charakteren zu bevölkern.

7 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.01.2012
Retrum
Miralles, Francesc

Retrum


gut

F. Miralles hat mit "Retrum" einen atmosphärisch dichten Roman geschrieben, der mit einem flüssigen Schreibstil und einer bildhaften Sprache punktet. Die meisten seiner Charaktere sind detailliert und authentisch gezeichnet, neben Christian hinterlassen auch die anderen Mitglieder von "Retrum" einen intensiven und realistischen Eindruck beim Leser, aber auch insbesondere Alba und einige Nebenfiguren sind starke Charaktere, die die Handlung nachhaltig prägen und tragen, und überraschen im Laufe der Geschichte durch bestimmte Entwicklungen und Passagen innerhalb des Geschehens.
Auch wenn die erste Hälfte des Buches noch sehr ruhig und spannungsarm ist, so flutschte der Roman bei mir trotzdem wie ein Stück nasse Seife, da der Autor nicht nur einen angenehmen und flüssigen Schreibstil besitzt, sondern sich die vom ihm in die Geschichte eingeflochtenen Zitate von Philosophen, Poeten oder Musikern perfekt in den Handlungsablauf einfügen und so die düstere und besondere Atmosphäre verstärken. Deshalb darf man die Rolle der Friedhöfe innerhalb der Story nicht unter den Tisch fallen lassen. Die ganze Symbiose aus dunkler Musik, düsteren Zitaten, Christians Lebensmüdigkeit und Miralles Szenekenntnis schwören eindringliche Bilder der beschriebenen Friedhöfe beim Lesen der Geschichte herauf und machen mit den größten Reiz beim Lesen von "Retrum" aus.
Das Buch ist in fünf Teile untergliedert, die selbst in meistens nur wenige Seiten starke Kapitel unterteilt sind, das führt wie die flüssige Erzählweise des Autors ebenfalls dazu, dass sich die Geschichte im Nu wegliest. Jedes Kapitel hat einen die Handlung aufgreifenden Titel und wird von einem ausgewählten Zitat eingeleitet. Die schwarze Farbe der Seitenschnitte "läuft" an den Seitenrändern in das Buch hinein.
Nach einem gemächlichen Einstieg, der den Leser fragen lässt, womit "Retrum" das Prädikat Thriller verdient hat, zieht die Handlung in der späten zweiten Hälfte des Buches mächtig an und nach dem stillen Grusel auf den nächtlichen Friedhofszenen folgen gruseligere Szenen, die nach Zitaten von Musikern und Philosophen nun auf ein bekanntes Werk des Meisters des Horrors Stephen King anspielen. ReTrum, ReDrum...?!!! Auch das Erzähltempo zieht an und die Handlung wird actionreicher und spannungsgeladener.
Nach dieser Passage waren meine anfänglichen Zweifel an der Qualität des Buches beinahe schon ausgemerzt, und ich dachte, wow, jetzt hat Miralles neben seinen stilistischen Stärken auch zur Stärke im Plot gefunden, doch leider haben mich die letzten Kapitel dann doch ziemlich enttäuscht zurückgelassen. Einige Entwicklungen in der Handlung konnten mich zwar überraschen, doch andere Dinge fand ich recht vorhersehbar. Manches war mir auch einfach zu harmlos oder einfach, nachdem Miralles zwischenzeitlich so stark bei mir gepunktet hat, dachte ich einfach am Ende der Geschichte muss eine viel dramatischere Auflösung stehen. Apropos Auflösung: Retrum ist kein Stand-Alone, es wird eine Fortsetzung geben, nur schafft es Francesc Miralles seine Geschichte nicht so zu erzählen, dass ich am Ende von Retrum die letzte Seite umklappe und auf eine Fortführung der Geschichte giere. Viele Punkte sind geklärt, einige noch offen. Nur das mich die Auflösung der offenen Punkte nicht reizt, mir ist egal, was hinsichtlich dieser Baustellen in der Geschichte noch passiert und damit hat sich "Retrum" bei mir leider auf der Zielgeraden abhängen lassen. Entweder muss ein Autor den Starter eine Reihe mit einem Cliffhanger enden lassen, oder um die Haupthandlung herum weitere Erzählstränge und Charaktere ins Leben rufen, um das Interesse des Lesers zu schüren, dass Leben der Protagonisten und ihre Abenteuer weiter verfolgen zu wollen. Doch mit dem "Ende" der Personen, die mir in der Geschichte am Herzen lagen, kann ich leben nachdem ich den Deckel über "Retrum" zugeklappt habe, und die anderen haben sich mir zu wenig eingeprägt als das ich in deren Leben und in ihre Schicksale tiefer eintauchen muss.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.01.2012
Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter
Pfeiffer, Boris

Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter


sehr gut

Rufus fühlt sich nicht sehr wohl Zuhause. Seine Mutter hat sich seit der Trennung seiner Eltern sehr verändert und hat kaum noch Zeit für ihn. Sein Familienleben ist wie "kaltes Käsebrot", das ist nämlich neben Geld meistens das Essen, was seine Mutter für ihn bereitstellt, wenn Rufus von der Schule nach Hause kommt und bezeichnend für seine Einsamkeit. Deswegen verbringt er seine freie Zeit auch selten Zuhause, sondern fast nur im Museum, wo er die Ausstellungsstücke zeichnet. Durch eine Empfehlung des Museumswärters erhält er eine Einladung in ein Eliteinternat, welches sich aber nach dem Gespräch mit dem Direktor als etwas aufregendes und unglaubliches entpuppt: an der Akademie der Abenteuer wird unterrichtet, aber nicht irgendwas, sondern die Vergangenheit ist zum Greifen und Erleben nah, wenn die Schüler durch eine Flut ausgelöst durch Artefakte mitten in die Vergangenheit entführt werden! Rufus lernt an der Akademie die beiden anderen neuen Schüler Fili und No kennen, und schon bald erleben die drei gemeinsam ihre erste Flut, die sie mitten ins alte Agypten zu Zeit der Pharaonen führt. An ihrer Seite ist eine ältere Schülerin, doch lange ist unklar, ob sie für die Drei eine Hilfe oder vielmehr ein Stolperstein ist, denn Coralia ist schon lange an der Akademie und hat bisher noch keine eigene Flut zu Ende geführt, um ein Artefakt in die Gegenwart zu holen, so dass sie häufig mit Eifersucht und Missgunst auf die Erfolge anderer reagiert. Können die Schüler trotzdem das Rätsel um eine Katzenskulptur lösen und die Flut zu einem erfolgreichen Ende bringen?

Eigene Meinung:
Ich beginne meine Kritik mit einem Punkt, der bei meiner Nichte - die dieses Buch eigentlich lesen wollte - zum Abbruch geführt hat: dafür, dass die Protagonisten Teenager sind, war mir die Sprache in den Dialogen oftmals zu gestellt und hochgestochen. So reden Jugendliche in diesem Alter nicht, die Charaktere kamen mir zu Anfang nicht authentisch rüber und so brauchte ich eine Weile, um die Schwelle - über die meine Nichte gestolpert war - selbst zu bewältigen und mit den Charakteren warm zu werden.
Doch das Durchhaltevermögen hat sich meiner Meinung nach gelohnt. Wenn man sich einigermaßen an die etwas unpassende Sprache der Kinder untereinander gewöhnt hat, wartet eine abenteuerliche Geschichte auf einen, bei der man selbst als Erwachsener noch etwas lernen kann. Neben der Flut, die die Kinder nach Agypten führt, wo sie ein Rätsel lösen müssen und man einiges aus dem Alltagsleben der damaligen Einwohner erfährt, bietet auch das alltägliche Leben und der Unterricht in der Akademie interessante und abenteuerliche Einblicke in das Leben der letzten Jahrhunderte. So erfährt man beim Lesen u.a. was früher in den verschiedenen Ländern gegessen wurde und welche Spiele es gab. Die Kinder werden sowohl mit den Speisen bekocht als auch in diesen Spielen unterrichtet, so dass man nicht nur ganz trocken über die Vergangenheit liest, sondern die Vergangenheit durch die agierenden Protagonisten tatsächlich lebendig wird.
Die Konstellation bei Kinder- und Jugendbüchern, dass die Hauptfiguren aus zwei Jungs und einem Mädchen bestehen, ist ja recht beliebt und auf jeden Fall eine sehr sichere Bank, dass die Geschichten sowohl von Jungs als auch Mädchen gerne gelesen werden. Nebenbei wird durch den Part von Coralia verdeutlicht, wie wichtig Freundschaft, Vertrauen und Zusammenhalt ist, und man in der Regel damit viel weiter kommt wie als einsamer Einzelkämpfer.
Das erste Abenteuer von Rufus, Fili und No ist in sich abgeschlossen, aber wer weitere Abenteuer mit dem Dreiergespann erleben möchte kann mittlerweile auf zwei weitere Geschichten mit dem Trio zurückgreifen.
Die Reihe hat noch Potential nach oben was die Charakterentwicklung und die Authentizität der jugendlichen Protagonisten angeht.

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.12.2011
Saeculum
Poznanski, Ursula

Saeculum


sehr gut

Der Medizinstudent Bastian gerät über seine neue Liebe Sandra in die Mittelalterszene und darf sie kurz darauf zu einem Live-Rollenspiel ihrer Gruppe "Saeculum" in ein abgelegenes Waldstück begleiten. Bereits im Vorfeld droht die Stimmung zu kippen, als herauskommt, dass das Waldstück, welches die Gruppe bereits im Vorjahr für ihr Live-Rollenspiel gewählt hat, verflucht sein soll. Nur wenige aus der Gruppe nehmen die Warnung erst, doch die wenigen kritischen und warnenden Stimmen scheinen Recht zu behalten: was als harmlose Reise in die Vergangenheit beginnt, droht bald bitterer Ernst zu werden, Personen verletzen sich, Teilnehmer verschwinden auf geheimnisvolle Weise und schon bald scheint einer der Gruppe vom Tod bedroht zu sein. Vergangenheit und Gegenwart verknüpfen sich auf eine mysteriöse Weise. Trifft die Gruppe "Saeculum" eine Weissagung, die vor hunderten von Jahren bereits einmal erfüllt wurde oder liegt der eigentliche Fluch für die Rollenspieler in der Gegenwart?

Eigene Meinung:
Das Cover des "Saeculum"-Hörbuchs schmückt das gleiche Bild wie die gleichnamige Buchausgabe aus dem Loewe-Verlag. Karge Äste sind das einzige Bild, das sich beim Blick in den wolkenlosen Himmel bietet, und so karg und ohne Luxus war das Leben auch vor Hunderten von Jahren, in der sich die Live-Rollenspiel-Gruppe Saeculum ansiedelt. Ohne Komfort und ohne Luxus beziehen sie für einige Tage ein karges Waldstück, fernab von jedweder Zivilisation, und Ursula Poznanski hat genau wie bei "Erebos" wieder sehr gute Arbeit geleistet und umfassend in der Szene recherchiert, so dass sie eine glaubwürdige Szenerie heraufbeschwört, in die man sich beim Hören hervorragend hineinversetzen kann.
Die autorisierte Lesefassung wird von Aleksandar Radenkovic gesprochen. Zu Beginn erschienen mir einige seiner stimmlichen Charakterstudien noch etwas überzogen, aber wenn die Handlung erstmal richtig in Fahrt kommt, funktioniert seine Interpretation der Charaktere wirklich perfekt: selbst bei dialoglastigen Szenen und einer temporeicheren Handlung erkennt man jeden Protagonisten dank seiner stimmlichen Interpretation sofort und er fängt sehr gut die von Ursula Poznanski beschriebenen Charaktereigenschaften von jeder agierenden Person ein. Einige Personen konnten mich zwar nicht gänzlich überzeugen, so bleibt Bastian streckenweise wirklich nicht mehr als der langweilige Medizinstudent, als der er zu Beginn beschrieben wird und seine Wendung in der zweiten Hälfte der Story habe ich ihm nicht gänzlich abgenommen, dafür wirken andere Charaktere umso überzeugender und in ihrem Wandel glaubwürdig und überraschend.
Im Gegensatz zu "Erebos" fand ich den Einstieg in das Buch etwas langatmiger und die Charaktere stellenweise nicht ganz so interessant und lebendig und ziehe deshalb im direkten Vergleich an der Benotung einen Punkt ab, da "Erebos" zudem mit einer interessanteren Wendung aufwartet und die Auflösung für mich nicht so konstruiert und überraschender daherkam.
Ein großer Pluspunkt der Hörfassung ist für mich die gestraffte Handlung, da mir das Vorspiel - mit der Charaktereinführung der einzelnen Akteure - zum Live-Rollenspiel im Wald hier schon ausufernd genug ist und die Musik zu Beginn und als Abschluss des Hörbuchs, die eine wichtige Rolle innerhalb der Geschichte spielt, und auf die die Leser der gedruckten Ausgabe leider verzichten müssen.

Fazit:
Auch wenn "Saeculum" für mich nicht ganz an "Erebos" heranreicht, so schafft es Ursula Poznanski dennoch zum wiederholten Mal mit einem starken Plot, größtenteils interessanten Charakteren und einer fundiert recherchierten Kulisse zu überzeugen, und entführt ihre Hörer in diesem Fall mitten aus der Gegenwart direkt in ein mittelalterliches Leben behaftet mit einem grausigen Fluch, welcher sicher bei dem einen oder anderen Lauscher der Geschichte eine Gänsehaut erzeugen wird.

11 von 15 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.